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Hoffnungslos optimistisch

Hoffnungslos optimistisch

Bevor wir auf eine bessere Zeit hoffen können, müssen wir zunächst eine schonungslose Diagnose über den aktuellen Zustand erstellen.

Alle menschlichen Probleme und Krisen sind Ausdruck unseres Bewusstseins

Alles, was wir erschaffen, existiert vorher in unserem Bewusstsein. Jedes noch so kleine Ding, bis hin zu komplexen Gesellschaftssystemen, jeder Krieg, jeder Frieden, jede Schokoladentorte, einfach alles, was uns ausmacht, ist immer zuerst in uns, sprich in unserem Bewusstsein entstanden.

Wie wir das Leben erfahren, ist ebenfalls durch unser Bewusstsein konditioniert. Es gibt keine objektive Erfahrung. Wie wir das Leben wahrnehmen, ist komplett eingebunden in den Reifegrad unseres Bewusstseins.

Gandhi, das Symbol für friedlichen politischen Aktivismus, hat zur selben Zeit gelebt wie Hitler und Stalin, die Symbole unseres Wahnsinns, Sophie Scholl zur selben Zeit wie all die Mitläufer im Nationalsozialismus, und Lao Tse schrieb das „Tao te King“ in einer Zeit des nicht endenden Kriegs in China. Was diese Personen voneinander unterschied, war ihr Bewusstsein, nicht die Umstände.

Das Gerücht, dass Eliten uns beherrschen, haben diese wahrscheinlich selbst in die Welt gesetzt, auf jeden Fall dient es ihnen bestens. Wenn wir dieses Gerücht glauben, dann werden wir zu Opfern, und Opfer werden zur Schlachtbank geführt. Selbstverständlich gibt es Machtstrukturen und sehr mächtige Personen, Familien und Organisationen, die Menschen manipulieren und sie gnadenlos ausnutzen. Doch wenn wir uns bewusst werden, welche Kraft in uns ist, dann fallen diese Machtstrukturen wie Kartenhäuser in sich zusammen.

Schafe und Tiger

Wirklich freie Menschen kann man nicht beherrschen, man kann sie einsperren, foltern und sogar töten, doch wissen sie um ihre wahre Natur und sind deswegen frei von Angst. Und wo keine Angst ist, lässt sich kein Herrschaftssystem halten.

Wenn wir Angst in uns tragen, dann nützt auch keine Hoffnung, und wenn wir keine Angst haben, dann brauchen wir keine Hoffnung.

Mit anderen Worten: Nur Schafe brauchen einen Hirten, ein Tiger braucht keinen. Dass man mich nicht missversteht, Schafe sind wunderbare Tiere, doch sie dienen hier als Beispiel, weil sie nun mal Tiere der Angst sind. Wir müssen radikal ehrlich mit uns selbst sein, nur so ist eine richtige Diagnose möglich. Es hilft kein spiritueller Weichspüler, keine Hoffnung, kein Wunschdenken und keine Wohltätigkeitsarbeit — wir müssen die Angst erkennen, anerkennen, ihre Ursache verstehen, und wir müssen sie hinter uns lassen.

Die jetzt notwendigen Veränderungen brauchen Tiger, starke und bewusste Menschen, frei von Angst, verbunden mit dem Urvertrauen. Nur sie haben die Kraft zu einer radikalen Transformation in ihrem Bewusstsein, welches dann die Gesellschaft erschafft, die wir uns im Herzen ersehnen und die uns als Geburtsrecht zusteht.

Der Mensch ist nicht das Zentrum der Welt

Fast alle Kulturen basieren auf der falschen Annahme, dass der Mensch die Krönung der Schöpfung sei. Dies ist reine Spekulation, es gibt keinen Beweis dafür, dass wir auf den Thron des Kosmos gehören.

Wir halten uns für die beste, klügste und fortgeschrittenste Lebensform. Das glauben wir deswegen, weil wir die Regeln selbst erstellen, also menschliche Regeln, und diese dann auf den Rest des Universums anwenden. Wir sagen, die Wissenschaft beweise dies und jenes, doch was wir nicht sagen, ist, dass Wissenschaft sich ständig verändert und per Definition nicht abschließend sein kann, sondern immer im Kontext zum Zeitgeist steht. Was kann man von jemandem erwarten, der sich selbst „vernunftbegabt und weise“ nennt, „Homo sapiens sapiens“? Eine Selbstblendung, die sehr gut demonstriert, wie wir uns sehen. Da stellt sich die Frage, wo denn bitte diese doppelte Weisheit ist.

Wir sind zwar mit wunderbaren Gaben gesegnet, doch ebendiese haben uns geblendet und machen uns glauben, dass wir das Leben nach unseren Vorstellungen verändern können, ja sogar müssen, ohne Rücksicht auf die Gesamtheit des Lebens und anderer Lebensformen zu nehmen.

Diese Vorstellung, der Mensch sei das Zentrum, ist egozentrisch – und damit zerstörerisch. Nur kleine Kinder glauben, sie seien das Zentrum, jeder mehr oder weniger reife Mensch weiß, dass dem nicht so ist. Es ist so offensichtlich, dass man es leicht übersehen kann.

Solange wir nicht unseren Platz im Gewebe des Lebens einnehmen, solange wir gegen die Natur leben, sie sogar bekämpfen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir mit jedem Fortschritt zwei neue Probleme schaffen. Doch wenn wir unseren Wahn erkennen und dementsprechend handeln, dann können wir zu Gärtnern der Erde werden anstatt zu ihren Besitzern und Ausbeutern. Das Konzept, „die Erde ist unsere, und deshalb können wir mit ihr tun und lassen, was wir wollen“ — symbolisch für das egozentrische Denkmodell —, führt sich selbst ad absurdum.

Aus der Geschichte lernen

Wer nicht aus der Geschichte lernt, hat auch keine Zukunft. Worauf ich hindeuten möchte, ist, dass seit den Sumerern, also seit es Zivilisationen gibt, unsere Geschichte von Zerstörung, Ausbeutung, Krieg, Drama und Leiden bestimmt ist. Was immer wir auch tun, welchen Fortschritt wir auch machen, welche Verbesserung der Lebensqualität wir verwirklichen, welche Diktatoren wir stürzen, welche Revolutionen wir im Namen der Menschlichkeit vom Zaume brechen — wir setzen den Karren immer wieder in den Sand. Die Geschichte zeigt das klar und deutlich. Deswegen ist es absolut notwendig, dass wir aus der Geschichte lernen und sie „brechen“.

„Die Geschichte brechen“ heißt nichts anderes, als sie nicht ständig zu wiederholen. All unseren Fortschritten zum Trotz – seien sie nun sozial, kulturell oder technologisch – verhalten wir uns wie in der Anfangszeit der Zivilisationen. Nach wie vor gilt das Recht des Stärkeren, haben Gerüchte mehr Einfluss als die Wahrheit, führen wir weiterhin Kriege und glauben, dass die anderen für unser Leiden verantwortlich sind.

Es ist an der Zeit, die volle Verantwortung zu übernehmen, ohne Schuldige zu suchen — und selbstverständlich dann auch zu finden —, damit wir den Teufelskreis der Geschichte brechen und ihr eine neue Richtung geben. 

Die vier Ebenen des menschlichen Bewusstseins

Wie wir das Leben erfahren und interpretieren, hängt von dem Bewusstsein ab, mit dem wir uns identifizieren. Es gibt vier Bewusstseinsebenen. So wie es Jahreszeiten gibt, mit ihren entsprechenden Qualitäten, gibt es auch verschiedene Ebenen des menschlichen Bewusstseins. Alle Ebenen haben ihre Berechtigung in der Evolution des Lebens, keine ist besser oder schlechter als die anderen, alle sind notwendig.

Prä-individuell, individuell, trans-individuell und nondual

Wir können sagen, dass die beiden ersten Ebenen – prä-individuell und individuell – zerstörerisch sind und dass sich die meisten Menschen sowie die sogenannten Mächtigen auf diesen befinden. Hier geht es um Überleben, Kampf, Macht, Kontrolle, Besitz, konditionierte Liebe, Haben, Geld, Grenzen, Anhaftung, Gier, Angst, Neid, Sehnsucht, Leiden, Drama et cetera. Es sind die Ebenen des Ichs, des Egos und des Schattens — die dunkeln Seiten der menschlichen Existenz.

Die trans-individuelle Ebene und die nonduale Ebene sind erhaltend und kreativ. Bis heute konnte es nur eine kleine Gruppe auf diese Ebenen schaffen. Was wir hier vorfinden, ist ein fundamental anderes Panorama. Das Ich ist nicht mehr das Zentrum der menschlichen Existenz. Es geht ums Sein, Teilen, Leben, um Nichtanhaftung, Demut, Respekt, Verstehen, Lernen, Mitgefühl und Liebe, kurz, der Mensch erfüllt seine Funktion. Das Ich ist nur noch ein kleiner Teil der Identität.

Wir haben Kontakt zu allen Ebenen, bewusst oder unbewusst. Doch worum es hier geht, ist die Identifizierung, auf welcher Ebene wir unser Leben aufbauen, mit welcher wir uns wirklich identifizieren.

Solange wir mit dem Ich identifiziert sind, gibt es keine Hoffnung

Wir müssen verstehen, dass wir, solange wir uns mit dem Ich identifizieren, immer und unausweichlich Zerstörung, Leiden und Drama erzeugen. Es kann nicht anders sein, es liegt in der Natur des Ichs, der Identifizierung mit dem Ich.

Die Annahme, dass wir nur das Ich sind, entbehrt jeder Grundlage, spirituell und wissenschaftlich. Das Ich ist eine reine Fiktion, also kann daraus auch nichts entstehen, was eine wirkliche Veränderung bewirken könnte.

Das Ich wird sich immer als getrennt vom Leben erfahren. Solange wir uns aber als getrennt erfahren, ist das Leben nur dann „gut und sinnvoll“, wenn es in unsere Konzepte passt. Wenn nicht, wie das meistens der Fall ist, versuchen wir, es zu kontrollieren, oder leben in Angst, womit wir uns noch mehr Probleme schaffen.

Ein getrenntes Ich sieht die Natur als sein Gegenüber, die Menschen hier und die Natur dort. Deswegen unterteilen wir das Leben in natürlich und künstlich, erobern den Weltraum und besiegen Krankheiten. Wir ziehen die Grenze – hier Mensch, dort der ganze Rest. Grenzen sind allerdings potenzielle Konfliktzonen. Deswegen liegen wir auch mit der Natur im Krieg, beuten sie aus, und eigentlich ist sie uns egal, solange es uns gut geht und unsere Komfortzone gesichert ist.

Haben wir das verstanden, und sei es nur theoretisch, dann eröffnet sich ein neuer Horizont. Dann leben wir nicht mehr in diesem eng begrenzen Raum eines getrennten Ichs mit all seinen Nebenwirkungen. Dann brauchen wir auch keine Hoffnung mehr, denn wir haben verstanden, dass, selbst wenn wir uns ausrotten oder die Erde uns einfach einen Fußtritt gibt, dies nicht das Ende ist, sondern ein weiterer Schritt in der Evolution.

Wir sind einfach nicht so wichtig, wie wir auf den beiden ersten Ebenen des Bewusstseins glauben. Früher oder später, so oder so, kommt das Ende der Menschheit. Das sind kosmische Tendenzen, Gesetze – alles, was beginnt, hat irgendwann auch ein Ende. Nichts im Kosmos dauert ewig.

Zusammenfassung

In gewisser Weise müssen wir alle Hoffnung darauf verlieren, es mit unserem aktuellen kollektiven Bewusstsein — prä-individuell und individuell — zu schaffen, irgendwie noch die Kurve zu kriegen. Wir werden immer Sklaven unserer Wünsche, Sehnsüchte und Ängste sein, egal, ob wir nun zu den Beherrschten oder zu den Herrschenden gehören. Es ist die Struktur des Ichs — oder vielmehr nicht das Ich an sich, sondern unser Angehaftetsein an es —, die in Leiden und Zerstörung mündet. Sie verlangt vom Leben, dass es sich nach seinen Wünschen richtet, als ob ein Floh dem Hund sagt, wo er hingehen soll. Dies kann einfach nicht funktionieren. Doch genau da liegt das Problem: Wir sind zutiefst überzeugt, dass der Floh dem Hund sagt, wohin die Reise geht. Erst wenn wir das verstanden haben, können wir zu wirklichen Lösungen übergehen.


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