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Freier Wille in Fesseln

Freier Wille in Fesseln

In unserer Vorstellung genießen wir immer noch weitgehende Freiheit — mit der Realität hat dies jedoch wenig zu tun.

Der Wohlstand in den westlich geprägten Industrienationen — und auch in vielen anderen Ländern der Welt — war noch nie so groß. Groß wurden damit auch die Spielräume, die dem Einzelnen zur freien Entfaltung zur Verfügung stehen. Junge Menschen wachsen auf in unvergleichlichem Wohlstand, es fehlt ihnen — äußerlich gesehen — an nichts, unsere Gesellschaft bettet sie weich von der Kita bis ins Seniorenheim und eröffnet ihnen jedwede Möglichkeit zur freien Entfaltung, ganz gleich ob beruflich, familiär, geschlechtlich oder ernährungstechnisch. Niemand muss sich über Gebühr einschränken, im Gegenteil, es herrscht ein beinahe qualvolles Überangebot an Wahlmöglichkeiten zur Selbstverwirklichung — so stehen mittlerweile gar über 80 Gender im Regal der eigenen Geschlechtswahl (1).

Gleichzeitig lässt sich das ungute Gefühl, dass es so nicht weitergehen kann mit dem parallel einhergehenden ungehemmten Wachstum, der gedankenlosen Verschwendung von Ressourcen, der rücksichtslosen Ausbeutung der Erde, kaum mehr verdrängen. Einige beschleicht ein schlechtes Gewissen, gründet doch ihre luxuriöse freie Selbstentfaltung womöglich auf der erbarmungslosen Ausplünderung unseres Planeten. Umso erleichterter stürzt man sich alsdann auf die immer zahlreicheren goldenen Brücken, die das geplagte Gewissen schnell und nachhaltig beruhigen: Man hat jetzt Ökostrom, geht zum Klimastreik, kauft vegan und natürlich „Bio für jeden Tag“ (2), tauscht den Verbrenner gegen ein Elektroauto, schlürft seinen Latte aus dem Recyclingbecher und ist froh, dass der Kanzler in Ägypten Milliarden fürs Klima locker macht (3). Vor allem aber hat man es weiterhin bequem, wird der eigene Lebensstil nicht wirklich infrage gestellt, der Mensch ist beruhigt, denn er oder sie tut doch alles, was möglich ist, um dem Kataklysmus entgegenzuwirken.

Recht auf Freiheit?

Freiheit ist schließlich ein Grundrecht. Gemeinhin wird daraus der Anspruch abgeleitet, genau so zu leben, wie man es individuell gerne möchte, handelt es sich doch um ein Recht. Für einige ist dies das Recht, auf der Autobahn so schnell zu fahren, wie es ihr Fahrzeug erlaubt. Oder auf so großem Fuße zu hausen wie finanziell möglich. Oder den öffentlichen Park für die private Party zu nutzen, die Baumgruppe der Aussicht zu opfern, sich als Fuchs zu identifizieren (4), der unsolidarischen Minorität im Zeichen der Gesundheit den Zugang zum öffentlichen Raum auf das Existenzminimum zu verengen und mit immer mehr Waffen einen Frieden herbeizubomben.

Dass es mit der Freiheit indes flugs nicht besonders weit her ist, wenn sich der gesellschaftliche Wind dreht, haben kürzlich nicht nur diejenigen leidvoll erfahren, die für sich oder ihre Angehörigen eine freie Impfentscheidung forderten. Überhaupt unterliegt der Freiheitsbegriff zunehmend der Deutungshoheit gewisser gesellschaftspolitischer Kräfte, welche die Freiräume der Bürger nach Belieben neu festlegen.

Wie warm darf ich wohnen? Welche Nahrungsmittel darf ich konsumieren? Welchen Regeln unterliegt meine Körperhygiene? Wann und wie lange darf ich mich im öffentlichen Raum aufhalten? Welche (willkürlichen) Kriterien muss ich erfüllen, um öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu dürfen? Welche Buchstaben darf ich auf meinem Pkw zeigen, welche Flaggen in meine Fenster hängen?

Spätestens hier wird klar, dass Freiheit durchaus nicht beliebig gedeutet werden darf. In Deutschland definiert das Grundgesetz in Artikel 2, wie frei der deutsche Bürger ist:
„(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ (5)

Die verfassungsgemäße Ordnung sowie das Sittengesetz begrenzen demnach die individuelle Freiheit, welche zudem durch Gesetze beschnitten werden kann. Außerdem darf niemand in seiner Freiheit die Rechte anderer verletzen. Freiheit ist also rechtsphilosophisch und gesellschaftspolitisch auszudeuten und zu definieren. Was der Einzelne im Alltag darunter versteht, auf welchen individuell verstandenen Freiheitsbegriff er sich bezieht, mag diesem Umstand nicht immer Rechnung tragen, doch erkennen die meisten Menschen gemeinhin bereitwillig an, dass ihrer Freiheit und ihrem freien Willen auch Grenzen gesetzt sind. Nur eine Minderheit wird dies aus allerdings sehr heterogenen Gründen als Beeinträchtigung oder Begrenzung zu empfinden, sodass mehrheitlich betrachtet alles in Ordnung zu sein scheint.

Freier Wille oder unfreier Mensch?

Aus religiöser und philosophischer Sicht hat es mit der Freiheit und dem freien Willen nun jedoch so seine Bewandtnis. In seiner Schrift über den freien Willen (De libero arbitrio) verortet Augustinus von Hippo (354 bis 430) den Ursprung aller Sünde und alles Bösen im freien Willen des Menschen, da er einen Ursprung dafür in Gott ausschloss. Im 17. Jahrhundert schockierte Baruch Spinoza (1632 bis 1677) seine Zeitgenossen mit der in seinem Hauptwerk Die Ethik vertretenen These, der Mensch habe gar keinen freien Willen, da er als Teil der Natur lediglich deren Ordnung folge, und zwar in Unkenntnis der Ursachen, die ihn bestimmen.

Immanuel Kant (1724 bis 1804) sah es optimistischer und setzte in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten dem freien Willen ethische Grenzen durch den sogenannten kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnten.“ Solchem Idealismus gänzlich abhold hielt Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860) den freien Willen für den Quell der Durchsetzung dunkler, unvernünftiger Triebe, welcher lediglich in absoluter Selbstüberwindung zu moralischem Handeln finden könne.

Die heutige Neurowissenschaft blickt kritisch auf den freien Willen und fragt, wie weit wohl die Fähigkeiten des Menschen reichen, die Motive zu erkennen, die seine Entscheidungen bestimmen.

Letztere erwüchsen aus biochemischen Prozessen, die sich in ihrer Komplexität über Jahrmillionen evolutionärer Entwicklung herausgebildet hätten und die Zügel unseres Bewusstseins und unseres Denkens fest in der Hand hielten. Als höchst entwickelte Spezies der Evolution wäre der Mensch somit zwar materiellen Vorgängen unterworfen, er wäre aber auch frei von jeglicher metaphysischer Abhängigkeit und nichts und niemandem Höheren verpflichtet als sich selbst — er wäre in der Tat im bekannten Universum das am höchsten entwickelte Lebewesen und quasi sein eigener Gott.

Als solcher setzt er seine ethisch-moralischen Regeln selbst, er ist frei und unabhängig, und keiner außer er selbst kann ihm vorschreiben, was er tun und lassen, beziehungsweise welchem hormonalen Drängen und welchen Trieben er nachgeben soll. Um einer natürlicherweise damit einhergehenden chaotischen Rechtlosigkeit zu entgehen, schließt er sich in Gruppen und Staaten zusammen, die seine Rechte garantieren, indem sie seine Freiheit(en) definitorisch eingrenzen, ganz so, wie es Thomas Hobbes (1588 bis 1679) und John Locke (1632 bis 1704) in ihren staatstheoretischen Schriften Leviathan (1651) und Two Treatises of Government (1689) herleiteten.

Freies Ego

Die Billigkeit dieser Sicht auf den Menschen und die Gesellschaft wird zu Beginn dieses dritten Jahrtausends kaum jemand in Zweifel ziehen wollen. Wissenschaft und Politik suggerieren uns, dass es jenseits des materiellen Universums nichts gäbe. Ergo ist auch dies der Bereich unserer Freiheit, in welchem sich der freie Wille manifestieren kann — eingedenk der obigen Einschränkungen. Mittels seines freien Willens trachtet nun der Einzelne vor allem nach einem Leben in Wohlstand, Glück und Zufriedenheit. Er möchte sein Da-Sein angenehm gestalten und blendet darüber ein Bewusst-Sein über sein wahres Ich und seinen tatsächlichen Platz im Universum vollständig aus. Freiheit und freier Wille verkommen darüber zu Optimierbarkeit und Herrschaft, denn sie richten sich auf eine rein körperliche, technisch beherrschbare Welt. Auf dieser Ebene glaubt sich ein jeder sein eigener Meister, huldigt dem eigenen Ego und ordnet sich allein solchen Notwendigkeiten unter, die die materielle Welt ihm vorgibt.

So sucht er seinen Lebenssinn innerhalb der materiellen Schöpfung, welche ihm auch der alleinige Raum seiner Freiheit und zur Entfaltung seines freien Willens scheint. Er tut dies durchaus ganz freiwillig und mit rechter Überzeugung, schließlich hält er sich für einen aufgeklärten, gebildeten, materiell rationalen Weltenbürger dieses anbrechenden digitalen Zeitalters. Und es ist damit höchst unwahrscheinlich, dass er seine Einstellungen und sein Verhalten als „passive Resonanz“, als das Ergebnis materialistischer Propaganda erkennt, die dazu führt, „(...) daß die Menschen ein alltägliches Leben führen, ohne etwas von höheren Zielen wissen zu wollen. Beschränkung auf ein anonymes Mittelmaß, kleinlicher Egoismus und Gleichgültigkeit sind weiter Symptome dieser Resonanz“ (6).

Ein solcher Mensch lebt in der Illusion, dass es jenseits des wissenschaftlichen Materialismus nichts gibt. Er bescheidet sich mit seiner Körperlichkeit und schneidet sich selbst aus freien Stücken von seiner eigenen Seele und allen höheren Dimensionen ab. Infolgedessen ist es ihm unmöglich, sich über die Polarität alles Materiellen durch Selbstermächtigung zu erheben und sich auf seine ewige Seele zu besinnen, ewigen Frieden, Liebe und Harmonie zu finden. Tatsächlich steht es jedem Menschen frei, sich zu entscheiden für die Anerkennung des Umstandes, dass er als unsterbliches, unteilbares Individuum Anteil hat am und eben ein Teil ist des ewigen Ganzen, das jenseits aller Polarität fortbesteht, wenn diese wegbricht.

In unserer Welt wäre dies eine schwierige, ja unzeitgemäße Entscheidung. Kaum einer mag tief in sich nach Wahrhaftigkeit und Selbsterkenntnis forschen. Dazu bleibt einfach keine Zeit, und außerdem erscheint es im transhumanistischen Machbarkeitswahn unerheblich, altbacken und gestrig.

Freiheit wovon?

„Freier Wille bedeutet jedoch: Freiheit zu wählen, wovon man abhängig sein will. [kursiv im Original, deshalb hier als Gegensatz zum Folgenden recte] Wer dies nicht versteht, entwickelt einen Ego-Stolz und will sich von niemandem etwas sagen lassen. Obwohl das Leben voller Vorschriften ist, herrscht die Meinung vor, daß man im spirituellen Bereich, im wichtigsten Lebensbereich, keine Vorschriften und keine Disziplin zu befolgen braucht“ (7).

Qua der ihnen gegebenen Freiheit entscheiden sich Menschen ganz freiwillig gegen jegliche Transzendenz und spirituelle Ausrichtung ihres Lebens. Mögen sie hierbei auch Opfer medialer und gesellschaftlicher Suggestion sein, so bleibt es am Ende doch stets eine sehr individuelle Entscheidung für den einen und gegen den anderen Weg. Mithin liegt die Krux der menschlichen Freiheit gerade darin, in vollem Bewusstsein und nach bestem Gewissen, ja in höherer Einsicht seinen Pfad zu wählen. Das Reich Gottes befindet sich hinter der engen Pforte (Lukas 13, 23-30). Es bedarf einiger Selbsterkenntnis und -überwindung, sie zu durchschreiten, denn zu ihr führt ein schwieriger, unwegsamer Pfad, den uns zwar wieder und wieder unser Gewissen und unsere bessere Einsicht empfehlen, den aber unser metaphorischer innerer Schweinehund einfach nicht gehen mag. Zu steinig, zu öde, zu einsam, zu uncool. Wir wollen nicht, obgleich wir könnten, dürften, gar sollten.

In unserer großen Freiheit legen wir unserem freien Willen also freiwillig Fesseln an, nämlich die Fesseln der materiellen Bequemlichkeit, der geistigen Trägheit und der lieb gewonnen Gewohnheit. Die anderen machen es schließlich genauso.

Außerdem: Wer will schon sein Heil in antiquierten religiösen Erlösungsversprechen suchen, wo jenseits des Hier und Jetzt bestenfalls Nirwana, ein grenzenlos leerer Raum, das Nichts warten? Dann lieber der materielle Spatz in der Hand als die Chimäre einer spirituellen Taube auf dem Dach.

Hier wird nun erkenntlich, dass der Mensch keineswegs die Wahl hat, ob er von irgendetwas abhängig sein möchte oder nicht. Er muss schon wählen zwischen Spatz oder Taube. Folglich hat sein freier Wille lediglich die Wahl, wovon er abhängig und wovon er frei sein will (8). Dass ihm dies bewusst wird, dass er ebenso begreift, wie weitreichend seine Entscheidung sein wird, dazu hat er seine Sinne, seinen Verstand, sein Gewissen und seine Seele. Wahre Erkenntnis führt zu der Einsicht, dass spirituelle Energie, also Bewusstsein, die Urkraft des Universums ist. Entsprechend hat das Materielle keinen Einfluss auf unser wahres Ich — unsere ewige Seele. Aus ihr erwächst unser spirituelles Bewusstsein: Wir sind zwar in dieser Welt, doch nicht von dieser Welt.

Jeder hat die Freiheit, das zu erkennen und entsprechend zu leben. Oder eben es zu negieren.


Quellen und Anmerkungen:

(1): https://helpfulprofessor.com/types-of-genders-list/
(2): Motto und Produkte der Dennree Biomärkte: https://www.dennree.de/bewusst-ernaehren/bio-fuer-jeden-tag
(3): https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/cop27-scholz-klima-klub-101.html
(4): Telegram-Kanal Neues aus Russland, 21.10.2022, Video zum CSD in Wuppertal.
(5): https://www.bundestag.de/gg/grundrechte
(6): Armin Risi, Unsichtbare Welten. Govinda-Verlag 1998, S. 137.
(7): a.a.O., S. 279.
(8): a.a.O., S. 145.


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