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Regenerative Kulturen gestalten

Regenerative Kulturen gestalten

In einem System, das auf Verschleiß fährt, genügt es nicht, Schaden zu minimieren. Exklusivabdruck aus „Regenerative Kulturen gestalten“. Teil 1 von 3.

„Oh, was für ein Unglück für den Menschen, als er sich vom Jahresrhythmus, von seinem Einklang mit der Sonne und der Erde abschnitt. Oh, was für eine Katastrophe, was für eine Verstümmelung der Liebe, als sie zu einem persönlichen Gefühl gemacht wurde, getrennt vom Auf- und Untergang der Sonne und abgeschnitten von der magischen Verbindung von Sonnenwende und Tagundnachtgleiche! Das ist es, was mit uns los ist. Wir bluten an den Wurzeln“ (D. H. Lawrence, 1930).

Die Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert den Begriff der Gesundheit als „einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur der Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen“. In der „Ottawa-Charta“ der WHO aus dem Jahr 1986 wird eine Reihe von Bedingungen und Voraussetzungen für Gesundheit aufgeführt. Dazu gehören: „Frieden, Unterkunft, Bildung, Nahrung, Einkommen, ein stabiles Ökosystem, nachhaltige Ressourcen, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit.“

In der Sundsvall-Erklärung von 1991 wurde betont, dass „der Weg nach vorn darin besteht, die Umwelt — die physische Umwelt, die soziale und wirtschaftliche Umwelt wie auch die politische Umwelt — gesundheitsfördernd und nicht gesundheitsschädigend zu gestalten“ (Waltner-Toews, 2004). Die Empfehlungen der WHO implizieren einen salutogenen Designansatz, der die Gesundheit des Einzelnen, der Gemeinschaft, der Gesellschaft und der Ökosysteme als skalenübergreifende Muster fördert. Design für menschliche und planetarische Gesundheit zielt darauf ab, die Menschheit in die gesundheitsfördernden und lebenserhaltenden Prozesse der Biosphäre — wieder — zu integrieren (siehe Wahl, 2006). Die WHO-Kommission für Gesundheit und Umwelt betonte:

„Es gibt eine starke Synergie zwischen Gesundheit, Umweltschutz und nachhaltiger Ressourcennutzung. Individuen und Gesellschaften, die die Verantwortung für eine gesunde Umwelt und einen nachhaltigen Umgang mit ihren Ressourcen teilen, werden zu Partnern, die dafür sorgen, dass die globalen Kreisläufe und Systeme ungestört bleiben“ (Weltgesundheitsorganisation, 1992).

Komplexitätstheorie, ein systemisches Verständnis von Gesundheit, transformative Resilienz, Symbiose, Synergie und integratives, salutogenes Design sind verwandte, skalenverbindende Konzepte und Rahmenwerke, die uns helfen können, eine integrierte Strategie zur Erhaltung der menschlichen und planetaren Gesundheit und zur Schaffung regenerativer Kulturen zu strukturieren.

In diesem Zusammenhang wird Nachhaltigkeit neu definiert, und zwar nicht mehr als „neutral“, das heißt ohne weiteren Schaden, sondern als ein systemisches Verständnis der Beziehung zwischen Mensch, Ökosystemen und der Gesundheit des Planeten:

„Nachhaltigkeit ist eine Beziehung zwischen dynamischen menschlichen Wirtschaftssystemen und größeren, dynamischen, aber sich normalerweise langsamer verändernden ökologischen Systemen, sodass menschliches Leben unbegrenzt fortbestehen kann, menschliche Individuen gedeihen und sich menschliche Kulturen entwickeln können. Aber es ist auch eine Beziehung, in der die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten innerhalb gewisser Grenzen bleiben, sodass die Gesundheit und Integrität der sich selbst organisierenden Systeme, die den ökologischen Kontext für diese Aktivitäten bilden, nicht zerstört werden“ (Brian G. Norton, 1992).

Die Erhaltung und Wiederherstellung einer gesunden und widerstandsfähigen Umwelt — auf der Ebene der Gemeinschaft, des Ökosystems und des gesamten Planeten — sind untrennbar miteinander verbunden.

Ökologische und gesellschaftliche Gesundheit als eine systemweite, sich entwickelnde Eigenschaft ermöglicht und unterstützt eine gesunde menschliche Entwicklung und ermöglicht vielfältige kulturelle Ausdrucksformen regionaler Identität.

Systemische Gesundheit als emergente Eigenschaft regenerativer Kulturen entsteht, wenn lokal und regional angepasste Gemeinschaften lernen, innerhalb der durch die ökologischen, sozialen und kulturellen Bedingungen ihrer lokalen Bioregion gesetzten „förderlichen Einschränkungen“ und Möglichkeiten in einem global kooperativen Kontext zu gedeihen. In einem sich ständig verändernden, komplexen System erfordert die Förderung von Gesundheit und Nachhaltigkeit ständiges Lernen, um sich angemessen an den Wandel anzupassen. „Gemeinsam die Fragen zu leben“ und regional ausgerichtete, gestaltungsorientierte Gespräche darüber zu führen, wie systemische Gesundheit gefördert werden kann, können dieses ständige Lernen fördern.

Robert Costanza hat eine Reihe konzeptioneller Definitionen von „Ökosystem-Gesundheit“ untersucht, die Gesundheit als Homöostase, Abwesenheit von Krankheit, Vielfalt oder Komplexität, Stabilität oder Widerstandsfähigkeit, Vitalität oder Wachstumsmöglichkeiten und als Gleichgewicht zwischen Systemkomponenten definieren (1992). All diese Sichtweisen auf die Gesundheit sind nützlich, haben aber auch ihre Grenzen. Costanza bezeichnet sie als „Teile des Puzzles“.

Er schlägt vor, die Gesundheit von Ökosystemen „als ein umfassendes, multiskaliertes, dynamisches, hierarchisches Maß für die Widerstandsfähigkeit, die Organisation und die Vitalität von Systemen“ zu verstehen. Er argumentiert, dass „diese Konzepte in dem Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ enthalten sind, der die Fähigkeit des Systems impliziert, seine Struktur (Organisation) und Funktion (Vitalität) im Laufe der Zeit angesichts externer Belastungen (Widerstandsfähigkeit) aufrechtzuerhalten“. Er unterstreicht den wichtigen Aspekt der Skalenverknüpfung von Gesundheit: „Ein gesundes System muss auch im Hinblick auf seinen Kontext — das größere System, zu dem es gehört — und seine Komponenten — die kleineren Systeme, aus denen es besteht — definiert werden“ (Seite 239/240).

In ähnlicher Weise betont David Brunckhorst, der Direktor des UNESCO-Instituts für bioregionales Ressourcenmanagement, dass „Resilienz, ebenso wie Nachhaltigkeit, vielschichtige Elemente hat, die sich über räumliche und zeitliche Maßstäbe hinweg auswirken — sie findet nicht nur auf lokaler oder globaler Ebene statt“. Er erklärt: „Um die Widerstandsfähigkeit ökologischer und sozialer Systeme langfristig zu erhalten und wiederherzustellen, müssen wir damit beginnen, unsere Planung zu integrieren und unser Management über mehrere Skalen hinweg zu betreiben (...)“, und das können wir am besten erreichen, indem wir „die funktionalen Anforderungen ökologischer und sozialer Systeme für eine dauerhafte Zukunft ineinander verschachteln“ (2002, Seite 16).

Diese verschachtelte oder skalenübergreifende Perspektive ist sehr wichtig, da sie uns einlädt, Fragen zur synergetischen Integration lokaler, regionaler und globaler Lösungen zu stellen, und uns daran erinnert, darauf zu achten, wie kurz-, mittel- und langfristige Prozesse und Zyklen miteinander verbunden sind.

Systemische Gesundheit als skalenverbindende, neu entstehende Eigenschaft ermöglicht es regenerativen Systemen, auf Störungen mit Widerstandsfähigkeit zu reagieren.

Die Verknüpfung globaler, regionaler und lokaler Bemühungen zur Zusammenarbeit bei der Gestaltung der Widerstandsfähigkeit des Systems auf und über Skalen hinweg ist ein wichtiger Aspekt bei der Schaffung einer regenerativen Kultur.

Wir müssen allerdings darauf achten, welche Art von Resilienz wir fördern. Manchmal behindert die Fähigkeit, zu widerstehen und zum „Business as usual“ zurückzukehren, den Wandel zu einer regenerativen Kultur eher, als dass sie ihn fördert. Resilienz ist eine vielschichtige Fähigkeit, die eng mit der Gesundheit und Vitalität des Systems verbunden ist. Eine regenerative Kultur hängt vor allem von einer „transformativen Resilienz“ ab.

Schauen wir uns die verschiedenen Aspekte der Resilienz genauer an und warum sie für unsere gemeinsame Zukunft so wichtig sind. An manchen Stellen kann der theoretische Rahmen ein wenig dicht erscheinen, aber das Resilienzdenken ist ein zutiefst praktischer Weg, um einer unvorhersehbaren Zukunft zu begegnen, indem es unsere Fähigkeit fördert, klug zu reagieren und mit den Störungen zu arbeiten, die uns herausfordern werden.



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