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Selbstmord mit Fremdverschulden

Selbstmord mit Fremdverschulden

Die Gründe für den Tod des russischen Verkehrsministers Roman Starowojt bleiben unklar — westliche Medien versuchen dem Kreml daraus einen Strick zu drehen.

Roman Starowojt hat sich angeblich wenige Stunden nach seiner Entlassung selbst mit einer Pistole umgebracht. Es wäre das erste Mal, dass sich im nachsowjetischen Russland ein Minister selbst umbringt.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, erklärte am Dienstag:

„Dieser Tod kann einen normalen Menschen nur schockieren. Und er hat auch uns schockiert. Jetzt laufen die Ermittlungen. Solange die Ermittlungen laufen, kann man nicht auf alle Fragen antworten. Aber das können die Vertreter der Medien und die Politologen tun.“

TV-Moderator Solowjow: „Schadenfreude ist nicht angebracht“

Der bekannte russische Fernsehmoderator Wladimir Solowjow sagte, wahrscheinlich habe es gegenüber Starowojt „ernste Fragen“ gegeben. Aber man solle „den Ermittlungen nicht vorgreifen“. Die Schadenfreude, die jetzt bei einigen aufkomme, sei „nicht angebracht“. Das sei „unchristlich“. Der Fernsehmoderator spielte damit offenbar auf Menschen an, die sich eine harte Strafe für korrupte Beamten wünschen.

Der Kreml-nahe russische Politologe Sergej Markow meinte, es wäre „ein politischer Fehler“, wenn die Macht zu dem Tod von Starowojt jetzt schwiege und nicht „Antworten auf alle Fragen“ gäbe. Es sei „ein außerordentlicher Vorfall“. „Alle sprechen darüber.“ Viele „einfache russische Bürger meinen, das sei kein Selbstmord gewesen, sondern ein als Selbstmord getarnter Mord, mit dem Hintergrund, dass Starowojt dann bei einer Vernehmung keine Aussagen machen könnte, die andere belasten“.

„Kräfte im Ausland“ versuchten bereits den Tod des ehemaligen Ministers für sich zu nutzen. Man versuche, einen Teil der russischen Elite zu verängstigen und gegen den Kreml in Stellung zu bringen. Von Kräften „im Ausland“ werde behauptet, Starowojt sei vom Kreml „verdeckt bestraft“ worden.

Wieder ein Mord, um Putin zu schaden?

Die Vermutung, dass man im westlichen Ausland versuchen könnte, den Tod des entlassenen Ministers in der Propaganda-Schlacht gegen Putin zu nutzen, ist nicht weit hergeholt.

Schon bei dem Tod der Journalistin Anna Politkowskaja und den Oppositionspolitikern Boris Nemzow und Aleksej Nawalny hatten westliche Medien behauptet, Putin habe seine Hand im Spiel gehabt. Beweisen konnten diese Medien ihre Behauptung nicht.

Den Leichnam von Starowojt fand man am Montag in der Nähe eines Parkplatzes im Gebüsch vor dem Malewitsch-Park, nicht weit entfernt von Odinzowo, dem Wohnbezirk des Ministers. Auf dem Parkplatz stand das Auto des Toten, ein Tesla X. Neben dem Toten fand man eine Makarow-Pistole. Die Pistole war Starowojt von einem hohen Polizeioffizier geschenkt worden.

Der entlassene Minister habe vor seinem Tod noch eine SMS an seine Leibwache abgeschickt, mit dem Hinweis, wo man ihn finden könne, berichteten russische Medien. Am Montag um 15 Uhr wurde die Leiche von der Leibwache und später von den Ermittlern gefunden.

Zur Identifizierung der Leiche war am schnellsten die 25 Jahre alte Freundin des entlassenen Ministers, Polina K., erreichbar. Mit ihr war Starowojt seit seiner Zeit als Gouverneur in Kursk verbunden. Von seiner Frau, mit der er zwei Töchter hat, lebte der ehemalige Minister getrennt. Die Freundin war, als sie zum Leichnam von Starowojt geführt wurde, in Tränen aufgelöst und verzweifelt.

Die Verteidigungsanlagen, die nicht gebaut wurden

Die russischen Medien berichteten über den Tod des Ministers in großer Aufmachung. Sofort begann auch die Suche nach einem Motiv für den Selbstmord beziehungsweise denMord.

Häufig genannt wurde die mögliche Verwicklung von Starowojt in einen Korruptionsskandal, den es im Gebiet Kursk gegeben hatte. Dort war Starowojt von 2019 bis 2024 Gouverneur gewesen, bevor er im Mai 2024 zum Verkehrsminister berufen wurde.

Der Nachfolger von Starowojt im Amt des Gouverneurs für das Gebiet Kursk, Aleksej Smirnow, der sich in Haft befindet, hatte Starowojt in einer Vernehmung belastet, wie russische Medien berichteten.

Worum ging es bei dem Korruptionsskandal? Das russische Verteidigungsministerium hatte angeordnet, im Kursker Gebiet — vor der Grenze zur Ukraine — Verteidigungsanlagen zu bauen, die einen möglichen Angriff der ukrainischen Armee stoppen sollten. Für diese Verteidigungsanlagen wurden vom russischen Staat umgerechnet 211 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Doch nur ein Teil der Anlagen wurde tatsächlich gebaut.

Dass es der ukrainischen Armee im August 2024 gelang, einen Teil des Gebietes Kursk zu erobern, wobei Tausende von Einwohnern getötet, verletzt und vertrieben wurden, hängt nach Meinung russischer Medien und auch nach Meinung vieler russischer Bürger damit zusammen, dass die Verteidigungsanlagen nicht fertiggestellt wurden und das Geld für diese Anlagen in Scheinfirmen versickerte, die nur einen Tag existierten.

Im Herbst 2024 hatten russische Sicherheitsbehörden mehrere Topmanager der mit dem Bau der Verteidigungsanlagen beauftragten „Kooperation zur Entwicklung des Gebietes Kursk“ verhaftet. Verhaftungen gab es auch von Unternehmern, die für die „Kooperation“ Arbeiten an Verteidigungsanlagen ausführen sollten. Den Verhafteten wird die Veruntreuung von umgerechnet 44 Millionen Euro zur Last gelegt.

Der Minister war noch am Montag auf einer Sitzung

Verkehrsminister Roman Starowojt war noch am Montag auf einer Sitzung in seinem Ministerium. Ob er zu dem Zeitpunkt von der bevorstehenden Entlassung wusste, ist nicht klar. Aber nachdem der Skandal um die nicht fertiggestellten Verteidigungsanlagen im Gebiet Kursk 2024 hochgekocht war, muss ihm klar geworden sein, dass sein Verbleib in der russischen Regierung nicht gesichert war. Nach einem Bericht des Portals Zargrad sei der Minister in letzter Zeit oft gereizt gewesen, obwohl er eigentlich ein ausgeglichener Mensch gewesen sein soll.

Dass sich ein Minister der russischen Regierung selbst umbringt, hat es in der nachsowjetischen Zeit nicht gegeben. Der letzte bekannte Selbstmord passierte nach dem gescheiterten Putsch der Jelzin-Gegner im August 1991, als sich der sowjetische Innenminister Boris Pugo angeblich mit der eigenen Pistole umbrachte.

Das monarchistische russische Portal Zargrad nahm Roman Starowojt in Schutz. Das Portal zitierte Aleksander Ruzkoj, den Amtsvorgänger von Starowojt im Amt des Gouverneurs des Kursk-Gebiets. Ruzkoj, der 1993 in einer Auseinandersetzung mit Boris Jelzin um die Führung Russlands unterlag, erklärte, er habe Starowojt immer vor fragwürdigen Mitarbeitern in seinem Apparat gewarnt.

Wenn es stimmt, dass Starowojt Selbstmord begangen hat, was könnte ihn dazu veranlasst haben? „Die Schande“ und „das Schuldgefühl“, „das verletzte Vertrauen der Bürger und des Präsidenten“, schreibt ein Kommentator der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti.

Roman Starowojt wurde 1972 in Kursk geboren. Nach seiner Ausbildung an der Universität Wojenmech, die er 1995 beendete, wurde er 2002 Direktor der Baufirma Strojinvest. 2005 begann er, in der Regierung von St. Petersburg zu arbeiten. Er leitete das Komitee für Investitionen und strategische Projekte. 2008 begann er eine zweite Ausbildung an der Akademie für staatliche Verwaltung. 2012 wurde er Leiter der russischen Straßenverwaltung und 2024 dann Verkehrsminister. In seiner Freizeit war Starowojt ein begeisterter, disziplinierter Sportler. 2018 erlangte er in Barcelona im Triathlon den Titel „Ironman“.

Roman Starowojt wird in St. Petersburg beerdigt. Dort leben sein Bruder und sein Vater.


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