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Echt jetzt!

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Nicht im Außen, nur im Innen finden wir wirklich Halt und Orientierung.

„So schlimm ist es doch nicht.“ Um welches Thema es auch geht: Wir sind versucht, uns die Dinge schönzureden. Wie jemand, der erfahren hat, dass er eine schlimme Krankheit hat, wird die schlechte Nachricht abgewiesen. „Das kann nicht sein. Die haben die Ergebnisse vertauscht.“ Wir wollen es einfach nicht glauben. Bevor wir das Offensichtliche annehmen, rebellieren wir, sind wütend, empört und richten uns gegen den, der die Botschaft überbracht hat. Erst dann bricht eine Welt für uns zusammen.

Auch kollektiv weisen wir von uns, was wir nicht wahrhaben wollen: „Wenn es so wäre, dann wüssten es doch alle. Das waren doch alles Gesundheitsmaßnahmen. Die Streifen am Himmel sind doch Kondensstreifen. Frauen sind doch heute emanzipiert. Es ist doch berechtigt, dass auch Männer eigene Kinder haben wollen. Es geht doch um mehr Toleranz, mehr Gleichheit, mehr Sicherheit, mehr Umweltschutz, mehr Frieden, mehr Gerechtigkeit, mehr Demokratie. Die Sklaverei ist doch abgeschafft.“

Wir alle haben es gerne bequem. Wohl die meisten von uns scheuen Veränderungen. Viele Jahre verbringen wir mit Partnern, die wir nicht mehr lieben, und bleiben in Situationen haften, die wir eigentlich nicht mehr wollen. Bevor wir uns in Bewegung setzen, muss der Leidensdruck oft so groß sein, dass es wirklich nicht mehr anders geht. Den Schritt ins Unbekannte zu wagen, ist für viele Menschen schwerer, als weiter etwas zu ertragen, womit man sich arrangiert hat. Da weiß man, was man hat. Es könnte ja noch schlimmer kommen.

Fatale Prägung

Mancher hat schon ein Problem damit, die kleinste alltägliche Geste zu verändern. Als hinge unser Leben davon ab, halten wir an eingefahrenen Gewohnheiten fest, auch wenn es nicht optimal ist. So haben wir wenigstens etwas, woran wir uns festhalten können. Wir brauchen Markierungen, an denen wir uns entlanghangeln. Mancher fürchtet, ins Leere zu fallen, wenn sein Tag nicht durch einen äußeren Plan eingeteilt wird. Was würden wir mit unserer Zeit anfangen, wenn uns niemand einen Rahmen gibt?

Jahrtausendelang hat uns ein allmächtiger Vatergott gesagt, wo es langgeht. Wir mussten nur an ihn glauben, und alles war in Ordnung. Von oben wurde durchgegeben, was wir unten zu tun und zu lassen haben. So brauchten wir uns selber keine Gedanken mehr zu machen.

Wir mussten einfach nur die Regeln einhalten, um, wenn schon nicht auf Erden, so aber doch spätestens im Himmel ins Paradies zu kommen.

Seit der Erfindung des Patriarchats und seiner hierarchischen Herrschaftsstrukturen hat sich grundsätzlich nicht wirklich etwas geändert. Kriege, Inquisition, Versklavung, Verfolgung, Unterdrückung, Folter, Ausbeutung und materielle Not haben tiefe Spuren in uns hinterlassen und uns immer gefügiger gemacht. Heute wie früher: Von oben wird durchgegeben, was sich uns in einer nicht endenden Folge von Gewalt bis ins Mark eingeprägt hat: Wer ausschert, der riskiert sein Leben.

Diese Lektion haben wir gelernt wie keine andere. Als soziale Wesen wissen wir, dass der Ausschluss aus der Gruppe unseren Tod bedeuten kann. Als Gewohnheitswesen setzen wir uns nur schwer in Bewegung. Die Angst hat uns folgsam und unterwürfig gemacht. So wundert es nicht, dass sich so viele Menschen heute den Anordnungen von oben beugen: „Die machen das schon. Die wissen schon Bescheid. Lieber nicht auffallen. Pass auf. Die stecken dich ins Gefängnis. Die stellen dich an die Wand. Die machen kurzen Prozess.“

Bequem gemacht

Traumata, das wissen wir heute, reisen von Generation zu Generation. Auch in der materiellen Welt geht nichts verloren. Nichts wird geschaffen, alles verändert sich. Wir schwimmen gewissermaßen in einer Suppe, in der sich die Dinge immer wieder neu zusammensetzen. Teile von uns waren mit dabei, als Hexen auf Scheiterhaufen verbrannt und Soldaten auf Schlachtfeldern zerrissen wurden. Direkt oder indirekt sind wir mit allem verbunden, was einmal existiert hat — und entsprechend programmiert.

Auf jede nur erdenkliche Weise wurde uns durch das patriarchale Obrigkeitsdenken aberzogen, uns an uns selbst zu orientieren, an unserer eigenen Wahrnehmung, unserer Intuition, unserem Herzen. Die meisten von uns dienen fremden Herren. Immer wieder erhoffen wir uns den Segen von Außen.

Auch viele spirituelle Menschen suchen ihr Heil dort, wo es nicht zu finden ist: woanders. Mancher schickt heute seine Wünsche ans Universum und wartet darauf, bedient zu werden.

In der spirituellen Szene haben sich viele Menschen daran gemacht, Botschaften aus der unsichtbaren Welt zu kanalisieren. Nicht nur mit Verstorbenen wird kommuniziert, sondern mit allen möglichen aszendierten Meistern, Erzengeln, Außerirdischen und mit Maria und Jesus höchstpersönlich. Wie Kätzchenbilder flattern Engelsbotschaften durch die sozialen Netzwerke.

Nur das Gute soll sich manifestieren. Dabei gehen viele davon aus, dass in der geistigen Welt alles gut ist. Wieder soll alles Gute von oben kommen. Wieder suchen wir woanders, was wir nur in uns finden können. Wieder sind wir folgsam. Wieder machen wir es uns bequem. Wir bilden uns ein, nur das Licht rufen zu müssen, und schon fließt es auf uns herab.

Wir schicken einander Licht und Liebe, wenn es uns schlecht geht. Wer das tut, meint es sicher gut. Doch ein wenig ist es so, als würden wir vom Rand aus Blumen auf jemanden werfen, der gerade durch die Hölle geht. Es ist wie mit den guten Ratschlägen, die wir anderen geben, um uns selbst zu beruhigen, wie ein distanziertes „Kopf hoch, das wird schon wieder“ oder ein egozentriertes „Bei mir war es noch schlimmer“.

Zwischen hell und dunkel

Wenn es mir schlecht geht, dann hilft es mir, wenn jemand es wagt, zu mir in die Tiefe zu steigen und es neben mir aushält. Ja, es ist schlimm. Nichts wird beschönigt. Es ist dunkel. Auch wenn das Licht dorthin fließt, wo es dunkel ist (1), es tut weh. Auch wenn im Absoluten allein das Licht ist, auch wenn Licht keine Dunkelheit braucht — wir leben in einer dualen Welt, in der es beides gibt: hell und dunkel, schwarz und weiß, Freude und Leid.

Auch wenn ich manchmal gerne wüsste, wo der Fahrstuhl in die fünfte Dimension ist: In diesem Moment stecke ich bis zum Hals in der dritten Dimension mit all ihren Gegensätzlichkeiten. Hier hilft es nicht, die Realität zu verweigern und irgendwelche Fake-Paradiese zu erschaffen.

Hier muss ich durch den Sumpf waten und mir die Hände schmutzig machen, wenn ich vorankommen will.

Ich muss es selbst tun. Niemand von Außen kann mir sagen, was zu machen ist. Kein Lehrer, kein Arzt, kein Spezialist, keine Mutter, kein Vater, kein bester Freund und auch niemand aus der geistigen Welt. Nur wir allein können wissen, wo es für uns langgeht. Wir fühlen es, wenn wir authentisch sind und wirklich ehrlich zu uns selbst. Dann bekommen wir Besuch. Dann kommt Hilfe. Dann sind wir empfänglich für eine innere Stimme, die gleichzeitig von außen kommt.

Echtheit, Akzeptanz, Hingabe — das sind die Wegweiser, die uns weiterbringen können. Beobachten wir, was passiert. Verankern wir uns gut im Boden. Seien wir präsent. Halten wir es aus. Es wird vorübergehen. Was jetzt unüberwindlich scheint, wird einst hinter uns liegen. Und vielleicht liegt es da in gewisser Weise auch schon. Ist es nicht so in der Welt der Gegensätze, dass sich dem Moment, in dem das Problem erkannt ist, auch die Lösung zeigen kann?


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Kerstin Chavent: Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist. Zuversicht für eine neue Zeit, Europa 2017

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