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Befreiender Abschied

Befreiender Abschied

Manchmal lohnt es sich, belastende Gedanken, Gefühle und Situationen einfach loszulassen und damit Platz für Neues zu schaffen. Teil 5 der Reihe „Persönliche Entwicklungen“.

„Was wir loslassen, kann uns nicht mehr festhalten“
Ernst Ferstl

Was einer nicht loslassen kann, lässt ihn auch nicht mehr los. Ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen, wird leichter, wenn man Dinge loslässt, die einen belasten. Wirklich Neues kann nur durch Loslassen entstehen, und nicht durch Festhalten. Das Festhalten an unangenehmen Gedanken und Gefühlen bezüglich irgendwelcher Personen oder Situationen kann zu psychisch und/oder körperlich ungesunden Zuständen führen, die eine Entwicklung der menschlichen Potenziale hemmen. Depressionen, Gefühle der Wut, Panikattacken, Konzentrationsstörungen, Süchte, Kopfschmerzen und dergleichen können Folgen einer Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation und der angestauten negativen Energie sein, die aus dem Menschen nicht herauskann.

Stoiker wie Epiktet, Marc Aurel oder Seneca sagen: „Halte nur fest, was in deiner Macht liegt.“ Und Vergangenes liegt nicht mehr in unserer Macht. Existentialisten wie Jean-Paul Sartre oder Martin Heidegger konstatieren: Wir sind mehr als unsere Vergangenheit und können uns im Handeln stets neu bestimmen. „Der Mensch ist, was er aus sich macht.“

Der Buddhismus sieht in der „Anhaftung“ einen Grund für Leiden. Befreiung kommt aus buddhistischer Sichtweise durch Nicht-Anhaften.

„Was“ kann oder soll man loslassen?

Es geht vor allem um negative Gefühle oder Gedanken irgendwelchen Personen, Dingen oder Situationen gegenüber, die Sie loslassen können und auch sollen. Insbesondere negative Erfahrungen aus der Vergangenheit sollten Sie, sobald es geht, über Bord werfen. Wenn Sie negative Gefühle aus der Vergangenheit mit sich herumschleppen, weil Sie beispielsweise gekränkt oder beleidigt wurden, sollten Sie den Peinigern verzeihen. Wenn es Dinge gibt, die Sie sich selbst nicht verzeihen wollen, sollten Sie einen Schlussstrich darunterziehen und sich selbst vergeben. Wenn der Trennungsschmerz oder die Trauer um einen lieben Menschen Sie nicht mehr fröhlich sein lässt, wenn es Ihnen stinkt, Chancen nicht wahrgenommen zu haben, wenn Sie sich über andere Leute ärgern oder sich von ihnen ärgern lassen, wenn Sie sich über sich selbst ärgern, weil Sie in irgendeiner Situation suboptimal agiert oder reagiert haben, wenn Sie das Gefühl haben, von der Welt, dem Chef, den Nachbarn, dem Partner, den Eltern, den Freunden oder sonstigen Bezugspersonen ungerecht behandelt worden zu sein, oder Sie irgendetwas an diesen Personen stört, wenn der Job einen nervt oder nicht ausfüllt, wenn Sie eine Beziehung haben, die nicht mehr haltbar ist – dann sollten Sie diese ganzen Angelegenheiten endlich mal ins Reine bringen und diesen „Belastungsmüll“ nach getaner Arbeit über Bord werfen. Daran festzuhalten – da hat keiner was davon, am wenigsten Sie selbst, wenn Sie diese Ballaste bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag mit sich herumschleppen.

Sie sollten aufhören, sich in Vorfälle aus der Vergangenheit zu verbeißen, sich mit Dingen und Personen zu beschäftigen, die Sie nicht weiterbringen, und in ein farbenfrohes und erfüllendes Leben starten.

Sie glauben gar nicht, wie erlösend Loslassen wirkt! Es vermittelt ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit.

Wenn Sie etwas an anderen Menschen stört, und diese Umstände Sie traurig, wütend oder ängstlich machen, dann überprüfen Sie erst einmal, ob diese Zustände möglicherweise etwas mit Ihnen zu tun haben. Möglicherweise sind die anderen nur Ihre Projektionsfläche und spiegeln lediglich wider, was Ihnen an Ihnen selbst nicht passt.

Versuchen Sie nach Möglichkeit nicht, andere zu ändern – das steht Ihnen in meinen Augen auch nicht zu. Schaffen werden Sie es in Ihrem Sinne wahrscheinlich ohnedies nicht. Man kann und sollte immer nur sich selbst ändern. Andere Menschen sollten Sie so nehmen, wie sie sind. Die Natur oder Gott werden sich schon etwas dabei gedacht haben, die Menschen so zu formen, wie sie sind. Von guten Beziehungen, egal zu wem, kann man nur sprechen, wenn man das Wesen und die Freiheit der jeweiligen Beziehungspartner respektiert. Lassen Sie andere lieber in Ruhe, machen Sie Ihren Frieden mit diesen Menschen, und arbeiten Sie an sich, nicht an anderen. Vertrauen Sie auf Ihre Kräfte und Potenziale und steuern Sie Ihr Leben in eine positive Richtung.

Viele Menschen haben jedoch ein generelles Problem damit, sich oder anderen oder auch Gott zu vertrauen. Sie versuchen, alles zu kontrollieren, um alles im Griff zu behalten, um nicht in unbefriedigende Situationen zu geraten. Man kann aber nicht alles im Griff haben; deshalb wäre es besser, weniger zu kontrollieren und entstandene negative Ereignisse und Erfahrungen loszulassen.

Menschen sind bezüglich ihres Kontrollverhaltens äußerst unterschiedlich. Manche bringt schon die geringste Unsicherheit aus der Fassung, deshalb wollen sie alles kontrollieren. Andere dagegen besitzen ein großes Urvertrauen und können auch mit einem großen „Unsicherheitsfaktor“ noch recht gut schlafen. Menschen, die alles kontrollieren wollen, mangelt es schlicht und einfach an Vertrauen – sich, anderen und der Welt gegenüber. Jemand, der ständig kontrolliert, ist auch erheblichem Stress ausgesetzt, der unweigerlich zu körperlichen, geistigen und seelischen Verspannungen bis hin zu schweren Erkrankungen führt. Auch die Menschen in der Umwelt des „Jonny Controlletti“ bekommen natürlich dessen ständigen Stress mit, fühlen sich möglicherweise nicht mehr wohl in seiner Umgebung und verabschieden sich langsam von ihm.

Andere kontrollieren weniger, geraten jedoch in Depression, Frustration oder Resignation aufgrund unbefriedigender Lebenslagen, lassen sich hängen und kommen aus diesen selbst gegrabenen Löchern nur schwer wieder heraus. Wieder andere treten die Flucht nach vorne an, schreien in der Gegend rum und werden aggressiv. Alles nicht das Gelbe vom Ei, oder? Wir sollten lernen, belastende Dinge, die nun mal entstanden sind, loszulassen, und nicht versuchen, durch verstärkte Kontrolle solche Situationen in Zukunft mit aller Gewalt zu vermeiden oder in depressive oder auch aggressive Zustände abzurutschen.

Was heißt „loslassen“?

Loslassen bedeutet nicht, etwas gutzuheißen, aber auch nicht, angesichts der unbefriedigenden Situation klein beizugeben.

Loslassen kann beispielsweise bedeuten, sich mit einem Ereignis oder einer Situation zu arrangieren und es einfach zu akzeptieren, wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Dass wir Adieu sagen zu bestimmten Verhaltensweisen, Erwartungshaltungen oder Lebenszielen, die sich vielleicht als nicht richtig oder auch zu hoch gesteckt entpuppt haben. Dass wir Pläne – eventuell aufgrund veränderter Lebensumstände wie Unfall oder Krankheit – abändern oder ganz loslassen.

Dass wir uns von einer unbefriedigenden Situation verabschieden, wie beispielsweise dem bisherigen Job oder der bisherigen Beziehung, die uns einfach nicht weiterbringen.

Ein Gedicht von Petra Timm-Bortz beschreibt diesen Wegweiser für das Leben in schöner Form:

„Loslassen bedeutet nicht vergessen,
loslassen heißt nicht, nicht lieben,
loslassen ist nicht negativ,
loslassen ist nur,
nicht mehr festhalten,
loslassen,
im Jetzt sein,
hier sein,
die Vergangenheit loslassen,
im Augenblick leben,
vertrauensvoll und zuversichtlich,
Veränderungen annehmen,
der Kraftpunkt liegt in der Gegenwart.“

Warum fällt es so schwer, loszulassen?

Viele von uns haben eine unbändige Angst davor, die durch das Loslassen neu entstehende Situation nicht gebacken zu kriegen. Loslassen bedeutet gefühlt erst einmal Verlust. Viele glauben, der Schmerz durch das Loslassen sei größer als seine heilende und befreiende Wirkung. In meinen Augen ist das nicht so, ganz im Gegenteil. Menschen sind unglaublich geduldig und leidensfähig, wenn es darum geht, ihre momentane Situation nicht verändern zu „müssen“, und wenn sie noch so beschissen ist. Was erdulden sie nicht alles, aus der Angst geboren, einen großen Schmerz durch das Loslassen zu erfahren? Aber ist das nicht schon Schmerz?

Ist nicht der größere Schmerz die Angst vor dem Schmerz? Macht uns nicht genau das krampfhafte Festhalten an unguten Angelegenheiten krank? Entstehen auf diese Weise nicht unsere Lebenslügen als Kompensation für diese unsäglichen Zustände? Und sind es nicht gerade diese Lebenslügen, mit denen wir uns vor Schmerz schützen wollen, die uns aber in Wirklichkeit den wesentlich größeren Schmerz bereiten, uns krank machen und immer weiter abstumpfen lassen?

„Ja, das wird schon wieder mit dem Job und der Beziehung, ich bin halt momentan in einer Krise (und das schon seit Jahren!), ich darf das mal nicht so eng sehen! Da muss man durch! Im Grunde ist ja alles in Ordnung!“

Und so hangeln sich viele Menschen von einer Lüge zur nächsten und merken gar nicht, wie das Leben immer unlustiger für sie wird. „Nur nichts verändern, nur nichts Neues, das könnte ja ungemütlich werden, auf keinen Fall loslassen!“ Ja, nur weiter so mit diesen Selbsttäuschungen, Ihr Körper und Ihre Psyche werden es Ihnen danken! Sie kreieren durch dieses ständige Verdrängen und In-sich-Hineinfressen Ihr eigenes Unglück.

Sie sollten endlich alte Zöpfe abschneiden. Zufriedenheit, Glück und Gesundheit ist Ihr normaler Zustand – und nicht Unzufriedenheit, Unglück und Krankheit. Also sollten Sie etwas dafür tun. Sie sind Ihres Glückes Schmied – und kein anderer.

„Da hat man sich ein Leben lang krummgelegt und aufgeopfert ...“ Wenn Sie das gerne gemacht haben, ist das okay, dann haben Sie anscheinend auch Freude daran gehabt, und wenn nicht, dann sind Sie selbst schuld. Warum haben Sie dann diese Situation nicht geändert?

Es ist nie zu spät, unbefriedigende Zustände zu ändern! Heute ist der erste Tag vom Rest Ihres Lebens, den Sie nutzen können, um von Ihrem möglicherweise orientierungslosen und verzweifelten Dasein Abschied zu nehmen. Wenn Sie Leben ins Leben bringen wollen, sollten Sie sich vom krampfhaften Festhalten lösen.

Ein weiterer Grund für das Zögern vieler Menschen dürfte in der Angst begründet sein, mit ihren negativen Ballasten und Gefühlen gleichzeitig auch viele positive Gefühle und Erinnerungen loszulassen. Wenn sie beispielsweise von einer unrunden Partnerschaftsbeziehung loslassen wollen, befürchten sie, damit auch die positiven Ereignisse, Gefühle und Erinnerungen zu verlieren. Das ist jedoch einseitiges „Entweder-oder“-Denken und -Fühlen. Sie können das Negative loslassen und dennoch das Positive aus Ihrer Vergangenheit behalten. Teil 3 der Artikelserie „Persönliche Entwicklung“ hatte zum Thema das Sowohl-als-auch-Denken und -Fühlen. Siehe hier

Durch Loslassen verlieren Sie nicht den Überblick, sondern Sie schenken der Zukunft Vertrauen.

Wann sind wir bereit loszulassen?

Wenn Menschen langsam zur Erkenntnis gelangen, dass Festhalten an Schmerz, Schuld, Groll oder verpassten Chancen sie am Leben im Hier und Jetzt hindert und ihnen damit mehr schadet als nützt, gelangen sie zu der Einsicht, in ihrem Leben etwas ändern zu müssen. Wenn Trauer oder Schmerz ausreichend durchlebt wurden, können sie loslassen – was nicht mit Verdrängen gleichzusetzen ist, sondern mit Anerkennen und Verarbeiten.

Dadurch können sie mehr Vertrauen in die Zukunft gewinnen. Das reduziert die Angst, mit dem Loslassen etwas Wesentliches zu verlieren und das „Neue“ nicht gebacken zu kriegen. Wenn sie eine neue Perspektive gefunden haben, werden sie beginnen, das Erlebte als Teil ihrer Geschichte, aber nicht als Fessel zu sehen. Wir sind mehr als unsere Vergangenheit. Wir sind das, was wir aus uns machen. Und das geschieht jetzt – und wirkt sich auf die Zukunft aus. Wenn wir eine innere Freiheit entwickelt haben, akzeptieren wir, dass wir nicht alles kontrollieren können, und gehen mit einer ganz anderen Leichtigkeit in den neuen Tag.

In verschiedenen Religionen und Philosophien, wie zum Beispiel im Daoismus, Buddhismus oder Christentum, wird gelehrt, dass Loslassen leichter wird, wenn man auf einen größeren Sinn – das Dao, Gott oder den Lauf des Lebens – vertraut. Bei Matthäus (6,25) ist zu lesen:

„Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“

(Jesus in der Bergpredigt)

Wenn wir langsam anfangen, die Vergangenheit so anzunehmen, wie sie nun mal war, ohne zu hadern, ohne jemandem die Schuld zu geben, ohne jedes Wenn und Aber, wenn wir merken, dass die momentane Situation uns nicht guttut, sie uns körperlich und seelisch runterzieht, wenn wir darauf vertrauen, die daraus entstehenden Veränderungen im Griff zu haben und davon überzeugt sind, dass die Zukunft durch das Loslassen besser aussehen wird, wenn wir anfangen, unsere eigene Freiheit zu erkennen – dann sind wir bereit loszulassen. Das ist der Beginn von Gelassenheit und innerer Ruhe.

Wie kann man Loslassen lernen?

Akzeptieren Sie, dass nicht alles so läuft, wie Sie es sich vorstellen, dass andere sich nicht immer Ihrer Erwartungshaltung entsprechend verhalten und nicht immer gerecht sind, und dass Sie nicht immer alles richtig machen. Verwechseln Sie Loslassen nicht damit, sich davor zu drücken, etwas bis zum „bitteren Ende“ durchzustehen. Warum auch sollen Sie etwas aushalten, was Ihnen jetzt schon körperlichen und seelischen Schaden zufügt und sich in der Zukunft wahrscheinlich noch verschlimmert? „Durchstehen“ wäre in solch einer Situation ausgesprochen dumm. Bei manchen Menschen kommt auch das Gefühl auf, versagt zu haben, weil sie eine Sache, zum Beispiel einen Job, ein Projekt, eine Beziehung nicht bis zum Ende geführt haben. Was ist eigentlich „das Ende“ dieser Dinge? Der Tod? Oder sind solche Situationen schon viel früher „am Ende“, und Sie sollten besser schauen, keine Zeit mit einer sinnlosen Aufrechterhaltung dieser Situation zu verschwenden? Auf jeden Fall sollten Sie das tun! Ein totes Pferd kann man nicht mehr reiten. Sie sind es sich schuldig und haben es verdient, Ihr Leben zu leben.

Auf Ihrem Weg zu mehr „Freiheit“ sollten Sie hauptsächlich auf Ihr Herz und nicht nur auf Ihren Kopf hören. Ist es nicht Ihr Kopf, der Ihnen sagt: „Nein, du darfst nicht loslassen, das hat nur negative Konsequenzen für dich“? Ist nicht der Kopf der Verursacher Ihrer misslichen Situation?

Hätten Sie nicht schon früher auf Ihren Bauch hören sollen? Wären Sie dann möglicherweise gar nicht in dieser unbefriedigenden Situation? Der Kopf ist wie ein PC: Er verarbeitet Informationen, kann aber nicht die wirklich wichtigen Entscheidungen treffen, sondern nur zu einer ausgewogeneren Entscheidung verhelfen. Die grundsätzliche Richtung vorgeben sollte Ihr Bauch! Also gehen Sie ohne – vom Kopf erzeugte – Vorurteile ran, wenn Sie von der einen oder anderen Sache loslassen wollen (siehe auch Teil 3 der Artikelserie Persönliche Entwicklung. „Sowohl als auch“, Abschnitt: Höre auf deinen Bauch und benutze deinen Verstand).

Andererseits werden die meisten Gefühle durch Gedanken erzeugt. Ihnen kommt beispielsweise der Gedanke, dass Ihnen jemand etwas krummnimmt, und das erzeugt ein ungutes Gefühl in Ihnen. Wenn Sie diese Person gar nicht kennen würden und sich keine Gedanken über Ihr Verhältnis zu dieser Person machen könnten, hätten Sie diesbezüglich doch auch gar kein schlechtes Gefühl, oder? Wenn also Gefühle durch Gedanken ausgelöst werden, können Sie Ihre Gefühle auch durch Gedanken in eine positive Richtung lenken. Also sollten Sie anfangen „anders“ zu denken. Und Ihr zentraler Gedanke in diesem Zusammenhang sollte sein: „Ich bin bereit loszulassen!“ Es werden immer wieder Gedanken und dadurch verursachte Gefühle aufkommen, die Ihnen raten werden, beim Alten zu bleiben. Sobald Sie diese „Teufelchen“ hören, lassen Sie Ihr „Engelchen“ sprechen: „Ich bin bereit loszulassen!“ Unterschätzen Sie nicht die Macht der Gedanken! Irgendwann werden die negativen Gefühle abnehmen und sich Ihren positiven Gedanken anpassen.

Versuchen Sie sich einmal in die Situation zu versetzen, wie es wäre, wenn Sie losgelassen hätten. Wie fühlt sich das bei Ihnen an? Geht es Ihrem Herzen dann besser? Ja? Warum tun Sie es dann nicht? Haben Sie mit den negativen Erfahrungen Ihrer Vergangenheit noch nicht abgeschlossen, oder haben Sie sich beziehungsweise dem Leben gegenüber zu wenig Vertrauen, dass die Veränderung gut verlaufen wird?

All die zuvor angestellten Überlegungen stellen natürlich noch keine Anleitung dafür dar, wie Sie konkret loslassen können.

Wie kann man praktisch an die Sache rangehen? Nachfolgend ein Vorschlag:

Versuchen Sie in entspannter, aber aufrechter Haltung in sich zu kehren, und holen Sie sich die unbefriedigende Situation, die Sie loslassen wollen, in Ihr Gedächtnis. Lassen Sie Ihre damit verbundenen negativen Gefühle zu. Nehmen Sie aber auch den Drang, diese missliche Situation verlassen, diese Gefühle nicht mehr fühlen zu wollen, an. Auch Ihre Ängste, die neue Situation eventuell nicht händeln zu können, sollten Sie nicht verdrängen. Untersuchen Sie die Ausprägung Ihrer Angst möglichst genau, und versuchen Sie festzustellen, ob sie begründet, übertrieben oder auch unbegründet ist. Vielleicht handelt es sich ja nur um ein „Hirngespinst“. Wägen Sie nun ab, ob Sie diese belastende Situation verlassen können. Hören Sie dabei mehr auf Ihren Bauch als auf Ihren Kopf.

Wenn Sie aufgrund Ihrer dominierenden Zukunftsängste auf Ihre Frage „Kann ich loslassen?“ mit „Nein“ antworten, dann ist das in Ordnung. Wiederholen Sie den Vorgang immer wieder, stellen Sie sich nach Durchlaufen dieses Prozedere immer wieder die Frage „Kann ich loslassen?“ Ihre Ängste werden vermutlich abnehmen, und Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit am Ende mit „Ja“ antworten. Stellen Sie sich jetzt nicht mehr die Frage „Kann Ich loslassen?“, sondern bekräftigen Sie: „Ich bin bereit loszulassen!“ Belassen Sie es aber nicht dabei, sondern stellen Sie sich die zusätzliche Frage: „Wann will ich loslassen?“ Sonst besteht die Gefahr, sich vorzugaukeln, es zwar vorzuhaben, aber eben nicht gerade jetzt. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe lieber gleich auf morgen!“ Nein, so funktioniert das nicht! Versuchen Sie sich zeitnah von der belastenden Situation zu lösen.

Wenn oben beschriebene Vorgehensweise nicht klappen sollte – was wahrscheinlich nicht der Fall sein wird –, dann suchen Sie sich doch Menschen, die bereits erfolgreich etwas oder jemanden losgelassen haben, und plaudern Sie ein wenig mit ihnen. „Befreite“ Menschen können Ihnen sicherlich wertvolle Ratschläge geben. Selbstverständlich gibt es auch jede Menge Literatur, Beiträge im Internet und so weiter, die Ihnen weiterhelfen könnten.

Menschen, die nicht loslassen können, sind meist depressiv – oder auch aggressiv „drauf“ – und erschweren Ihre Transformationsphase von einem unbefriedigenden in einen befriedigenden Zustand erheblich. Sie sollten die Nähe solcher Menschen in dieser Phase möglichst meiden.

Fragen Sie sich, was Sie verlieren, wenn Sie loslassen, und was Sie dabei gewinnen. Gehen Sie tief in sich und versuchen Sie möglichst ehrlich bei Ihrer Antwort zu sein. Erstellen Sie ein Plus-Minus-Konto, und das ruhig schriftlich, und Sie werden sehen, welche Seite überwiegt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Ihr Pluskonto! Also, worauf warten Sie noch?

Wenn Sie jemanden oder etwas losgelassen haben, wird sich das am Anfang noch nicht so gut anfühlen, und Sie werden das Gefühl haben, Ihnen fehle etwas. Das ist völlig normal. Nach einiger Zeit, wenn Sie durchgehalten und Abstand dazu gewonnen haben, werden Sie sagen: „Warum habe ich X nicht schon früher losgelassen?“ Mit welchem Begriff Sie obige Lücke füllen, überlasse ich Ihnen. Sie werden durch das Loslassen wachsen und ein neues Gleichgewicht, eine Balance, eine Harmonie in sich spüren und Schritt für Schritt Ihre inneren Blockaden, die Ihre innere Energie nicht frei zirkulieren ließen, abbauen.

„Nun, das klingt ja sehr vielversprechend“, werden Sie jetzt sagen. Ist es auch! Menschen neigen allerdings dazu, wieder in ihre alten Strukturen zu verfallen und das „Losgelassene“ wieder aufleben zu lassen.

Organisationsentwicklung – das „Loslassen“ von Organisationen

Auch größere Institutionen beziehungsweise Unternehmen müssen im Laufe ihrer Existenz oftmals alte Strukturen loslassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, und stehen dann oftmals vor dem Problem, ihre Mitarbeiter von der Notwendigkeit des Wandels überzeugen zu müssen. Die Mitarbeiter geben meist ungern ihre gemütlichen Nischen auf; sie lieben zwar den Fortschritt, hassen aber damit verbundene Veränderungen wie die Pest.

Menschen sind Gewohnheitstiere und dementsprechend träge. Die große Kunst des Managements besteht jetzt darin, jeden Einzelnen ins Boot zu bekommen, damit die nötigen Veränderungen möglichst von allen getragen werden.

Ich möchte Ihnen hierzu eine Vorgehensweise aus dem Managementbereich aufzeigen, wie Veränderungen nachhaltig herbeigeführt werden können.

Bei einem geplanten Wandel im Unternehmen kann man sich beispielsweise am Modell von Kurt Lewin orientieren. Der Sozialpsychologe gliederte den Veränderungsprozess in drei grundlegende Phasen:

Das Auftauen von Einstellungen (Unfreezing):

Althergebrachte, vertraute Einstellungen, Vorstellungen und Verhaltensweisen sollen aufgetaut werden, um die Bereitschaft zur Veränderung zu bewirken. Dies wird umso mehr von Erfolg gekrönt sein, je besser der Sinn für die Notwendigkeit der Veränderung bei den Mitarbeitern erzeugt wird. Die Organisation und deren Mitglieder werden auf Veränderungen vorbereitet. Das generelle Ziel dieser Phase besteht darin, die nach Veränderung strebenden Kräfte zu stärken und zu unterstützen und so ein Veränderungsbewusstsein zu verankern.

Das Ändern von Verhaltensweisen (Moving oder Changing):

In dieser Stufe wird die Organisation umgestaltet und ein neues Konzept entwickelt. Die Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter ist in dieser Phase des Veränderungsprozesses besonders wichtig. Sie müssen unter anderem in die Lage versetzt werden, Neues zu erlernen (Personalentwicklung). Der Status quo wird verlassen und eine verändernde Bewegung zu einem neuen Gleichgewicht vollzogen. In dieser Zeit lässt die Unternehmung ziemlich Federn, da anfangs ja jede Menge Reibungsverluste zu verzeichnen sind. Das ist normal, wird aber von Defätisten und meist konservativen Kräften im Unternehmen als Anlass benutzt, um gegen das neue System zu wettern. „Wir haben es euch ja gleich gesagt!“ und Ähnliches werden die Initiatoren der Veränderung zu hören bekommen. Ein freundliches Lächeln sollte ihre Reaktion sein.

Das Einfrieren von Einstellungen (Refreezing):

Das Erreichte wird dauerhaft stabilisiert. Aus „neu“ wird sozusagen „alt“ gemacht, damit die Mitarbeiter wieder ein vertrautes, funktionierendes Umfeld vorfinden. Dauerhaft bedeutet zwar längerfristig, aber nicht ewig. Da Unternehmen es heute vorziehen, ständig besser zu werden, anstatt alle zehn Jahre einen Rundumschlag zu landen, ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess anzustreben. Es sollte auf jeden Fall verhindert werden, dass die Mitarbeiter der Organisation in vertraute Verhaltensweisen zurückfallen.

Diese Vorgehensweise von Organisationen wäre doch auch eine brauchbare Schrittfolge für Ihren persönlichen Veränderungsprozess, für Ihr Loslassen. Erst einmal wäre es wichtig, die Notwendigkeit, etwas zu verändern, zu erkennen (Unfreezing). In einem zweiten Schritt lassen Sie los, das heißt, Sie verändern Ihr bisheriges Leben (Changing), und lassen natürlich erst einmal Federn. In einem dritten Schritt sorgen Sie dafür – nachdem Sie auf einem höheren Level wie bisher leben –, aus alter Gewohnheit nicht wieder in Ihre „vertrauten“ Muster zu verfallen (Refreezing). Und Ihr Leben wird besser und besser werden (kontinuierlicher Verbesserungsprozess).

Das Loslassen alter Strukturen wäre nicht nur für Personen und Unternehmen, sondern auch für Religionsgemeinschaften oder Regierungen ratsam und heilsam.

Auch eine nicht erwerbswirtschaftlich orientierte Organisation – wie beispielsweise die römisch-katholische Kirche – könnte ja mal überlegen, ihr „Dogma“ des Zölibats aufzugeben, da Priester nachweislich nun mal Männer mit natürlichen Trieben sind. Vielleicht würden sich durch die Aufhebung der Ehelosigkeit die Übergriffe von Priestern auf Schutzbefohlene reduzieren.

Papst Paul VI – auch als „Pillen-Paul“ bekannt –etablierte das Verbot der Empfängnisverhütung. Ist es nicht angesichts drohender Überbevölkerung des Planeten sinnvoll, dieses Verbot zu lockern oder ganz über Bord zu werfen? Sollten nicht eher Kondome und Pillen unter bedürftigen Menschen verteilt werden, anstatt ein Verbot hierfür auszusprechen?

Sind andersdenkende Menschen zu verfolgende „Ungläubige“, nur weil sie an eine andere Religion oder nicht an Gott glauben? Sind wir dann nicht alle Ungläubige? Sollte man vielleicht mal loslassen von diesen dümmlichen Vorstellungen und aufhören, die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen, nur weil einige glauben, die einzige Wahrheit zu besitzen?

Sollten wir von dem Unwort „Kriegstüchtigkeit“ nicht langsam wieder ablassen und uns stattdessen auf die Worte „Nie wieder!“ besinnen und Friedenstüchtigkeit anstreben?

Wenn man sich das aktuelle Welt-Kasperletheater so ansieht, wäre es da nicht von Vorteil, überholte Ansichten loszulassen und den Planeten so einzurichten, dass sich alle wohl und einigermaßen frei fühlen?


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Quellen und Anmerkungen:


Ende März und Anfang April 2025 wurden meine beiden Bücher
Die Friedensuntüchtigen“ und „Im Taumel des Niedergangs“ veröffentlicht.

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