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Ein anderes Wort für Krieg

Ein anderes Wort für Krieg

Unter dem Label „Zeitenwende“ wird ausschließlich ein Projekt vorangetrieben: die Hinwendung zu Hochrüstung und Kriegsvorbereitung. Exklusivauszug aus „ZeitenWenden“.

„Artikelgesetz Zeitenwende“

Zeitenwenden sind so alt wie die Menschheitsgeschichte. Der Übergang zum Neolithikum, von Jägern und Sammlern zur Sesshaftigkeit, war eine Zeitenwende, ebenso wie die Abschaffung des Matriarchats, die Erfindung des Rads — die wohl weltbewegendste Erfindung bis dato, auch wenn ihr KI und Roboter in Ausmaß und Dimension den Rang ablaufen könnten. Die Achsenzeit von Karl Japsers, in der rund 600 Jahre vor Christus im alten Griechenland das Ich in die Welt der Philosophie kam, oder die Französische Revolution von 1789, die aus Untertanen Bürgern machte.

Müssen wir uns also Sorgen machen über etwas, das es schon immer gegeben hat, nämlich Wendungen der Zeit? Was ist normal am derzeitigen Moment, was ist ungewöhnlich? Was können wir vielleicht steuern, was nicht?

Tatsächlich erinnert der zeitgenössische Moment, der oft als „Multikrise“ bezeichnet wird, an den Untergang des alten Roms, der sich über rund 300 Jahre erstreckte, also weit über ein Menschenleben hinaus.

Kaum einer wird prognostizieren können, wohin die derzeitige Zeitenwende Europa und die Welt treibt. Vier Faktoren, die gemeinhin als Auslöser für den Zerfall des Römischen Imperiums gelten — Dekadenz, äußere Bedrohung, Klima und Bürgerkrieg —, lassen sich unschwer auch heute diagnostizieren, und dies entspricht mithin der typischen Verbindung von Transformation und Katastrophe, den phänotypischen Elementen jedes Krisengeschehens, das heute wie damals apokalyptisch daherkommt. Apokalypse heißt übrigens, „mit einem Schrei die Lüge der Welt benennen“. Die isländische „Lieder-Edda“, ein uraltes Sagen- und Heldenepos, hat hierzu allegorisch viele interessante Dinge zu sagen.

Wenn die Lüge sichtbar wird, platzt die alte Welt.

Die Dekadenz ist heute „linksgrün-versifft“, die Katastrophe oder Bedrohung wahlweise die AfD oder Putin, das Klima ändert sich, und ein Bürgerkrieg zwischen polarisierten gesellschaftlichen Gruppen liegt gleichsam in der Luft. Dies alles zu durchleben, ist die Zeitenwende, und dafür, dass wir gut durch die Apokalypse kommen, also die Lügen nicht platzen lassen, gibt es jetzt 800 Milliarden. Preiswerter wäre es wahrscheinlich, wenn wir es einfach mal mit der Wahrheit versuchten, ohne Hysterie und ganz unaufgeregt: Umweltschutz statt Klimahysterie, Frieden statt Krieg, Denken statt KI. Kostet nicht viel, würde uns aber abverlangen, von unserem Glauben abzufallen, genauer: von unserer Ideologie. Anders formuliert, es würde uns abverlangen, zur Vernunft zurückzukommen.

Zeitenwende ist ein Wort, das in den letzten Wochen und Monaten so oft benutzt wurde, dass man es nicht mehr hören kann — gewissermaßen die Neuauflage von „alternativlos“. „Zeitenwende“ sagte Olaf Scholz 2022 anlässlich des russisch-ukrainischen Krieges: „Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“ Zeitenwende sagten viele zu Jahresbeginn 2025, als Donald Trump vereidigt wurde und so viele Dekrete pro Tag unterschrieb, dass einem vom bloßen Zuschauen schwindelig werden konnte.

Kaum ein politischer Kommentar anlässlich der Münchener Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2025, der ohne das Wort Zeitenwende auskam: Zäsur. Epochenbruch. Neubeginn. Aufregung. Kaum morgens aufgewacht, war man schon „in der Welt von gestern“. Stefan Zweig lässt grüßen: „Aber die schlimmen Nachrichten häufen sich und wurden immer bedrohlicher“ (Seite 255).

Dass der euphemistische Begriff der Zeitenwende lediglich die Verschleierung einer Kriegserzählung ist und auch im behördlichen Gebrauch schon reduziert wurde auf Krieg, das wurde in deutscher Beamtensprache schon in ein Gesetz gegossen: „Um die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu steigern, hat der Bundestag das ‚Artikelgesetz Zeitenwendeʻ beschlossen. Es soll die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung angesichts aktueller Herausforderungen steigern und ist ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zu kriegstüchtigen deutschen Streitkräften“, so steht es auf der Website des Bundesministeriums für die Verteidigung.

Zeitenwende also nur ein Gesetz für Krieg? Auf die deutsche Bürokratie konnte man schon immer zählen!

Welche Elemente die jetzige Zeitenwende ausmachen beziehungsweise warum wir da gelandet sind, wo wir sind — nämlich in der Unvernunft —, darum soll es in diesem Büchlein gehen. Es wird gewagt, in groben Strichen zu skizzieren, worüber wir eigentlich nachdenken sollten, die Umrisse einer neuen Zeit zu zeichnen, die jetzt anbricht, eine Skizze der gesellschaftlichen Veränderungen, deren Heftigkeit am Horizont schon zu greifen, die aber noch nicht in den Köpfen sind und vom politischen Tagesgeschäft noch nicht erfasst werden. Zeitenwenden entziehen sich der Politik. Es sind Momente, in denen die Geschichte über das Leben der Menschen herfällt, in denen die Geschichte fast physisch in ihren Alltag eindringt: Wenn Krieg ist, wird der Weg zur Arbeit ein Statement vorgetäuschter Normalität.


Hier können Sie das Buch bestellen:ZeitenWenden: Zur geistigen Situation der Gegenwart


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