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Starke Eltern, starke Kinder

Starke Eltern, starke Kinder

Ein Elternnetzwerk versucht Schüler vor den Folgen der Coronamaßnahmen zu schützen — Interview mit Annette Bedford und Robert Kuhnt.

Katrin McClean: Könnt ihr kurz eure familiäre Situation beschreiben und schildern, wie ihr die Veränderungen ab März 2020 erlebt habt?

Annette Bedford: Ich bin 40, habe drei Kinder, der Große ist fast neun und meine Zwillinge fast fünf. Ich habe eigentlich schon sehr früh das Gefühl gehabt, dass sich diese Welt in die falsche Richtung entwickelt. Letztes Jahr im März habe ich im Grunde noch einmal das erlebt, was ich 1989 schon gefühlt habe. Ich bin in der DDR aufgewachsen und war da eigentlich ganz glücklich, und plötzlich war meine „alte Welt“ verschwunden, mein Vater erlitt eine Depression und wurde alkoholsüchtig. Ich verlor viele Freizeit-Angebote und fühlte mich als Neunjährige völlig verloren und haltlos.

Letztes Jahr hatte ich da ein regelrechtes Flashback. Als die fast panische Angst vor dem Coronavirus losging, hatte ich sofort das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Und als dann die Schulen geschlossen wurden, war ich davon überzeugt, dass diese Maßnahme überzogen war und mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Meine Zwillinge hatten ab März einen Kita-Platz; durch den Lockdown konnten wir aber erst im August starten und mussten die Eingewöhnung nach wenigen Wochen abbrechen, weil die beiden aufgrund der Maßnahme starke Ängste entwickelten.

Robert Kuhnt: Ich habe es so ähnlich erlebt wie Annette. Ich finde, mit einem sensiblen Moralempfinden konnte man die Maßnahmen in Schulen und Kitas nicht einen einzigen Tag hinnehmen. Meine Frau und ich haben sofort ausgemacht: Sie kümmert sich zu Hause um die Kinder, ich unterstütze sie und kämpfe dafür, dass die Kinder ihre Rechte und ihre Freiheit wiederbekommen. Deswegen war Auswandern für uns kein Thema. Jemand muss ja hierbleiben und sich wehren. Ich bin auch in der DDR geboren und habe den Umbruch damals ähnlich wie Annette erlebt. Ich habe schon immer viele Fragen gestellt, in der Schule, in der Ausbildung, im Beruf. Immer, wenn mir etwas nicht richtig vorkommt, stelle ich Fragen.

Meine Frau ist im medizinischen Bereich tätig. Ich war jahrelang Arbeitsschutz-Beauftragter in einer großen Firma. Da konnte ich von Anfang an sehr gut einschätzen, was bei der Einführung der drastischen Maßnahmen alles nicht beachtet wurde. Es gibt zum Beispiel nicht eine einzige Gefährdungsanalyse für eine Einrichtung, obwohl bis März 2020 jede Einrichtung eine Gefährdungsanalyse machen musste, bevor sie zusätzliche Hygienemaßnahmen einführen konnte.

Dabei behaupte ich sicher nicht, dass eine Coronainfektion nicht gefährlich werden kann. Ich hatte vor zehn Jahren eine heftige multiple Infektionserkrankung, an der ich fast gestorben wäre. Mir kann keiner sagen, ich wüsste nicht, worüber ich rede. Aber die Maßnahmen in Kitas und Schulen stehen einfach in keinem Verhältnis zur realen Gefährdung.

Habt ihr versucht, auf direktem Wege etwas gegen die Maßnahmen an den Schulen zu unternehmen?

Annette: Ich bin in der Elternvertretung und habe, als es noch möglich war, in persönlichen oder telefonischen Gesprächen versucht, das Thema anzusprechen. Später, als es wieder Elternabende gab, wurde das Thema ausgeklammert. Die Eltern sagen einfach nichts dazu. Inzwischen weiß ich, dass das vielen kritischen Eltern passiert. Nicht nur bei Elternabenden, auch bei Freunden oder Bekannten. Du weist darauf hin, dass die Masken für Kinder gesundheitsschädigend sind, dass Schulschließungen und das Lernen zu Hause sozial und psychisch belastend sind, und erhältst einfach keine Antworten. Als wäre da eine Mauer.

Robert: Ich bin stellvertretender Sprecher der Elternvertretung bei uns in der Kita. Unsere Bedenken finden bei der Leitung auf jeden Fall Gehör und auch teilweise Verständnis. Jedoch erhalten wir auch oft die Aussage: Wir können nichts machen, uns sind die Hände gebunden. Der Druck der anderen Eltern, die auf den Maßnahmen bestehen, ist da ziemlich groß.

Ihr habt euch beide entschlossen, eure Kinder komplett zu Hause zu unterrichten. Wie gehen eure Kinder mit dieser Entscheidung um?

Robert: Wichtig ist, dass wir unsere Kinder in diesen Auseinandersetzungen immer mitnehmen. Wir reden ganz offen mit ihnen über all diese Probleme, sodass sie selbst verstehen, welche Möglichkeiten sie wählen können. Mein Großer wollte neulich trotz Testpflicht in die Schule, und das haben meine Frau und ich schließlich auch akzeptiert. Als er dann in einem Zoom erfahren hat, dass ein Mitschüler positiv getestet wurde und deshalb die ganze Klasse zwei Wochen in Quarantäne musste, hat er sich aber sofort wieder dagegen entschieden. Nebenbei bemerkt: Keines der betroffenen Kinder ist in dieser Zeit an Corona erkrankt, wies Symptome auf oder wurde erneut positiv getestet.

Aber natürlich hat das Homeschooling große Nachteile. Mein Sohn hat in dieser Zeit fünf Kilo zugenommen. Wir treiben ihn jetzt regelrecht an, Sport zu machen. Zum Glück hat er im Wohnviertel ein paar Freunde gefunden, mit denen er sich regelmäßig trifft. Andererseits ist er in dieser Zeit sehr selbständig geworden und auch sehr selbstbewusst.

Annette: Das kann ich nur bestätigen. Bei Elternversammlungen gebe ich nur noch wieder, was mein Sohn mir sagt: „Ich gehe erst wieder in die Schule, wenn kein Kind mehr eine Maske tragen muss.“ Er vermisst die Schule sehr, seine Freunde, die Lehrer, aber er hält die Situation dort einfach nicht aus. Er hat echte Probleme mit der Atmung und sagt, dass ihn der Anblick der maskierten Menschen total ängstigt. Der Druck, den er damit in der Schule erleben würde, ist unzumutbar.

Ihr seid beide in dieBasis eingetreten und habt versucht, hier politisch aktiv zu werden. Was habt ihr da konkret gemacht?

Robert: Ich habe mich etwa ab Dezember 2020 in der AG Bildung beim Hamburger Landesverband engagiert und gemeinsam mit Vorstandsmitgliedern einen offenen Brief an den Hamburger Schulsenator Thies Rabe geschrieben. Parallel habe ich als stellvertretender Elternvertreter der Kita eine Rundmail geschrieben, um von unserem Engagement zu erzählen. Die Antwort war ein regelrechter Shitstorm. Nur eine hat sich in einer persönlichen E-Mail positiv dazu geäußert.

Wie war es bei dir, Annette? Wie hast du angefangen?

Annette: Ich habe etwa zur selben Zeit ein kleines Netzwerk an kritischen Eltern aufgebaut, mit Freundinnen und in Zusammenarbeit mit „Eltern stehen auf“. Wir haben anfangs mit etwa 20 Leuten einen Telegram-Kanal aufgemacht.

In dieser Zeit sind die Maßnahmen in den Schulen ja auch immer weiter verschärft worden.

Annette: Genau. Bis Oktober gab es ja nur ein paar Abstandsregeln und die Regel, die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Dann wurde die Maskenpflicht auch für Grundschüler im Dezember verschärft und für alle Klassenstufen im Unterricht eingeführt, angeblich um die zweite Coronawelle über die Feiertage und das neue Jahr zum Erliegen zu bringen. Kurz vor Weihnachten wurden aber wieder alle Schüler nach Hause geschickt, jedoch mit der Möglichkeit einer Notbetreuung, die war aber auch wieder mit einer ganztägigen Maskenpflicht ab der ersten Klasse verbunden.

Robert: Als Arbeitsschutzbeauftragter muss ich dazu sagen, dass die Schulleitungen die Möglichkeit gehabt hätten, anders zu reagieren. Das, was sie von den Behörden bekommen haben, waren Rahmenrichtlinien beziehungsweise ein Muster-Hygieneplan. Darin wurden verschiedene Vorschläge gemacht, aber die Schulleitungen waren gar nicht verpflichtet, jede einzelne Maßnahme umzusetzen. Die meisten haben aber einfach alles umgesetzt.

Annette: Und es gab sogar Schulen, die haben noch mehr gemacht, als eigentlich vorgesehen war. Manche Schulen haben schon im Sommer eine Maskenpflicht für Grundschüler auf dem Pausenhof verordnet, obwohl das behördlich noch gar nicht gefordert war.

Aber inzwischen besteht diese strenge Maskenpflicht seit November und ist noch nicht wieder gelockert worden. Die Kinder können unter diesen Umständen wieder in die Schule gehen. Aber sie haben auch die Möglichkeit, im Homeschooling weiterzumachen.

Im Grunde genommen läuft es auf eine Art Erpressung hinaus: Entweder du unterwirfst dich der Maskenpflicht, dann kannst du in die Schule gehen, wenn nicht, müssen deine Eltern dafür sorgen, dass du am Computer lernst.

Robert: Eine Zeit lang hat sich unser Sohn auf die Maßnahmen in der Schule eingelassen. Ich habe ihm alle möglichen Tipps gegeben, wie er dafür sorgen kann, dass er genügend Luft bekommt. Die Kinder müssen ja gegen diese Regeln verstoßen, wenn sie gesund bleiben wollen.

Ich glaube, dass unser Sohn durch diese Situation auch viel lernt. Er vertritt sehr selbstbewusst seine Meinung und wird von seinen Mitschülern dafür geachtet, dass er ihnen erklären kann, warum Maskentragen auch schädlich sein kann. Die kommen jetzt mit ihren Fragen zu ihm.

Was mich bewegt, ist eine noch viel schlimmere Erpressung. Im Dezember hat man den Kindern eingeredet: Ihr müsst jetzt zu Hause bleiben und dürft nicht mehr in die Schule gehen, weil sonst Oma und Opa zu Weihnachten tot sind.

Das muss man sich mal überlegen! Und jetzt gibt es die nächste Erpressung, indem den Eltern und auch den Kindern gesagt wird, wenn sie sich nicht impfen lassen, wird es keinen normalen Schulbetrieb mehr geben.

Annette: Bei uns zu Hause gibt es deshalb auch kein Fernsehen. Wir wollen solche Botschaften von unseren Kindern fernhalten.

Robert: Wir machen das auch, und das ist auch wichtig. Unser Sohn hat neulich bei den Großeltern Nachrichten gesehen, obwohl wir sie darum gebeten haben, das zu vermeiden. Ich musste ihn dann drei Tage lang beruhigen, um seine Ängste zu bewältigen. Das ist völliger Wahnsinn, was man den Kindern allein schon durch diese tägliche Angst-Propaganda antut.

Ihr habt in dieser Zeit, in der ja auch sehr strenge Kontaktbeschränkungen herrschten, versucht, noch mehr Eltern zu aktivieren, um etwas gegen diese Maßnahmen unternehmen zu können. Was habt ihr dabei erlebt?

Robert: Das war wirklich nicht einfach, denn man muss die kritischen Eltern ja erst einmal finden. Man erlebt ja eher das Gegenteil. Viele Eltern machen aus den Maßnahmen einen regelrechten Wettbewerb. Die reden ja eher darüber, wer jetzt die besten Vorkehrungen getroffen hat, um die Maßnahmen umzusetzen.

Die schauen dann ernsthaft, dass ihre Kinder sich möglichst viel allein in ihrem Zimmer aufhalten und sind völlig entsetzt, wenn sie hören, dass unsere Kinder auch noch bei uns im Bett schlafen können, wenn sie wollen. Aber ich sage immer: Gerade jetzt brauchen Kinder starke Bindungen. Diese Maßnahmen sind für Kinder doch eine große psychische Belastung. Ich kann bei einigen Kindern aus meinem Umfeld sehen, wie sehr die sich verändern.

Annette, was glaubst du, wie groß ist der Anteil der Eltern, die diese Maßnahmen mittragen?

Annette: Der ist, glaube ich, ziemlich groß. Bei den Eltern in der Klasse meines Sohnes würde ich schätzen, dass höchstens ein Drittel den Maßnahmen gegenüber kritisch eingestellt ist. Und dann dauert es manchmal ziemlich lange, bis Eltern wirklich aktiv werden. Mein Sohn hat einen besten Freund, dessen Mutter immer damit einverstanden war, dass die beiden sich treffen. Den Maßnahmen stand sie eher passiv gegenüber. Wir haben viele Gespräche geführt, und seit Dezember machen ihr und mein Sohn zusammen Homeschooling, und die Mutter sagt, dass sie meinem Mann und mir sehr dankbar dafür ist, weil es ihrem Jungen damit einfach besser geht.

Und wie erklärst du dir, dass der größte Teil der Eltern den Maßnahmen so unkritisch gegenübersteht?

Annette: Ich glaube, sie wollen die negativen Auswirkungen einfach nicht sehen. Sie haben oft selbst genug Stress und schauen einfach nicht hin. Dazu kommt, dass die Kinder ja permanent von den Lehrern für das Einhalten der Maßnahmen gelobt werden. Die Schüler hören immer wieder, dass sie das mit den Masken „ganz toll“ machen, und die Lehrer behaupten den Eltern gegenüber, dass den Kindern das überhaupt nichts ausmacht.

Kinder wollen alles richtig machen, und wenn sie merken, dass ihre Eltern und die Lehrer keine Probleme haben wollen, dann behalten sie diese Probleme für sich.

Ein Freund meines Sohnes war mal bei uns, und ich merkte, dass es ihm sehr schlecht ging, er sah sehr blass aus und klagte über Kopfschmerzen. Er sagte mir, dass er den ganzen Tag nicht dazu gekommen sei, die Maske abzusetzen. Er wollte aber auf keinen Fall seiner Mutter erzählen, dass es ihm deshalb schlecht ging.

Von einer anderen Mutter habe ich eine Geschichte gehört, die mich zutiefst erschüttert hat. Da hat ein Mädchen alle paar Tage Blut in ihrer Maske gehabt. Die Mutter hat die Klassenlehrerin angerufen, um sie darauf aufmerksam zu machen, aber die Lehrerin sagte nur, da könne sie nichts machen, das Mädchen sei selbst dafür verantwortlich, ihre Maske zu wechseln oder zu reagieren, wenn es ihr nicht gut geht.

Auch mit den Schnelltests wird ja so umgegangen, als wenn das ein lustiges Spiel wäre. Wenn alle negativ getestet sind, klatscht die gesamte Klasse und jubelt.

Aber die Masken dürfen sie trotzdem nicht absetzen.

Robert: Nein. Und die Abstände müssen auch eingehalten werden. Und alle unsere Hinweise darauf, dass die Tests gefährliche Substanzen enthalten, werden ignoriert. Das ist einfach alles Irrsinn.

Annette: Absolut. Und viele Eltern glauben, sie könnten jetzt einfach abwarten, und irgendwann geht diese irrsinnige Politik von selbst wieder vorbei.

Trotz allem ist es euch gelungen, ein ziemlich großes Netzwerk kritischer und aktiver Eltern zu schaffen. Wie kam es dazu?

Annette: Im Dezember kam ich über dieBasis in Kontakt mit Sven und Tom Lausen, die sich als Anwalt beziehungsweise Journalist gegen die Maßnahmenpolitik einsetzen. Sie haben einen eigenen YouTube-Kanal und ein großes Netzwerk. Wir drei und noch ein paar andere Leute haben ziemlich lange überlegt, wie wir aktiv werden könnten.

Dann haben wir mit der Aktion der Nachdenk-Schilder angefangen. Mehrere Leute stellen sich hintereinander an den Straßenrand, mit kurzen Botschaften, die die Autofahrer ins Nachdenken bringen sollen, zum Beispiel „Was bedeutet dir Freiheit?“ oder „Was macht das alles mit unseren Jüngsten?“ Darüber entstand ein Kontakt zu Freddy Independent, dem diese Aktion gefallen hat. Im März hat Freddy dann in seiner Sendung Werbung für meinen Telegram-Kanal gemacht. Daraufhin meldeten sich sehr viele Hamburger Eltern bei mir.

Robert: Ich habe auf diese Weise zum ersten Mal von Annette gehört. Zur selben Zeit hatte ich mit Leuten von dieBasis Hamburg schon ein Klageschreiben an Schulen ausgearbeitet. Ich habe mich dann sofort bei Annette gemeldet und ihr davon erzählt.

Annette: Und das war ein Glück. Denn ich war mit den vielen Elternanfragen völlig überfordert, und Robert und die Bildungs-AG konnten mir sofort helfen. Ich hatte zum Glück von Anfang an eine Liste geführt und notiert, welche Eltern welche Kinder an welchen Hamburger Schulen hatten. Auf diese Weise entstand nun eine Liste, die fast alle Hamburger Schulen abdeckte. Schließlich kamen wir auf die Idee, diese Eltern zu vernetzen.

Warum ist diese Vernetzung so wichtig?

Annette: Viele haben das Gefühl, dass sie an ihren Schulen die einzigen „schwarzen Schafe“ sind, die den Maßnahmen kritisch gegenüberstehen. Du weißt genau, dass deinen Kindern da etwas Schlimmes angetan wird, aber alle machen mit, als wenn es nichts Schlimmes wäre. Weil viele auch nicht voneinander wissen. Ich habe erst durch meinen Telegram-Kanal von anderen kritischen Eltern in der Schule meines Sohnes erfahren.

Wichtig ist vor allem, dass diese Eltern sich nicht nur gegenseitig ihr Leid klagen, sondern sich gegenseitig helfen können. Besonders die alleinerziehenden Mütter sind auf die Hilfe von anderen angewiesen.

Alleinerziehende können ihre Kinder ja nicht so einfach im Homeschooling lassen, wenn sie selbst arbeiten müssen. Durch unseren Telegram-Kanal wurden viele Lösungen gefunden. Das Mädchen, das immer Blut in der Maske hatte und deren Mutter alleinerziehend ist, geht jetzt zu einer Lerngruppe, die von mehreren Eltern betreut wird.

Währenddessen hast du, Robert, die juristischen Ansätze weiterverfolgt. Wie ist es da weitergegangen?

Robert: Zuerst habe ich mit zwei, drei anderen aus der Bildungs-AG an einem Schreiben für die Schulleitungen gearbeitet, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie juristisch und wissenschaftlich extrem fragwürdig handeln. Wir haben jede Menge Quellen zusammengestellt.

Es ist wichtig zu wissen, dass Lehrer, die eine behördliche Anordnung für bedenklich halten, ihre Bedenken nicht nur äußern können, sondern sogar müssen. Juristisch nennt man das „Remonstrationspflicht“.

Kommen Lehrer dieser Pflicht nicht nach, sind sie persönlich für seelische und gesundheitliche Schäden ihrer Schüler haftbar. Darauf haben wir in unserem Schreiben hingewiesen. Wir haben es den Schulleitern unserer Kinder zugestellt und dem Elternnetzwerk angeboten, mit diesem Schreiben an die Schulleitungen ihrer Kinder zu gehen. Die haben das jedoch ziemlich zögerlich aufgegriffen.

Annette: Man muss sich einfach klar machen, dass so etwas für viele Eltern eine große Herausforderung ist. Wir müssen uns plötzlich mit Dingen beschäftigen, über die wir vorher gar nicht nachdenken mussten. Wir müssen plötzlich lernen, welche Rechte wir haben und auf welche gesetzlichen Richtlinien wir uns eigentlich berufen könnten. Viele Eltern sind zwar kritisch, aber es fällt ihnen schwer, sich in eine juristische Auseinandersetzung mit Klassenlehrern oder Schulleitern zu wagen.

Robert: Dieses Problem haben wir gelöst, indem wir ein ähnliches Schreiben direkt vom Landesverband dieBasis Hamburg an alle Schulen verschickt haben. So bekamen alle Hamburger Schulleiter einen offenen Brief, der die Fragwürdigkeit der Maßnahmen umriss und auf die Remonstrationspflicht hinwies. Darüber wurden die Presse, verschiedene Organisationen, „Eltern stehen auf“ und natürlich unser Elternnetzwerk informiert. So wissen die Eltern jetzt, dass es diesen Brief gibt, und können die Schulleiter darauf ansprechen.

Ein paar andere Landesverbände von dieBasis haben diese Aktion auch übernommen.

Warum haben Eltern Angst davor, ihren Widerstand offen zu zeigen oder in irgendeiner Form aktiv zu werden? Um welche Ängste geht es da?

Robert: Es gibt Ängste, dass das Jugendamt oder die Polizei vor der Tür steht, wenn man sich widersetzt. Es hat sich einfach in kurzer Zeit so vieles verändert, da befürchten manche alles Mögliche. Und es werden ja auch immer wieder drastische Drohungen ausgesprochen. Durch das Elternnetzwerk sind uns da einige ziemlich fragwürdige Fälle bekannt geworden.

Eine Frau hat zum Beispiel mitbekommen, wie man ihre Tochter mit psychischem Druck gezwungen hat, sich gegen ihren Willen mit einem Stäbchen zu testen. Als diese Frau sich bei der Schulleitung beschwerte, hat man ihr mit dem Jugendamt gedroht, und sie haben ihr die Polizei nach Hause geschickt, die überprüfen sollte, ob das Kind ordentlich am Rechner sitzt. Aber mehr ist am Ende nicht passiert. Wir haben dieser Frau einen Anwalt vermittelt und ihr immer wieder Mut gemacht. Zum Glück ist ihre 10-jährige Tochter sehr selbstbewusst. Sie hat den Spieß einfach umgedreht und den Polizisten erzählt, wie sie gezwungen wurde, sich selbst zu testen. Danach war die Sache wohl vom Tisch.

Annette: Besonders schwierig ist es auch hier wieder für die Alleinerziehenden. Da ist größte Angst die Angst vor dem Verlust des Sorgerechtes. Und die ist leider nicht ganz unberechtigt. Es gibt Fälle, wo Jugendämter die angeblich mangelnde Umsetzung von Hygienemaßnahmen als Gefährdung des Kindeswohles angesehen haben. Da fällt dann bei Fragen des Sorgerechtes das Urteil zugunsten desjenigen aus, der die Maßnahmen ausdrücklich befürwortet.

Robert: Wir wissen, dass dieser Konflikt bei Sorgerechtstreitigkeiten genutzt wird. Da sprechen dann Maßnahmenbefürworter auch mal Drohungen aus, weil sie das Recht auf ihrer Seite glauben.

Seit dem sogenannten Weimarer Urteil wird die Frage, wer das Kindeswohl wirklich gefährdet, ja noch einmal ganz anders diskutiert. Der Weimarer Familienrichter Christian Dettmar hat mit einer umfangreichen Urteilsbegründung bestätigt, dass das Kindeswohl durch die Maßnahmen an den Schulen gefährdet ist und im konkreten Fall zwei Weimarer Schulen das Weiterführen der Maßnahmen untersagt.

Robert: Es gibt viele Versuche, dieses Urteil zu entkräften, aber durch diesen Fall hat sich für uns eine neue Tür geöffnet. Denn es hat sich zumindest bestätigt, dass die Familiengerichte für den Schutz des Kindeswohles zuständig sind. Auch wenn der „Tatort“ die Schule ist und die „Täter“ Schulleitungen und Lehrer oder auch ErzieherInnen in Kitas.

Jeder, der irgendwo das Kindeswohl gefährdet sieht, kann eine Meldung an das zuständige Familiengericht machen. Das können die Eltern sein, aber auch Verwandte oder Nachbarn. Und das Gesetz verlangt, dass ein Familiengericht jeder Meldung einer Kindeswohlgefährdung nachgehen muss.

Deshalb gibt es jetzt die Initiative von 2020news, also der Plattform des Corona-Ausschusses, möglichst viele solcher Meldungen auszulösen. Viviane Fischer organisiert dabei die juristische Unterstützung seitens des Corona-Ausschusses, und dieBasis kann über ihre Landes- beziehungsweise Kreisverbände Eltern dabei helfen, solche Meldungen zu machen.

Annette: Das ist eine ganz wichtige Initiative. Theoretisch könnte jeder so eine Meldung auch selbst machen. Aber wie ich schon sagte, die meisten Eltern tun sich mit so etwas schwer. Deshalb stellen wir den Eltern Formulare zur Verfügung und bieten telefonische Beratung zur Verfahrensweise an, was noch keine Rechtsberatung ist. Wichtig ist für sehr viele Eltern auch, dass sie kein finanzielles Risiko eingehen und auch anonym melden können. Und dass die Aktion juristisch von Anwälten begleitet wird.

Robert: Mit so einer Meldung könnten jetzt Schulleiter und Lehrer in den Fokus von Ermittlungen geraten. Deshalb war es uns so wichtig, vorab den offenen Brief an sie zu schreiben. Um sie auf ihre Remonstrationspflicht hinzuweisen. So können sie nicht sagen, sie hätten nicht gewusst, dass sie persönlich haftbar zu machen sind.

Gibt es zu dieser Initiative einen aktuellen Stand?

Annette: Wir sind noch in der Sammelphase, weil sich viele besorgte Eltern bei uns gemeldet haben. Viele Eltern nutzen die Möglichkeit der anonymen Meldung, einige melden aber auch namentlich.

Was würdet ihr Eltern sagen, die noch überlegen, ob sie eine Meldung machen?

Robert: Traut euch. Steht für das Wohl eurer Kinder ein! Holt euch Hilfe! Zusammen sind wir stark!

Annette: Vor allem muss ihnen klar werden, dass keine Veränderung zu erwarten ist. Hamburg hat schon jetzt beschlossen, dass das neue Schuljahr mit Maskenpflicht begonnen wird, auch in der Grundschule. Mit einer starken Gegenwehr können wir nur gewinnen, zu verlieren haben wir gar nichts.

Die Bildung von Elternnetzwerken und Lerngruppen ist ja im Grunde auch eine positive Entwicklung, die sich vor diesem düsteren Hintergrund abzeichnet. Wie schätzt ihr hier die weitere Entwicklung ein?

Robert: Da entsteht gerade immer mehr. Es gibt ja auch ein Netzwerk kritischer Lehrer, die nach wie vor an den Schulen arbeiten und darunter leiden, jeden Tag sehen zu müssen, was den Kindern angetan wird. Sie fangen jetzt an, sich mit den kritischen Eltern zu vernetzen. Es entstehen immer mehr Lerngruppen in ganz Hamburg. Parallel dazu werden Ideen für bessere Bildungskonzepte und Unterrichtsformen entwickelt. Ich glaube, das hat eine Menge Potenzial.

Annette: Viele Eltern wünschen sich doch, dass es andere Schulen gäbe, in die sie ihre Kinder schicken könnten. Nicht nur, was die Corona-Maßnahmen betrifft. Parallel dazu wird ja auch der Leistungsdruck auf die Kinder immer stärker. Was den Kindern im Homeschooling zum Teil abverlangt wird, hat mit Lernen oft nichts mehr zu tun, eher mit relativ sinnloser Überforderung. Leider ist es ein sehr komplizierter und aufwendiger Prozess, eine Schule zu gründen. Aber wenn im August in Hamburg eine freie Schule öffnen würde, könnte sie sich vor Anmeldungen wahrscheinlich kaum retten.

Robert: Das ist auf jeden Fall die Richtung, in die wir gehen wollen. Und dafür brauchen wir schon jetzt starke Netzwerke. Deshalb möchte ich alle Eltern noch einmal ermuntern: Kommt auf uns zu, stellt uns Fragen, teilt eure Bedenken mit uns. Wir werden auf jeden Fall für euch da sein, euch helfen und kämpfen.

Rückfragen an Robert und Annette beziehungsweise zur Kindeswohl-Kampagne an: kindeswohl@diebasis-hamburg.de


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