Diese Woche berichteten internationale Medien wie Reuters, The New York Times und The Guardian über die Abschiebungspläne der Trump-Administration. Zielland sollte Libyen sein, wo schon am 7. Mai mit der Ankunft einer ersten Gruppe von Deportierten gerechnet wurde.
Ausgerechnet Libyen, ein Failed State, der traurige Berühmtheit wegen seines menschenverachtenden Umgangs mit Migranten erlangte und der wegen den in seinen Internierungslagern begangenen schwersten Menschenrechtsverletzungen und seinen brutalen Schleuserbanden berüchtigt ist. In seinem jährlichen Menschenrechtsbericht von 2024 kritisierte selbst das US-Außenministerium die „harten und lebensbedrohlichen Haftbedingungen“ und die willkürlichen Inhaftierungen in Libyen.
Allerdings scheint die Abschiebung in solche Horrorländer integraler Bestandteil des US-Deportationsplans zu sein, sollen damit Migranten nachdrücklich davon abgeschreckt werden, illegal in die USA einzureisen.
Welche Folgen diese erbarmungslosen Abschiebungen einerseits für die Deportierten, andererseits auch für das aufzunehmende Land haben, scheint der Trump-Administration ziemlich egal zu sein, ebenso, dass Libyen nicht nur Aufnahmeland, sondern auch das bedeutendste Transitland für Migranten auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa ist.
In Libyen will’s keiner gewesen sein
Mit wem in Libyen hatte die Trump-Administration eine entsprechende Abmachung zur Aufnahme der Migranten getroffen? Laut dem Wall Street Journal hatten libysche Beamte dem Plan zur Abschiebung nach Libyen im Gegenzug für politische Unterstützung zugestimmt. Als weitere Gegenleistung soll Libyen eine großzügige finanzielle Entschädigung und die Vergabe von Visa zur Einreise in die USA zugesagt worden sein. Insbesondere der Tripolis-Premierminister Abdulhamid Dabaiba soll sich gegenüber allen Vorschlägen der US-Regierung äußerst aufgeschlossen zeigen, um im Gegenzug von US-Präsident Donald Trump Unterstützung für seine Tripolis-Regierung zu bekommen, die durch die Diskussion über eine neue einheitliche Regierung, die den Weg zu Wahlen ebnen soll, ernsthaft bedroht ist.
Doch sowohl die Dabaiba-Regierung in Tripolis als auch Haftar im östlichen Libyen bestritten, den USA grünes Licht für die Aufnahme Deportierter gegeben zu haben.
Dabaibas Außenministerium behauptete, bei den Anschuldigungen handle es sich um eine reine Propagandakampagne.
Währenddessen macht sich in Libyen die Überzeugung breit, dass der Deal bezüglich der Überstellung von straffälligen Migranten aus den USA nur durch eine Koordination zwischen einflussreichen Militärführern sowohl aus dem westlichen wie aus dem östlichen Teil Libyens zustande gekommen sein konnte.
Deportationen nach Libyen von US-Gericht untersagt
Und tatsächlich wurde am 7. Mai über die Landung eines US-Militärfrachtflugzeugs auf dem Militärstützpunkt von Misrata berichtet. Als es hieß, damit sei eine erste Gruppe aus den USA Ausgewiesener angekommen, kannte die Empörung in Libyen keine Grenzen. Der Gemeinderat von Misrata distanzierte sich umgehend von der Aufnahme illegaler Migranten.
Doch wie es scheint, handelte es sich um eine Falschmeldung. Noch in letzter Minute hatte ein US-Bundesrichter in Boston die Abschiebung von straffällig gewordenen Migranten nach Libyen, ohne dass dem ein ordnungsgemäßes Verfahren vorherging, untersagt, da dies gegen das Gesetz und frühere Gerichtsbeschlüsse verstoße.
Der Richter begründete seinen Beschluss auch damit, dass Libyen ein Land sei, für das das US-Außenministerium eine Reisewarnung ausgesprochen hat.
Der Aussetzungsbeschluss war nach einem Eilantrag der Anwälte philippinischer, laotischer und vietnamesischer Staatsangehöriger erfolgt, die erklärten, dass ihren Klienten von Texas aus eine Abschiebung mit Militärflugzeugen drohe. Laut den Anwälten der von Abschiebung Bedrohten seien diese gezwungen worden, eine Einverständniserklärung zur Verbringung nach Libyen zu unterschreiben.
Es schaltete sich auch der philippinische Senatspräsident Francis Escudero ein, der die Deportation von Filipinos nach Libyen als grausam und unmenschlich bezeichnete. Wenn die USA philippinische Staatsangehörige abschieben wolle, seien die Philippinnen zu ihrer Aufnahme bereit.
Empörung schlägt in Libyen hohe Wellen. Fast alle libyschen Parlamentarier schlossen sich der Forderung nach dem Einsatz abschreckender, wenn nötig auch militärischer Mittel gegen diejenigen an, die an der Einreise abgeschobener Krimineller aus den USA beteiligt sind. Sie müssten wegen Hochverrats angeklagt werden.
Alle politischen und militärischen Kräfte seien dazu aufgerufen, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um Libyen vor diesem zu erwartenden Chaos zu schützen.
Der Generalstaatsanwalt müsse alle Umstände aufdecken und jeden zur Rechenschaft ziehen, der nachweislich bezüglich der libyschen Souveränität fahrlässig gehandelt hat.
Das Ansinnen der US-Regierung offenbare eine tiefverwurzelte kolonialistische und rassistische Weltanschauung. Parlament und Präsidialrat wurden aufgefordert, sowohl in der Sache Abschiebung Krimineller nach Libyen als auch in der Sache der Folterung des Abgeordneten Ibrahim ad-Darsi die weitere Entwicklung äußerst aufmerksam zu verfolgen.
Mitglieder des Staatsrats erklärten, dass Libyen zur Müllhalde internationaler und regionaler Mächte verkomme und zu einer Bühne für deren Abrechnungen werde.
Die anhaltende Spaltung und das Fehlen einer neuen, einheitlichen Regierung reiße Lücken in den Bereichen Sicherheit, Politik und Wirtschaft, die von destruktiven Kräften besetzt werden.
Noch krasser äußerte sich der mit internationalen Sanktionen belegte Kommandeur der as-Samud-Brigade Salah Badi. Er drohte in einem Video, als Vergeltung für die Aufnahme von Straftätern aus den USA den Luftwaffenstützpunkt Air Force College in Misrata mit einer Bombe in die Luft zu jagen — allerdings erst nach vorheriger Warnung.
Wie untragbar die politische Situation in Libyen empfunden wird, belegt ein Zitat von Nasser Ammar, Kommandant der Unterstützungstruppe der Operation Vulkan der Wut:
„Jeder, der im Februar (2011 am Aufstand gegen Muammar al-Gaddafi) teilgenommen hat, sollte wegen Hochverrats gehängt oder erschossen werden, mich eingeschlossen … wegen des Schreckens und der Tragödien, die die Nation derzeit heimsuchen.“
Guantanamo statt Libyen
Das Flugzeug mit den zu Deportierenden hatte laut Politico bei Bekanntwerden des Bostoner Gerichtsentscheids noch nicht in Texas abgehoben und soll am darauf folgenden Tag laut CNN nicht nach Libyen, sondern in Richtung Guantanamo Bay auf Kuba abgehoben haben — angeblich ohne Migranten an Bord.

Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.