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Eine kurze Geschichte der Ausgrenzung

Eine kurze Geschichte der Ausgrenzung

Frauen, Juden, Migranten, Ungeimpfte, Transsexuelle — welche Gruppen diskriminiert werden, ändert sich entsprechend dem Zeitgeist. Nur das Prinzip bleibt das gleiche.

„Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog, hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein.“

So ließ der ostdeutsche Liedermacher Gerhard Schöne in seinem Album „Menschenskind“ von 1985 das Lied „Wellensittich und Spatzen“ beginnen. Was folgt, war die für Gerhard Schöne typisch poetische Schilderung eines ganz und gar nicht poesievollen Themas: was Mehrheiten mit Minderheiten machen, wenn den Mehrheiten an den Minderheiten etwas nicht passt.

Menschen grenzen wahrscheinlich einander aus, solange es sie gibt. Bei Ausgrenzungen geht es immer um das Erlangen oder den Erhalt von Privilegien, um Macht und Unterdrückung bis hin zur physischen Vernichtung. Die erste dokumentierte Ausgrenzung ist die Vertreibung aus dem Paradies. Das war auch die untypischste Ausgrenzung aller Zeiten. Gemeinhin grenzen nämlich Mehrheiten Minderheiten aus. Bei Adam und Eva war es Gott allein. Aber der war und ist schließlich allmächtig.

Obwohl ich selbst in einem kleinen Ort wohne, der im Zuge der Gegenreformation in Böhmen gegründet wurde, was allein schon Stoff böte, scheint mir das Vorhaben einer „kurzen Geschichte“ doch recht anmaßend, weshalb ich mich auf die letzten hundert Jahre und Deutschland beschränken muss. Die reichen auch vollständig aus, um zu zeigen, wohin Ausgrenzung führt.

Das prominenteste Beispiel von Ausgrenzung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (HRR) war das der Juden. Erst nach Untergang des HRR bekamen Juden sukzessive Bürgerrechte. Juden konnten nun also auch in Berufe vordringen, die ihnen bis dahin vorenthalten waren. So konnten sie auch als Soldaten und Offiziere im Ersten Weltkrieg zu Meriten kommen oder fürs Vaterland sterben.

Es hatte den Anschein, dass die Deutschen kein Problem mehr mit den Juden hätten. Der Aufstieg der Nationalsozialisten gründete sich jedoch nicht unwesentlich darauf, dass sie den Deutschen permanent einredeten, ihre Welt wäre ohne die Juden eine bessere.

Wirklich ausgrenzen konnten die deutschen Faschisten allerdings erst nach ihrer Machtergreifung am 30. Januar 1933. Das taten sie dann jedoch mit bemerkenswerter Geschwindigkeit, Konsequenz und Fantasie. Da Ausgrenzung erst dann perfekt ist, wenn die Ausgegrenzten mit dem Rest nicht mehr in Kontakt kommen, erfanden die Nationalsozialisten zu diesem Zweck das Konzentrationslager. Eigentlich haben sie es, wie auch die Autobahn, nicht erfunden. Es gab bereits im Ersten Weltkrieg Konzentrationslager, vor allem für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, aber auch politische Gefangene. Die politischen Gefangenen wurden in „Schutzhaft“ genommen, eine Form der Fürsorge, die schon Rosa Luxemburg für sich in Anspruch nehmen durfte.

Die Konzentrationslager der Nationalsozialisten erreichten jedoch vollständig andere Dimensionen. Gut vier Wochen nach Machtergreifung, am 3. März 1933, entstand in Nohra bei Weimar das erste, zehn Tage später in Dachau das zweite. Bis Ende 1933 wurden an etwa 40 Standorten Konzentrationslager eröffnet, teilweise wegen Platzmangels oder unzureichender technischer Infrastruktur geschlossen beziehungsweise an neue Standorte verlegt. Bis 1935 wurden in ihnen überwiegend politische Gefangene festgehalten.

Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ schufen die Nationalsozialisten bereits am 7. April 1933 die Grundlage für das Entfernen aller nichtarischen Angestellten und Beamten aus dem Staatsdienst. Nicht mal drei Wochen später, am 25. April 1933, folgte das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“. Auch hier ging es gegen Nichtarier und — man darf sich wundern — gegen Frauen. Der Anteil der Frauen durfte danach nur noch 10 Prozent aller Immatrikulationen ausmachen.

Die Konzentrationslager wiederum erwiesen sich als so praktisch, dass man ab 1936 in ihnen zunehmend Juden, „Berufsverbrecher“, Asoziale — offiziell „Gemeinschaftsunfähige“ genannt —, Schwule, „Bibelforscher“, das heißt Zeugen Jehovas und Siebenten-Tags-Adventisten, sowie „Zigeuner“ — Roma und Sinti — unterbringen konnte.

Die Zahl der Inhaftierten, zu denen seit Kriegsbeginn auch immer mehr Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gehörten, erreichte im Januar 1945 mit mehr als 700.000 ihren traurigen Höhepunkt.

„Die Judenfrage in den von uns besetzten Ländern wird bis Ende dieses Jahres erledigt sein. Es werden nur Restbestände von einzelnen Juden übrig bleiben, die untergeschlüpft sind.“

Heinrich Himmler hat das 1943 gesagt. Man möchte fragen: erst?

1935 erließen die Nationalsozialisten die „Nürnberger Gesetze“ mit dem „Blutschutzgesetz“ und dem „Reichsbürgergesetz“. War die Unterdrückung der Juden bis dahin eher informell, so wurde sie nunmehr ausschließlich formell. Es ging um die staatliche Legitimation der Entfernung von Juden aus dem öffentlichen Leben. Mit der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ aus dem Jahr 1938 entzog man den Juden die Existenzgrundlage: Unternehmen und Grundbesitz mussten zu Schleuderpreisen verkauft werden, Wertpapiere waren bei den Banken zu hinterlegen.

Da die Nazis offenbar erkannt hatten, dass letztlich auch die Juden ein Volk ohne Raum sind, trotz aller Repressionen noch viel zu viele nicht ausgewandert waren, somit eine unmittelbare Gefahr für die arische Rasse darstellten — oder auch nur noch nicht genügend jüdisches Eigentum den Besitzer bei unzähligen „Judenauktionen“ gewechselt hatte —, waren sie in ihrer unendlichen Güte um eine „Endlösung“ für die Juden bemüht. Dazu erfanden sie 1941 wieder etwas völlig Neues: die Vernichtungslager. Diese freilich waren nicht in den von Deutschen besiedelten Gebieten errichtet worden. Wenn auch die Bevölkerung Weimars die Befreier glauben machen wollte, vom Treiben auf dem Ettersberg nichts mitbekommen zu haben: Das hätte man vorm Volk nicht verheimlichen können.

Für eine „Endlösung“ jedoch waren die Nazis schlicht nicht schnell genug. Gott sei Dank!

Während bei den „Judenauktionen“ noch in deutscher Gründlichkeit penibel Buch selbst über die kleinsten versteigerten Gegenstände geführt wurde, hatten die Nazis nunmehr alle Hemmungen verloren und registrierten nicht einmal mehr die Anzahl an Menschenleben. Schätzungen gehen von mindestens 2,7 Millionen aus.

Nach dem Krieg kehrten die meisten der Übriggebliebenen Deutschland und Österreich den Rücken. In den USA fanden viele eine neue, eine tolerantere Heimat. Andere zogen in das Gebiet, das ihnen die Alliierten in der Levante schufen. Letztlich auch eine Form der Ausgrenzung.

Es waren wieder die deutschen Nationalsozialisten, die bereits kurz nach ihrer Machtergreifung die ersten Maßnahmen zur wohl konsequentesten aller Ausgrenzungen ergriffen hatten: der Euthanasie.

Dieses Thema allerdings ist so widerlich, dass ich es zwar erwähnen muss, aber darüber nicht schreiben will.

Juden auszugrenzen lohnte sich also nach 1945 nicht mehr, zumal es zur Staatsräson der vier Jahre später gegründeten Bundesrepublik Deutschland wurde, in den Juden fortan nur noch das Gute zu sehen.

Roma und Sinti waren auch nur noch wenige da; viel zu aufwendig, die auszugrenzen.

„Und das muss namentlich den Kommunisten gegenüber gesagt werden. Dass der Störenfried in der Welt Sowjetrussland und der Kommunismus sind.“

Adenauers Worte sind bis heute in den Köpfen der damals noch gar nicht geborenen Bellizisten. Der Einzug der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in den ersten Bundestag mit ganzen 5,7 Prozent reichte für diese Behauptung. Mit dem „Adenauer-Erlass“ wurde bereits 1950 dafür gesorgt, dass Personen nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt werden sollten, wenn sie Organisationen angehörten, die die Bundesregierung als verfassungsfeindlich einstufte. Die vielen, als „geläutert“ geltenden Nazis waren offensichtlich kein Problem. Die Parallele zum „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ kann man gar nicht übersehen.

Obwohl die KPD bereits bei der Wahl zum zweiten Bundestag im Jahr 1953 den Einzug mit nur noch 2,21 Prozent deutlich verpasste, sah man — allein durch die DDR als Backup — in ihr eine so große Gefahr, dass sie im August 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verboten wurde. Nur wenige Tage später begannen unzählige Strafverfahren gegen die nun ehemaligen Mitglieder der KPD.

Der Kommunisten hatte man sich also faktisch entledigt, selbst wenn es später mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) noch eine Kleinstpartei geben sollte. Trotzdem sah man insbesondere in den Linken ein hohes Potenzial für Extremismus. Der „Radikalenerlass“ von 1972, also in einer Zeit, als die Sozialdemokraten — wer sonst, möchte man im Jahr 2024 meinen — eine Koalition mit der FDP anführten, sorgte dafür, dass in ihren Berufen ausgebildete Menschen nicht in diesen arbeiten durften. Bis 1985 wurden 3,5 Millionen Bundesbürger auf ihre Verfassungstreue überprüft. Wer durchfiel, durfte seinen Dienst bei Vater Staat nicht antreten. Wer durchfiel, bekam somit ein Berufsverbot.

„Es ist mir egal, ob du schwarz, weiß, hetero, bisexuell, schwul, lesbisch, kurz, groß, fett, dünn, reich oder arm bist. Wenn du nett zu mir bist, werde ich nett zu dir sein. So einfach ist das.“

Eminem war kein Deutscher. Viel zu spät geboren, als dass seine Worte im Nachkriegsdeutschland hätten Gehör finden können.

Blieben also noch die „Homos“. Oh, ja, von denen waren noch viele da. Nicht unbedingt eine Gefahr für die Demokratie, aber für unsere Kinder. So wie heute Dragqueens und Dragkings in Kindergärten. Wie auch heute von Dragqueens angeblich die größere Gefahr ausgeht, waren bereits seit 1872 die männlichen Homosexuellen die zum Ausgrenzen bevorzugte Zielgruppe des Paragrafen 175 — in unveränderter Nummerierung. Kontinuität nennt man das.

Es galt, „einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde“, wie es im Regierungsentwurf vom 4. Oktober 1962 zu einem Strafgesetzbuch hieß (1). Ohne jede Evidenz — die brauchen Ausgrenzende bis heute nicht — behauptete man:

„Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge“ (2).

Man befürchtete, eine Straffreiheit „würde vor allem jüngere Menschen in den Bann dieser Bewegung ziehen“ (3). Das unerträgliche Gedankengut in den Begründungen zum geplanten Paragrafen 216 „Unzucht zwischen Männern“ und dem Paragrafen 217 „Schwere Unzucht zwischen Männern“ nachzulesen, lohnt sich, denn es zeigt, wovon wir uns — zumindest offiziell — in den letzten Jahrzehnten freimachen konnten.

Lesben waren die vor dem Gesetz besseren Homosexuellen. Warum? Falsche Frage. Warum galten Schwule überhaupt als „schwere Gefahr“? Diese Frage müssen sich glücklicherweise auch die mit den Strafverfahren befassten Richter gestellt haben. Die Zahl der Verurteilungen ging von 1959 bis zur Beerdigung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 kontinuierlich zurück: von 3.745 auf zuletzt 44. Dass die Zahl der Schwulen um 99 Prozent zurückgegangen ist, ist eher nicht anzunehmen.

Nun schienen dem Volk die Zielgruppen zur Ausgrenzung auszugehen. Die Ossies? Ach, die waren doch nur schlecht integriert. Wirklich ausgegrenzt wurden die nicht. Das haben die schon selbst erledigt.

Es war wirklich viel zu lange nichts los an der Ausgrenzungsfront. Mit der Cancel-Culture entstand in den letzten Jahren eine Form der Ausgrenzung, bei der die ausgrenzenden Gutmenschen sich nicht auf das Niveau von Gerhard Schönes Spatzen herablassen mussten. Die Cancel-Culture bietet die Möglichkeit, ohne jede physische Repression die eigene moralische Überlegenheit, besser: Überheblichkeit unter Beweis zu stellen. So kann man sehr effektvoll nach Belieben Leute an den nunmehr digitalen Pranger stellen, unter anderem:

  • Roger Waters wegen seiner Haltung zu Israel,
  • Ulrike Guérot wegen als Plagiatsvorwürfe getarnter politischer Missliebigkeit, samt Kündigung durch ihren Arbeitgeber,
  • Maximilian Krah, weil er etwas äußerte, was jahrzehntelang als politischer Konsens in Deutschland galt.

Cancel-Culture funktioniert am besten durch vorauseilenden Gehorsam. Es sind die Speichellecker der Gutmenschen, die Cancel-Culture unters Volk tragen und salonfähig machen. Vorauseilender Gehorsam wiederum ist der beste Nährboden für Diktaturen.

„Wer Frauen versteht, kann auch Holz schweißen.“ Das habe ich vor einigen Tagen an der Heckscheibe eines Autos gelesen. Ich konnte nicht anders, als laut zu lachen. Der Spruch ist so böse, dass er schon wieder gut ist.

Wie sonst ist zu erklären, dass man, besser: frau, seit Jahren eine „Trans-Bewegung“ zu erkennen glaubt? Kann man so sehen. Man kann aber stattdessen einen Blick auf die Tatsachen werfen. Seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes im Jahr 1985 unterwarfen sich diesem Verfahren weniger als 45.000 Menschen, also gerade mal 0,5 Promille oder, verständlicher, eine von zweitausend Personen in Deutschland — sofern alle von denen noch am Leben sind. „Bewegung“ sieht für mich anders aus.

Ich wäre froh, wenn ich in unserer Gesellschaft endlich mal eine Friedensbewegung erkennen könnte: „Petting statt Pershing!“ oder zeitgemäßer „Friedenspfeife statt Tomahawk!“

Ungeachtet dessen erkennt ein Teil der Frauenrechtlerinnen eine Gefahr für die Frauenrechte und will alles, was keinen XX-Chromosomensatz hat, von geschützten Frauenräumen fernhalten. Das geht allerdings nur, wenn man ausgrenzt.

„Dadurch, dass man einen anderen ins Irrenhaus sperrt, beweist man noch nicht seinen eigenen Verstand.“

Dostojewski ist in der Ukraine gerade selbst spätes Ausgrenzungsopfer, weil er Russe ist.

Wie die Eifernden das am besten anstellen wollen, darüber habe ich mir einige Gedanken gemacht. Trotzdem mag mir keine Variante so richtig gefallen.

  • Gesichtskontrolle ist völlig unzureichend. Auch das Hosenrunterlassen oder Rockheben sagt nichts über den Chromosomensatz, dauert außerdem viel zu lange. Im Zweifel hagelt es Anzeigen wegen Voyeurismus, wahlweise Exhibitionismus.
  • Da auch die Angabe im Personalausweis — eingegrenzt wissenschaftlich — künftig nicht haltbar sein wird, wird jeder Bürger verpflichtet, ein Ergänzungsdokument bei sich zu führen. Hierfür eignet sich nichts besser als der Befund eines humangenetischen Labors. Die Labore dürften sich über die unerwartete Konjunktur freuen, der Regenwald eher nicht. Papier ist oldschool.
  • Irgendein Symbol sichtbar zu tragen hat sich in Deutschland schon einmal bewährt. Für einen Stern, selbst in anderer Farbe, bin ich nicht. Das könnte als „kulturelle Aneignung“ missverstanden werden.
  • Winkel haben sich in den Konzentrationslagern zigtausendfach bewährt. Die bisher verwendeten Farben lassen sogar noch genügend übrig, um differenziert zu unterscheiden in: trans-operiert, trans-nicht operiert, inter-unauffällig, inter-auffällig, inter-sich nicht mit dem Erziehungsgeschlecht identifizierend, nonbinär; selbstverständlich nach Chromosomensatz getrennt. Personen mit Chromosomen-Mosaik dürfen wir gern, bis wir Kommunisten wieder ausgrenzen, mit der Farbe Rot markieren. Obwohl: Winkel sind dann doch wohl zu negativ konnotiert.
  • Böten sich, in die heutige Zeit passend, Rauten an, gern in allen Farben des Regenbogens. Raute hat was. Hat was von „Hashtag“, gut zu assoziieren mit: „Hasch mich!“ Aber: Sticker könnte man abnehmen. Und Tätowierungen lassen sich zutreffend zu einem Kunstwerk im Stile eines Knastfensters gestalten.
  • Fiele mir noch so ein kleiner, transhumanistischer Chip zwischen den Fingern ein. Wenn sich die Türen dann nicht öffnen, kann man es immer noch auf einen technischen Defekt schieben.

„Principiis obsta“ (widerstehe den Anfängen)

Ovid kann man nicht widersprechen. Man kann nicht früh genug anfangen auszugrenzen. Die Nazis ließen bereits Schulkinder Ariernachweise erbringen. Da „Chromosomensatz-Nachweis“ doch recht sperrig klingt, schlage ich „Karyo-Nachweis“ vor. Das klingt ganz ähnlich wie vor 90 Jahren. Bis die Kinder in die Schule kommen, kann man schon im Buddelkasten beherzt durchgreifen.

„Chantalle! Ich hab dir schon so oft gesagt, dass du mit dem Kind nicht spielen sollst.“

„Aber Mutti, das ist doch nur Lea.“ „Das Kind heißt nicht Lea, sondern Leo, und ist ein Junge, der dir deine Frauenrechte wegnehmen will.“

Wehret den Anfängen!

Ist das nicht dasselbe? Ist es. Oder auch nicht.

An der Stelle muss ich noch mal auf die Juden zurückkommen. Nachdem man ihnen Bürgerrechte zugestanden hatte, konvertierten nicht wenige von ihnen, wurden Protestanten oder Katholiken. Genützt hat es ihnen am Ende nichts. Einmal Jude, immer Jude. Den Juden liegt das Böse schließlich im Blut, so wie die Gefahr für die Frauenrechte auf dem Y-Chromosom zu liegen scheint. Zum Mann „konvertierte“ Frauen müssten nach dieser Logik stets zu den Guten gehören.

Ich hoffe ernsthaft, dass die Mihambos, Gündoğans, Ogunleyes und Varfolomeevs dieses Landes nicht bloß wegen ihrer sportlichen Erfolge als Deutsche gelten. Ich hoffe, dass wir diese Diskussion wirklich und ehrlich hinter uns haben und dass wir keine neue beginnen werden.

Dass Ausgrenzung am Ende nie zu etwas Gutem geführt hat, dass Ausgrenzung nach deutscher Art eine so spezielle war, die selbst andere europäische Faschisten nicht guthießen, scheint vergessen.

Der Verfassungsschutz mutiert gerade zum Organ der Bundesregierung. Und nun übt sich ausgerechnet ein Teil der Frauenrechtlerinnen in Ausgrenzung. Ausgrenzung endet in Totalitarismus, endet in Diktatur, in Zerstörung, Krieg und Vernichtung. Auch wenn jeder beteuert, das nicht zu wollen. Die Geschichte lehrt es. Bitte lassen wir es nicht wieder so weit kommen.

Was Lea angeht:

Entspannt euch, Ladys! „Lea tut nix. Lea will nur spielen.“


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Bundesdrucksache IV/650, „Entwurf eines Strafgesetzbuches“, zu Paragraf 216, Seite 377
(2) ebenda
(3) ebenda

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