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Die Werbegesellschaft

Die Werbegesellschaft

Werbung und Marketing führen zu einer Vereinheitlichung der Lebensentwürfe und bedeuten die größtmögliche Verschwendung von kreativem Potenzial.

Sie ist aus dem Leben überhaupt nicht mehr wegzudenken: die Werbung. Überall drängt sie sich penetrant mit ihren stumpfen und oberflächlichen Parolen auf. Sei es auf der Straße in Form von Plakaten, in Zeitungen oder im Internet durch Anzeigen und Pop-ups, sei es im Fernsehen oder im Radio in Form von lauten, aufdringlichen Clips. Sogar auf Onlineplattformen wie YouTube, wohin viele geflohen sind, gerade weil sie die Werbung nicht mehr ertragen konnten, gibt es sie immer mehr. Vor beinahe jedem Video, und oft auch noch mittendrin, werden Werbeclips abgespielt, die manchmal minutenlang laufen. Überspringen kann man sie dabei oft erst nach 20 Sekunden, sodass man entweder gezwungen ist, die Werbung zu ertragen oder abzuschalten, wodurch YouTube seinen eigentlichen Wettbewerbsvorteil selbst abschafft.

Doch es geht weit über einfache Clips hinaus. Die Mehrzahl der Videos auf Plattformen wie YouTube wird mittlerweile professionell produziert, von sogenannten Influencern. Diese avancieren dadurch oft zu Stars, vor allem in der jüngeren Generation, und fungieren als Werbeträger, um Produkte zu bewerben und sie an das oft junge Publikum zu bringen. Dies geschieht zumeist unterschwellig, gar nicht durch offensives Bewerben, sondern durch das subtile Einflechten der Produkte in das Video. Andere lassen ihre Videos offen sponsern und stellen dabei den Sponsor in ihrem Video vor, sodass nicht einmal ein Werbeblocker die Werbung abschalten kann. Dasselbe geschieht auf anderen Plattformen wie Instagram oder TikTok. Die Werbung wird dadurch elementarer Bestandteil des Alltags, sie durchdringt unser ganzes Leben und beschallt uns auf allen Kanälen.

Werbung ist ein zentraler Teil des kapitalistischen Systems. Denn dieses kann nur durch ständiges Wachstum überleben. Wachstum ist jedoch nur möglich, wenn immer mehr Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden. Der Kapitalismus lebt also davon, den Konsumenten ständig neue Produkte zu verkaufen.

Dabei geht es schon lange nicht mehr darum, die natürlichen Grundbedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Im Gegenteil, der Kapitalismus erfüllt keine Bedürfnisse, die der Mensch von Natur aus hat, sondern er muss, um die immer größere Flut von Waren in den Markt zu pressen, in den Menschen ständig neue Bedürfnisse wecken und ihnen dann die Lösung für deren Befriedigung präsentieren.

Dabei appelliert er beständig an die Gefühle des Mangels und der Minderwertigkeit, die dieses System durch Traumata in jedem Menschen hinterlässt.

Die Werbung suggeriert dann, wenn man nur dieses Produkt kaufe oder jene Dienstleistung in Anspruch nehme, dann könne man zu dem Menschen werden, der man immer sein wollte. Dabei wusste man vor dem Werbeclip noch gar nicht, dass man jemals ein anderer Mensch sein wollte — die Werbung hat es einem nur untergeschoben. Produkte und Waren werden genutzt, um das Ego aufzuwerten, so als brächte dieses Produkt einen vollkommenen Persönlichkeitswandel mit sich.

Das ist natürlich nicht der Fall. Jemand, der sich als Versager empfindet, wird das auch mit Rolex, Porsche oder dem neuesten Smartphone tun. Jemand, der im Mangel lebt, kann noch so viele Kurse absolvieren, die einem zeigen, wie man reich, schön und berühmt wird — das Gefühl des Mangels wird dadurch nicht verschwinden. Werbung zielt lediglich darauf ab, die Menschen mit falschen Versprechen dazu zu bringen, ihr Geld in etwas zu investieren, von dem sie sich erhoffen, dass es sie aufwerten wird. Damit erfüllt Werbung den Straftatbestand des Betrugs und gehört eigentlich konsequent verfolgt.

Großes Geschäft

Doch Werbung selbst ist längst zu einem Industriezweig geworden, einem Pfeiler der Wirtschaft jedes einzelnen Landes. Allein die deutsche Werbewirtschaft erzielte im Jahr 2022 dem Dachverband der Werbewirtschaft zufolge einen Umsatz von 48 Milliarden Euro. Das waren 1,24 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Im Jahr 2023 wuchs die Werbeindustrie auf 48,87 Milliarden Euro. Damit wird ersichtlich, dass die Bedeutung der Werbung nur weiter steigt. Und auch Plattformen, die Werbung anbieten, machen enorme Umsätze: 2023 waren es etwa 26,3 Milliarden Euro. Vor allem profitiert haben dabei Google mit 6,16 Milliarden Euro und Amazon mit 2,127 Milliarden Euro. Die Werbeindustrie stellt 897.800 Arbeitsplätze und ist damit ein großer Beschäftigungszweig. Und da sind die Influencer noch nicht miteingerechnet.

Influencer machen einen wachsenden Teil der Werbewirtschaft aus, im Jahr 2022 weltweit etwa 16,4 Milliarden US-Dollar. Bis 2025 soll der Markt Schätzungen zufolge auf 22,2 Milliarden Dollar ansteigen. Die Werbung durch Influencer richtet sich dabei vor allem an jüngere Menschen. 3 von 4 Deutschen zwischen 16 und 24 Jahren begegnen jeden Tag Influencern auf der ein oder anderen Plattform. Cool, dynamisch und unglaublich kreativ bringen diese somit ihre Werbebotschaften an die Jugend. Generell gibt sich die Werbebranche als kreatives Betätigungsfeld.

Wie viel Kreativität dabei für sinnlose Inhalte verschleudert wird, lässt sich ermessen, wenn man nur einmal den Fernseher einschaltet oder auf YouTube den Werbeblocker ausschaltet. Was könnte die Menschheit zustande bringen, wenn man all das kreative Potenzial zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und für die Kunst nutzte, anstatt Möglichkeiten zu ersinnen, den Menschen sinnlose und überflüssige Produkte anzupreisen!

All das Geld, die Zeit und die Ressourcen könnten viel besser verwendet werden.

Es ist nicht nur die Zeit der Werbeschaffenden, die auf diese Weise verschwendet wird, sondern vor allem die der Mediennutzer. So sind die Deutschen im Schnitt 71 Stunden in der Woche online. Seit der Pseudopandemie verbringen 68,5 Prozemt der Deutschen mehr Zeit auf YouTube. Dabei kommen sie auch vermehrt mit Werbung in Kontakt. Die dauerhafte Nutzung von Onlineplattformen kann zu Abhängigkeit führen. Besonders betroffen sind davon Jugendliche. 2023 waren einer Studie zufolge etwa 680.000 Kinder und Jugendliche süchtig nach Computerspielen und Social Media. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Allein im öffentlichen Raum ist heutzutage kaum noch jemand ohne Smartphone anzutreffen.

Social Media hat also die Menschen in eine Abhängigkeitsspirale gebracht, in der diese durch geschickte Werbung gehalten und zu immer weiterem Konsum animiert werden. Auf diese Weise rauben die Online-Inhalte den Menschen kostbare Lebenszeit. Ähnlich ist es beim Fernsehen: Gerade auf den privaten Kanälen wird jeder Film immer wieder für ausgedehnte Werbesendungen unterbrochen. Mittlerweile ist es so extrem, dass man mehr von Dauerwerbesendungen mit Filmunterbrechung sprechen müsste.

Große Gleichschaltung

Die Logik des Marketings bleibt jedoch nicht innerhalb des Rahmens von Werbung und Verkauf. Sie metastasiert in die gesamte Gesellschaft hinein und wird überall übernommen. Der Mensch wird heute zum Werbeträger seiner selbst. Er muss sich selbst vermarkten, sich anpreisen und verkaufen, um auf dem „Arbeitsmarkt“, einem diktatorischen Regime der Zwangs-Selbstverwertung, zu bestehen. Und so preisen unzählige Anbieter sich selbst und ihre oft fragwürdigen, meist jedoch ganz und gar überflüssigen Produkte und Dienstleistungen via Social Media an. Der Mensch wird stets danach beurteilt, wie er performt, wie er sich darstellt. Dabei werden die Menschen dazu gezwungen, einem bestimmten Ideal zu folgen. So spielen sie sich zu erfolgreichen Unternehmern, Selfmade-Neureichen und Experten in Sachen Geldverdienen auf.

Das Wesen der kapitalistischen Marketinggesellschaft ist bringt es mit sich, dass die Menschen kein vertieftes Wissen, keine Fähigkeiten und Kompetenzen mehr erwerben, sondern sich ihr einziges Ziel und ihr einziges, oft vermeintliches, Wissen darauf erstrecken, die besten Arten und Weisen des Geldverdienens zu ersinnen.

Geld ist der einzige Daseinszweck allen Tuns und das einzige Ziel, das die Menschen sich noch setzen. Und so setzen sie alles daran, ebendieses Geld zu verdienen. Das führt nicht nur zu einer Erosion der Gesellschaft, die zu einer egogesteuerten Ellenbogengesellschaft degeneriert, in der alles im beständigen Wettbewerb und Kampf zueinander steht, sondern auch zu einer Erosion der Wirtschaft an sich, da es immer weniger darum geht, echte Werte zu schaffen oder die wichtigen Grundbedürfnisse der Menschen zu erfüllen, sondern sich vielmehr als Einmannunternehmen zu inszenieren und Geld durch windige Angebote zu generieren. Gleichzeitig werden all jene aus der leistungsorientierten Konkurrenzgesellschaft aussortiert, die das Ideal des jungen, dynamischen, erfolgreichen und immer arbeitenden Selfmadeunternehmers nicht erfüllen.

Die Werbung, die längst schon auch in Serien und Filme metastasiert ist, erweckt dabei in allen Menschen dieselben Bedürfnisse, stellt dieselben Rollen, Körpermaße und Lebensstile als Ideal dar, das zu verfolgen der einzige Daseinszweck des Lebens sei. So unterwirft sie den Geist der Menschen denselben Zielen, Idealen und Wunschvorstellungen, nach denen sich alle Menschen gleichermaßen ausrichten. Das geschieht subtil und bringt die ganze Gesellschaft dazu, sich zu verändern, um diese Ziele und Ideale neu aufzustellen. Dominiert wird die Werbeindustrie dabei nicht nur von US-amerikanischen Konzernen und Plattformen — auch die Ideale und Wertvorstellungen stammen aus den USA, ja sogar die Propagandatechniken, die eingesetzt werden, wurden in den USA ersonnen. Wichtige Namen sind hier Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud, der das Buch „Propaganda — die Kunst der Public Relations“ schrieb, auf dem die gesamte Werbeindustrie beruht, sowie Walter Lippman.

Die Massenkonsumgesellschaft erreicht auf diese Weise auch über das Mittel der Werbung ein extremes Maß an Gleichschaltung, und das in einem Ausmaß, wie es der Faschismus niemals erreicht hätte. Denn wenn so viele sich dem Diktat des Geldes und den Verlockungen der Werbung unterwerfen, werden Lebensentwürfe vereinheitlicht und kulturelle Vielfalt abgeschafft.

Alles wird in dieselbe Bahn gelenkt, denselben Anforderungen unterworfen. Profit, Selbstdarstellung und Verwertbarkeit auf einem ominösen Markt dominieren die Menschheit, absorbieren die kreativen Potenziale und führen diese der Verwertung zu. Die Werbung ist dabei ein Instrument eines globalen Faschismus, dessen einzige Zwecke unendliches Wachstum, ständige Profitmaximierung sowie Monopolisierung sind. Nicht umsonst basiert die Werbung auf den Strategien der Propaganda ebenjenes Edward Bernays, derer sich auch Josef Goebbels schamlos bedient hat.

Die Werbung forciert also eine faschistische Hegemonie der absoluten Verwertung allen Lebens und aller Ressourcen auf einem vollkommen monopolisierten Markt. Sie durchdringt sämtliche Lebensbereiche und verwandelt sie in einen Schein von Leben, in ein großes Spektakel, wie es Guy Debord in seinem Standardwerk „Die Gesellschaft des Spektakels“ beschrieb. Gleichschaltung und Vereinheitlichung dominieren die Menschheit auf diese Weise, machen sie für die Maschinerie des Kapitalismus greif- und verwertbar. Daher ist die Werbungsmaschinerie ein grundlegendes Übel unserer Welt. In jedem Land, selbst im vorgeblich kommunistischen, in Wahrheit durch und durch kapitalistischen China ist Werbung omnipräsent.

Sie stellt nicht nur eine Belästigung dar, sondern redet den Menschen immer neue Bedürfnisse ein, um den Absatz zu erhöhen, und schaltet die Gesellschaft gleich. Daher wäre es notwendig, Werbung grundsätzlich abzuschaffen.

Werbung ist organisierter Betrug. Die Produkte halten nie, was die Werbung verspricht, sie werden ideal dargestellt, und die ungesunden, schädlichen Aspekte der Produkte werden unterschlagen. Werbung sollte eigentlich als kriminell betrachtet und verboten werden.

Da dies aber nicht geschehen wird, ist es sinnvoll, sich der Werbung zu entziehen und damit auch der Fremdbestimmung und den Versuchen äußerer Beeinflussung. Ein einfacher Schritt dahin ist es, im Onlinebrowser Werbeblocker wie Ublock Origin oder Ablock Plus zu installieren. Auf diese Weise wird man auch gleich Werbetracker los, die das Onlineverhalten überwachen. Zudem könnte man sich aus den sozialen Netzwerken abmelden, den Fernseher und das Radio verbannen. Das Internet bietet die Möglichkeit, sich Inhalte gezielt auszusuchen, und ist der Werbeblocker einmal installiert, kann das sogar ganz werbefrei geschehen. Es ist eine leichte, erste Maßnahme, die das Leben angenehmer macht und von diesen Einflüssen zumindest zum Teil befreit.

Der erste Schritt in die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, in der man sich über seine wahren Bedürfnisse, Ziele, Ideale und Vorstellungen klar wird, ist es, diese Fremdbestimmung zu überwinden, und das ist zumindest teilweise möglich, indem man Werbung konsequent aus seinem Leben verbannt.


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