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Maßnahme ohne Evidenz

Maßnahme ohne Evidenz

Ein Medizinprofessor rekapituliert die Geschichte der Maskenpflicht in Deutschland.

Die Entstehung

Kampf zeichnet chronologisch die Einführung der Maskenpflicht nach und beginnt beim nationalen Pandemieplan aus dem Jahr 2017, „welcher Masken für die Öffentlichkeit nicht als mögliche Maßnahme vorsah.“ Auch zeigt er offensichtliche Widersprüche bezüglich der Empfehlungen zum Maskentragen auf. Beispielhaft beschreibt Kampf den erstaunlich schnellen Sinneswandel des Robert Koch-Instituts (RKI) hinsichtlich des Tragens von Masken in der Öffentlichkeit. Das RKI vertrat Ende Januar 2020 im Einklang mit der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch folgende Auffassung zum Thema Masken:

„Bei einer länderübergreifenden Ausbreitung einer Krankheit (Pandemie) empfiehlt sie für die allgemeine Bevölkerung ausdrücklich keine Masken.“

Doch im April 2020 änderte das RKI, angeblich aufgrund neuer Erkenntnisse, seine Empfehlungen. Die neuen Erkenntnisse, die nun zu einer Empfehlung des Tragens der Maske in der Öffentlichkeit führten, beriefen sich auf die Behauptung, dass Infizierte das Virus schon vor Auftreten von Symptomen ausscheiden können. Laut Kampf ist diese Begründung nicht glaubhaft, „denn bereits am 28. Januar 2020 wurde beim ersten Covid-19-Fall in Deutschland berichtet, dass die Übertragung von einer bis dahin als asymptomatischen angesehenen Person ausging.“

Außerdem weist Kampf in seinem Buch darauf hin, dass bis zum April 2020 bereits 22 Publikationen zu asymptomatischen Covid-19-Fällen erschienen sind. Außerdem waren asymptomatische Influenzaverläufe bereits Teil des Pandemieplans aus dem Jahr 2017, so Kampf.

Nachdem, ausgehend von Jena, die Maskenpflicht Stück für Stück Einzug in das öffentliche Leben nahm und bald sowohl im Nahverkehr als auch an Schulen und sogar im Freien eingeführt wurde, begann eine weitere Verschärfung mittels verschiedener verpflichtender Maskentypen. Dankenswerterweise erinnert Kampf durch Zitate von Politikern an die Zeit, als die Maske als wirksames Pandemiebekämpfungsmittel hochgelobt wurde.

Die „Evidenz zum Sinn der Maskenpflicht sei erdrückend“, äußerte sich der Ratsvorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery. Der „Nutzen von Masken ist sehr groß und unumstritten“, twitterte im August 2022 der Bundesgesundheitsminister und fügte im Februar 2023 noch hinzu, dass „Masken vor Long Covid schützen.“

Kampf, der über 250 wissenschaftliche Arbeiten in Fachzeitschriften veröffentlicht hat, war ebenfalls 18 Jahre in führender wissenschaftlicher Position bei einem Desinfektionsmittelhersteller tätig. Vielleicht hilft diese praktische Erfahrung, zwischen Laborergebnissen und wirksamen Hygienemaßnahmen zu unterscheiden.

Die Wirksamkeit

Diese auf fast allen Kanälen propagierte Wirksamkeit unterzieht der Facharzt für Hygiene einer soliden Prüfung und führt den Leser gleichzeitig in die Bewertung von wissenschaftlicher Evidenz ein.

Dabei wird schnell klar, dass sich aus den Ergebnissen oft zitierter Laborstudien „nicht ableiten lässt, wie gut die verschiedenen Masken tatsächlich vor viralen Atemwegsinfektionen schützen“ — auch weil der Umgang mit einer Maske gelernt sein muss und einen starken Einfluss auf die Effektivität dieser Maßnahme hat.

Die bestmögliche Evidenz für die Wirksamkeit einer Maßnahme lässt sich durch randomisiert-kontrollierte Studien erbringen, die den Vergleich mit einer nicht Maske tragenden Kontrollgruppe ermöglicht. Übersichtsarbeiten aus diesen qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen liefern die bestmögliche Beweislast für oder gegen eine Wirksamkeit.

Kampf arbeitet diesbezüglich in seinem Buch einen spannenden Widerspruch heraus. Der Sachverständigenausschuss der Bundesregierung tätigte in seinem „Bericht zur Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik“, der am 30. Juni 2022 erschien, folgende Aussage:

„Neben der allgemeinen und im Labor bestätigten Wirksamkeit von Masken ist nicht abschließend geklärt, wie groß der Schutzeffekt von Masken in der täglichen Praxis ist, denn randomisierte, klinische Studien (RCTs) zur Wirksamkeit von Masken fehlen.“

Kampf bezeichnete diese Behauptung als „schlichtweg falsch”, da zu diesem Zeitpunkt bereits zwei RCTs (1, 2) zum Thema Wirksamkeit von Masken vorlagen, diese jedoch keinen signifikanten Nutzen zeigen konnten. Er schlussfolgert:

„Entweder fehlte den Sachverständigen der Bundesregierung bei der Studienauswahl die erforderliche Sorgfalt, oder es wurden die bereits veröffentlichten RCTs mit einem unvorteilhaften Ergebnis für Masken einfach nicht berücksichtigt.“

Das prominenteste Beispiel dafür ist die Cochrane Metaanalyse aus 2023, die zu folgendem Schluss kam:

„Das Tragen von Masken hatte keinen oder wenig Einfluss auf die Häufigkeit viraler Atemwegsinfektionen.“

Den medialen Aufruhr, den diese Veröffentlichung bewirkte, kommentiert Kampf in seinem Buch wie folgt:

„Es scheint offenbar auch in 2023 immer noch so zu sein, dass in Deutschland an der Wirksamkeit von Masken zur Eindämmung viraler Atemwegsinfektionen keine Zweifel zugelassen werden dürfen, selbst wenn die Kriterien der evidenzbasierten Medizin angelegt werden und selbst wenn diese Zweifel noch im Influenza-Pandemieplan von 2017 klar formuliert werden durften.“

Diese Studienergebnisse decken sich mit den Zahlen, die Kampf anführt, um die Wirksamkeit des Maskentragens zu untersuchen. Er kommt hinsichtlich des Infektionsgeschehens zu folgendem Fazit:

„Auf wissenschaftlich-epidemiologischer Grundlage waren medizinische Masken bzw. OP-Masken zur Vermeidung der Übertragung viraler Atemwegsinfektionen in der ganzen Breite der Bevölkerung nicht überzeugend wirksam. Die Anwendung der Kriterien für evidenzbasierte Medizin hätte normalerweise nicht für eine Maskenpflicht in zahlreichen öffentlichen Bereichen ausgereicht.“

Kampf, der in Hamburg lebt und arbeitet, bezieht sich in seiner Analyse zur Wirksamkeit der Maske auch auf die sogenannte „Hotspot-Regelung im März 2022“, bei der in zwei der 16 Bundesländer „eine für 4 Wochen verlängerte Maskenpflicht galt“. Kampf behauptet:

„Wenn diese verlängerte Maskenpflicht einen gesundheitlichen Nutzen gehabt hätte, müsste in beiden Hotspot-Bundesländern die Fallzahl stärker gesunken sein als in den vergleichbaren anderen Bundesländern.“

Sowohl für die Fallzahlen als auch für die Hospitalisierungen ist jedoch keine Wirksamkeit messbar, weshalb Kampf schlussfolgert:

„Im Gesamtbild bleibt somit festzuhalten, dass Hotspot-Regelungen in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern keinen relevanten gesundheitlichen Nutzen zur Folge hatten.“

Das gleiche Ergebnis folgt auch aus einem Ländervergleich zwischen Deutschland, Dänemark und England. Letztere hatten viel früher als Deutschland viele Corona-Maßnahmen und insbesondere die Maskenpflicht für beendet erklärt.

Die Nebenwirkungen des Maske-Tragens

Neben der angeblich nebenwirkungsfreien Impfung wurde auch die Maske mehrheitlich als ungefährliche und niedrigschwellige Maßnahme propagiert. Von Anfang an war dem Verfasser dieser Rezension nicht verständlich, warum die Bundesregierung nicht mit dem ersten Tag der Maskenpflicht eine systematische Untersuchung möglicher Gesundheitsschädigungen veranlasste, insbesondere als Kinder und Jugendliche stundenlang Maske tragen mussten.

Kampf legt sehr ausführlich die unerwünschten gesundheitlichen Auswirkungen des Maske-Tragens dar, indem er die Studienlage zu verschiedenen Nebenwirkungen auflistet und einen Abschnitt explizit den Nebenwirkungen bei Kindern widmet. In Bezug zur körperlichen Unversehrtheit kommt Kampf daher zu folgendem Fazit:

„Alltagsmasken führen bei Kindern in unterschiedlicher Häufigkeit zu verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Unwohlsein oder Atemnot. Durch mehrmaliges Tragen entsteht ein höheres Kontaminationsrisiko der Maske, das Bakterien mit einer Antibiotikaresistenz einschließen kann.“

Verhältnismäßigkeit

Abschließend blickt Kampf im Hinblick auf die Einschränkungen mehrerer Grundrechte auf die Verhältnismäßigkeit der Maskenpflicht und evaluiert diese für die unterschiedlichen Maskentypen. Insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit wurde dabei aufgrund der möglichen gesundheitlichen Risiken nicht gewährleistet. Auf diese Analyse hin stellt Kampf eine sehr wichtige Frage in den Raum: War die Maskenpflicht überhaupt erforderlich? Er kommt dabei zu folgendem Schluss:

„Weder in Großbritannien noch in Dänemark ist die Covid-19-Infektionsdynamik ohne Maskenpflicht eskaliert. Deshalb kann und muss die Frage erlaubt sein und auch gestellt werden, ob die Maskenpflicht für Millionen von Menschen überhaupt noch gerechtfertigt war.“

Doch die Maske war weit mehr als eine Hygienemaßnahme, und das erkennt auch Kampf, wenn er in den letzten Seiten des Buches Stimmen zu Wort kommen lässt, die beschreiben, wie stark die Maske die Gesellschaft geprägt hat. Sie war ein „Symbol der Panik” und ein „Angstsignal“.

Kampf behandelt dabei leider nicht die aufgrund der medizinischen Unwirksamkeit naheliegende Frage, inwiefern genau diese Wirkung politisch gewollt war. Der von ihm zitierte Abschnitt des „Berichts zur Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik“ zum Thema Masken geht noch weiter und stellt fest:

„Es ist zu beachten, dass das Tragen von Masken auch einen psychologischen Effekt hat, da durch Masken im Alltag allgegenwärtig auf die potentielle Gefahr des Virus hingewiesen wird. Die Maske ist daher zum immer sichtbaren Symbol der Infektionsprophylaxe geworden und stiftete damit Vigilanz (Anm. d. Autors: Zustand andauernder Aufmerksamkeit) bei den Menschen.“

Fazit

Dr. Kampf ist mit seinem Buch eine wichtige und sachliche Evaluierung der Maskenpflicht in Deutschland gelungen, die aufzeigt, dass eine relevante medizinische Wirksamkeit nicht zu erwarten war und rückblickend auch nicht eingetroffen ist.

Er zeigt auch auf, dass die von staatlicher Seite durchgeführte Evaluierung nicht in Gänze den Kriterien evidenzbasierter Medizin entspricht und deshalb weiterhin eine unabhängige Aufarbeitung des Pandemiemanagements notwendig ist. Kampf betont bei der Analyse der Evidenz zur Maskenpflicht die Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens wie folgt:

„Dabei darf es keine Rolle spielen, was man selbst für richtig hält oder was die Politik momentan befürwortet.“

Es bleibt zu hoffen, dass diese Haltung wieder mehrheitlich in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft gelebt wird, so dass in Zukunft mehr Wissenschaftler und Fachleute ihre Stimme erheben, wenn Politiker und Regierungsberater Maßnahmen fordern, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist, während sie ein Schädigungspotenzial mit sich bringen.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel: „Medizinprofessor evaluiert die Maskenpflicht in Deutschland“ auf dem Blog des Autors.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33205991/
(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36109816/


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