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Halbherziger „Richtungswechsel“

Halbherziger „Richtungswechsel“

Nach dem Teilstopp deutscher Waffenlieferungen nach Israel ändert sich großenteils nicht viel — mehr Hoffnung machen da die Massenproteste überall auf der Welt.

Was stimmt da nicht?

Ich verstehe das nicht:

Erst war alles ab dem 8. Oktober 2023 ein Akt der „Selbstverteidigung“ Israels im besetzten Gebiet.

Dann war der Vorwurf des Genozids eine Lüge und Antisemitismus in Reinform.

Dann war am systematischen Hunger die „Hamas“ schuld.

Dann waren alle ermordeten Kinder eben doch keine Kinder, sondern spätere Hamas-Mitglieder.

Summa summarum war die gesamte Bevölkerung in Gaza alles andere als unschuldig (Jüdische Allgemeine).

Dann wollte man laut und Mafia-like den als Kriegsverbrecher gesuchten Netanjahu in Deutschland in den Arm nehmen und dafür „Mittel und Wege“ finden.

Zwischendrin schlugen man auf alle ein, die diesen Irrsinn nicht glauben wollten.

Dann verbot man alles, was diesen Genozid zur Sprache brachte.

Dann hetzte man deutsche Schäferhunde auf einen Jungen, der tatsächlich eine Palästina-Flagge trug.

Und jetzt will man — eine Weile — keine Waffen, keine militärische Unterstützung, keine militärische Logistik an Israel liefern? Was macht das halb faschistische Kriegskabinett jetzt falsch, was seit Jahren vollkommen bis ziemlich richtig war?

War zu vieles doch anders?

Waren also die Krankhäuser, die zu 80 Prozent zerstört wurden, doch Krankenhäuser?

Waren die Hunderttausende Häuser, die zerbombt wurden, doch Häuser von palästinensischen Menschen?

Waren die „Tiermenschen“, die das israelischen Kriegskabinett auslöschen wollte und nach wie vor will, doch Menschen?

Waren die über 18.000 ermordeten Kinder doch Kinder?

Waren die über 200 Journalisten, die ermordet wurden, doch Journalisten?

Waren die Sanitäter, die man kaltblütig ermordet hat, doch Sanitäter?

Das Kleingedruckte

Der Bundeskanzler hat etwas ganz Beiläufiges hinzugefügt: Es sollen vorerst keine Waffen mehr nach Israel geliefert werden, „die in Gaza eingesetzt werden können“.

Damit will er ausdrücken, dass es sich um Waffen handelt, die man tagtäglich im Vernichtungskrieg sieht: Panzer, Maschinengewehre, militärische Ausrüstung vor Ort. Das Augenscheinliche eben.

Was er damit nicht sagt: Fast alles andere geht weiter wie bisher. Und das in erheblichem Maße: Dazu gehört die Ausrüstung für die israelische Marine. Man könnte jetzt sagen, dass diese doch nur im Meer aktiv ist. Nicht einmal das stimmt, worauf der Genozidforscher Omer Bartov in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 5. August 2025 hinweist:

„Die israelische Marine etwa basiert auf deutschen Lieferungen. Und auch wenn man in Deutschland gern behauptet, die Marine sei an den Angriffen nicht beteiligt, sie ist es sehr wohl. Sie schützt die Blockade, sie operiert direkt vor der Küste Gazas. Das ist keine Randnotiz, sondern ein zentrales Element dieses Kriegs.“

Doch die Marine ist nicht nur Teil der Besatzung, der totalen Blockade des Gazastreifens. Sie kommt auch in Gaza zum Einsatz. Kommen wir zum Kleingedruckten:

„The new Dolphin Class submarines are a massive development for the Israeli navy, as this new type of submarine is much faster and more agile than the older submarines. It is even believed that these new submarines will have vertical launch capabilities and could carry nuclear weapons. The navy expects this new submarine to be very effective in combatting Hamas, the Palestinian militant group, in the Gaza Strip“ (Beyond military vom 2. Dezember 2023).

Um die fortgesetzte Beihilfe zum Genozid zu unterstreichen, wurde gerade „die zweite ausstehende Genehmigung für das Unterseeboot Dragon der Dolphin-Klasse von der Bundesregierung erteilt. Die Dolphin ist eines der modernsten Unterseekriegsschiffe. Sie wurde laut Experten mit speziellen Schussvorrichtungen für den vertikalen Abschuss von Raketen und Atomsprengköpfen auch für den Landkampf vom der See aus, ausgerüstet. Ihr Schwesterschiff wurde bereits zum Anfang des Gazakriegs eingesetzt“ (Rechtsanwältin Beate Bahnweg).

Wendehals oder Hals aus der Schlinge ziehen?

Bezeichnend an den politischen Einordnungen dieses „vorläufigen Stopps“ von Waffenlieferungen ist, dass man sich den Ball zwischen Mannschaft „Schweinearbeit 1.0“ und „Schweinearbeit 2.0“ hin- und herschiebt: Regierung und Scheinopposition, Regierung und EU, Staatsmedien und Experten — und darin vereint eines ausblendet.

In keiner einzigen Erklärung werden die immer lauteren, die immer entschiedeneren Formen des Widerstands erwähnt, die nicht nur das halb faschistische Kriegskabinett in Israel treffen, sondern auch alle Regierungen im Westen, die Beihilfe zum Genozid leisten. Seit fast zwei Jahren gibt es Proteste und Widerstand gegen den Genozid in Gaza und gegen all jene, die ihn ermöglichen und begrüßen.

Man hat sie lange totgeschwiegen, dann denunziert, schließlich verprügelt und ihnen existenziell geschadet. Doch es half alles nichts: Es wurden immer mehr.

Millionen Menschen auf der ganzen Welt lassen sich weder von Israel noch von ihren Regierungen die Welt erklären. Sie alle wissen heute mehr denn, dass es um die „Drecksarbeit“ geht, die wenige anordnen und begrüßen, damit ganz wenige so weitermachen können, wofür Millionen und Milliarden Menschen ihr Leben opfern.

Das Besondere an diesen verschiedenen Protestformen ist, dass sie fast überall auf der Welt stattfinden, ob in den arabischen Ländern, in Westeuropa, in Skandinavien, Nordamerika oder in Australien. Zwischen 200.000 und 300.000 Australier beteiligten sich am 3. August 2025 an einem Marsch über die Sydney Harbour Bridge, um gegen Israels Vernichtungskrieges in Gaza, der Unterdrückung und der Zensur zu protestieren. Unter anderen waren Julian und Stella Assange dabei. Die Polizei hatte zuvor versucht, den Marsch zu verhindern, wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof des Staates New South Wales überstimmt. Es war die größte Antikriegsdemonstration in der Geschichte Australiens.

Das macht sehr eindrucksvoll deutlich und sichtbar, dass „Palästina“ nicht nur ein ganz konkreter Ort ist, sondern wie ein Brennglas verstanden wird, das verschiedene, meist fragmentierte Formen des Unmuts und des Protests zusammenbringt: gegen die nach wie vor präsenten Formen des Kolonialismus, einen Kapitalismus, der für immer mehr Menschen Elend bedeutet, politische Systeme, die sich einen Wettlauf zwischen Diktatur und Faschismus liefern, und nicht zuletzt die um sich greifenden Kriege, die auf einen dritten Weltkrieg zulaufen.

Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland bringen es auf Abermillionen von Ermordeten als Kolonialmacht, als Weltmacht-Führer. Sie haben gemeinsame Erfahrungen, und auf diese bauen sie.

Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt begreifen, dass es vorgestern Namibia, gestern die Shoa war, heute Palästina und morgen sie treffen kann. Sie lernen gemeinsam, dass es keinen Sinn macht, an die Moral der Herrschenden zu appellieren.

Es werden keine fünf Kinder mehr sein, die amputiert im Rollstuhl sitzen und ohne Arme zu essen versuchen. Ihr Anblick berührt sie nicht. Es gibt in dieser Weltordnung kein Zuviel.

Sie werden erst aus dem Tritt kommen, wenn die Angst, die sie überall verbreiten, die Richtung ändert und ihnen ins Gesicht schlägt, wenn sie nach Hause kommen, wenn sie schlafen wollen, wenn sie sich als Herren von Welt in der Öffentlichkeit präsentieren. Wenn keine Bodyguards mehr sie davor schützen können.

Ich will mich nicht festlegen, aber der Wind schlägt ihnen ins Gesicht. Das ist nicht nur eine Frage der Hoffnung, sondern auch des Tuns.


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Quellen und Anmerkungen:

Die Staatsräson ist tot, Philipp Peyman Engel vom 8. August 2025, https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/die-staatsraeson-ist-tot/

*This Israeli Submarine Changes EVERYTHING — Here is why! vom 2. Dezember 2023, https://www.youtube.com/watch?v=wjByX0_u1r0

Kanzlei Bahnweg, https://www.facebook.com/beate.bahnweg

Omer Bartov: „Ein Land, das Völkermord begangen hat, trägt diesen Makel über Generationen hinweg“, FR vom 5. August 2025, https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/gaza-krieg-genozid-forscher-omer-bartov-im-interview-93867077.html

Tote Kinder beim Namen nennen, Caitlin Johnstone, manova.news vom 7. August 2025, https://www.manova.news/artikel/tote-kinder-beim-namen-nennen

Der eliminatorische Nationalismus. Zwischen Krieg und Krieg in Gaza um Palästina, Wolf Wetzel, 2023, https://wolfwetzel.de/index.php/2023/11/29/der-eliminatorische-nationalismus-zwischen-krieg-und-krieg-in-gaza-um-palaestina/

Das größte KZ der Welt, Wolf Wetzel, 2025, https://wolfwetzel.de/index.php/2025/07/09/das-groesste-kz-der-welt/

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