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Es reicht!

Es reicht!

Solange wir unsere Schattenseiten nicht sehen wollen, wird sich die Welt nicht zum Besseren wenden. Eine Antwort auf den Aufruf von Manova, das Politische privat zu machen.

Es ist schlimm. Der Planet ächzt. Viele Menschen sind in Not und voller Angst. Viele drehen durch. Doch es wird nachgelegt. Von allen Seiten kommen die Angstmacher und die Hoffnungslosigkeit. Während viele regelrecht auf Entziehungskur gehen und etwa die Beiträge der alternativen Medien gar nicht mehr lesen, in denen nur Negatives steht, bekommen dieselben Artikel die höchsten Klickzahlen.

So absurd es auf den ersten Blick scheint: Katastrophenmeldungen können Halt geben und eine gewisse Sicherheit vermitteln: Ich habe es gewusst! Ich habe es ja gleich gesagt!

Auch wenn die Welt zusammenbricht: Die eigene Meinung steht! Wenn wir nichts mehr kontrollieren, dann doch wenigstens das, was wir von denen da oben halten, diesen korrupten, skrupellosen Gewinnlern, die daran schuld sind, dass die Welt so ist, wie sie ist.

Auch Manova gehört zu den Magazinen, in denen das Negative das Positive übertrifft. Doch eine Oase gibt es, klein, aber beständig. Oft nicht richtig ernstgenommen. Hier stehen nicht Daten und Fakten im Vordergrund, sondern das, was die Ereignisse mit uns machen. Seit 2018 versucht die Mut-Redaktion Hoffnung zu machen und Möglichkeiten zu zeigen, wie wir durch das Chaos hindurchnavigieren.

Nicht im Sinne von „Es ist ja nicht so schlimm“, „Das wird schon wieder“ oder „Lasst uns ein paar Räucherstäbchen anzünden und eine Tasse Vanilletee trinken“. Wer die Artikel liest, die hier erscheinen, der weiß, dass es zur Sache geht. Nichts wird beschönigt. Die Probleme werden benannt. Doch hier wird nicht stehengeblieben. Es wird nicht der Spieß zwischen „die da“ und „wir hier“ umgedreht. Anstatt sich am Außen abzuarbeiten, wird nach innen gegangen. Ein „Innen“, mit dem viele nichts anfangen können und vor dem mancher zurückschreckt. Denn hier wird es unbequem.

Enthüllungsjournalismus einmal anders

Wenn es um echte und dauerhafte Lösungen geht, reicht es nicht, das Problem darzustellen und zu analysieren.

Woher soll denn die Lösung kommen? Soll man sie uns bringen? Glauben wir, sie durch ständiges Anprangern herbeizureden oder zu -schreiben? Oder erwarten wir etwa, „die Eliten“ zur Einsicht zur bringen? Wo ist das, was man einmal „konstruktive Kritik“, nannte?

Wer versucht, Wege aufzuzeigen, wird in aller Regel abgebügelt. „Du willst doch nicht die Welt mit Meditieren retten.“ „Wenn das nicht alle machen, hat es sowieso keinen Sinn.“ „Das funktioniert nicht.“ Und so macht es sich jeder in seiner Blase bequem und atmet den wohlbekannten Mief. Auch wenn er nicht gut riecht, so ist er doch irgendwie heimelig. Man freundet sich gewissermaßen mit dem an, was man vorgibt zu bekämpfen. Wer wäre man auch ohne sein Feindbild? Hätte man dann noch was zu tun?

Wie wäre es, wenn wir uns nicht mehr an Katastrophenmeldungen abarbeiten könnten? Wie würden wir dastehen, wenn wir nicht mehr enthüllen würden, nicht mehr protestieren, nicht mehr die Misere analysieren? Wären wir arbeitslos? Was würden wir den ganzen Tag machen? Wer würde sich noch für uns interessieren? Welchen Sinn würden wir unserem Leben geben?

Ich will damit nicht behaupten, dass Enthüllungsarbeit nicht wichtig ist. Die Probleme müssen erkannt werden. Doch ich mag die Frage stellen, wer hier was nährt. Die „Bösen“ geben das Futter, die „Guten“ nehmen es auf und geben es in verarbeiteter Form weiter. Danach ist allen schlecht. Nur den „Bösen“ nicht. Die werden bestärkt darin, nachzulegen. Schließlich geht es ihnen ja darum, dass es möglichst vielen schlecht geht, von denen sie sich wiederum nähren.

Und ich?

Wer aus diesem Teufelskreis raus will, der muss etwas verändern. Er kann sich zum Beispiel überlegen, ob er weiter seine Zeit damit verbringt, zu schauen, was die anderen machen, oder ob er mal nachsieht, was er selber macht. Achtung, hier kann es unbequem werden! Inwiefern trägt mein eigenes Verhalten dazu bei, dass wir keinen Frieden haben? Wo bin ich abwertend, besserwisserisch, dickköpfig?

Wo projiziere ich das, was ich in mir nicht sehen will, auf andere? Wie sieht es in meinem direkten Umfeld aus? Wie regele ich Konflikte? Wie offen bin ich für meine Nächsten? Wo lasse ich andere nicht zu Wort kommen? Wie wertschätzend gehe ich mit anderen um? Wie halte ich es mit dem Teilen? Und, das Häubchen auf der Sahnetorte: Wie stehe ich zu mir selbst? Wie verhalte ich mich, wenn der Frust kommt, die Angst, die Wut? Kann ich mich eigentlich selber leiden?

Es ist viel leichter, auf andere zu zeigen, als sich diese Fragen zu stellen.

Und doch sind wir jetzt an der Reihe. Denn die tollste Idee, die größte Initiative, das schönste Projekt werden verpuffen, wenn wir nicht zunächst bei uns selbst nachschauen. Wo begrenze ich mich? Wo werte ich mich selber ab? Und vor allem: Wohin mit meinen Gefühlen?

Was mache ich, wenn der Adrenalinspiegel steigt, der Hals schwillt, die Muskeln sich versteifen und Blutdruck und Puls steigen?

Faust auf den Tisch

Das Wort Wut kommt vom lateinischen Wort furor und beschreibt einen Zustand von Raserei, Wahnsinn und unkontrollierter Leidenschaft — etwas prinzipiell Unangenehmes für denjenigen, der das Gefühl durchlebt, und den, der es abbekommt. Wut, so das etymologische Wörterbuch, ist ein möglicherweise durch übermenschliche Kräfte verursachter Zustand des Außer-sich-Seins (1). Wir können regelrecht aus der Haut fahren. Der Kopf kann nicht mehr klar denken und wir haben uns nicht mehr richtig „im Griff“. In der Wut sind wir gewissermaßen aushäusig, also nicht mehr da, wo wir etwas ausrichten können: bei uns selbst.

Männern wird gemeinhin zugestanden, dass sie einmal so richtig mit der Faust auf den Tisch hauen. Schließlich bedeutet Wut auch Kraft: die Kraft, sich durchzusetzen, „seinen Mann zu stehen“. Denen habe ich es gezeigt. Die haben mich kennengelernt. Bei Frauen sieht es anders aus. Wütende Frauen genießen im Allgemeinen wenig Ansehen. Sie gelten nicht als stark, sondern als hysterisch; man nimmt sie noch weniger ernst.

Ursprünglich bezeichnete Hysteria das orgiastisch-religiöse Fest der Aphrodite, bei dem der Schoß der Welt angebetet und symbolisch befruchtet wurde (2). Etymologisch kommt der Begriff Hysterie aus dem Indogermanischen Ud-tero: Uterus. Hysterie ist die historische Bezeichnung für Störungen, die etwa durch ein verändertes Ich-Bewusstsein gekennzeichnet sind (3).

Eine kurze Geschichte der Hysterie

Lange Zeit wurde Hysterie als eine ausschließlich bei Frauen auftretende, von einer Erkrankung der Gebärmutter ausgehende körperliche und psychische Störung verstanden. Betroffene Frauen, so wurde konstatiert, seien ichbezogen, geltungsbedürftig, kritiksüchtig, unreflektiert — also alles andere als fügsam und untertänig.

In der Antike dachte man, dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Samen gefüttert würde, suchend im Körper umherschweife und sich etwa im Gehirn festbeißen könne. Zu Beginn der Neuzeit riskierten Frauen, bei jeder Verhaltensabweichung als Hexe verbrannt zu werden. Ab dem 17. Jahrhundert führte man Hysterie auf sexuellen Entzug zurück. Entsprechend wurde von Verhütungsmitteln abgeraten. Ehe und Kindergebären galten als Heilmittel für Hysterie — und sorgten für Nachschub in den Kolonien.

Im 18. Jahrhundert glaubte man, Hysterie sei ansteckend. Frauen, da sie von einer faulen und reizbaren Natur seien, würden leichter befallen. Als häufige Anzeichen galten etwa das gemeinsame Auftreten von Tränen und Lachen, das gleichzeitige Strecken der Gliedmaßen und Gähnen, Kurzatmigkeit, Schluckbeschwerden, ein geschwollener Bauch oder kalte Extremitäten. Ab dem 19. Jahrhundert behandelte man betroffene Frauen mit dem Einsperren und Misshandeln in psychiatrischen Kliniken oder der Klitorektomie: dem Herausschneiden oder -brennen der Klitoris.

Wohin mit meiner Wut?

Kein Wunder, dass vor allem Frauen sich bis heute damit schwertun, sich so zu zeigen, wie sie sich gerade fühlen. Die Folgen können schwerwiegend sein. Unterdrückte Wut kann schwere Schäden verursachen. Wut, die sich blind auf andere ablädt, auch. Was also tun, wenn das brennende Gefühl aufsteigt und das Blut sich erhitzt?

Darf eine Frau öffentlich Wut ablassen? Wen sollte sie um Erlaubnis fragen? Etwa einen Mann, der für sich selbst überhaupt keine Probleme damit hat, seiner eigenen Wut freien Lauf zu lassen?

Liebe Leserin, lieber Leser, das alles macht mich verdammt wütend! Keine Sorge, ich werde Sie nicht angreifen oder beschuldigen. Mein Leben gehört mir. Doch es reicht mir! Genug! Ich habe es satt, dass den sogenannten Daten und Fakten so viel Bedeutung beigemessen wird und dass das Rationale, Logische und Analytische unsere Welt dominieren. Wohin hat uns das geführt? Was machen wir eigentlich mit unserer zweiten Gehirnhälfte?

Wieso wird den Eigenschaften Neugierde, Spontaneität, Kreativität oder Intuition so wenig Bedeutung zugestanden? Wieso stehen vor allem die an den Rednerpulten, die sich besonders gut Zahlen und Daten merken können? Wieso, verdammt, halten sich immer noch Männer für die besseren Denker? Und warum zum Teufel versuchen Frauen immer noch, es den Männern gleichzutun, anstatt ihre eigenen, weiblichen Qualitäten zum Tragen zu bringen?

Versteckte Schatten

Haben wir sie noch alle? Tatsächlich macht Einseitigkeit blöd. Wir sehen nur die Muleta, das rote Tuch, mit dem der Torero vor dem Stier wedelt. Terroristen, Viren, Russen, Klima, Trump auf der einen, und BlackRock, Merz, WHO und die Eliten auf der anderen Seite — die Wirkung ist dieselbe: Sie lenkt vom Eigentlichen ab. Wie unsere Medizin kratzen unsere Medien jeder Couleur vor allem an den Symptomen herum. Es ist eben bequemer, Medikamente zu nehmen, als sein Verhalten zu verändern.

In Bioläden einkaufen und vegan werden, das geht noch. Aber an die eigene Geschichte und die damit zusammenhängenden Verletzungen heranzutreten, das wagen die wenigsten. Während man sich am Außen abarbeitet, bleibt das Innen unangetastet. Ob links, ob rechts, ob oben oder unten, Mainstream oder alternativ — angesteckt vom materiellen Zeitgeist hat die Seele kaum Bedeutung in unserer Gesellschaft. Dem Teil von uns, der uns aus dem Schlamassel herausführen kann, wird kaum Beachtung geschenkt.

Ebenso werden die dunklen Themen, die sich hier bei uns vor Ort abspielen, in unseren Familien, Nachbarschaften und Bekanntenkreisen, wenn überhaupt, nur mit spitzen Fingern angefasst. Sexuelle Gewalt von Männern gegenüber Frauen und Kindern wird geleugnet, verharmlost oder gerechtfertigt (4). Einen anderen Menschen anzuschreien, ihn zu beleidigen oder ihm ins Wort zu fallen und nicht ausreden zu lassen ist nicht weiter schlimm, wenn man auf der „richtigen“ Seite steht. Neid, Eifersucht, Kleinlichkeit oder Gier betreffen nur die anderen.

Solange wir die Schattenseiten, die jeder von uns hat, nicht sehen wollen, wird sich die Welt nicht zum Besseren wenden können. Wenn wir nicht echt sind, bleibt unsere Seele auf Distanz.

Nur ehrliche Menschen, die sich selbst und anderen nichts vormachen, kommen an das heran, was wohlversteckt in uns schlummert und die Welt verändern kann: die uns allen innewohnende Schöpferkraft.

Ab durch die Mitte

Nur aus dem Ganzen heraus können wir schöpferisch werden. Hier gibt es keine halben Sachen. Licht und Schatten gehen zusammen wie die beiden Hälften unseres Gehirns. Einseitigkeit lässt das Boot schlingern und sich im Kreise drehen. Vorwärts geht es nur, wenn die Ruder auf beiden Seiten gesetzt werden. Erst wenn sich Logik und Intuition miteinander verbinden, Gefühle und analytischer Verstand, Kreativität und Rationalität, kommen wir weiter.

Das geht nur zusammen. Hier zählt jede Gabe. Frauen und Männer bringen sich gleichermaßen ein. Kooperationsbereitschaft ist ebenso gefragt wie Zielstrebigkeit, Zuhören ebenso wie Redegewandtheit, Weichheit ebenso wie Festigkeit, Beiträge, die an Lösungen arbeiten, ebenso wie die, die Probleme darstellen. Erst im Zusammenspiel kann sich die Wut in Mut verwandeln. Das ist das hohe Ziel.

Der Wut gewahr werden, sie jedoch nicht gegen jemanden richten, sie nicht verdrängen oder unterdrücken, sondern — so die Friedensforscherin Sabine Lichtenfels — sie verwandeln mit dem Entschluss, eine Friedenskultur einzuleiten (5). Hier gehen die Frauen voran. Weniger als Männer streben sie danach, sich in den Vordergrund zu stellen. Das Weibliche will nicht herrschen, sondern kooperieren. Das Mütterliche schließt nicht aus, sondern integriert. Anders als das zielgerichtete Männliche hat das Weibliche das Ganze im Blick.

Dafür und nicht dagegen

Das Weibliche klopft nicht auf die Schulter, sondern nimmt in den Arm. Es dringt nicht ein, sondern öffnet sich und nimmt auf. Frauen, die ihre Weiblichkeit leben, fliehen ihre Gefühle nicht. Auf andere Weise als Männer sind sie mit dem Boden unter ihren Füßen verbunden, der Mutter Erde. Mit ihr gilt es, sich zu verbinden. Nicht in wütendem Stampfen, sondern in voller Hingabe.

Sich ohne rationalen Grund und ohne Filter auf die Erde werfen, die Stirn auf den Boden legen und schluchzen. Hierzu ermutigt die Körperforscherin Ilan Stephani (6). Schluchzen darüber, wie die Welt ist, schluchzen über das, was wir mit der Erde gemacht haben. Sich erlauben, nichts mehr zu wissen und nicht mehr klarzukommen. Die eigene Begrenztheit zulassen und auskosten. Sich zu Boden werfen und danken, ohne sich klein zu machen.

Ausruhen. Nichts mehr tun können als weinen und lachen zugleich. Das Stigma der Hysterie überwinden. Sich frei machen. Das Echte zum Vorschein kommen lassen. Die Seele einladen. Wozu bin ich hier? Wofür bin ich gemacht? Was sind meine Qualitäten und Talente? Was ist mein Beitrag, den ich für den Aufbau einer Welt, wie ich sie mir wünsche, geben möchte?

Dafür sein, und nicht dagegen. Denn das Gehirn kennt die Verneinung nicht. Bei „kein Krieg“ versteht es „Krieg“.

Je öfter wir etwas wiederholen, desto mehr prägt es sich ein. Die Karten liegen in unserer Hand. Wozu trage ich bei? Das ist die erste Frage, die wir uns stellen sollten, bevor wir das Wort ergreifen oder die Feder zur Hand nehmen. Ziehe ich noch weiter nach unten oder helfe ich dabei, mehr Mut zu machen, Zuversicht zu geben und das zu stärken, was auf dem Spiel steht: unser aller Schöpferkraft?


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.dwds.de/wb/etymwb/Wut
(2) Barbara G. Walker: Das geheime Wissen der Frauen, DTV 1995
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Hysterie
(4) https://frauenrechte.de/unsere-arbeit/haeusliche-und-sexualiserte-gewalt/hintergrundinformationen/sexualisierte-gewalt
(5) https://www.youtube.com/watch?v=n31Fx2GMdus
(6) https://ilanstephani.com/de/willkommen/

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