Und so sitze ich nun wieder hier. Wie jedes Jahr. Mit Tee, Stille und einem leisen Zynismus, der mir mittlerweile vertrauter geworden ist als jede festliche Weihnachtsmusik. Und ich schreibe auf, was ich mir wünsche. Nicht, weil ich glaube, dass es jemand erfüllt, sondern weil ich hoffe, dass es jemand liest. Vielleicht sogar jemand, der bereit ist, nicht nur zuzuhören, sondern auch zu handeln. Denn irgendwo tief in mir, inmitten aller Müdigkeit, wartet noch immer ein Funke Hoffnung darauf, dass dieses Land, diese Menschen, wir alle mehr verdienen als das, was wir gerade bekommen.
Ich wünsche mir Frieden, Frieden für alle.
Ich weiß, es klingt pathetisch. Frieden. Ein Wort, das so abgegriffen ist, dass man es fast schon für einen Dekoartikel hält, den man in den Schaufenstern der Adventszeit zwischen Holzengeln, LED-Rentieren und „original erzgebirgischen Schwibbögen“ — natürlich made in China — findet. Ein Wort, über das Politiker reden, wenn sie Kriege vorbereiten. Ein Wort, das in Talkshows inflationär benutzt wird, während im Hintergrund Statistiken eingeblendet werden, die mehr an einen Notstandsplan erinnern als an eine Zukunft. Aber ich meine es ernst!
Nicht diesen dekorativen Frieden, der auf Wahlplakaten klebt wie ein Rabattaufkleber auf altem Käse. Ich meine echten Frieden. Den, der Menschen die Angst nimmt. Den, der Kinder davor schützt, zu früh erwachsen werden zu müssen. Den, der keine Gewinner kennt — außer die Menschlichkeit.
Ich wünsche mir Frieden für alle. Für Deutsche, für jene, die arbeiten, und jene, die keine Chance bekommen. Für jene, die frieren, während andere ihr drittes Haus energetisch sanieren. Für jene, die glauben, und jene, die zweifeln. Für jene, die seit Jahren Angst vor der Zukunft haben, weil die Gegenwart schon reicht.
Frieden bedeutet nicht, dass wir alle gleicher Meinung sein müssen, sondern nur, dass wir einander nicht mehr als Feinde betrachten.
Ich wünsche mir, dass die Leute in diesem Land endlich wahrlich aufwachen
Nicht im esoterischen Sinne. Nicht im verschwörungstheoretischen Sinne. Nicht im Sinne von „Ich habe ein YouTube-Video gesehen, und jetzt kenne ich die Wahrheit“. Ich meine ein Erwachen, das aus Erkenntnis kommt. Ein Aufstehen, das aus Selbstachtung entsteht. Eine Klarheit, die sich nicht mit billigen Parolen abspeisen lässt.
Ich wünsche mir, dass die Menschen endlich merken, dass dieses Land nicht „regiert“ wird, sondern „verwaltet“. Und zwar schlecht. Dass die Demokratie, die man uns anpreist, oft eher wie eine Theaterkulisse wirkt: von vorne schön bemalt, von hinten Holzlatten und Klebeband.
Ich wünsche mir ein Erwachen, das damit beginnt, unbequeme Fragen zu stellen:
- Warum werden Entscheidungen getroffen, die niemandem nutzen außer denen, die sie treffen?
- Warum steigt die Armut, während die Steuereinnahmen steigen?
- Warum nennt man Kritik „Gefährdung der Demokratie“, statt sie als Weckruf zu begreifen?
- Warum sollen wir immer verzichten, während andere immer kassieren?
Ich wünsche mir ein Volk, das sich nicht mehr einreden lässt, es solle dankbar sein für Zustände, die man früher als politische Katastrophe bezeichnet hätte. Ein Volk, das versteht, dass Demokratie ohne Beteiligung keine Demokratie ist, sondern Folklore.
Ich wünsche mir, dass unsere Steuergelder endlich gerecht verteilt werden
Ein Wunsch, so unverschämt, dass er in Deutschland mittlerweile als revolutionär gilt. Denn wir alle wissen: Unser Staat hat für alles Geld — außer für die eigenen Leute.
Es ist erstaunlich, wie kreativ Politik sein kann, wenn es darum geht, Milliarden auszugeben:
- Rettungspakete für Großkonzerne? Sofort.
- Beraterhonorare für Freunde von Freunden? Selbstverständlich.
- Subventionen für Projekte, die niemand versteht? Eine Jahresgabe.
Aber:
- Eine ordentliche Rente?
- Oder bezahlbares Wohnen?
- Oder eine Lebensmittelgrundsicherung für Kinder?
… das scheint dann plötzlich schwierig.
Ich wünsche mir, dass Rentner nicht mehr Flaschen sammeln müssen, um Weihnachten ein paar Euro mehr zu haben. Dass Kinder nicht mehr darauf hoffen müssen, dass in der Schulkantine das Essen wenigstens irgendwie satt macht. Dass Familien nicht mehr mit Angst in den Briefkasten schauen, weil jeder neue Bescheid eine finanzielle Ohrfeige sein könnte.
Ich wünsche mir, dass man in diesem Land nicht mehr von Menschen verlangt, eine Miete zu zahlen wie in Monaco, während sie verdienen wie im Vorhof der Hölle. Ich wünsche mir, dass Gerechtigkeit nicht mehr als „rechts“, „links“ oder „populistisch“ gilt, sondern als selbstverständlich.
Ich wünsche mir, dass Menschen wieder Familie werden dürfen
Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich schämt, Hilfe zu brauchen. In der kalte Einsamkeit der Normalzustand ist. In der Nachbarn nebeneinander wohnen wie Fremde, die zufällig dieselbe Postleitzahl teilen. Ich wünsche mir einen Ort, an dem Familie nicht nur Blutsverwandtschaft bedeutet, sondern Zusammenhalt. Einen Ort, an dem ältere Menschen nicht wie ausrangierte Möbelstücke behandelt werden. Einen Ort, an dem Kinder nicht als Kostenfaktor gelten, sondern als Zukunft. Einen Ort, an dem Menschen wieder fragen: „Wie geht es dir wirklich?“
Weihnachten erinnert uns an das, was wir verloren haben. Vielleicht ist diese Wunschliste mein Versuch, es zurückzufordern.
Ich wünsche mir, dass Wahrheit wieder einen Stellenwert bekommt
Wir leben in einem Land, in dem Meinungen Fakten ersetzen. In dem Schlagzeilen wichtiger sind als Inhalte. In dem ein Gefühl mehr zählt als eine Analyse. In dem Politiker ihre Fehler „Narrative“ nennen und ihre Versprechen „Ziele“. Ich wünsche mir eine Republik, in der man nicht für das Aussprechen von Offensichtlichem bestraft wird. Eine Republik, in der Medien wieder recherchieren statt moralisieren. Eine Republik, in der man Fehler zugeben darf, ohne sofort gecancelt zu werden.
Wahrheit ist das erste Opfer jedes Systems, das sich selbst zu ernst nimmt. Ich wünsche mir, dass sie wiederaufersteht.
Ich wünsche mir, dass Angst nicht länger ein politisches Steuerungsinstrument ist
Angst hält Menschen klein. Angst hält Menschen ruhig. Angst hält Menschen in der Spur.
- Angst vor Krankheit.
- Angst vor Krieg.
- Angst vor Armut.
- Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Ich wünsche mir, dass Menschen erkennen, wie oft Angst bewusst geschürt wird, um Entscheidungen durchzusetzen, die niemand im nüchternen Zustand akzeptieren würde.
Ich wünsche mir Mut. Mut zum Denken. Mut zum Hinterfragen. Mut zum Neinsagen.
Ich wünsche mir, dass dieses Land wieder ein Ort der Zuversicht wird
Dass wir wieder träumen dürfen, ohne uns rechtfertigen zu müssen. Dass wir wieder lachen dürfen, ohne zynisch zu wirken. Dass wir wieder hoffen dürfen, ohne naiv zu heißen.
Ich wünsche mir, dass wir eines Tages zurückblicken und sagen können: „Es wurde besser, weil wir uns nicht mehr haben einschläfern lassen.“
Das ist mein Weihnachtswunsch … nach fünf Jahren Ritual, fünf Jahren Notizen, fünf Jahren Hoffen.
Vielleicht ist es diesmal nicht nur ein Wunsch. Vielleicht ist es ein Anfang!
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe treue Wegbegleiter in einem Jahr, das sich manchmal eher wie ein Roman von Kafka anfühlte als wie ein Kalenderjahr,
danke!
- Danke, dass ihr gelesen habt, obwohl Lesen längst als Luxus gilt.
- Danke, dass ihr gedacht habt, obwohl Denken zunehmend als Gefahr dargestellt wird.
- Danke, dass ihr euch nicht habt entmutigen lassen, weder von Schlagzeilen noch von der Realität da draußen.
Wir alle tragen unsere kleinen und großen Sorgen mit uns herum, wie Christbaumkugeln, die zwar glitzern, aber schwerer sind, als sie aussehen. Und doch sind wir hier.
Wir schreiben! Wir lesen! Wir hoffen! Und wir versuchen, in einer Welt, die manchmal im Takt der Krisen tanzt, einen eigenen Rhythmus zu finden. Weihnachten erinnert uns daran, dass Stille mächtig sein kann. Dass Wärme nicht vom Thermostat kommt, sondern von Herzen.
Dass Hoffnung sich nicht an Regeln hält, sondern immer wieder Wege findet, auch durch die kleinste Ritze.
Mein Wunsch an euch ist einfach:
- Bleibt wachsam, aber werdet nicht bitter.
- Bleibt kritisch, aber verliert nicht die Liebe.
- Bleibt mutig, auch wenn die Welt euch kleinhalten will.
- Und vor allem: Bleibt bei euch. Denn dort beginnt Veränderung — nicht in den Palästen der Macht, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen.
Wir Freunde der Erkenntnis, wir als kleines, aber hartnäckiges Team bedanken uns für eure Treue, euer Vertrauen, eure Rückmeldungen, eure Diskussionen und eure unermüdliche Bereitschaft, weiterzudenken. Möge das kommende Jahr milder sein als dieses. Möge es euch Begegnungen schenken, die Wärme bringen. Möge es euch Momente schenken, die euch erinnern lassen, dass ihr nicht allein seid. Und möge es euch Wünsche erfüllen — die kleinen, die großen, die unausgesprochenen.
Frohe Weihnachten euch allen. Frieden euren Herzen. Klarheit euren Gedanken. Mut euren Entscheidungen.
Und möge die Urkraft, an die ich jedes Jahr schreibe, auch eure Wünsche erhören.
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem kleinen Dauerauftrag oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder unterstützen Sie uns durch den Kauf eines Artikels aus unserer Manova-Kollektion .



