Die Politik, wie sie im Rahmen der parlamentarischen Parteiendemokratie inszeniert wird, erlebe ich von innen und sehe ich von außen als Teil einer Zivilisation, die grundsätzlich und strukturell in einer Sackgasse steckt. Und dies auch dann, wenn es ihre Anhänger nicht wahr haben und/oder wissen wollen.
Wahlen kennzeichnen ein System, das sich immer deutlicher als ein Auslaufmodell zeigt: Mit Kampf, Konkurrenz oder gar Krieg ist keine für alle gute Politik möglich.
Was bedeutet in diesem Licht ein Name auf dem Wahlzettel? Es ist kein Zeichen der Teilhabe — sondern der Resignation. Wer wählt, stimmt dem System zu. Man spielt nach dessen Regeln — auch wenn diese in Tat und Wahrheit von Anfang an und immer wieder nicht wirklichen Bedürfnissen zur Geltung verhelfen.
Wählen wird somit zum moralischen Pflichtakt. Doch nichts ändert sich. Weil es weder links noch in der Mitte und auch rechts nichts zu wählen gibt, was die fundamental fragwürdige Grundlogik des Systems infrage stellt.
In Sachfragen begegnen mir vor allem von Mehrheiten komplex und kompliziert konstruierte Kompromisse, die aber in der Regel substanziell faul und nicht wirklich viel wert sind. Oder es kommt zu Entscheidungen einer classe politique, die nicht wahrhaftig und tragfähig den Bedürfnissen und/oder dem Willen der Bevölkerung entsprechen.
Demokratie erlebe ich auch in der Schweiz als ein Macht-Schach. Wo vorne auf der Bühne die Parteien von links über die Mitte bis nach rechts aufwändig und mediengeil Politik spielen. Während hinter den Kulissen wirklich Mächtige mit ihren Clans in allen für uns relevanten Lebensbereichen den Takt und den Ton angeben und sagen, wo's in Tat und Wahrheit lang zu gehen hat.
Wie viele andere Systeme zeigt sich auch diese Art von Demokratie erschöpft: rien ne va plus. Wovon aber offensichtlich weltweit und -breit eine Mehrheit (noch?) nichts wissen will.
Ach wie gut, dass Niemand weiß .....
Es gibt viele Tricks, die Menschen an den Wert der bestehenden Form von Demokratie glauben lassen sollen. Einer davon sind komplexe Vorlagen wie beispielsweise diejenige der Schweiz zur EU. Wo man nur dafür oder dagegen sein kann.
Entweder-oder-Entscheide nach dem Muster des Penalty-Schießens, beispielsweise beim Fußball, lähmen die Demokratie. Weil so oder so in wesentlichen Details eine Katze im Sack zu kaufen ist.
Solange die Menschheit sich von einer Mehrheit einerseits von Dummen, die nicht wissen, was sie tun, und andererseits von Gleichgültigen, denen eh alles Wurst ist, demokratisch legitimiert dominieren lässt, können die wahrhaftig Mächtigen mit verheerender Wirkung beispielsweise propagieren, der Frieden wäre mit Aufrüstung und Krieg machbar. Und davon materiell profitieren bis zum Geht-nicht-mehr immer wieder die gemeinen und schlauen 1 bis 2 Prozent der Welt.
Der Staat und von ihm subventionierte Medien sind wie die Politik längst Helfershelfer von Reichen und von De-facto-Mächtigen, die in einem doppelten Sinn verantwortungslos agieren.
Das Muster ist immer wieder das gleiche: Nicht gemeinschaftsorientiert werden Millionen oder gar Milliarden in den Sand gesetzt. Wer davon profitiert, bleibt in der Regel ein Geheimnis. Bezahlen müssen fast alle. Nur nicht die eigentlich dafür Verantwortlichen. Sie nehmen jeweils nach einem Kollaps den Hut und machen anderswo und -wie weiter.
Und Politiker werden null-komma-null gescheiter. Wie es so gehen kann im System einer von links über die Mitte bis nach rechts kollektiv organisierten Verantwortungslosigkeit. Wo es kaum Schuldige gibt, die zur Rechenschaft gezogen werden.
Mehrheitlich zumindest toleriert und damit sozusagen als normal, erlebe ich alltäglich eine Welt, die von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist. Die parlamentarische Parteiendemokratie ist ein Teil dieser Welt. Wo insbesondere die Absicht, sie von innen verändern zu wollen, krank machen kann. Und unabhängig von Parteien: Mit dem Konglomerat einer Mehrheit von Dummen, die nicht wissen, was sie tun, von Gleichgültigen, denen eh alles Wurst ist, von egoistisch Schlauen, denen nur wichtig ist, was ihnen selber nützt, und von Gemeinen, die dafür auch noch andere über den Tisch ziehen, kann, muss und wird es sowohl für die Demokratie als auch für die Menschenwürde schwierig.
Dass es so für uns alle nicht gut werden kann: dafür sind meine Erfahrungen und Erkenntnisse intensiv, vielfältig und zahlreich.
Steht das Ende der Demokratie bevor?
Blickt man sich um in der Welt, so scheint diese Frage berechtigt. Überall sind Allein- und/oder Geldherrscher als Auto- und/oder Plutokraten im Vormarsch. Einstige demokratische Leuchttürme wie die USA erlöschen. Traditionelle Demokratien wie in Europa sehen mitunter nur noch alt aus. Weil und wenn sie sich als Diktaturen von der Propaganda erlegenen Mehrheiten mit faulen Kompromissen inszenieren.
Mehr oder weniger gleichgeschaltete Mehrheiten gab es und wird es wahrscheinlich immer geben. Und je dümmer sie sind, desto schwieriger wird es für die Qualität der Demokratie und der Gesellschaft.
D Mehrheit
Franz Hohler: aus dem Radioprogramm „Zytlupe“ (1986)
Si sitzt im Tram und im Zug und im Bus
wenn's rägnet, isch si dinn, und wenn's schön isch, voruss
si wüscht vor der Türe, und si dünget ihri Ärde
am Samstig mäjt si der Rasen i de Gärte
aber ghöre tuet si guet, und gseh tuet si gnau
und am Sunndig hockt si im Autobahnstau
d Mehrheit
d Mehrheit
die schwigendi Mehrheit
si isch von're grosse, dumpfe Rueh
und nimmt jedes Johr chli zue.
Si list der „Blick“ und macht d Fuscht im Sack
si zischlet im Stägehuus uf's frömde Pack
zum Hässigsy het si immer e Grund
gägen Oobe goht si chli use mit em Hund
pass uf, dass di ihri Auge nid breiche
und am Fritig luegt si s Aktezeiche
d Mehrheit
d Mehrheit
die schwigendi Mehrheit
si isch von're grosse, giftige Rueh
und nimmt jedes Johr chli zue.
Aber mängisch isch si au ganz elegant
liggt schoggibruun amene Sörferstrand
oder sitzt vor em Grill ufem Campingplatz
oder stoht in're Boutique und suecht öppis Glatts
i de Parkhüser stigt si us gschniglete Wäge
uf de Rollträppe schwebt si im Ychauf entgäge
d Mehrheit
d Mehrheit
die schwigendi Mehrheit
si isch von're grosse, weiche Rueh
und nimmt jedes Johr chli zue.
Und plötzlech gsehsch sen überall
im Lift, i der Beiz, ufem Bou, im Stall
a de Schribtisch, i de Büro, i de Läde, a de Schalter
bim Coiffeur und bim Dokter und bim Ligeschaftsverwalter
und am zwölfi, do chunnt si, s verschloht der fasch der Pfuus
i Zwöierkolonne zum Schuelhuus us
d Mehrheit
d Mehrheit
die schwigendi Mehrheit
si isch von're ganz normale Rueh
und nimmt jedes Johr chli zue.
Si bruucht ke Kultur, ihre längt der Sport
si kennt jeden Unfall, si kennt jede Mord
si weis au immer s neuschte vom Wätter
si het i jedem Verein e Verträter
het e furchtbar länge und zäche Schnuuf
und trotzdäm tuet si s Muul nid uf
d Mehrheit
d Mehrheit
die schwigendi Mehrheit
und wenn si ändlech merkt, was goht -
denn isch es z spot.
Es sind viele Schatten — und nicht nur die der anderen — über die es für eine andere Politik zu springen gilt. Wie es wohl damit in deiner und in meiner Welt stehen mag?
Unterwegs für eine Themendemokratie
Dass es auch anders gehen kann, zeigen David Graeber und David Wengrow in „Anfänge — Eine neue Geschichte der Menschheit“, wie sie von Felix Feistel prägnant und für 16 Minuten Lesezeit auf den Punkt gebracht, und von Manova am 25. Juni 2025 publiziert worden ist (1).
Auch betreffend Politik bin ich hoffnungsstur in einer anderen Welt für eine andere Welt unterwegs. Dabei erlebe ich mich oft in einer Situation, wo viele, die eigentlich — beispielsweise als dafür gewählte Politiker — Verantwortung zu tragen hätten, dies nicht tun. Was für mich oft mit Gefühlen von Wut, Trauer, Angst und Scham verbunden ist.
Zwei Aspekte sind für mich bei meinem Denken, Handeln und Schreiben ganz besonders bedeutsam. Ich bin proaktiv unterwegs: Von einer Parteiendemokratie zu einer Themendemokratie. Und ich verwahre mich dabei nach besten Kräften gegen eine Demokratie als Diktatur der Mehrheit.
In einer festgefahrenen Welt sind kleine Akte kreativer Zerstörung notwendig: Irrtümer kokreativ transformieren. Es geschehen lassen: Auf eine andere Art in einer Welt sein, wo das Leben sein Potenzial entfalten kann.
„Die Realität besteht nicht aus isolierten Teilen, sondern aus Beziehungen, Netzwerken und einem lebendigen Ganzen.“ Dies die Einleitung zum Beitrag „Das lebendige Ganze verteidigen“ von Eva Maria Gent im ZE!TPUNKT vom 14. Juli 2025 (2).
„Hoffnung entsteht im Handeln“, so Joanna Macy. Entweder zu Fehlern „Ja“ sagen und fragen, was hier und jetzt anders und besser tun? Oder „Nein“ sagen, und es weiterhin falsch machen?
Demokratie braucht es dringend und echt, damit die Bevölkerung ihre Bedürfnisse zum Ausdruck bringen kann. Dafür gute Lösungen sind möglich, wenn es der Politik gelingt, in Sachfragen themenzentriert zu Entscheidungen zu kommen, die fachgerecht bestmöglich alle Aspekte berücksichtigen.
Dafür eine Grundlage ist das Miteinander-Reden und das Einander-Zuhören. Wo Verschiedenheit anerkannt und akzeptiert ist. Und wenn nach Klärung des Trennenden gemeinsam das Verbindende gesucht wird, kann sowohl im Großen wie im Kleinen kokreativ eine Welt erfunden und gestaltet werden, die alle in aller Verschiedenheit trägt. Reich an wertvollen Ideen. Arm an einer Diskriminierung von Minderheiten. Wohlwollend bin ich in einem solchen Sinn für eine Themendemokratie unterwegs.
Als Botschafter für eine Neue Politik (3) orientiere ich mich dabei an einer allparteilich ausgerichteten 100-Prozent-Entscheid-Philosophie. Sie kann sich aber nur dann gut für die Entwicklung einer Themendemokratie eignen, wenn sie parteienfrei und nicht machtblockorientiert wie die Mehrheitsdemokratie fokussiert ist.
Mit einer Politik des Herzens will ich meinen Beitrag leisten, dass es zu guten Entscheidungen und Lösungen kommen kann, für alle und für unsere Mitwelt. Für „ein Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“, so Albert Schweitzer. Es freut mich, wenn es gemeinsam mit andern gelingt!

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Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.manova.news/artikel/eine-andere-geschichte-der-menschheit
(2) https://zeitpunkt.ch/index.php/das-lebendige-ganze-verteidigen
(3) https://www.einestimme.ch/neue-politik