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Maskierte Tyrannei

Maskierte Tyrannei

Die Verrücktheit bestimmter Coronamaßnahmen wird nur noch durch die brutale Unduldsamkeit übertroffen, mit der diese bis heute durchgesetzt werden.

Auch mir hat Dr. Dohrenbusch im Jahr 2020 ein Attest ausgestellt. Im Folgenden will ich erzählen, wie es dazu kam. Ich schreibe von persönlichen Erfahrungen. Zum Prozess fand ich in den Medien keine Information, und so gebe ich keine Quellen an. Es geht um wechselvolle Zeiten, die längst nicht „vorbei“, und von Erfahrungen, die nicht nur meine sind.

Maskenpflicht

Eines Tages, im Frühling 2020, herrscht Maskenpflicht.

Auf dem eineinhalbstündigen Weg zur Arbeit im Synchronstudio — wie immer mit Öffis — wird mir übel. Ich nehme die Maske ab, werde von Mitreisenden zurechtgewiesen, muss aussteigen. Ich brauche frische Luft. Auch auf dem Rückweg muss ich die Fahrt unterbrechen. Den Rest des Tages verbringe ich im Bett. Mir ist übel und schwindlig.

Nach weiteren ähnlichen Erfahrungen suche ich meine Hausärztin auf, eine Freundin. Irgendwo hatte ich gelesen, dass, wer die Maske nicht verträgt, er dies nur „glaubhaft machen“ müsse. Ein ärztliches Attest sei dafür am besten geeignet.

„Ein Attest?! Wo denkst du hin?“

„Ein Attest?!“ Das könne sie mir nicht geben, dürfe sie mir nicht geben. „Wo denkst du hin?“ — „Aber ich hab doch diese Schwindelerkr...“ — „Morbus Menière ist kein Grund.“ — „Und die Herzrhythmusstörungen?“ — „Ts!“ — „Und guck mal …“ — „Lass das Ding auf!“ — „Aber guck doch mal, ich hab schon raue, rote Stellen am Kinn. Das muss das Material sein. Im Gesicht hatte ich sowas noch nie!“ — „Hautausschlag? Nee, sorry. Ein Attest kann ich nur Asthmatikern ausstellen.“

Na schön, ich will ja auch keine Extrawurst. Bis zum Ende dieser Maßnahme werde ich’s schon aushalten. Im Aushalten war ich schon immer gut. Ich wunderte mich nur über den ungewohnt ruppigen Ton meiner Freundin. Die Freundschaft endete wenig später.

Heute frage ich mich ernsthaft, was sie ihren Asthma-Patienten damals erzählt hat.

Positiv gesund

Im Juni 2020, vor einer kleinen Operation, musste ich mich einem Test unterziehen. Und schwupp war ich in Isolation.

Verblüfft, symptomfrei, positiv, gesund saß ich im Hausarrest, gab aber, damals noch gutgläubig, all meine Kontaktpersonen an: fünf an der Zahl. Alle waren wohlauf und sollten es auch bleiben: mein Mann, die Ärztin … und eine Kollegin mit Mann, Kind und kleinem Hund. Diese vier traf die Quarantäne im Urlaub — und am schlimmsten: Bei strahlender Sonne und glühender Hitze waren sie in einer Ferienwohnung gefangen. Der Hund zählte nicht als Kontaktperson, durfte jedoch, nachdem das Gesundheitsamt per Telefon überraschend die Quarantäne verhängt hatte, nicht mehr ausgeführt werden. Nachdem er in höchster Not auf den Balkon gekackt hatte, eilte eine ferne Verwandte quer durch Deutschland herbei, um das Tier, das an der Türklinke der Ferienwohnungstür — außen! — angebunden war, kontaktlos zu übernehmen. Der Hund war schuldbewusst, verstört und ängstlich, denn er kannte die Dame nicht, die ihn mit sich nahm.

Mich beschlich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte

In jenen Tagen beschlich mich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte.

Abends rief die Kollegin mich an. „Wir können nicht mal Wäsche waschen“, schluchzte sie ins Telefon. „Die Waschmaschine ist im Keller, aber wir dürfen ja nicht raus aus der FeWo für die nächsten zwei Wochen! Und unser Vermieter dreht hohl vor Angst, dass sie ihm die Ferienpension schließen!“

Dem vierjährigen Sohn machte sie den Jugendknast fröhlich schmackhaft: „He, Timmy, ich hab tolle Nachrichten! Du darfst jetzt zwei Wochen lang fernsehen, so viel du willst!“

„Sie dürfen das Haus nicht verlassen!“

Das Gesundheitsamt rief täglich zu verschiedenen Zeiten bei mir an und täglich auch bei meinem Mann. „Wie fühlen Sie sich?“ — „Gut.“ — „Haben Sie Fieber?“ — „Nein.“ —„Sie müssen täglich messen!“ — „O.K.“ — „HustenSchnupfenKopfwehÜbelkeit,Geruchsverlust?“ — „Uns fehlt nichts ... außer der Freiheit.“ —„Sie dürfen das Haus nicht verlassen!“ — „Ja, ähm, also nein, keinesfalls!“ — „Mehrfamilienhaus?“ — „Drei Parteien.“ — „Sie dürfen auch nicht ins Treppenhaus.“ — „Nein.“ — „Auch nicht zur Leerung des Hausbriefkastens!“ — „Nein, nein!“

Wir sagten die Wahrheit, denn wenngleich wir gesund waren, wollten wir niemanden anstecken. Hä? Womit eigentlich? Tja, hm.

Mit jedem Tag schrumpfte unsere Wahrheitsliebe

Auf Nachfrage beteuerten wir auch, dass wir stets unsere Masken trügen, Abstand hielten, keinerlei Kontakt zueinander pflegten. Das klang glaubhaft, denn unser Zuhause ist groß. Aber was kann man schon tun, wenn man zu zweit daheim ist und alle Zeit für die Liebe hat? Mit jedem Tag, an dem wir uns zwar in Gefangenschaft, aber höchst vital und ausgeruht fühlten, wuchs unsere Liebe, während unsere Wahrheitsliebe schrumpfte.

Die Arztfreundin kündigte mir die Freundschaft auf: Ich sei rücksichtslos und gefährde Menschen.

Die in der Ferienwohnung gefangene Mutter war am Ende ihrer Nervenkraft, weil Timmy partout nicht mehr TV gucken, sondern nur noch raus! raus!! raus!!! wollte.
Ich auch.

„Maske! Maske auf!“

Gerade noch rechtzeitig vor einer Lesung in einem angesehenen Institut endeten Isolation und Quarantäne. Mein Mann fuhr mich zum Auftritt. Wir fanden beide, dass so ein Auto doch manchmal großartig ist. Der Veranstalter erwartete uns am Tor. Einen Test hatte er nicht verlangt. Doch als ich lächelnd aus dem Auto stieg, brüllte er: „Maske! Maske auf!“ und wehrte entsetzt meine Begrüßungshand ab. Erst nach allen Vorbereitungen und nur auf der Bühne durfte ich die Maske absetzen. Immerhin.

Am nächsten Tag sagte ich alle anderen noch geplanten Lesungen ab. Geld hin oder her, das war mir zu stressig.

Der Genesenen-Nachweis

Als Nächstes stand eine Zahn-OP in meinem Terminkalender. Ungünstiges Timing. Ließ sich aber nicht anders einrichten. Laut Gesundheitsamt sei Frei-Testung vor der OP nicht nötig, der Genesenen-Nachweis genüge. Es waren ja Hunderte neuer Begriffe wundersamer Weise über Nacht entstanden, darunter der Genesenen-Nachweis. Den erhielt man am Ende der Isolationspflicht. Gültigkeit: sechs Monate, später nur drei. Warum? Ich weiß es nicht.

Aufruhr

Die Arzthelferin nahm das Dokument entgegen und brachte mich auf dem Stuhl in Flachstellung. In Rückenlage bekam ich noch weniger Luft als im Sitzen, und so zog ich — unmittelbar vor der OP — die Maske runter. Wortlos, schnell und brutal wurde sie mir wieder aufs Gesicht gedrückt. Panisch keuchte ich: „Aber ich bin doch während der OP eh gleich zwei Stunden ohne Ma…“, dann umfing mich gnädiger Dämmerschlaf.

Als ich aufwachte, waren alle in hellem Aufruhr.

„Wenn Sie jetzt positiv sind, schließen die uns die Praxis!“

„Ja, um Himmels willen!“ Was mir denn einfiele! Ich hätte mich doch freitesten lassen müssen! „Aber das Gesundheitsamt hat mir gesagt …“ — „Unsinn!“

Ob falsche Auskunft, neue tagesaktuelle Vorgabe — was auch immer passiert war, nun galt: „Jetzt müssen wir Sie hier nochmal testen! Wenn Sie jetzt positiv sind, schließen die uns die Praxis! Ist Ihnen das eigentlich klar?!“ Die eine maskierte Gehilfin reichte der anderen ein Teststäbchen und raunte ihr zu: „Weißt schon, wie, O.K?!“ Tatsächlich: Das Teststäbchen berührte kaum meine Wangenschleimhaut. Der Test war negativ.

Ich habe die Praxis nie wieder besucht.

Die Volksvertreter

Maskenfrei reist der eine mit der Bahn, sitzt der eine oder andere im Flieger, wirft ein weiterer die Maske ab, sobald er „Kamera aus“ wähnt.

Maskenfrei feiern die Damen und Herren eine Wahlparty, maskenfrei drängeln sich die Herren in den Aufzug.

Beweise? Finden sich im Internet unter dem Stichwort „Politiker ohne Maske“.

„No“, sagt meine Nachbarin Frau Liba, die tschechische Mesnerin. „Wussten schon alte Römerinnen: Was darf Jupiter, Ochse darf noch lang nicht. Volkstreter haben Narrenfreiheit, weil sind sie närrisch.“

Fürs Dummvolk gilt: Nichts geht mehr ohne Maske.

Nichts geht mehr ohne Maske

Ich begann, Menschen zu meiden. Nicht aus Angst vor Krankheit, sondern aus Angst vor erneutem Hausarrest. Einmal reicht.

Es ist mir noch so nah, dass ich in die Gegenwartsform springe: Eine einsame Schauspielkollegin, wegen der aktuellen Auftragsmisere in prekärer finanzieller Lage, ruft mich an, total verzweifelt. Seit der Maskenpflicht könne sie nicht einmal mehr zum Ballettunterricht. „Das war doch noch meine einzige Freude! Und die Psychologin lässt mich auch nicht mehr rein ohne Maske! Ich halte das nicht mehr aus!“

Ich auch nicht.

„Wenn wir ein Attest ausstellen, zerlegen die uns die Praxis.“

Um fünf Ecken bekomme ich eine Adresse und begebe mich sofort dort hin. In der Hausarztpraxis hängt ein großes Plakat: „Hier sind auch Menschen ohne Maske willkommen.“ Die Ärztin ist freundlich. Ich fasse Mut und frage noch einmal nach einem …

„Attest? Das tut mir leid, aber … es tut mir so leid, aber das machen wir nicht. Wenn wir ein Attest ausstellen, zerlegen die uns die Praxis.“ — „Was?“— „Sie haben mich richtig verstanden. Wir versuchen halt, die Menschen hier ein bisschen aufzufangen. Wenigstens das.“

Da sitzen wir beide. Und sehen uns schweigend an.

Das Gesicht ist eine intime Zone. Wer würde einem anderen Menschen ungefragt ins Gesicht fassen? Uns selbst sollen wir nicht mehr ins Gesicht fassen — aber der Staat darf uns die Hand auf den Mund legen? Me too!

Kinder, Kinder!

Auf meinem Heimweg in der S-Bahn sitzt eine Frau mit einem etwa zehnjährigen Jungen. Er zupft dauernd an seiner Maske rum, nimmt sie auch mal ab, nur ganz kurz, um ein Kaugummi in den Mund zu schieben, schnieft und kaut und zupft und zappelt und drängelt sich vor beim Aussteigen, springt raus, in riesigen Sätzen die Treppen runter. Lachend ruft die Mutter: „He, was hat dich denn gestochen?!“ Er dreht sich um, die Maske jetzt in der Hand: „Ich wollte doch nur schnell die Maske loswerden!“

Mit hochrotem Kopf, kurzatmig und total überhitzt, kommt der achtjährige Sohn einer Bekannten mittags aus der Schule; direkt vom Sportunterricht, vom Dauerlauf, Dauerlauf mit Maske, auf dem Sportplatz, in der Mittagshitze. Seine Mutter arbeitet in der Kita systemrelevant. Noch so ein Neuwort. Sie muss die Kinder testen. „Wie ich teste?“, raunt sie mir zu, „Na, weißt schon, wie …“

Das Glück ist auf dem Weg

Meine Nachbarin ist schwanger. Sie trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Das Glück ist auf dem Weg“, geht nicht mehr einkaufen und hat Angst — nicht vor der Geburt, sondern davor, mit Maske gebären zu müssen.

Gebären mit Maske? Glaube ich nicht. Doch Landratsamt bestätigt: Nur während der Presswehen darf die Maske abgenommen werden, „sofern sie nicht mehr ertragen wird“.

Wer bestimmt, was erträglich ist? Mit wem muss die Gebärende darüber diskutieren? Wer steht ihr bei? Der Kindsvater darf nicht dabei sein, in der neuen Normalität …

Der Zwang, mit Maske gebären zu müssen, ist Folter

Ich suche das Gespräch mit einer Hebamme, weil ich das alles noch immer nicht glauben kann. Aber es stimmt. Und auch das stimmt: Der Zwang, mit Maske gebären zu müssen, ist Folter.

Ich begann, Fragen zu stellen

Ich begann, Fragen zu stellen — mir und anderen —, fing an, einige „Maßnahmen“ zu hinterfragen und zu kritisieren, wollte mich darüber austauschen, wie gewohnt, und bekam sonderbare Antworten.

Nachdem ich ihm einige Bedenken mitgeteilt hatte, mailte mein ältester Freund: „Soso. Dafür verdienst du jedenfalls Beifall von Herrn Bolsonaro, den ich persönlich zur falschen Seite zähle.“

Eine Freundin aus gemeinsamen Hartz-IV-Zeiten — in denen staatliche Willkür uns ereilt und entsetzt hatte — schrieb:

„(…) vielleicht warst du erstaunt, dass von mir so wenig kam zu deinem 70sten. Ich glaube einfach, dass im Moment nicht mehr geht. Ich bin nicht glücklich darüber, möchte die Freundschaft zu dir aber auch nicht gefährden.“

Und eine junge Bekannte schickte eine SMS: „Ich bin anderer Meinung, und deshalb hörst du auch nichts mehr von mir.“ Dabei blieb es.

Nun hatte ich noch mehr Fragen als zuvor.

„Komm, lass uns ins Kino gehen! Man wird ja sonst verrückt!“

Theater. Endlich mal wieder.

Im Foyer hingen die „Aha-Regeln“. Die Profis auf der Bühne spielten sich die Seele aus dem Leib. Im Zuschauerraum saßen weitverstreut — Abstandsregel! — die Maskierten. Nur vereinzelt hörte man gedämpftes Gießkannenlachen.

Mir wurde so übel, dass ich die Vorstellung verlassen musste. Man lacht nicht gut unter einer Maske. Sie schränkt aber auch das Sehen ein, Brillen beschlagen, das Gesichtsfeld ist beim Blick nach unten eingeschränkt.

Egal. „Komm, lass uns ins Kino gehen! Man wird ja sonst verrückt!“

Als ich versuchte, im Dunkeln die Maske runterzuziehen, wurde ich sofort harsch ermahnt. Am Ende des Films war mir schwindlig. Beim Rausgehen übersah ich die oberste Stufe einer Treppe. Der Sturz verlief glimpflich.

Nachdenken

Aber dann musste ich zum Arzt. Da war wohl doch was mit der Bandscheibe. Nach einer Wartezimmermaskenstunde wurde mir schwindlig. Ich fuhr heim ohne ärztlichen Rat, verbrachte die folgenden Tage in Stufenlagerung im Bett, dachte nach und ließ Revue passieren, was ich in den letzten Monaten gesehen und erlebt hatte.

Ohne Maß und ohne Ende

Inzwischen kannte ich zwei Paare, die aus Angst vor Ansteckung die Masken auch im Bett trugen und ihr Liebesleben sicherheitshalber eingestellt hatten.

Ich habe Radler maskenbewehrt unter freiem Himmel durch einsame grüne Auen rasen sehen und Autofahrer, die allein in ihrem Fahrzeug saßen und eine Maske trugen. Für die Genderspurensicherung: auch Fahrerinnen — das macht es nicht sinnvoller.

Ich sah speckdreckige Masken auf unrasierten Kinnladen hängen, ohne dass jemand Anstoß genommen hätte. Hauptsache, es hing was im Gesicht.

Wenn ich unterwegs mal dringend Pipi musste, wusste ich nicht mehr, wohin, denn die meisten öffentlichen Toiletten waren geschlossen — Coronaschutzverordnung

Die Maßnahmen waren maßlos geworden — und ein Ende war nicht in Sicht. Auch Kinderspielplätze waren mit roten Flatterbändern tatortartig weiträumig abgesperrt.

Ich erfuhr, dass Menschen, die lesend allein auf einer Parkbank saßen, festgenommen und bestraft wurden — und habe vergeblich dagegen protestiert.

Nachdem eine Stadt-Freundin sich Lockdown-regelwidrig in ihre Zweitwohnung aufs menschenleere Land zurückgezogen hatte, fürchtete sie nun, verpetzt und inhaftiert zu werden, denn das war anderen bereits widerfahren.

Irgendwann hatte ich angefangen, die inneren Fusselschichten der Maske sorgfältig herauszutrennen, beendete das Experiment aber wieder, als mich jemand vor Mikroplastikfaservergiftung warnte.

Eine Zeit lang hatten mein Mann und ich bei jedem Biergartenbesuch die eigenen Daten und die der Bezugsperson angeben müssen — auf datenwidrigen Sammellisten — zwecks Kontaktverfolgung, bis ich einen kontaktverfolgungsfreien Hintereingang entdeckte.

Ich hörte im Radio, wie ein Politiker dem Volk die Corona-Biergarten-Abstandsregeln erklärte. Sollte jemand das Kabinettstück verpasst haben: Die Internetrecherche „Wenn sechs bis acht Leute, jeder mit seinem Kumpel kommt“ führt schnell zum Ziel und verspricht zur Abwechslung ein bisschen Spaß. Allerdings war die Ausführung ernst gemeint.

Was ich von einsamen Alten und Altenheimen hörte, ließ mich schaudern. Wenn ich an meine Eltern dachte, war ich froh, dass sie schon in einer anderen Welt weilten. Aber das Schlimmste, was ich in dieser Monaten zu Gesicht bekommen hatte, war ein Baby im Kinderwagen — mit Maske.

Nun lag ich im Bett und betete.

Ein neuer Arzt. Und ein Attest

Im Spätsommer 2020 führte mich der Weg zu Dr. Dohrenbusch, Haus- und Betriebsarzt mit langjähriger Gemeinschaftspraxis im Herzen von München.

Er hörte mir zu, stellte Fragen, sah sich meine Unterlagen an, Laborergebnisse, neuere Atteste, alte Atteste, Morbus Reiter 1978, Polymyalgia Rheumatica 2008 bis 2010, Hüft-TEP 2009, Bandscheiben-OP 2011, Herzrhythmusstörungen, Schwerbehindertenausweis GdB 50.

Als er seine Unterschrift unter das Attest setzte, hatte ich das Gefühl, endlich wieder frei atmen zu können. Ich hätte tanzen können auf der Straße. „Danser encore!“

An diesem Tag herrschte verstärkte Polizeipräsenz. Schon im S-Bahn-Untergeschoss wurde ich angehalten. „Ihre Maske, bitte!“ Ich zeigte, leicht bänglich, das druckfrische Attest. „Ach so, Sie haben eine Befreiung. Kein Problem. Schönen Tag noch.“
Ich war überrascht.

Die Kripo beim Arzt

Am Morgen des 4. Februar 2021 kam eine Staatsanwältin mit acht Kriminalbeamten in die Praxis Dohrenbusch. Sie legte einen Durchsuchungsbefehl vor. Datenträger und Patientenakten wurden beschlagnahmt. Der Vorwurf lautete: Ausstellung falscher ärztlicher Atteste zur Befreiung der Maskenpflicht — die gemäß Bayerischer Infektionsschutzmaßnahmenverordnung durchaus berechtigt ausgestellt werden konnten.

Ein Interview mit dem Titel „Die Kripo beim Arzt“ vom 20. Mai 2021 ist im Internet zu finden.

Auch ein Patient von Dr. Dohrenbusch bekam Polizeibesuch.

Seitdem hängt ein Zettel an meiner Pinnwand: „Verhalten bei Hausdurchsuchung“

Fassungslos berichte ich der zuvor erwähnten Freundin aus Hartz-IV-Zeiten.

Sie mailt: „Ich wünsche Gutes — bleib gesund. Sehr bitter, aber hier sind meine letzten Grüße.“

Vier Jahre später: Das Urteil

Am 20. Mai 2025 schreibt Dr. Dohrenbusch:

„Am Montag, den 19.5.25 13h wurde das Urteil verkündet: 120 Tagessätze à 150,- € (18.000) wegen 7 Attesten zur Befreiung von Maskenpflicht. (…) Ab 90 Tagessätzen gilt man als vorbestraft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wir gehen in die Berufung (…).“

Dohrenbusch ist nicht der einzige Arzt, der vor Gericht gestellt wurde. Fast 1.000 Ärzte und mehrere 1.000 Patienten und Patientinnen in Deutschland haben wegen ähnlicher Anschuldigungen Probleme mit der Justiz bekommen.

Herbst 2020 bis Frühjahr 2023: Und was hat das Attest genützt?

Das Attest nützte mir im Alltag nicht allzu viel.

a) Einkaufen

Fünf Apotheken in unserer 40.000-köpfigen Stadt wollen mich nicht regulär bedienen, sondern verweisen mich auf „Hauslieferung“ oder „Bedienung am Notschalter“ — dort, wo die Hunde aufs Herrchen warten.

Auch eine Buchhandlung im Landkreis bedient Maskenbefreite „lieber nur draußen“.

Bei Norma, dm und in zwei Reformhäusern werde ich nach Attestvorlage und einigen Erklärungen korrekt bedient. Alle anderen Läden meide ich.

Einmal in der Woche wird uns die Biokiste geliefert. Die restlichen Einkäufe erledigt mein Mann — er leidet weniger unter der Maske als ich.

b) Arztbesuche

Eine Facharzt-Sprechstundenhilfe reagiert panisch trotz telefonischer Ankündigung. Obwohl ich nur rasch ein Rezept abhole, will sie das Attest einscannen — ein Verstoß gegen den Datenschutz.

In der (neuen) Zahnarztpraxis werde ich nach Attestvorlage im Wartezimmer ins hinterste Eck gesetzt, aber freundlich und gut behandelt. Behördliche Aushänge in der Praxis besagen, dass zahnärztliche Behandlungen keine Gefahr darstellen.

Gut zu wissen, aber irgendwas an dieser Info erscheint mir widersprüchlich.

c) Kultur, Bildung, Fitness, Restaurant

Das örtliche Kino beruft sich aufs Hausrecht und lässt niemanden ohne Maske rein, Attest hin oder her.

In einem menschenleeren Museum muss ich in jedem neuen Saal erneut das Dokument vorzeigen. Danach gehe ich zu keiner Kulturveranstaltung mehr.

Das Fitness-Studio erlaubt mir, „oben ohne“ zu kommen. Ich solle es aber so machen, dass es niemand bemerkt. Hä?

Yoga und Workout verlege ich ins Wohnzimmer, und dort tanze ich auch mit meinem Mann, denn die C-Regeln beim Tanzkurs sind zu kompliziert.

Auf Restaurantbesuche verzichten wir schon längst. Macht keinen Spaß.

d) Arbeit

Auch im Synchronstudio darf man die Maske erst unmittelbar vorm Mikro abnehmen. Ich halte mich daran, will meine Auftraggeber nicht in Schwierigkeiten bringen. Mein Mann fährt mich zu den Terminen, um mir die S-Bahn-Fahrten zu ersparen. Als die Maßnahmen verschärft werden und die Aggressionen zunehmen, setze ich beruflich aus.

Zum Glück bin ich nicht in finanzieller Not — wie so viele andere vogelfreie Freie, die mich anrufen: ängstlich, verzweifelt, mit den Nerven am Ende, weinend, schreiend, mit Suizidgedanken.

e) Behörden

Für eine Rentenzahlung aus der Schweiz muss ich mir von der Gemeinde alljährlich mein Leben bescheinigen lassen, was zu diesem Zeitpunkt ja schon fast lustig klingt. Nach telefonischem Hin und Her wird mir der Beleg durch den Türspalt auf der Straße am langen Arm ausgehändigt.

Im Jahr darauf — während verschärfter Maßnahmen — gibt’s gar keine Bescheinigung. Da wird die Rente nur weitergezahlt, weil die Schweizer Behörden ausnahms- und kulanterweise auf eine Lebensbescheinigung verzichten.

f) Unterwegs: „Sie sehen aber gar nicht krank aus!“

Die Schaffner der Deutschen Bahn — soweit ich erkennen konnte, männlichen Geschlechts — sind bis auf einen korrekt und nett.

Mit fünf Stadtbusfahrern — dito — muss ich heftig diskutieren. Einer verweigert die Beförderung.

An einer S-Bahn-Station patrouilliert die Mitarbeiterin eines privaten Wachdienstes. Trotz Attestvorlage will sie mich des Bahnsteigs verweisen: „Sie sehen aber gar nicht krank aus!“ In diesem Augenblick kommt die S-Bahn, ich steige ein.

Mitreisende beschimpfen mich. Meine Angst vor tätlichen Angriffen nimmt zu. Wenn ich ohne Maske fahre, trage ich ein Schild um den Hals, darauf steht in Großbuchstaben: SCHWERBEHINDERT — MASKENBEFREIT — ATTEST.

Trotzdem werde ich noch beschimpft.

Fast nutzlos. Und doch Rettungsanker

Das Attest hat mir im Alltag nicht viel genützt. Gleichwohl war es Schutz, Trost und Hilfe. Schlimmstenfalls kann ich, darf ich die Maske abnehmen, ohne dass mich gleich die Polizei abführt. Dieser Gedanke hat mich beruhigt. Das Attest hat mir Mut gemacht und mir Kraft gegeben in entmutigenden Augenblicken. Es war Schutz im Gefühl des Ausgeliefertseins. Mein Dank geht an Dr. Dohrenbusch.

Ich wünschte, die Zeiten der Willkür wären vorbei.

Hoffen wir auf Recht und Gerechtigkeit … in zweiter Instanz.

Nachtrag: Denkzettel

Am Tag der Urteilsverkündung hat eine Mutter mir diesen „Denkzettel“ aus dem Jahr 2022 zugeschickt.

Text transkribiert:
Denkzettel für XXXXX am 31.1.22
Was hast du falsch gemacht?
Ich habe meine Maske nicht immer aufgesetzt.
Folgende Regel habe ich nicht eingehalten:
Ich habe nicht immer meiner Maske auf gehabt.
Bist du der Meinung, dass du dich bei jemandem entschuldigen musst?
X ja / erledigt am 31.1.22
Was nimmst du dir für die nächste Zeit vor?

Das ich meine Maske auf setzen fergeßn werde. Aber ich habe es immer fergeßen die Maske auf zu setzen. Ich werd jetzt immer meine Maske auf setzen.

Children of the Great Reset

„Schwerbehindert — maskenbefreit — Attest“


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