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Von der Einfalt zur Vielfalt

Von der Einfalt zur Vielfalt

Gehen wir respektvoll mit unseren Mitmenschen um.

Seid doch einfach ein bisschen netter zueinander – so soll Aldous Huxley auf die Frage geantwortet haben, wie sich die Welt zum Besseren wenden könne. Das klingt gut und eigentlich ganz einfach.

Ich bin nett, wenn man nett zu mir ist. Wenn man mit mir einer Meinung ist, wenn man mir die Vorfahrt lässt, die Tür aufhält oder etwas Angenehmes sagt. Kein Problem. Aber wehe, man drängelt mich ab, tritt mir auf die Zehen oder vertritt eine andere Meinung als ich!

Wie kann der nur so denken!? Wo hat der denn die Informationen her? Womöglich ist der gar nicht umfassend aufgeklärt. Hat den Schuss nicht gehört. Viel zu einseitig, zu verallgemeinernd, zu radikal, zu angepasst, zu rechts, zu links, zu naiv, zu subjektiv. Ich sehe das ganz anders. Ich informiere mich über die richtigen Quellen. Ich weiß, was richtig ist und was falsch. Ich habe den Überblick.

Der andere sieht das genauso. Nur andersrum. Und so kommt es, dass Menschen, die eigentlich alle dasselbe wollen – friedlich in einer gesunden Umgebung zusammenleben – in die Meinungsschlacht ziehen, aufeinander losgehen und ihre Argumente wie Pfeile aufeinander abschießen. Erbarmungslos wird der Gegner auseinandergenommen. Es wird interpretiert und analysiert, attackiert und gerechtfertigt, beschimpft, zerrissen und in Grund und Boden gestampft, was uns nicht passt. Und dann wundern wir uns darüber, dass diese Welt nicht in den Frieden findet und dass es überall Manipulation, Geringschätzung, Unterdrückung und Zerstörung gibt.

Auf den Leim gegangen

Unsere sozialen Netzwerke und virtuellen Meinungsplattformen sind mit Tretminen verseuchte Landschaften, Krisengebiete, in denen wir uns erbitterte Grabenkämpfe und Scharmützel liefern. Und während wir uns in der Schlacht um die richtige Meinung verausgaben und entzweien, nehmen andere das Steuer in die Hand und lenken die Geschicke unserer Welt dorthin, wo wir nicht hinwollen.

Themen, die die Zwietracht nähren, gibt es genug: von Artensterben über Chemtrails, Impfpflicht, Klimawandel und Krebsbehandlung bis Zuwanderung. Wie eine wildgewordene Meute stürzen wir uns auf die oft gegensätzlichen Informationen und bezichtigen jeden, der in anderen Bahnen denkt als wir, als Verschwörungstheoretiker.

Während wir so abgelenkt sind und uns darüber streiten, ob der ersehnte Wandel nun von innen oder von außen kommt, während wir uns gegenseitig vorwerfen, nicht genug zu demonstrieren oder zu meditieren, während wir die anderen kritisch beäugen, ob sie ihren Müll auch richtig trennen, politisch korrekt einkaufen und Urlaub machen, werden die großen, uns alle betreffenden Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg getroffen.

Akzeptieren des anderen Blickwinkels

Ja: Wären wir nur ein bisschen netter zueinander, würde sich das sofort ändern. Wir würden die Empfindlichkeit, die Verletzlichkeit und die Menschlichkeit im anderen besser erkennen. Es würde uns leichter fallen zu respektieren, dass er entsprechend seines Erlebens, seiner Erfahrung und seiner aktuellen Situation einen anderen Blickwinkel hat als wir, ob der uns nun passt oder nicht.

Wir würden nicht mehr versuchen, andere zu bekehren, koste es, was es wolle. Wir würden nicht mehr genau das machen, was wir den machthabenden Kontrollorganen vorwerfen: zu versuchen diejenigen, die nicht mit uns einer Meinung sind, plattzumachen oder zu manipulieren und notfalls auch mit Gewalt, sei sie auch „nur“ verbal, in die entsprechende Richtung zu drängen. Nichts anderes ist es ja, jemand anderen dorthin zu lenken, wo er von sich aus nicht hin will.

Wenn wir nur etwas netter zueinander wären, dann würden die Meinungsschlachten langsam aufhören und wir hätten die Hände frei zum Steuern. Wir würden nicht mehr ständig danach gucken, was beim anderen verkehrt läuft und was er nicht verstanden hat, sondern uns um unser eigenes Verhalten kümmern. Wir würden nicht mehr die Träume und Visionen anderer als unrealisierbar und lächerlich abtun, sondern unsere eigenen Träume und Visionen entwickeln und versuchen, sie in die Tat umzusetzen.

Das Pflegen der Visionen

Das ist eigentlich ganz einfach. Wir müssten uns nur daran erinnern, was uns als junger Mensch begeistert hat, bevor die Erwachsenenwelt uns die Flügel verbrannt hat: das kann doch nicht funktionieren, das bildest du dir doch nur ein, sei nicht so naiv. Wenn wir uns an die Zeit erinnern, in der wir noch aus uns heraus geschöpft haben und in der wir noch Phantasie hatten, dann können Ideen neu zum Leben erweckt werden, die uns heute weiterbringen können.

Damals war die Grenze zwischen Vorstellung und Realität noch nicht klar gezogen. In ihrer Kindheit wussten zumindest die, die ihre Zeit nicht drinnen hinter Bildschirmen, sondern draußen mit anderen Kindern verbracht haben, dass spielen besonders Spaß macht, wenn viele da sind und es möglichst bunt ist. Damals konnten wir noch ungezwungen aufeinander zugehen und uns einladen, tolle Sachen zu machen.

Auch wenn wir das heute vergessen zu haben scheinen: Es ist die Vielfalt, die die Welt bunt macht und die sie aus der Zerstörung herausführen kann. Ob in biologischer oder in gesellschaftlicher Hinsicht. Mag also jeder denken und träumen, was er will. Mag jeder in Gedanken seine Wolkenschlösser bauen und Ideen entwickeln, in allen Farben des Regenbogens, ohne dass sofort jemand mit der Sense der Machbarkeit und Korrektheit kommt und alles wieder niedermäht. Das Entscheidende dabei ist, dass wir es wagen, in einer Zeit wie der unsrigen Visionen zu haben.

In Vielfalt geeint

Dazu brauchen wir die Freundlichkeit und das Wohlwollen der anderen. Wenn wir nicht möchten, dass diejenigen, deren Machenschaften wir enthüllen und deren Treiben wir ein Ende bereiten wollen, die Oberhand behalten, müssen wir dazu bereit sein, offener aufeinander zuzugehen. Wunderbar: Wir denken verschieden! Wir sind verschieden! Hierbei können wir es belassen.

Es geht nicht darum, Recht zu haben und andere zu bekehren, das auch so zu sehen. Es geht um das Erkennen, dass wir in Vielfalt geeint sein können. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene mag das Motto der Europäischen Union gescheitert sein. Doch nicht auf menschlicher. Wir sind dazu in der Lage, Andersartiges, Andersdenkende und Andersseiendes zu akzeptieren und uns miteinander zu verbinden, gerade weil es anders ist.

Dazu braucht es nichts weiter als die Bereitschaft, zunächst bei sich selbst zu gucken: Was will ich in meinem Leben? Wofür stehe ich? Was lässt mich vibrieren? Woraus schöpfe ich meine Hoffnung?

Dann muss ich nicht mehr versuchen, andere zu demontieren, sondern kann selbst einen Beitrag dazu leisten, dass diese Welt ein wenig bunter wird. Das ist meine Meinung. Aber das kann man auch anders sehen.


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