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Rampenlicht am Ende des Tunnels

Rampenlicht am Ende des Tunnels

Das vierte Berliner Benefizkonzert für den inhaftierten Journalisten Julian Assange könnte das letzte gewesen sein, denn dessen Freilassung ist zum Greifen nahe.

Das Ambiente der Location trug dem Thema „Gefangenschaft“ gebührend Rechnung. Durch enge, mit roten Backstein verkleidete Gänge gelangten die Besucher in den alten Konzertsaal. Dieser war, ebenso wie der für eine Podiumsdiskussion vorgesehene Nebensaal, rappelvoll. Während manche Künstler nur davon träumen können, vor ausverkauften Plätzen zu spielen, vermag es Julian Assange in Abwesenheit ganze Säle zu füllen. Die Online-Tickets waren bereits knapp eine Woche nach Konzertankündigung ausverkauft und selbst vor der Abendkasse bildete sich eine lange Schlange, um die verbliebenen Karten noch zu ergattern.

Kurzum: Die Bude war voll. Stellenweise mangelte es wirklich an Platz. Woran es dagegen nicht mangelte, waren Künstler, die bereit waren, ohne Gage für Julian Assange aufzutreten, denn der Erlös des Abends ging direkt an Stella Assange, die sich in ihrer Funktion als Menschenrechtsanwältin unermüdlich für die Freilassung ihres Mannes einsetzt.

Abriss für Assange

Moderiert wurde der Abend von der taffen wie herzlichen Sängerin, Schauspielerin und Aktivistin Nina Maleika. Ihr war nicht mehr anzumerken, dass sie noch vor einem dreiviertel Jahr mit unzähligen Knochenbrüchen im Rollstuhl unterwegs war. Mit großem Elan und Leidenschaft sorgte sie für einen reibungslosen Ablauf des Abends.

Gleich zu Beginn richtete Nina Maleika sich mit einem wichtigen Appell an die Anwesenden: Mit eindringlichen Worten schärfte sie das Bewusstsein dafür, dass kritische Künstler und Veranstalter existenziell auf die Solidarität ihrer Rezipienten angewiesen sind, da sie aufgrund ihrer politischen Haltung keine großen Sponsoren hinter sich wissen.

Sie appellierte an jeden Einzelnen, mit Beträgen ― und mögen sie noch so klein sein ― kritische Künstler, Veranstalter oder alternative Medien regelmäßig zu unterstützen. Auf ihre Bitte um Handmeldungen jener, die dies bereits tun, gingen dankenswerterweise zahlreiche, fast die meisten Hände in die Höhe.

Bevor es dann daran ging, die Wände beben zu lassen, lud die Kommunikationstherapeutin Gudrun Pawelke die Versammelten ein, sich für wenige Minuten meditativ in Ruhe zu begeben ― bekanntermaßen liegt in der Ruhe eine unermessliche Kraft. Und wundersamerweise gelang dies sogar. Obwohl sich Hunderte Menschen auf engem Raum befanden, war die Stille, abgesehen vom Brummen der Ventilatoren, für wenige Minuten nahezu vollkommen. In der Menge befand sich nicht ein einziger Scherzkeks, der diesen magischen Moment missbrauchte, um durch einen „lustigen“ Zwischenruf auf sich aufmerksam zu manchen. Den anwesenden Menschen war es allesamt ernst.

Nachdem die Crowd ihre Fähigkeit zur Ruhe bewiesen hatte, waren die Musiker um so lauter und brachten die Musikbrauerei zum Pulsieren. Alexa und Jens-Fischer Rodrian machten in gewohnt aufwallender Art und Weise den Anfang. Der Liedermacher gab seine jüngste Single „Niemals auf die Knie“ zum Besten, deren Musikvideo nur wenige Meter oberhalb des Konzertsaals im luftigen Obergeschoss der Musikbrauerei gedreht wurde.

Mit überaus virtuosen Solos wusste der gitarristische Alleskönner André Krengel zu begeistern. Auch die Basis Band Berlin (BBB) verstand es, die Gäste selbst zu fortgeschrittener Stunde noch in Tanzlaune zu halten.

Regelrecht abgerissen wurde die Bühne durch den szenebekannten Wiener Truth-Rapper Kilez More. In reger Interaktion mit dem Publikum animierte er den gesamten Saal zum Mitmachen. Hände gingen in die Höhe und wer weiß, ob die aus stimmlich überstrapazierten Kehlen kommenden „Free Assange!“-Rufe nicht sogar bis an die Greifswalder Straße hörbar waren?

Und während sich dieser Tage manche Rapper nicht einmal mehr die Mühe machen, synchron zum Play-back das Mikrofon vor den Mund zu halten, bewies Kilez More die von einem Master of Ceremony (MC) abverlangbare Leidensfähigkeit. So schlüpfte er trotz der von den Scheinwerfern abstrahlenden Prügelhitze in einen orangefarbenen Gefangenen-Overall ― wie man ihn von Guantanamo-Häftlingen kennt ―, als Symbol der Inhaftierung Assanges. Trotz schweißtreibender Kostümierung gab er seine Tracks textsicher und mit vollem Körpereinsatz zum besten.

Bei seinem mittlerweile zum Straßenprotest-Hit avancierten Klassiker „Mediale Kugeln“ erzählte der Rapper stolz, dass Assange 2017 auf diesen Track gestoßen sei, ihn um eine Übersetzung bat und diesen dann auf Social Media postete. Heute noch, so Kilez More weiter, habe er bei dem Gedanken daran noch Gänsehaut und ein Schmunzeln im Gesicht, wenn er sich vorstelle, wie Julian den Track damals in der ecuadorianischen Botschaft abspielte und die ihn überwachenden Agenten die Bars (Verse) zu hören bekamen.

Was bedeutet im direkten Vergleich dazu ein Platz in der Modus-Mio-Playlist auf Spotify?

Das nächste Konzert

Wird das nächste Assange-Konzert in der Hauptstadt wieder ein Benefizkonzert sein? Oder kann dann bereits die seine Freilassung gefeiert werden? Derzeit stehen die Zeichen auf Freiheit. Die Menschenrechtsanwältin Stella Assange zeigt sich Ende Mai in ihrer Rede vor dem National Press Club of Australian überaus optimistisch. Julians Freiheit sei so nahe wie noch nie. Tatsächlich hat das Thema in Julians Heimatland Australien bereits medial beachtet Einzug in das Parlament gehalten. Mit den Worten „Genug ist genug“ setzte sich der australische Ministerpräsident Anthony Albanese für eine Freilassung Assanges ein.

Der weltweite Druck steigt — und die mittlerweile vier Berliner Benefizkonzerte für Assange dürften einige Bars zu diesem Druck dazugegeben haben. Insgesamt wurde mit den Konzerten bereits ein knapp fünfstelliger Betrag für die Anwältin Stella Assange gesammelt.

Dass dieser Druck ablassen wird, ist nicht absehbar. Denn solange Julian Assange in Belmarsh einsitzt, kann es keinen freien Journalismus geben!


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