Im Vorspann zu meinem letzten Artikel mit der Überschrift „Zeiten der Dämmerung“, in dem ich in Anlehnung an ein politisches Gedicht Bertolt Brechts das Leben in finsteren Zeiten beschrieb, hieß es:
„Wenn es politisch dunkel wird, müssen wir selbst Lichter anzünden – große Dichter und Denker liefern uns hierfür die Inspiration.“ (1)
Die nachfolgenden Ausführungen über die Bedeutung der Freundschaft unter den Menschen und zwischen den Völkern sollen so ein Licht sein – ein Licht für den Frieden.
In den beiden letzten Sätzen des Artikels schrieb ich entsprechend der Auffassung Albert Camus‘, dass die Revolte ein unablässiger Kampf um ein höheres Maß an Freiheit sei:
„Für den freien Menschen gibt es kein höheres Ziel als die Verwirklichung der Freiheit aller. Gerade das ist die eigentliche Hingabe an den Menschen der Zukunft.“ (2)
Dazu hieß es im Vorspann gemäß der Sage Camus‘, dass die Götter Sisyphos dazu verurteilt hatten, unablässig einen Felsblock einen Berg hinaufzuwälzen, von dessen Gipfel der Stein von selbst wieder hinunterrollte (3):
„Um die Sache der Freiheit steht es nicht gut. Dennoch dürfen wir nicht aufhören, immer wieder diesen schweren Felsen den Berg hinaufzurollen, selbst wenn es unwahrscheinlich scheint, dass er jemals oben ankommt.“ (4)
Selbstverständlich ist dies eine Aktivität, die viel Mut und Zuversicht erfordert, aber für das Leben jedes Einzelnen von enormer Bedeutung ist. Camus meint hierzu, man müsse sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen (5).
Gemeinschaftswesen Mensch
Die Sorgen und Nöte unserer Zeit erwachsen einzig und allein aus dem Zusammenleben von uns Menschen. Die Ungelöstheit des sozialen Problems führt uns immer wieder in Katastrophen von weltweitem Ausmaß. Wir stehen vor einem Rätsel:
Wie kommt es, dass der Mensch unserer Zeit gegen jegliche Vernunft es nicht zustande bringt, in Frieden zu leben? Warum scheitert er, für den es im technisch-wissenschaftlichen Bereich nichts Unmögliches gibt, an der Regelung der menschlichen Beziehungen im Leben des Einzelnen und der Völker? Wieso verfällt er immer wieder dem Irrwahn, dass Konflikte unter den Nationen durch kriegerische Auseinandersetzungen beseitigt werden können? Welche seelischen Faktoren verhindern es, dass der Mensch sich als „Hüter seines Bruders“ erkennt? Aus welchem Grund ist der Krieg auf den Höhen der zivilisatorischen Entwicklung noch immer „ultima ratio“ der Politik? Wieso sind die Menschen bereit, ihre Mitmenschen jenseits der Landesgrenzen umzubringen?
Im Grunde ist der Mensch von Natur aus ein friedliches Gemeinschaftswesen. Aus den positiven Eindrücken seiner Kindheit entsteht ein gewisser Grad an mitmenschlicher Verbundenheit, ein Interesse für den anderen, das man als Gemeinschaftsgefühl bezeichnen kann.
Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit der Einfühlung und des Mitempfindens. Die Gefühle des anderen werden miterlebt und begriffen; Freud und Leid werden mit dem anderen geteilt, so Alfred Adler. Man hilft sich gegenseitig, die schweren Zeiten des Lebens zu ertragen.
Aber leider erzeugte die autoritäre Erziehung in den vergangenen Jahrzehnten bei den Kindern Angst vor dem anderen Menschen, eine Gefühlsreaktion, die sich gegen ihn wendet. Wenn sie dann heranwachsen, sind sie nicht imstande, mit den Mitmenschen zusammenzuwirken und zusammenzuleben. Deshalb sollte bereits das Kind frühzeitig von seinen Eltern und Lehrkräften erfahren, dass man vor dem anderen keine Angst haben muss; auftretende Konflikte lassen sich immer in Freundschaft und ohne jegliche verbale oder körperliche Gewalt lösen.
Wichtig für die Freundschaft unter den Menschen ist es, dass keine voreiligen Schlüsse über das Verhalten des anderen Menschen gezogen oder (Vor-)Urteile gefällt werden. Das Verhalten entwickelt sich entsprechend der Kindheit, der Geschichte und der kulturellen Werte eines Volkes. Es benötigt eine gewisse Zeit, diese spezielle Entwicklung nachzuvollziehen und zu verstehen. Die eigene sollte dabei nicht absoluter Maßstab sein. Vorurteile schaffen nur falsche oder Angst einflößende Missverständnisse.
Deshalb ist Aufklärung von enormer Bedeutung – auch in Bezug auf die Freundschaft zwischen den Nationen. Der Sinn der aufklärerischen Bemühungen ist die Reinigung des menschlichen Bewusstseins von individuellen und kollektiven Vorurteilen.
Ein anderer Punkt ist die gefühlsmäßige Einstellung dem anderen gegenüber. Wir sollten uns fragen, ob wir wirklich bereit und in der Lage sind, den anderen ganz frei zu lassen und unsere Erwartungen und Wünsche für eine bestimmte Zeit zurückzustellen?
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob wir den anderen auch dann noch wertschätzen, wenn er zum Beispiel eine ganz andere Meinung zu einem Thema vertritt als wir selbst. Ernsthafte Diskussionen können eine inhaltliche Annäherung schaffen. Selbstverständlich darf diese andere Meinung nicht menschenfeindlicher oder krimineller Natur sein.
Hinzu kommt Aufrichtigkeit oder Ehrlichkeit gegenüber dem anderen. Das bewirkt bei diesem Vertrauen, Wärme und Sicherheit.
Freundschaft als Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft
Freundschaft ist auch für eine funktionierende Gesellschaft von Bedeutung. So sah es schon der antike Philosoph Aristoteles. Seines Erachtens sollte der Staat die Freundschaft höher einschätzen als die Gerechtigkeit. Aristoteles habe diese Auffassung laut Wikipedia damit begründet, dass es in der griechischen Gesellschaft keine öffentlichen Dienste wie Polizei und Feuerwehr gab und somit jeder auf das Wohlwollen des anderen angewiesen war (6).
Auch funktioniert eine Gesellschaft nur dann, wenn sie vom Wohlwollen oder der Freundschaft ihrer Mitglieder getragen wird. Nur dann kann sie mitmenschlich und auch gerecht sein. Versuchen bestimmte ausländische Kräfte jedoch, die Gesellschaft aus politischen Gründen zu spalten und die Bürger gegeneinander aufzubringen, wird sie nicht mehr funktionieren.
Nationale oder rassische Ideologie verhindert Freundschaft zwischen Nationen
Der epidemische Charakter der nationalen oder rassischen Ideologie wird uns noch heute dramatisch vor Augen geführt. Der Mythos der Nation und der Rasse schafft eine künstliche Einheit zwischen Herrschenden und Beherrschten.
Man versucht, den Beherrschten zu vermitteln, dass sie mitsamt ihren Herren einer geheimnisvollen und ruhmreichen Körperschaft angehören, an deren Glanz und Größe auch der Geringste unter ihnen seinen Anteil habe.
Nationalismus und Rassenlehre sind Geisteshaltungen des Stolzes und der Überheblichkeit, in denen immer auch Aggressionen gegen Nachbarvölker oder benachbarte Rassen mitschwingen. Die gesellschaftlichen Missstände werden auf die Gegen-Nation oder Gegen-Rasse abgewälzt.
Die Beherrschten kommen so nicht auf die Idee, sich mit den Sklaven jenseits der Landesgrenzen zu solidarisieren, um sich gegen die gemeinsamen Bedrücker zu wenden.
Es ist wichtig, dass nationale und rassische Differenzen überwunden werden. Die Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen ist eines der unabdingbaren Postulate einer freien und friedlichen Welt.
Die Frage ist, ob es genügend Aufklärer geben wird, die den breiten Volksmassen jene Vorurteile nehmen können, die der ideologische Hintergrund so mancher Menschheitskatastrophen ist.

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Quellen und Anmerkungen:
(1) https;//www.manova.news/artikel/zeiten-der-dammerung
(2) A. a. O.
(3) Camus, Albert (1959). Der Mythos von Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde. Hamburg, S. 98
(4) https;//www.manova.news/artikel/zeiten-der-dammerung
(5) Camus, Albert (1959). Der Mythos von Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde. Hamburg, S. 101
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Freundschaft#Das_Ende_der_Freundschaft