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Wir sind Frieden

Wir sind Frieden

Andrea Drescher stellt unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen die Welt verbessern. Teil 8.

Andrea Drescher: Du bist ja schon lange aktiv, nicht wahr?

Carsten Halffter: Das ist richtig. Seit den Studentenprotesten 1997, dem „Lucky Streik“, versuche ich aktiv, Dinge zu verbessern. So hielt ich schon zu Weihnachten 1997 alleine eine Mahnwache vor dem Roten Rathaus ab und bin spätestens seit diesem Zeitpunkt Einzelaktivist.

Warum allein?

Als Einzelaktivist ist es mir möglich, ohne Vorankündigung zu demonstrieren. Wenn irgendwo in der Welt ein Krieg angetrieben wird, stehe ich vor der Botschaft des verantwortlichen Landes. Für Einzelpersonen ist keine Anmeldung bei der Stadt nötig. Somit kann ich umgehend auf das schnelllebige Weltgeschehen reagieren und auf Missstände aufmerksam machen. Zudem muss ich nicht der Meinung anderer entsprechen, was bei größeren Gruppierungen leider häufig der Fall ist. Hier kommt es leider oft zu unnötigen, aufhaltenden Auseinandersetzungen.

Wieso kommt es deiner Ansicht nach zu den Streits?

Das liegt in meinen Augen an einer „Idol-ogisierung“ — die Menschen sind es gewohnt, Idolen nachzueifern, hinter denen sie sich verstecken. Sie machen ihr eigenes Handeln dann vom Handeln des Idols abhängig. Ich wünsche mir aber mehr Eigeninitiative, vor allem aber Eigenverantwortung, und möchte Menschen hierzu inspirieren. Größere, effektive Bewegungen sind leider nie lange wirksam, weil sie früher oder später fehlinstrumentalisiert beziehungsweise unterwandert werden — Stichwort „betreutes Revoltieren“.

Ist Protest dann nicht sinnlos? Kann man überhaupt etwas dagegen tun?

Am wirksamsten ist es, wenn man eigenständig ist und selbst Verantwortung übernimmt. Das muss man nicht gleich so krass machen wie ich, ich bin schon Friedensextremist. Jeder kann jedoch seinen individuellen Beitrag leisten und kritische Fragen im Alltag stellen. Wichtig ist, dass man sich nicht von Ängsten steuern lässt, sondern Respekt lebt. Wir werden nicht informiert, sondern desinformiert. Das stellt man fest, sobald man die Dinge hinterfragt. Die Möglichkeit zum Austausch findet man übrigens ständig. In der S-Bahn, beim Friseur, an der Supermarktkasse.

Vor kurzem sprach ich beispielsweise in der S-Bahn mit einer älteren Dame kritisch über ein Thema. Das Gespräch unter vier Augen hatte ganz viele Ohren. Gerade ältere Menschen erinnern sich noch, was Krieg bedeutet. Jeder kann den Mund aufmachen, den Kopf ein-, den Fernseher ausschalten und zum Handeln übergehen! Andere pflanzen beispielsweise Blumenwiesen in Städten oder räumen störenden Müll einfach weg. Das mag erstmal nach Kleinigkeiten klingen. Aber jemand, der Letzteres beobachtet, findet es vielleicht gut und macht es beim nächsten Mal selbst.

Wie handelst du?

Da mir daran liegt, die Menschen auf das Thema Frieden aufmerksam zu machen, ist mein Auto mit entsprechenden Botschaften bemalt, ich verteile Informationsbroschüren von Free21, gehe auf Elternabende und diskutiere das Impfthema. Ich stehe mit meinem Lautsprecher vor Medienhäusern und spiele Lieder, deren Inhalte das kriegstreibende Vorgehen des Mainstreams kritisieren. Zudem demonstriere ich vor den Institutionen, die sich an illegalen, völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligen. In den letzten Jahren war ich an jedem Wochenende auf Demos.

2015 gab es die „Friedens Fusion“ in München mit Infoständen und kontroversen Diskussionen auf der Bühne. Am Wittelsbacher Platz wurde der Film „Ukrainian Agony“ von Mark Bartalmai öffentlich gezeigt. Das kam alles sehr gut an. Auch bei der Druschba Freundschaftsfahrt 2016 war ich dabei, habe das Projekt auch im Jahr 2017 unterstützt und die Veranstaltungen hier in Berlin organisiert beziehungsweise geleitet. Ab August 2017 habe ich mich etwas von der Straße zurückgezogen, überwiegend virtuell aufgeklärt und mich von meinem Prozess im Mai erholt.

Welcher Prozess, weswegen wurdest du angezeigt?

Letztlich wurde ich angezeigt, weil ich für andere Menschen Verantwortung übernommen hatte. Wenn ich alleine demonstriere, scharen sich oft Zuschauer um mich. Um diese zu schützen, zeige ich dann eine Spontanversammlung an. Als Einzelaktivist müsste ich das eigentlich nicht tun und wäre nur für mich verantwortlich, aber ich möchte Eskalationen bei größeren Menschenmengen vorbeugen. Dies wurde gegen mich ausgelegt und man behauptete, ich würde zu unangemeldeten Demonstrationen aufrufen. Zudem werde ich seit dem 3. Oktober 2014 medial fälschlicherweise als Reichsbürger verunglimpft. Die öffentliche Diffamierung von Xavier Naidoo ist den meisten Menschen in diesem Kontext wohl ein Begriff.

Was ist 2014 denn genau passiert?

Ich hatte die Demo „Revolution beginnt im Herzen“ vor dem Reichstag angemeldet und entsprechend Werbung dafür gemacht. Von der Versammlungsbehörde hieß es bis kurz zuvor, dass wir allein vor dem Reichstag wären. Dann kam aber noch eine weitere Demonstration dazu, die sich inhaltlich komplett von unserer Demo unterschied. Das veranlasste uns kurzfristig, zum Kanzleramt auszuweichen.

Xavier wusste nicht, dass wir umgezogen waren, sprach nach all der Werbung also zunächst auf der falschen Demo am Reichstag und kam erst hinterher zu uns. Seither behaupten die Medien, dass Naidoo bei einer Demonstration von Reichsbürgern gesprochen hätte.

Gezeigt werden dann Bilder mit mir und von der Rede auf unserer Friedensdemonstration. Eine komplette Verdrehung der Tatsachen.

Und, wurdest du verurteilt?

Der Richter wollte bereits beim ersten Prozess im November 2016 das Verfahren komplett einstellen. Die Staatsanwaltschaft ließ aber nicht nach. Sie wollten mich wohl unter Druck setzen und so meinen sehr effektiven, komplett legalen Einzelaktivismus diskreditieren. So ging eine Pressemeldung vom Amtsgericht Berlin an die Medienhäuser, die zu Schlagzeilen wie „Reichsbürger zu Geldstrafe verurteilt“ führten. Der Begriff Reichsbürger war zu keinem Zeitpunkt Inhalt der Verhandlungen. Über das abschließende und höchst erfreuliche Berufungsurteil im Mai 2017 hat dann niemand mehr berichtet. Die Tatsache, dass ich in allen Anklagepunkten freigesprochen wurde, war keine Nachricht wert. Leider auch nicht den alternativen Medien.

Du machst aber trotzdem weiter?

Natürlich. Ich bin und bleibe eigenverantwortlicher PR-Arbeiter für den Frieden und lasse mich nicht durch Angst steuern. Im November 2017 bin ich zum vierten Mal Vater geworden und trage schließlich Verantwortung für die Zukunft meiner Kinder. Ich bin — frei nach Goethe — ein Macher für den Frieden und bin stets meine eigene Bewegung.

Dann weiterhin viel Energie!


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Carsten Halffter, Jahrgang 1973, geboren in Berlin-West, lebt in Fürth, Vater von vier Kindern, Dipl.-Ing. Versorgungs- und Energietechnik. Hobbys: Wandern, Schwimmen, Fahrrad fahren, erneuerbare Energien und Agro-Forstwirtschaft.


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