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Auf der Isolierstation

Auf der Isolierstation

Hier geht es um einen Menschen, der sich vollkommen aus der Gesellschaft zurückgezogen hat — er ist nur noch Beobachter, der Wahnsinn des Normalen macht ihn ohnmächtig. Teil 2.

Er hätte Mut brauchen können. Aber die Gelegenheit ist vorüber. Sie ist an ihm vorbeigezogen, wie ein Peitschenhieb. Den Knall hat er noch gehört, doch zu langsam war er, nach all den Lügen, die sein Denken aufgebrochen haben. Nun sitzt er da, verloren und Vergeheimnist in seinen Handlungen. Die Anderen nennen ihn anders, die Gleichgesinnten fremd. Er beugt sich nach vorne, er will leidend sein. Er kreuzt die Hände vor der Brust, er presst die Lippen aufeinander und Tränen rinnen über seine Wangen. Es hilft nicht, das Mitleid der anderen ist wie ein Brandmal, gesetzt von den Herrschern der Welt. Gibt es sie überhaupt, oder sind sie auch nur Menschen, verwoben und verloren in den Ansprüchen, die das Leben an uns alle stellt. Er will ihre Anteilnahme nicht, lieber verliert er sich in der Gosse des Unaussprechlichen. Daheim bleiben, ruft es in ihm, dort wo der eine Satz dem anderen folgt. Und ist nicht Sprache alles, was wir haben.

Die Ruhe in der Ferne. Spürst du sie? Will sie sich deiner bemächtigen? Ist die Ruhe auch eine Macht oder ein Sehnsuchtsort? Morgen steigst du wieder in dein Auto und fährst zur Arbeit. Wirst Täter oder Opfer. Zerfällst in Angebot und Nachfrage. Suchst Worte, wo es nichts zu finden gibt. Suchst Argumente, um deine Schwäche zu legitimieren. Ist nicht alles nur Form, in die du dich einpasst wie ein Puzzelstück? Und welches Bild entstünde da? So bleibst du Rädchen im Getriebe, begreifst dein Ruhebedürfnis als etwas, das man unterdrücken muss. Aber es bleibt ein innerer Rhythmus, dem man nicht entgehen kann. Er erzeugt gerade diesen Sehnsuchtsort, den man fühlt, ohne ihn jemals aufzusuchen. So bleibst du selbst auf dem Sterbebett ein Ding unter Dingen, etwas das ineinander greift, ohne zu begreifen, ein behäbiges Ungetüm der Feigheit, das stolpert und stürzt, das sich die Hände am Asphalt des Selbstbetruges aufschürft und sie notdürftig mit dem Taschentuch der Gleichgültigkeit versorgt. Du Kind des Unbegreiflichen. Wieder einmal suchst du in der Stärke dein Heil, im Viel der anderen, im Aufgehen in der Masse, die dich auf das Schlachtfeld führt, auf dem du nicht einmal mehr ein Ding bist, sondern nur etwas, das es auszulöschen gilt.

Die Angst ist gesetzt. Sie vegetiert in den Seelen der vielen nicht mehr als Möglichkeit sondern ist allgegenwärtig, sphärisch geworden. Das passiert, wenn man einen unsichtbaren Feind in die Fantasie der Menschen implantiert und dieser Angst erzeugt, ohne sie zu relativieren. Erkältungen waren vor der Empfindungswende, das Gut der Einzelnen, die Gefährlichkeit, die von ihr aus ging, speiste sich rein aus der eigenen Erfahrung. Im Raum ist nun die Möglichkeit des eigenen Coronatodes verstetigt und nicht mehr wegzubekommen. Das Implantat Feind zerstört unsere Gesellschaft. Dies hätte niemals passieren dürfen.

Dann gewann ich an Seele. Mein Ton wurde robuster, wärmer, in sich geschwungener. Fast schon manieriert, aber nicht einem Fächer gleich, der den eigenen schalen Wind in die Gesichter der anderen weht. Eher abwartend, sich originell wendend, fast schön tänzerisch. Die Zusammenhänge sind da, wie ein Hemd, das man zuknöpft. Der Sinn ein Garten, in dem die letzten Früchte überreif an den Ästen hängen, die Überheblichkeit wie ein Schwarm von Zugvögeln, die sich sammeln, um zu wandern.

Kann man das Scheitern kultivieren? Es auf eine Ebene heben, die es erträglich macht? Wir verstecken und reden hinter der Hand, wir grinsen, wenn wir weinen sollten, wir schaffen uns Bilder, in denen wir unsere Fehlbarkeit ersticken. Wenn da ein leichtes Gehen möglich wäre, ein behändes Sprechen, zwischen den Leiden und Dummheiten, die uns geschehen, würden wir uns besser kennen. So starren wir uns an und warten auf den ersten Fehltritt des anderen, in den wir dann stolpern und ihn mit unserem Körper weiten, strecken, dehnen, bis er uns nicht mehr berührt. Dann schnellen wir in unsere Idylle zurück und vergessen.

Wenn aus Intuitionen Institutionen werden, ist alles verdorben. Das ist bei den Religionen so und auch in den Künsten.

Sollte ich mir ernsthaft die Frage stellen, wer ich eigentlich bin? Ich habe mich verleugnet, das ist gewiss. Doch gibt es einen Preis dafür, den ich zu bezahlen habe? Ein tragischer Befund also. Oder werde ich erst durch die Verleugnung? Brauche ich dieses Spannungsfeld? Mein Körper scheint mir das erstere zu bestätigen, ein tragisches Leben also. Er möchte leiden und das mit einem ausdrücklichen Zutun. Ich fühlte mich auch gefährdet, wenn es nicht so romantisch klänge. Ich fühlte mich gleichzeitig bestätigt, wenn es nicht so überheblich klänge. Ich bin ein armer Mensch, der an seiner Reichhaltigkeit erstickt.

Die Seele, könnte man meinen, ist unerbittlich. Als ob sie einen Plan verfolgte. Das klingt absurd. In mir allerdings tritt sie so überdeutlich hervor, dass ich darunter leide. Unter ihrer Unerbittlichkeit. Kann sie mit dem Tod bestrafen, mit dem Schmerz, dem Leid? Ich weiß es nicht. Sie beschenkt mich über alle Maßen, und ich mit meinem stummen Mund antworte nicht.

Schön, wie sich Menschen in meinen Worten entfalten. Das gefällt mir. Sie suchen auch auf einmal meine Nähe. Eher unbeholfen und zart und mit vielen Geheimnissen umwoben. Aber doch getrauen sie sich. Deshalb auch meine Ahnung, dass der Mund der Anfang aller Kultur war. Dass der Mund die Grenze zur Gewalt setzte, indem er Zeichen erfand, die besänftigen, die Räume öffnen, in denen man verzaubert wird. Der Mund ist der Gott aller Verwandlung. Vor allem müssen es Gesänge sein, wohllautende Silbenfolgen, also auch der Mundraum als Resonanzboden, die Zunge, der Rachen, die Stimmbänder. Alles zusammen ein Musikinstrument, ein Orchester der Entäußerung. Die größten Rhetoriker sind Mundmenschen. Sie singen, damit andere ihre Melodien mitsingen, sodass sie dadurch eigene Melodien finden. Doch sie können auch gefährlich sein, weil sie nicht nur das Gute, das Lebendige entfesseln können, sondern auch das Böse, das um jeden Preis Selbsterhaltende.

Wird man böse, weil einem die Wege zugestellt sind? Hängt man in einer Steilwand, zitternd, mit den Fingerkuppen an den Vorsprüngen der Existenz? Starrt man nach oben, um den Abgrund zu vergessen? Erinnert man den Abgrund als Urgrund? Jene, die sich in der Fläche verloren haben, sind die Verletzlichen, jene die auf Türmen stehen, sind von Feinden umringt. Der Blick schafft scharfe geradlinige Gebilde, an ihnen schneiden sich die Geborenen ihre Träume wund, bis Meere von Blut neue Kriege erfinden. Der Kämpfende hasst, der Lebendige liebt.

Mich der Lächerlichkeit preis zu geben, ist schwer. Es braucht eine ungemeine Stärke, die ich nicht habe. Ich verharre in meiner Melancholie und träume darin schöne Träume. Das unangenehme, das ja zu einem Standpunkt dazugehört, empfinde ich nicht als Lust, wie es viele andere tun, nein es ist eine ungehörige, unverschämte in seiner Konsistenz unerträgliche Last.

In der Summe ist alles tief. Das ist die Wahrheit. Das Leben ist in einem Rätsel enthalten, nicht gefangen, wie es die Wissenschaft meint. Es gibt keine Befreiung, es gibt nur den neuen Anfang. Der muss ausprobiert werden. Er muss öffnen, statt zu schließen, er muss zur Sprache ermutigen, statt sie zum Verstummen zu bringen, er muss den Frieden im Nächsten stimulieren, statt ihn zu provozieren. Es muss Bewegung entstehen, Tanz auch, den noch niemand gesehen hat. Musik, die löst, die keine Hierarchie erzeugt, Kunst, die wagt und nicht nur will. Welten neu gefunden, neu erzeugt. Das ist der Anfang, das Hinauf bis hin zum Umkehrpunkt, der so menschlich ist wie nur alles andere sonst.

Es ist nichts mehr wahr. Alles fällt auseinander, alles wird Stiefelschritt und Kriegsgesang. Der Einzelne darin bleibt Schemen, Schatten, der, wenn er heraustritt, nur Grimmassen zieht. Ein Clown seiner eigenen Hilflosigkeit, ja Angst. Er hebt ab, um in andere Gefilde zu kommen. Er will seiner Vorstellung gerecht werden und baut Gebäude des Unsinns, in denen er wohnen kann. Hauptsache Strom und fließendes Wasser. Nichts korrumpiert ihn, er ist korrupt aus sich selbst heraus. Das ist der Mensch. Ein Wesen, das reagiert, das sich in Zusammenhängen einfügt, wie ein Zahnrad in ein anderes. Eine Schraube, die sich in ein Gewindeloch dreht, um sich und anderes fest zu machen. Welch erbärmliche Lebenshaltung.

Die eigene Schwäche verheimlichen. Schauspieler sein. Hoffen, dass alles gut ausgeht und man selber davon gekommen ist. Dann weitermachen, als ob nichts geschehen wäre, selbst wenn du Täter oder Täterin warst. Alles hat seinen Sinn, hast du damals gedacht und denkst es jetzt wieder. So what! Du bleibst das Tier hinter dem Vorhang. Wenn es die Menge verlangt, trittst du hervor und reißt die Lämmer, die du vorher behütet hast.

Lange Zeit sah man dich. Auch ich habe dich wahrgenommen. Allerdings überwog bei mir, dich in deiner Schwäche zu sehen. Über die vielen Jahre hinweg hast du dich immer schöner herausgeputzt. Gingst mit breiter Brust in der Welt umher. Nicktest nach links und nach rechts. Öffnetest generös die Hände, um zu geben und zu nehmen. Oft fühltest du dich in deinem Tun sicher. Hattest deinen konsequenten Weg als klare Linie beschrieben. Du glaubtest dich offen und tolerant. Nichts war dir zu bizarr, um es nicht verstehen zu wollen. Überhaupt, das Verstehen, hat es dir nicht über all die Hürden geholfen, die du dir selber gestellt hast? Du hast deine Schwächen, deinen Egoismus, deine Unfähigkeit zum Mitgefühl, deinen Impuls, andere zu missbilligen, nie unterdrücken können. Du hast sie sublimiert. In sanfter Rede, Gefälligkeit, und warmem an die Schulter fassen. Trotzdem bist du die Bestie geblieben, die in dir weidet, zwar Grenzzäunen ausgesetzt ist, aber diese bei Bedarf einreißen kann. Gerade blökt und brüllt es in deinem Inneren, denn du hast einen Feind erkannt, der irgendwo draußen, jenseits der Zäune sein Unwesen treibt. Keine Gestalt, die du erkennst, nein, es sind Gerüchte, es sind Vorstellungen, es sind Ängste, ausgedrückt in dunkler Nacht und Nebelschwaden. In Wirklichkeit bist du das geblieben, was du schon immer warst. Ein Feigling in glänzender Rüstung.

Es ist ein Spagat. Der eine Fuß da, der andere dort. Darunter der Abgrund. In den du starrst und siehst Welten zusammenbrechen. Aber es sind Abbilder einer medialen Welt, die keine Wirklichkeit mehr kennt. Derweil gehst du mit deinem Aktenkoffer zur Arbeit oder hängst eine Tasche am Riemen über deine Schulter und wartest an Bushaltestellen auf den Bus, der dich aus deinen Irrtümern führt, denn du spürst, irgendetwas ist nicht in Ordnung. Aber was ist Ordnung? Eine innere, eine äußere? Du wirkst geschäftig, unersetzbar und merkst nicht, dass es deine eigene Vorstellung davon ist. Eigentlich bist du ein Stein unter Steinen in einem ausgetrockneten Flussbett, das Leben heißt. Du gehst umher wie ein Geist und hoffst, dich auf das Sterbebett retten zu können, auf dem eh alles egal ist. Man stirbt und der Film ist zu Ende. Den Abspann bekommen noch deine Nächsten mit, während du im Nichts gelandet bist. Ist das dein Glaube? Wer so glaubt, ist in der Gleichgültigkeit gefangen, wie ein Kind in den Launen seiner Eltern. Es nimmt hin. Du nimmst hin!

Ich wollte weg. Irgendwo hin. Ich hatte noch keine Idee wohin. Es wird wohl ein Treiben sein, ein Sichgehenlassen. An dem Ort, an dem ich jetzt bin, ist alles zu einem Punkt verdichtet. Die Enge treibt die Menschen in den Wahnsinn, den sie für Vernunft erklären. Sie geben Geheimnisse ihres Charakters preis, die bisher unentdeckt geblieben waren. Trotz all der geschwätzigen, hochtrabenden Wissenschaften. Nun sieht man sie, unbemerkt haben sie ihre inneren Ängste so ausgebaut, dass Gefängnisse daraus geworden sind. Es ist, als ob die Zeit still stünde. Es keine Vergangenheit gäbe, aus der man hätte lernen können. Ich sehe den Scheiterhaufen, vor dem wir stehen, darin wie im Spiel, die Hölle eines Hieronymus Bosch, die gleichen absurden Figuren, deformiert, der Hölle nah, nur um Entlastung zu finden. Die Wissenschaftler müssten vor Schamesröte verglühen, stattdessen glauben sie, erklären zu können, was sie nie begriffen haben. Ich bin auf dem Weg, auch wenn ich noch da auf meinem Stuhl sitze, die Beine übereinander geschlagen, das Kinn in die Kuhle der Hand gestützt, den Blick in die Ferne gerichtet, die ich bereisen will. Was ich darin finden werde? Ich weiß es nicht, ich bin noch nicht einmal aufgestanden.

In der Menge ein Gefühl der absoluten Einsamkeit gehabt. Jeder dieser Menschen hat eine Geschichte und selten wird sie mit einer anderen verwoben, eher noch gehen sie nebeneinanderher. Und dann auch noch die eigene Bedeutung, wie sie schmilzt in der Sonne gelangweilter Blicke, wie sie sich beugt unter dem Wind der verachtenden Münder, wie sie erstickt im Sumpf voreingenommener Gedanken.

Ich bin ruhig. Ich will nichts mehr wissen. All die glotzenden Augen, wer will sie noch verstehen? Der Gleichmut ist wie eine Straße aus Asphalt. Sie führt in ein taubes Nirgendwo. Doch hilft er, den Alltag zu meistern, wenn er auch nur im Viereck der Beliebigkeit an Wänden haftet. Ewig in der Zeit sind wir ausgeruht. Nicht wahr? Wir wollen nichts mehr wissen, von Krieg, von Unterdrückung, von Gewalt, denn sie rücken näher, ja zersetzen schon unseren Körper, unseren Geist, und wir merken, dass etwas verloren gegangen ist, dass sich nicht mehr finden lässt. Und warum? Weil wir es nie gesucht haben. Es war, wie natürlich da, wir nahmen es, wie man ein Geschenk annimmt, ohne uns zu bedanken. Doch nun rückt alles näher, die Macht sitzt in unserem Schoß, sodass wir keine Freiheit mehr gebären können. Erstarrt in der Verwunderung über das, was geschieht, träumen wir uns weg in eine imaginäre Wirklichkeit, die uns reizt wie Nadelstiche. Wund sind wir, übersäht mit den roten Punkten der Entfremdung. Nicht einmal Stacheln wachsen uns mehr.


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