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Antisemitismus neu gesehen

Antisemitismus neu gesehen

Mit dem Vormarsch des Globalismus haben sich in den letzten Jahrzehnten auch die Judenfeindlichkeit und der Umgang mit ihr verändert. Teil 1/4.

Europa hat eine lange antisemitische Tradition. Über Jahrhunderte war er in Europa religiös begründet worden — mit der Stigmatisierung „der Juden“ als „Christusmörder“. Juden durften viele Berufe nicht ausüben, wurden in diversen Ländern diskriminiert und immer wieder erlebten sie gewaltsame und mörderische Übergriffe. Aus dem deutschsprachigen Raum wurde im Mittelalter ein Großteil der Juden nach Osteuropa verdrängt, wo auf der Grundlage des Mittelhochdeutschen das Jiddische und eine jahrhundertelange jüdische Kultur entstanden.

Aus Spanien wurde die Juden, gemeinsam mit den muslimischen Besatzern, nach der Reconquista nach Nordafrika vertrieben. Im zaristischen Russland, zu dem auch die jiddischen Gebiete in Litauen, Polen, Weißrussland und der Ukraine gehörten, waren antisemitische Pogrome weit verbreitet. Ab dem 19. Jahrhundert verlor in Europa der religiöse Antisemitismus an Bedeutung und wurde durch einen „rassischen“ ersetzt.

Auf der Grundlage der jahrhundertelangen Diskriminierungserfahrung und inspiriert von den europäischen nationalen Bewegungen entstand schließlich unter europäischen Juden der Zionismus — eine politische Bewegung, um die Juden in einem Nationalstaat zu sammeln und sie so aus der Lage bedrängter Minderheiten zu befreien.

Die alte antislawische und antisemitische Rechte

Waren in der demokratischen, sozialen und nationalen Revolution von 1848 und danach noch viele Juden in der deutschen Nationalbewegung aktiv, wurden Ende des 19. Jahrhunderts antisemitische Tendenzen im Deutschnationalismus immer massiver. Der Antisemitismus war dabei freilich keine deutsch(national)e Besonderheit, sondern auch in Russland, Polen, Frankreich und den USA weit verbreitet. In der Habsburgermonarchie waren besonders die Christlich-Sozialen unter Karl Lueger stark antisemitisch.

Die französische Nationalbewegung konnte kleinere Völker und Grenzregionen wie Okzitanier, Bretonen, Korsen, Basken oder Elsässer letztlich mehr oder weniger integrieren. Aufgrund ihrer späteren Entwicklung gelang das der deutschen Nationalbewegung nicht. Deutschsprachige Grenzregionen wie Luxemburg, das Elsass, die Deutschschweiz und die gesamten deutschsprachigen Gebiete von Österreich, Böhmen und Mähren blieben außerhalb des neuen Nationalstaates.

Die von deutschen Gebieten umschlossenen Tschechen und die mit unscharfen ethnischen Scheidelinien angrenzenden Slowenen hatten ebenfalls bereits begonnen, nationale Bewegungen zu entwickeln. Daraus entstehende Konflikte, auch mit Polen und Serbien, führten Ende des 19. Jahrhunderts zu einer immer stärkeren antislawischen Schlagseite im Deutschnationalismus.

Kanzler Otto von Bismarck verstand die schwierige geopolitische Lage Deutschlands sehr gut. Er förderte deshalb gute Beziehungen zu Russland und schloss mit Russland 1887 den „Rückversicherungsvertrag“ ab. Seine Nachfolger waren weniger weitsichtig und führten Deutschland in den Zweifrontenkrieg des Ersten Weltkrieges, wobei die Staats- und Militärführung auf eine Kolonisierung Osteuropas setzten (1).

Trotz verschiedener Formen der offenen und versteckten Diskriminierung waren viele Juden in Deutschland und Österreich ausgesprochen patriotisch gesinnt und wollten ganz besonders beweisen, dass sie gleichwertige Mitglieder der Nation sind.

Viele von ihnen kämpften im Ersten Weltkrieg als Soldaten und besonders in Österreich auch als Offiziere mit voller Überzeugung für die deutsche Sache, was ihnen später wenig gedankt wurde.

Ebenfalls jüdischer Herkunft war der deutsche Patriot Walter Rathenau. Er stammte aus einer Industriellenfamilie — sein Vater gründete die AEG —, beteiligte sich im Ersten Weltkrieg führend an der Organisation der deutschen Kriegswirtschaft und spielte 1922 als Reichsaußenminister die zentrale Rolle beim Vertrag von Rapallo, mit dem Deutschland und die Sowjetunion aus der internationalen Isolation ausbrechen wollten.

Der Vertrag alarmierte Frankreich und die geopolitischen Strategen in Großbritannien und den USA. Die NSADP — anders als die Kreise der Konservativen Revolution, die Monarchisten oder verschiedene Völkische — war die Partei der deutschen Rechten und am rabiatesten antirussisch und antisemitisch ausgerichtet. Und ausgerechnet diese Partei bekam erhebliche finanzielle Unterstützung aus dem anglo-amerikanischen Raum. Das betraf nicht nur Industrielle, die auch ideologisch mit den Nazis sympathisierten, insbesondere Henry Ford, Thomas Watson (IBM) oder Henri Deterding (Shell), sondern auch Banken und Konzerne wie Union Banking Corp. General Electric, Standard Oil, ITT oder J. P. Morgan (2).

Dass es dafür nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Motive gab, ist recht plausibel. Zumal auch führende Kräfte des anglo-amerikanischen Establishments wie Edward VIII. und George VI. oder die Brüder John und Allen Dulles, später CIA-Chef beziehungsweise US-Außenminister, ziemlich Nazi-freundlich und rabiat antisowjetisch waren. Wenn nur die Wehrmacht gegen die Sowjetunion marschierte, wurde der Antisemitismus des NS-Regimes zumindest in Kauf genommen, teilweise sogar begrüßt.

Die Lehrmeister des rassistischen Programms der Nazis kamen ja auch aus den USA.

1914 erarbeiteten US-Regierung, angesehene Stiftungen wie Carnegie oder Rockefeller und führende Wissenschaftler amerikanischer Universitäten ein detailliertes „Rassenaufartungsprogramm“ nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Menschheit. Nach diesem Plan sollten bis zum Jahre 1985 allein in den USA 45 Millionen „Minderwertige“ „eliminiert“ werden.

Hitler hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den US-Amerikanern Madison Grant und Lothrop Stoddard, deren Texte er in der Festungshaft gelesen hatte, entscheidende Anregungen verdankt. Letzterer hat das Konzept der „Untermenschen“ entwickelt. Und der Großindustrielle Ford hat diese politischen Strömungen in den USA materiell unterstützt und war eine zentrale Figur der rasse-eugenischen Bewegung in den USA (3).

Mit dem NS-Regime erreichte der Antisemitismus schließlich einen neuen Höhepunkt. Anfänglich setzten die Nazis gegenüber den Juden noch auf Schikanen, immer weitere Diskriminierungen, ökonomisches Ruinieren, Enteignungen und ein Hinausdrängen aus dem Land. Auch 1938 hieß „Entfernung der Juden“ noch nicht Massenmord, sondern Vertreibung; Hitler hatte dabei die französische Kolonie Madagaskar im Auge.

Im Januar 1939 dann die berüchtigte Ankündigung:

„Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ (4)

Und nach dem NS-Angriff auf die Sowjetunion im Juni und dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 erklärte Hitler bei einem Gauleitertreffen, dass es nun gelte, seine Prophezeiung umzusetzen. Auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 wurde der Massenmord systematisch koordiniert.

Die Folge war die Ermordung von Millionen europäischen Juden und „slawischen Untermenschen“ durch die Nazis und ihre regionalen Helfer. Legitimiert wurde das durch eine wahnwitzige Rassentheorie, die in der Herrschaftspraxis auch immer wieder durch absurde Verrenkungen zurechtgebogen werden musste, etwa die Bündnisse NS-Deutschlands mit den slawischen Staaten Kroatien, Bulgarien und Slowakei sowie mit den ukrainischen Faschisten.

Um das von Hitler verhasste Russland zu unterwerfen, bediente man sich auch muslimischer Kollaborateure aus Völkern wie den Tataren oder Tschetschenen, die den Deutschen kulturell und „rassisch“ weit ferner standen als die Russen. Den Antisemitismus hatten die Nazis mit Bündnispartnern im Nahen Osten gemeinsam, auch mit den Muslimbrüdern in Ägypten und dem Mufti von Jerusalem.

Besonders grotesk war natürlich die NS-Konstruktion von den Juden als „Rasse“. Das Judentum ist religiös, kulturell und sozialhistorisch als ein Volk gefügt, in der Physionomie waren die jüdischen Gemeinschaften in verschiedenen Ländern jeweils stark durch die dortigen Völker geprägt.

So hatten niederländische Juden hellere Haut als nordafrikanische, sahen polnische Juden durchschnittlich anders aus als äthiopische. Über die von den Nazis propagierte Vorstellung von den Juden als Drahtzieher hinter dem Finanzkapital einerseits und dem Weltkommunismus andererseits wird noch zu sprechen sein.

Die neue Rechte

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes beziehungsweise nach Ende des Zweiten Weltkriegs schleusten die westlichen Alliierten einerseits SSler ins Ausland und setzten sie in den eigenen Geheimdiensten ein, andererseits übernahmen sie ehemalige Nazis in großer Zahl in Politik, Justiz und Verwaltung. Gleichzeitig zu diesen Kontinuitäten bedeutete 1945 für die organisierte Rechte einen Bruch. Eine positive Bezugnahme zur NS-Tradition war nicht nur verboten, sondern auch kontaminiert. Die Verbrechen und die Niederlage der Nazis tabuisierten offenen Antisemitismus.

Während etwa in Frankreich die extreme Rechte sich in den beiden Jahrzehnten nach 1945 besonders in den französischen Kolonialkriegen hervortat, bekam sie in den deutschsprachigen Ländern erst langsam wieder die Füße auf den Boden. In Deutschland wurde 1950 die Deutsche Reichspartei (DRP) gegründet, aus der 1964 die Nationaldemokratische Partei (NPD) hervorging. In Österreich entstand 1949 der Verband der Unabhängigen (VdU), der 1956 in die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) überging. Diese Strömungen grenzten sich offiziell und in schwankendem Ausmaß vom NS-Regime ab.

Zumindest unterschwellig waren diese Traditionen und der Antisemitismus aber dennoch vorhanden. Und die antislawische Stoßrichtung wurde durch zwei Dinge erneut befeuert: einerseits durch die Vertreibung von 12 bis 14 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten und dem Sudetenland und die Vergewaltigung von etwa zwei Millionen Frauen durch sowjetische Soldaten, andererseits durch die antirussische Propaganda im Kalten Krieg, die an NS-Stimmungen ansetzte und die russischen Opfer der Nazis unter den Tisch kehrte.

Während diese ambivalente Rechte in Deutschland, Österreich und auch in Frankreich unter Jean-Marie Le Pen jahrzehntelang vorherrschend war, entstand ab den 1960er Jahren eine Neue Rechte, die lange randständig blieb, sich aber längerfristig im rechten Spektrum immer mehr durchsetzte. In Frankreich ist hier vor allem der Rechtsintellektuelle Alain de Benoist zu nennen, der als Vordenker des „Ethnopluralismus“ gilt, in Deutschland Henning Eichberg. Letzterer bezog sich teilweise auf den Nationalbolschewismus, publizierte um 1970 wichtige Texte für eine politische Neuausrichtung der Rechten, übersiedelte 1982 nach Dänemark, wo er ein bekannter Sportwissenschaftler und Mitglied der linken Socialistisk Folkeparti (SF) wurde.

Unter dem Pseudonym Hartwig Singer veröffentlichte Eichberg 1970 den Schlüsseltext „Totale Nation? Europäischer Nationalismus und die Öffnung nach vorn“. Darin spricht er von „selbstzerstörerischem Chauvinismus“, der zu den „europäischen Bürgerkriegen 1914 bis 1945“ geführt hätte. Man könne zwar von „Großrassen“ wie Europäern, Asiaten und Afrikanern sprechen, die Unterteilung in europäische Unterrassen sei aber Unsinn. Die NS-Theorie, die einen Herrschaftsanspruch einer nordischen Rasse postulierte, habe die Völker Europas aufgespalten, besonders durch die „verblendete Behandlung der Ostvölker“.

Die Weißen hätten sich in der historischen Entwicklung als überlegen erwiesen und ihre Zivilisation in der ganzen Welt verbreitet. Ob diese Überlegenheit auch in Zukunft bestehen werde, sei in keiner Weise gesichert. Japan etwa habe sich der progressiven Entwicklung angepasst und eine eigene Synthese entwickelt. Afrika hingegen sei weit davon entfernt; das solle aber nicht zu Abwertung und Arroganz führen, sondern zu getrennter Entwicklung und „Kooperation in gegenseitiger Achtung“. Die Theorie vom „Rassenweltkrieg“ stamme aktuell von dem Maoisten Lin Biao, dem Antikolonialisten Frantz Fanon und den Black Panther in den USA.

Singers (Eichbergs) Ziel war vielmehr die „Kooperation aller Rassen“. An den ethnischen Konflikten in London, Paris und Marseille seien nicht die farbigen Einwanderer schuld, sondern die Politiker, die diese Einwanderung betreiben. Er spricht von „pluralem Nationalismus“, von einer „revolutionären Dialektik von nationaler Selbstbestimmung und europäischer Solidarität“ und von einem vereinten Europa. Notwendig seien Systemopposition, ein nationalrevolutionäres und sozialistisches Bewusstsein und die Ablösung des Kapitalismus.

Der „rassische Antisemitismus“, so Eichberg außerdem, sei eine „unwissenschaftliche Entartung“. Die Juden seien keine Rasse und die „wertende Über- und Untermenschentheorie“ unhaltbar. Der Antisemitismus wurzle in „uralten Vorurteilen und Pogromhaltungen (einst religiös, später wirtschaftlich, in jedem Fall wohl sozialpsychologisch zu erklären)“ und habe „dazu geführt, dass eine Jahrhunderte alte deutsch-jüdische Symbiose zerstört, ein wertvoller Teil unseres Volkes unserer (und seiner) Nation entfremdet wurde“. Nach dem unter NS-Herrschaft Geschehenen habe es seine volle Berechtigung, dass „vom neuen Nationalismus in Deutschland eine klare Stellungnahme zum Antisemitismus gefordert wird“ (5).

Rechter Kurswechsel

Diese Ausrichtung gewann, nicht in jedem einzelnen Punkt, aber in der groben Linie, besonders in den vergangenen Jahrzehnten in rechten und rechtspopulistischen Strukturen und Parteien immer mehr an Boden. Das gilt etwa für die italienische Lega von Matteo Salvini, die lange eine russlandfreundliche Haltung einnahm, sowie für das Rassemblement National unter Marine Le Pen, die sich teilweise erfolgreich um jüdische Wähler bemüht. Das gilt für den französischen Rechtspolitiker Eric Zemmour, dessen jüdische Eltern 1952 aus Algerien geflüchtet sind. Das gilt aber auch für die Identitären oder Theorieprojekte wie Sezession/Antaios, wobei diese eine ähnliche Linie einnehmen wie viele marxistische Strömungen, nämlich eine Unterscheidung zwischen Antisemitismus und Kritik an Israel.

Die AfD wurde erst 2013 als souveränistische und wirtschaftsliberale Partei gegründet und hat sich später gleich auf neurechter Grundlage etabliert, wobei die Spannweite an Ausrichtungen lange ziemlich groß war. Sie betont seit Jahren ihre Verbundenheit mit dem Staat Israel und ihre Sorge um die Sicherheit der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und prangert den Antisemitismus muslimischer Einwanderer an. Das Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag ist stets ausgesprochen pro-israelisch.

2018 wurde schließlich die parteinahe Vereinigung „Juden in der AfD“ gegründet, in der Vera Kosova, Wolfgang Fuhl, Emanuel Krauskopf, Artur Abramovych, Marcel Hirsch und Marcel Goldhammer eine wesentliche Rolle spielen (6). Die politischen Gegner der AfD tun diese Dinge in der Regel als Show ab, was sicherlich zu kurz greift. Ein Element des „virtue signalling“ ist aber wohl dabei. Der neurechte Theoretiker Martin Lichtmesz meint, dass die verbissen pro-jüdische und pro-israelische Haltung der AfD vom Establishment nicht gedankt werde, und diskutiert ausführlich die demografische Lage Israels, die angesichts hoher muslimischer Geburtenraten der Europas ähnle (7).

Anders als die AfD hat die FPÖ eine lange Geschichte. Eine neurechte Umorientierung fand erst nach der Jahrtausendwende statt. Der aus einer Nazi-Familie stammende langjährige FPÖ-Chef Jörg Haider hatte noch 1991 von „ordentlicher Beschäftigungspolitik“ der Nazis gesprochen, sodass er in Kärnten die Unterstützung der ÖVP und damit den Posten als Landeshauptmanns verlor. 1995 hatte er Veteranen der Waffen-SS als charaktertreue Menschen gelobt.

Bei Haider fanden sich auch die traditionelle antislawische Frontstellung gegen Slowenen oder Serbien sowie antisemitische Töne. Letztere waren auch mit einer ausgeprägten pro-arabischen Linie verbunden: Er bereiste den Irak und Libyen, Ägypten, Kuwait und Syrien. Mit einem Gaddafi-Sohn verband ihn eine freundschaftliche Beziehung. Im Jahr 2007 unterstützte Haider als Kulturreferent einen türkisch-islamischen Verein mit Subventionen. Und er war ein prominenter Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei.

Es war der langjährige Parteitheoretiker Andreas Mölzer, der in diesen Fragen eine Neuausrichtung einleitete, indem er etwa ausführte, dass die Differenzen zwischen Serbien und Österreich/Deutschland historische Details gewesen und längst überwunden seien und es heute um eine gemeinsame Verteidigung der europäischen Kultur gegen Islamisierung gehe. H. C. Strache, Obmann von 2005 bis 2019, trug jahrelang die Brojanica, ein serbisches Armband. Dass es ihm dabei nur um serbische Wählerstimmen ging, reicht als Erklärung nicht aus.

Was hier stattfand, war eine strategische Neuausrichtung.

Das zeigte auch der — in einer NS-Tradition undenkbare — positive Bezug der FPÖ auf Russland. Gegen Globalisierung, Amerikanisierung, außereuropäische Zuwanderung und Multikulturalismus wurden die slawischen Länder und insbesondere Russland als Verbündete bei der Verteidigung der europäischen nationalen Identitäten und der europäischen Kultur gesehen.

Im selben Zusammenhang ist die von der FPÖ unter Strache und später Herbert Kickl demonstrative Zurückweisung von Antisemitismus zu sehen. In diesem neu-rechten Konzept werden die Juden als wichtiger Teil der europäischen Kulturtradition und der Aufklärung gesehen — und Israel von manchen als Vorposten der europäischen Zivilisation im Orient. Gegen das Vordringen von Islam, Islamismus und anderen „rückständigen“ außereuropäischen Kulturen sind die Juden und Israel dann natürliche Verbündete.

In diesem Sinne sind die Verurteilung von Antisemitismus und die Hinwendung zu Israel seitens der FPÖ keineswegs irgendein Bluff, sondern ebenfalls eine strategische und ernst gemeinte Linie. In diesem Zusammenhang waren die Besuche von FPÖ-Spitzenpolitikern in Israel zu sehen — und erst recht die FPÖ-November-Pogrom-Gedenkveranstaltung 2016 mit dem israelischen Geheimdienstler Rafael Eitan, der 1960 führend an der Festnahme von Adolf Eichmann in Argentinien beteiligt war. Eine solche Gedenkveranstaltung zu Ehren der jüdischen Nazi-Opfer wäre noch unter Haider undenkbar gewesen (8).

Natürlich gibt es in den rechtspopulistischen Parteien unter Mitgliedern und auch Funktionären auch antisemitische Stimmungen — so wie ebenfalls in christdemokratischen Parteien oder — aufgrund türkischer Mitglieder verstärkt — auch in der Sozialdemokratie. Diese Stimmungen sind aber nicht dominant und bestimmen nicht die Linie der jeweiligen Partei.

Dass die neue Rechte heute an Israel anknüpfen und Antisemitismus aus ihrem Arsenal zu verdrängen sucht, ist Folge einer grundsätzlichen und strategischen Überlegung im Kontext des Globalismus.

Das jüdische Nation-Building steht für die neue Rechte in positivem Kontrast zur Nation-Destruction der Globalisten — und außerdem ergibt sich daraus eine gemeinsame Front gegen den expansiven Islam. Die neurechte Linie ist heute vorrangig die Verteidigung der europäischen Kulturen und Nationen, die Ablehnung des Multikulturalismus auf der Basis des „Ethnopluralismus“.

In Abgrenzung zu früherer chauvinistischer Hybris postuliert das Konzept des „Ethnopluralismus“, alle Nationen und Völker seien gleichwertig, sollten aber ihre Eigenarten behalten und sich nicht übermäßig vermischen. Anders als staatlich geförderte „Rechtsextremismus-Experten“ propagandistisch verzerren, gehen die Ethnopluralisten lediglich von einer relativen Homogenität einer Nation aus, sind sich völlig klar darüber, dass es Migration immer in bestimmtem Ausmaß gab, wollen sie aber so begrenzen, dass eine Integration in die bestehende Kultur möglich ist und nicht im Effekt verschiedene Ethnien in einem ehemaligen Nationalstaat leben, woraus sich auch vermehrt Konflikte ergeben würden. Juden werden in der Regel nicht als Angehörige einer anderen Ethnie gesehen, sondern als Teil der jeweiligen Nation.

Neben den dominanten neurechten Strömungen existieren weiterhin kleine Grüppchen Neonazis, die sich im Geheimen treffen, NS-Devotionalien und manchmal auch Waffen sammeln und auf Hitlers Geburtstag anstoßen. Sie schwanken zwischen Leugnung und Begrüßung des Holocaust und tradieren den traditionellen Antisemitismus der alten Rechten. Solche Grüppchen bestehen wohl in vielen europäischen Ländern, sie sind aber allesamt politisch marginalisiert und gesellschaftlich irrelevant — mit Ausnahme, wie wir noch sehen werden, derjenigen in der Ukraine.

In Teil 2 wird es um die materielle Basis gehen, insbesondere um Abraham Leons Konzept der „Volksklasse“, ihr weitgehendes Ende in den 1940er Jahren und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Und es wird die Judenfeindschaft im Koran und die Situation der Juden in der arabischen Welt diskutiert.

In Teil 3 wird es um den Niedergang des islamischen Raumes gegenüber Europa gehen und um die Folgen für die orientalischen Juden. Außerdem wird die Bedeutung der Formierung des israelischen Staates diskutiert sowie die Beschönigung von tatsächlichem Antisemitismus durch den globalistischen Mainstream.

In Teil 4 wird es um den Missbrauch von Antisemitismus-Anwürfen und um das Konstrukt des „strukturellen Antisemitismus“ gehen. Es werden die Auswirkungen des Globalismus auf Antisemitismus und auf Israel diskutiert. Und es werden heikle Aspekte wie die Dominanz jüdischer Intellektueller in Strömungen wie den US-Neocons oder den „kosmopolitischen“ Sozialwissenschaftlern besprochen.


Anmerkungen und Quellen

(1) Eric Angerer: https://www.manova.news/artikel/streifzug-durch-die-geopolitik
(2) Siehe dazu: Edwin Black: IBM und der Holocaust, München 2001; Glyn Roberts: The Most Powerful Man In The World – The Life Of Sir Henri Deterding, 1976; Antony Sutton: Wall Street und der Aufstieg Hitlers, Basel 2009.
(3) Hermann Ploppa: Hitlers amerikanische Lehrer: Die Eliten der USA als Geburtshelfer der Nazi-Bewegung, Marburg 2008.
(4) Volker Ulrich: Die Rede, in der er die Vernichtung der Juden ankündigte, https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2019-01/adolf-hitler-reichstagsrede-1939-juden-holocaust-nationalsozialismus/komplettansicht
(5) Hartwig Singer (= Henning Eichberg): Totale Nation? Europäischer Nationalismus und die Öffnung nach vorn, in: Nationalismus heute, Coburg 1970.
(6) https://www.j-afd.org/
(7) Martin Lichtmesz: Israel und Demografie, https://sezession.de/64267/israel-und-demographie-1, https://sezession.de/64290/israel-und-demographie-2, https://sezession.de/64285/israel-und-demographie-3 und https://sezession.de/64299/israel-und-demographie-4
(8) Julia Masetovic: FPÖ – Charakteristika und Veränderungen des „dritten Lagers“, http://www.trend.infopartisan.net/trd0217/t420217.html


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