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Profitable Untätigkeit

Profitable Untätigkeit

Eine florierende Wirtschaft setzt voraus, dass die Einkommen in Deutschland wieder an Leistung gekoppelt werden — Bodenrenten und Renditejagd stehen dem im Weg.

Ein Einzelner kann nur ein beschränktes Maß an wirklicher Verantwortung für Vermögen übernehmen. Wenn Eigentum verpflichten soll, muss es auch Grenzen bekommen. Der Leiter eines unabhängigen mittelständischen Unternehmens muss sich ständig mit der Verbesserung seiner Produkte oder Dienstleistungen, mit seinen Kunden und den Preisen, die er verlangt, mit seinen Mitarbeitern, mit den Ressourcen, die er benötigt, und mit der Rendite auseinandersetzen. Er kennt und versteht seinen Betrieb und sein Umfeld und wird je nach Situation seine Aufmerksamkeit und seine Prioritäten nach unterschiedlichen Faktoren ausrichten. Je nach Situation wird er zum Beispiel die Mitarbeiter oder die Preisgestaltung in den Vordergrund stellen.

Wenn die Menschen, die vor Ort handeln, jedoch nicht selbst Verantwortung übernehmen und Prioritäten setzen dürfen, sondern sich nach „zentralen Vorgaben“ zu richten haben, die von einem Menschen oder von einer Gruppe von Menschen erstellt worden sind ohne Rücksicht auf die besondere Situation vor Ort, dann entstehen Situationen und Entscheidungen, die für die vor Ort Beteiligten und für das Unternehmen oder die Einrichtung nicht förderlich sind. Die unbeschränkte und zunehmend stärkere Agglomeration von Vermögen ist wesentliche Ursache für viele der aktuellen Probleme unseres Wirtschaftssystems und für die aktuelle maßlose Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.

Christian Kreiß schreibt über Bodenrenten:

„In Deutschland beliefen sich die Bodenerträge 2017 auf etwa 400 Milliarden Euro, die zum großen Teil Bodenrenten darstellen. Das ist erheblich mehr als der damalige Bundeshaushalt von etwa 330 Milliarden Euro. Es geht hier also nicht um ‚peanuts’, sondern um mächtige Geldtransfers von sehr vielen ärmeren an sehr wenige, sehr wohlhabende Menschen, die dafür gezahlt werden, dass jemand im Grundbuch steht oder Aktien von Wohngesellschaften hält – ohne irgendetwas dafür zu arbeiten oder zu leisten. Letztlich findet hier ein perfekter, geräuschlos funktionierender Transfer ‚von Arbeit nach reich’, von vielen zu sehr wenigen statt. Denn sowohl der Aktienbesitz wie der Besitz von Grund und Boden sind äußerst ungleich verteilt und sehr stark konzentriert bei einer recht kleinen Gruppe von sehr wohlhabenden Menschen“ (1).

Jason Hickel hat festgestellt, dass Menschen in Gesellschaften mit stark ungleicher Einkommensverteilung tendenziell auch weniger glücklich sind. Diese Menschen sind tendenziell frustrierter, ängstlicher, unsicherer und unzufriedener mit ihrem Leben. In einer solchen Gesellschaft sind sehr viel mehr Menschen depressiv oder süchtig.

Starke Ungleichheit schafft ein Gefühl von Ungerechtigkeit; sie untergräbt Vertrauen, Zusammenhalt und Solidarität in der Gesellschaft (2).

Das, was durch Erscheinung am falschen Zeitpunkt und/oder am falschen Ort nicht gut ist, hat eine Existenzberechtigung. Dadurch, dass wir es erkennen und überwinden, entwickeln wir uns weiter und können neues Gutes erschaffen. Das Ungute macht auf die Notwendigkeit von Veränderung aufmerksam. Oder, um Georg Christoph Lichtenberg zu zitieren: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll“3. (3) Erkennen hat etwas mit dem Wahrnehmen und Verstehen von Unterschieden, von Alternativen zu tun. Für unsere Wirtschaft ist es nun dringend, dass wir uns ernsthaft mit möglichen echten Alternativen auseinandersetzen. Zum Beispiel:

  • Einmalige Vermögensabgabe für die 0,01 Prozent höchsten Vermögen, das heißt für jeden 10.000ten Bundesbürger, um sofort eine Korrektur einzuleiten.
  • Begrenzung oder zumindest progressive Besteuerung von Firmen-Erbschaften: Je höher die Erbschaft, desto höher die Erbschaftsteuer und nicht faktisch umgekehrt, wie aktuell.
  • Abgabe für nicht eigengenutzten Grund und Boden. Boden ist eine eingeschränkte Ressource, kein Konsumgut. Mancherorts gehört auch der privat genutzte Grund und Boden den Gemeinden und kann zum Beispiel für 100 Jahre verpachtet werden. Dort ist Wohnen bezahlbarer. Es müssen keine Renditen an Eigentümer in der Ferne fließen, sondern der Nutzer zahlt eine den Verhältnissen vor Ort angepasste Pacht.
  • Progressive Bodenabgabe: „bis 3 Millionen Euro Marktwert an Grund- und Immobilienbesitz pro natürlicher Person keine Abgabe. Bis 10 Millionen 1 Prozent Abgabe pro Jahr. Bis 30 Millionen 2 Prozent Abgabe pro Jahr. Bis 50 Millionen 3 Prozent. Ab 50 Millionen 4 Prozent pro Jahr. Eine ähnliche progressive Abgabe könnte man für Unternehmen, die nicht betriebsnotwendiges Immobilienvermögen vermieten, einführen. Die Einkünfte könnte man für Transfers an die Mieter und für Neubauten von Wohnungen verwenden. Dadurch würden die Mieten erheblich und dauerhaft gesenkt werden“ (2).
  • Bildungsgutscheine. Erkennen erfordert auch ein gesundes und freies Denken und dieses setzt gesunde und freie Bildungseinrichtungen voraus. Eine Alternative zum aktuellen System wäre die Einführung von Bildungsgutscheinen und die Abschaffung von ministerialen Lehrplänen. Auch in den Bildungseinrichtungen sollten die Handelnden vor Ort Verantwortung und Eigenverwaltung übernehmen.
  • Anpassung des Grundgesetzes: Privateigentum ist nicht in beliebiger Höhe schützenswert.

Verständnis und Überwindung des Unguten sind für uns heute eine wesentliche Aufgabe. Wenn beides nicht stattfindet, wenn nicht neues Gutes entsteht, dann ist Rückschritt statt Entwicklung die Konsequenz.

Noch ein Beispiel aus der aktuellen Wirtschaftsentwicklung: In Deutschland gibt es noch viele kleine Banken, genossenschaftlich organisiert und somit nicht der Gewinnmaximierung, sondern der Finanzierung der realen Wirtschaft verpflichtet, und sie finanzieren viele kleine und mittlere Unternehmen, die großenteils weltweit führend sind. Ein ähnliches Modell gibt es seit circa 40 Jahren auch in China. Was dagegen „Konsolidierung“ im Finanzwesen bewirkt, hat die wirtschaftliche Entwicklung Englands oder der Sowjetunion gezeigt. Wollen wir das in Deutschland nachmachen?


Quellen und Anmerkungen:

(1) Christian Kreiß, Starke Mieterhöhungen in deutschen Großstädten in https://www.cash-online.de/a/starke-mieterhoehungen-in-deutschen-grossstaedten-655523/ am 12. Otkober 2023
(2) Jason Hickel, Weniger ist mehr: warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind, 1. Aufl. oekom München 2020, Seite 207
(3) www.zitate-online.de


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