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Schikanen und Schuldvermutung

Schikanen und Schuldvermutung

Im Fall Jozef Hambálek kämpfte die slowakische Regierung erfolgreich gegen antirussische EU-Sanktionen.

Wer ist dieser Jozef Hambálek? Er ist — abgesehen von zwei russischen Oligarchen mit doppelter Staatsbürgerschaft — der bislang einzige EU-Bürger, der auf die mittlerweile mehr als 1.000 Namen umfassende schwarze Liste kam. Damit wurden seine Vermögenswerte wie Konten und Firmen eingefroren und seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Er wurde zur Unperson.

Russen, die zu Hunderten mit ihm das Schicksal des Eigentumsverlustes teilen, haben jedoch ihren Lebensmittelpunkt anderswo, meist in Moskau, fallweise auch in Israel oder jedenfalls außerhalb der EU. Sie können viel verlieren, aber nicht die Existenzgrundlage. Für einen EU-Angehörigen bedeutet die Sanktion allerdings genau dies, nämlich den Verlust sämtlicher Bürgerrechte.

Jozef Hambálek, wie er in den slowakischen Medien dargestellt wird, ist ein stramm nationaler und russlandfreundlicher 52-Jähriger, unterhält ein Militärmuseum in Trnava nahe Bratislava und gehört beziehungsweise gehörte zur Führungsgarnitur des russischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ (Notschnyje Wolki); also nicht unbedingt ein Sympathieträger in Kreisen, in denen sich der Autor dieser Zeilen bewegt.

Am 21. Juli 2022 war es so weit. Im 7. Brüsseler Sanktionspaket — nummeriert werden die Pakete seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine — wurde erstmals einem EU-Bürger sein Vermögen eingefroren beziehungsweise genauer: Die Slowakei, dessen Staatsangehöriger der Mann ist, wurde aufgefordert, das Sanktionsedikt aus Brüssel umzusetzen. Es handelt sich dabei um besagten Hambálek. Brüssel warf ihm vor, als Europapräsident des russischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ zu fungieren. Dessen führende Funktionäre — außer ihm alle Russen — wurden in die 54 Personen und zehn Organisationen umfassende neue Sanktionsliste aufgenommen, womit diese zum 21. Juli 2022 auf 1.212 Personen und 108 Einrichtungen anwuchs.

Die „Nachtwölfe“ entstanden in der Zeit der Gorbatschow’schen Perestrojka im Jahr 1989 als Ausdruck eines neuen Freiheitsgefühls von Motorradfans. Erste Westkontakte zum Beispiel zu den dänischen Hells Angels spickten sie mit antisowjetischer Orientierung, die dort willkommen war. Auffällig war ihre Nähe zum russischen Präsidenten Boris Jelzin sowie die damit verbundene Staatstreue, die nahtlos auf dessen Nachfolger Wladimir Putin überging. Ihr Chef Alexander Saldostanow, der ebenfalls von Brüssel sanktioniert worden ist, versteht sich als patriotischer russisch-orthodoxer Biker. Glühender Nationalismus gehört zu seinen ideologischen Grundlagen. Innenpolitisch machte der knapp 8.000 Mitglieder starke Motorradclub mit einer Veranstaltung zum 70. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad Furore.

Damals, im Februar 2013, kamen 200.000 Menschen nach Wolgograd zur politischen Bikershow, die ganz im Zeichen des großen sowjetischen Sieges und seines Feldherrn, Josef Stalin, stand. Im Sommer 2019 tourte eine Abordnung der „Nachtwölfe“ mit ihren schweren Maschinen über die mittlerweile an Russland angeschlossene Krim. Die PR-Abteilung des Kreml zeigte auch Bilder von Wladimir Putin auf einer schweren Beiwagenmaschine.

Außenpolitisch fielen die mit russischen Fahnen geschmückten Motorräder in den 2010er-Jahren jeweils am 9. Mai, dem Tag der Niederringung des Hitlerismus, vor den Ehrendenkmälern des sowjetischen Soldaten in Berlin und Wien auf, um den Sieg der Roten Armee zu feiern.

Den EU-Behörden waren die Umtriebe der „Nachtwölfe“ offensichtlich zu viel … und zu erfolgreich. Als offizieller Grund für die Sanktionierung des Vereins wird seine Verstrickung in den Ukrainekrieg angegeben. Die Motorradgang betreibe angeblich Trainingscamps für russische Kämpfer, was ihrer politischen Überzeugung durchaus entsprechen würde. Die Strafe aus Brüssel ähnelt darüber hinaus aber auch einem Akt der Zensur.

Man will keine russisch-nationalen Töne in EU-Europa vernehmen, schon gar nicht solche mit brummenden Motoren. Und man glaubt, damit ein deutliches Zeichen gegen rechts gesetzt zu haben.

Die Rechtswidrigkeit des ganzen Sanktionsregimes wird am Fall „Jozef Hambálek“ besonders deutlich. Man mag den Mann und seine Ansichten zu Russland, Nation, Kampf und Krieg nicht teilen, ja sie abscheulich finden, aber der Kern des Problems ist doch, dass es keinerlei Verfahren darum gibt. Laut Brüssel ist es verboten, Russlands Feldzug in der Ukraine zu unterstützen. Wenn nun die „Nachtwölfe“ genau dies taten, so müsste doch darüber in einem Land, das sich offiziell nicht im Krieg und damit nicht im Kriegsrecht befindet, ein Verfahren eröffnet werden, ob die jemandem vorgeworfene Tat diesen inkriminierten Tatbestand (der Unterstützung Russlands) erfüllt oder nicht. All das gibt es nicht. Stattdessen nimmt eine Behörde in Brüssel Zurufe auf, geht diesen vielleicht auch penibel nach — was in der allgemeinen russophoben Stimmung nicht sehr wahrscheinlich ist — und listet Personen und Organisationen aus, so wie ein Supermarkt Produkte aus den Regalen verbannt.

Wenn ein auf diese Weise ausgelisteter Mensch seinen Lebensmittelpunkt in einem Drittstaat hat, ist eine Sanktionierung für ihn unangenehm, und er kann sehr viel verlieren, aber sie ist nicht lebensbedrohlich. Ein EU-Bürger ohne andere Staatsbürgerschaft verliert damit allerdings alles: seine Lebensgrundlage und seine Bürgerrechte — und das ohne jedes gerichtliche Verfahren.

Jozef Hambálek ging gegen seine „Auslistung“ in die Offensive, unter anderem mit Interviews auf unterschiedlichen slowakischen Kanälen (1). Außerhalb der Slowakei fand Hambáleks Fall kaum Niederschlag; bis ihn niemand Geringerer als der Ende September 2023 ins Amt des slowakischen Ministerpräsidenten gewählte Robert Fico in Berlin zur Sprache brachte. Bei seinem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen, Bundeskanzler Olaf Scholz, am 24. Januar 2024 setzte sich Fico für alle Anwesenden überraschend für seinen Motorrad fahrenden Landsmann ein, indem er meinte:

„Er (Hambálek, der Autor) hat nichts getan, was den nationalen Interessen der Slowakei schadet, und es ist ein Novum, dass ein Bürger der Slowakei und der EU auf eine Sanktionsliste gesetzt wurde, nur weil er gerne Motorrad fährt“ (2).

Etwas flapsig formuliert, trifft der auf der Pressekonferenz in Berlin vom slowakischen Ministerpräsidenten geäußerte Satz den Kern des Problems: Von Brüssel verordnete Sanktionen missachten rechtsstaatliche Grundlagen; ohne Gerichtsverfahren ist Jozef Hambálek tatsächlich nichts weiter als ein Motorradfahrer.

Am 13. März 2024 konnte Robert Fico dann vermelden:

„Als wir unsere Regierung gebildet hatten, war klar, dass eine unserer Prioritäten sein muss, unsere Bürger zu verteidigen (…). Und heute kann ich der slowakischen Öffentlichkeit mitteilen, dass Herr Hambálek von der Sanktionsliste gestrichen wurde“ (2).

Politisch warf Fico dann noch seiner liberal-konservativen Vorgängerregierung vor, sich nicht für den Staatsbürger Hambálek eingesetzt zu haben und rief nochmals in Erinnerung, was die Sanktionierung von EU-Bürgern für diese bedeutet: „Können Sie sich vorstellen“, so der Ministerpräsident, „dass man Ihnen das Gas abdreht? Die Elektrizität? Dass Ihre Kreditkarten gesperrt werden? Dass man Ihr Geschäft liquidiert?“ Fico half nicht nur dem Mann aus der Patsche, sondern zeigte auch auf, dass man sich als Politiker für die Rechte seiner Bürger einsetzen kann.

Von Hannes Hofbauer ist zuletzt erschienen (als Herausgeber gemeinsam mit Stefan Kraft): „Kriegsfolgen. Wie der Kampf um die Ukraine die Welt verändert“ (Wien, Promedia Verlag).


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=BUlsvBFQpYU (14. März 2024)
(2) https://enrsi.rtvs.sk/articles/news/351833/fico-defends-jozef-hambalek (14. Februar 2024)

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