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Mit Liebe integriert

Mit Liebe integriert

In der Migrationsdebatte werden kulturelle Unvereinbarkeiten von Kritikern überbetont, während die steigende Anzahl an binationalen Ehen und Partnerschaften den Beweis des Gegenteils erbringt.

Das Erstarken rechter Parteien wird in vielen europäischen Ländern vor allem durch die Angst vor Überfremdung und die hohen Kriminalitätsraten bestimmter Migrantengruppen begünstigt. Der Anteil der sogenannten Bio-Deutschen ist inzwischen auf 69 Prozent gesunken. Im EU-Durchschnitt liegt der Ausländeranteil bei 14 Prozent, in Deutschland bei 31 Prozent und bei Kindern und Jugendlichen sogar bei 40 Prozent. 13 Millionen haben bereits die deutsche Staatsangehörigkeit, 12 Millionen sind noch Ausländer. Nach Jahrzehnten weitgehend geräuschloser Integration der Gastarbeiter aus Südeuropa und der Türkei wurde die Aufnahme von Asylanten seit 2015 zunehmend problematisch. Die Bildung von Ghettos und entsprechenden Parallelgesellschaften wurde nicht ausreichend verhindert und Straftäter wurden nicht ausreichend verurteilt und inhaftiert oder ausgewiesen. Westeuropa ist fast überall zum Einwanderungskontinent geworden, die Integration wird zur politischen Zerreißprobe zwischen überwiegend linkem Pro und rechtem Kontra, wenn nicht zur Schicksalsfrage für die Wirtschaft. Denn einheimische Arbeitskräfte werden durch niedrige Geburtenraten und Überalterung immer weniger, im Niedriglohnsektor schon lange.

Kann Integration besser gelingen?

Ein Blick über den Atlantik gibt nur wenig Aufschluss. Das klassische Einwanderungsland USA, das seit Mitte des 19. Jahrhunderts Millionen europäischer Migranten aufgenommen hatte, zählt heute 46 Millionen oder knapp 14 Prozent im Ausland geborene Amerikaner. Man spricht von einer „Salatschüssel“-Mischung und nimmt Parallelgesellschaften in Kauf. Die illegale Einwanderung der letzten Jahre hat zu rabiaten Abwehrmethoden geführt, nicht aber zu mehr Integrationsbemühungen.

Ein interessantes Beispiel für hohe Integrationserfolge ist Brasilien. Das Land hat 1888 die Sklaverei abgeschafft und dann bis ins 20. Jahrhundert hinein versucht, seine 6 Millionen importierten Afrikaner durch Mischehen zu integrieren und die Gesamtbevölkerung dadurch „weißer“ zu machen. Als Ergebnis werden heute 28 Prozent als Weiße deklariert, 12 Prozent als Schwarze und 49 Prozent als „Pardo“, gemischt oder braun.

Die unterschiedlichen Hautschattierungen sind durch den Karneval in Rio bekannt, die Integration gilt als gelungen, aber von wirtschaftlicher und sozialer Gleichheit ist nicht immer die Rede.

Insgesamt steht Brasilien beim Thema Mischehen aller Art als weltweit führend da.

Mischehen und Integration in Deutschland

Bis in die 1960er Jahre galten in Deutschland noch katholisch-evangelische Verbindungen als Mischehe. In der Nachkriegszeit hatte es zahlreiche binationale Ehen mit Soldaten der Besatzungsmächte gegeben. Die USA hatten vor Fraternisierung gewarnt und solche Heiraten bis 1947 verboten. Die Zahl der Eheschließungen wird heute auf mindestens 20.000 deutsch-amerikanische, 10.000 deutsch-britische und 8.000 deutsch-französische Verbindungen geschätzt, abgesehen von den formlosen, aber vorteilhaften „Verhältnissen“. Die deutsche Gesellschaft, zu großen Teilen noch völkisch gesinnt, kommentierte diese Liebesgeschichten oft mit Häme, beneidete aber die Vorteile bei der Versorgung der Bräute mit Nahrungsmitteln, Zigaretten oder Nylonstrümpfen. Liebschaften und Ehen zwischen deutschen „Frauleins“ und afro-amerikanischen GIs wurden allerdings auf beiden Seiten des Atlantiks mit Stirnrunzeln und mehr kommentiert.

Mischehen heute

Seit 1996 hat sich die Zahl der Mischehen in Deutschland verdoppelt.

Für 2023 wurden 1,5 Millionen binationale Paare gemeldet, rund 7 Prozent aller Ehen, bei stetig steigendem Anteil von Lebensgemeinschaften ohne Trauschein, auch unter nichtbinären Partnern. 2023 gab es 18.547 Verbindungen einer deutschen Frau mit einem ausländischen Mann, und 21.890 deutsche Männer haben eine ausländische Frau geheiratet.

Wie viele Männer mit Migrationshintergrund und deutschem Pass darunter waren, wird vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert erfasst.

„Vorlieben“

Partnerschaften folgen auch sich ändernden sozialen Mustern. In den 1960er Jahren kamen die meisten „importierten“ Frauen aus Italien, Spanien oder Griechenland, später auch aus Österreich und Jugoslawien, seit den 1970er Jahren auch aus Thailand, den Philippinen und Osteuropa. 2024 waren Frauen aus der Türkei, Polen, Rumänien, Russland, der Ukraine, Italien und Bulgarien — in dieser Reihenfolge — am beliebtesten. Bei den Frauen waren es Männer aus der Türkei, Polen, Italien, Rumänien und Kroatien. Daneben gibt es seit Jahrzehnten spezielle Nischenmärkte für einsame Männer und Frauen meist etwas fortgeschrittenen Alters, die nach erotischer Erfüllung und Gemeinsamkeit statt Einsamkeit suchen. Für europäische Frauen gehörte etwa Nordafrika zu den bevorzugten Jagdgründen, für viele Männer eher Südostasien oder Schwarzafrika.

Helfen Mischehen gegen Vorurteile und fördern die Integration?

Selbstverständlich tun sie das; außerdem nimmt die Zahl nicht standesamtlich registrierter gemischter Verbindungen immer weiter zu. Die deutsche Statistik sagt zwar, dass Mischehen ein etwas höheres Scheidungsrisiko haben als Gleich-zu-Gleich-Ehen. Weil aber ohnehin die durchschnittliche Ehedauer sinkt, dürfte das die Integrationsfunktion nicht sonderlich mindern. Außerdem nimmt die Zahl nicht standesamtlich registrierter Verbindungen immer weiter zu, die statistisch nicht erfasst werden. Die Ghettos und Parallelgesellschaften haben dagegen für viele Migranten die Integration so massiv erschwert wie das gut gemeinte Vollkasko-Asyl mit einklagbarem Anspruch auf Leistungen und die entsprechenden Verzögerungen der Asylverfahren.

Dagegen glänzt die Mischehe oder gemischte Lebensgemeinschaft in jeder Form als förderlich für Integration und Assimilation.

Von überholten Rassentheorien ist zum Glück keine Rede mehr, dafür umso mehr von einer angeblichen Unvereinbarkeit verschiedener Religionen. In der aufgeheizten Debatte der letzten Jahre wird immer wieder auf „unsere christlich-abendländische Kultur“ und den Kontrast zum eingewanderten Islam verwiesen. Während Europa sich kontinuierlich entchristianisiert, betonen die meisten eingewanderten Muslime ihre religiöse Identität. Die entsprechenden Netzwerke geben ihnen Orientierung und sozialen Halt, ohne sie gleich zu islamistischen Aktivisten zu machen. Der importierte Islamismus ist ein anderes Thema. Im Mittleren Osten war es historisch normal, dass Muslime, Christen und Juden mit ihren zahlreichen konfessionellen Spielarten und Sekten friedlich zusammenlebten. In Ägypten leben noch heute 10 Prozent koptische Christen mit einem Papst als Oberhaupt in der muslimischen Mehrheitsgesellschaft.

Gruppenidentität und Integration

Was in der gegenwärtigen Debatte und in den Medien allzu oft als Rassismus, Fremden- und Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamophobie oder ähnlich gebrandmarkt wird, hat eigentlich eine gemeinsame Wurzel. In der deutschen Soziologie wird von Gruppenbildung oder Vergemeinschaftung gesprochen, der sozialen Dynamik einer Gruppenidentität, die sich misstrauisch gegen alles Fremde abschottet. Das ist Teil unseres Erbes aus der Steinzeit und zeigt sich heute allzu oft und erschreckend explosiv in Fußballstadien, wenn die Fangruppen aufeinander losgehen. Vom Baby, das beginnt zu fremdeln, bis zur heutigen Islamophobie findet die Gruppe immer neu Anlass zu Skepsis, Angst, Stigmatisierung und Aggression.

Menschen, die man nicht kennt, werden in Schubladen gesteckt, und man meint zu wissen, wie gefährlich sie sind. Aber wer international tätig und unterwegs ist, gewöhnt sich an unterschiedliche Sitten, Gewohnheiten, Hautfarben und merkt, wie relativ Werte und Erwartungen eigentlich sind.

Können Mischehen und gemischte Partnerschaften eine Pionierrolle in Richtung Toleranz und Akzeptanz sein? Mit Sicherheit — denn zumindest öffnen sie den Beteiligten die Augen, wie ähnlich sich die Spezies Homo Sapiens in allen ihren Spielarten eigentlich ist und wie stark die Unterschiede durch Tradition und Geschichte, Kriege, Politik und Religion verfestigt werden. Wird die Weltbevölkerung in 100 oder 200 Jahren durch Migration, Integration und „Durchmischung“ toleranter sein? Vieles spricht dafür, aber nationales Konkurrenz- und Dominanzstreben und eine gruppenegoistische Politik können allzu leicht die positiven Entwicklungen verhindern.


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