Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Das Amazon-Kartell

Das Amazon-Kartell

CIA und Finanzelite manipulieren gemeinsam die Welt.

Es ist die erste größere Amtshandlung von Kristinn Hrafnsson, seit Julian Assange ihm Ende September 2018 das Amt des Chefredakteurs von Wikileaks übergeben hat. Assange ist zur Zeit durch eine von Ecuador verhängte Kommunikationssperre komplett von der Außenwelt abgeschnitten und konnte deshalb seine Funktion als Chefredakteur der Enthüllungsplattform in den letzten Monaten so gut wie gar nicht ausführen (1). Vermutlich wurden auch deshalb seit Juni keine neuen Dokumente auf Wikileaks veröffentlicht.

Erst seit der Isländer Hrafnsson das redaktionelle Zepter in der Hand hält, finden sich auf der Seite wieder einige neue Publikationen. Eine davon ist besonders brisant: der Amazon Atlas. Darin aufgeführt sind die Standorte von Rechenzentren des amerikanischen Großkonzerns. Diese befinden sich in 15 verschiedenen Städten und 9 verschiedenen Ländern.

Aber warum sollte das politisch brisant sein? Weshalb macht sich Wikileaks die Mühe, so etwas scheinbar triviales zu veröffentlichen? Und warum hielt Amazon viele dieser Standorte bislang geheim?

Die meisten von uns bringen den Namen Amazon vor allem mit dem klassischen Online-Versandhandel in Verbindung; mit dem Verkauf von Büchern, Steckdosen, Kleidung und jeglichem weiteren auf diesem Planeten existierenden Krimskrams. Darum geht es hier nicht. Amazon hat längst unzählige Tochterunternehmen, die sich auf verschiedene Bereiche spezialisiert haben. So auch die 2006 gegründeten AWS – Amazon Web Services –, deren Angebot in der Bereitstellung von Clouds liegt. Häufigste Kunden von AWS sind private Unternehmen. Aber auch Regierungsbehörden beginnen mehr und mehr, mit dem System des sogenannten Cloudcomputing zu arbeiten (2).

Wer? Wo? Was ist eine Cloud?

Es gibt noch immer Unternehmen, die ihre IT-Infrastruktur – also Anwendungssoftware, Speicherplatz oder Rechenleistung – in einem Rechenzentrum, sprich auf einem Rechner, im jeweiligen Unternehmen lagern. Das wird allerdings immer seltener. Immer häufiger hingegen werden Informationen in sogenannten Clouds gespeichert. Das Unternehmen speichert Daten hierbei auf einem externen Server im Internet, auf den dann alle oder nur die ausgewählten Mitarbeiter zugreifen können. Klingt toll, oder? Nicht ganz.

Die Cloud gehört nämlich nicht dem Unternehmen, sondern dem Cloud-Anbieter, genannt: Provider. In diesem Fall ist das AWS beziehungsweise Amazon. Im Klartext: Während sich Ihre Daten vorher nur auf Ihrem Computer befanden und auch nur dann von anderen gelesen werden konnten, wenn dieser eine Computer gehackt wurde, verlagern Sie ihre Daten jetzt ins allzeit-überwachte Internet und machen sich zusätzlich abhängig von einem der größten transnationalen Konzerne weltweit.

Aber, und das ist wichtig, auch Clouds benötigen Rechenzentren, die irgendwo physisch existieren. Sie müssen zwar nicht mehr direkt im Unternehmenssitz sein, im Fall von Amazon in Seattle, aber irgendwo existieren sie. Und genau diese Standorte wurden jetzt von Wikileaks veröffentlicht (3, 4).

Auf Kuschelkurs mit CIA und Pentagon

Amazon beherrscht knapp 34 Prozent des weltweiten Marktes für Cloud-Infrastruktur und ist damit Marktführer. Ein Grund dafür ist, dass zu seinen Kunden auch einige nicht ganz unbekannte Regierungsbehörden gehören. 2014 schlossen Amazon und der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA einen 600 Millionen Dollar schweren Kooperationsvertrag (5). Alle 17 Bundesbehörden in den USA arbeiten mittlerweile mit der Cloud, die Amazon exklusiv für die CIA entwickelte. Das Ziel: „Verarbeitung und Analyse großer Datenströme“.

Diese recht nette und harmlos anmutende Formulierung heißt im Wesentlichen nichts anderes als: Die Überwachung der Zivilgesellschaft. Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass die NSA massenhaft Daten von ganz normalen Bürgern sammelt. Deren einziger Schutz gegenüber dem gigantischen Überwachungskomplex war bislang die Tatsache, dass die amerikanischen Behörden zwar über die Mittel zur Speicherung der Daten verfügen, allerdings nicht über die Kapazität, alle Daten auch wirklich auszuwerten.

Medial kritisiert wurde diese Anbiederung Amazons an die CIA kaum. The Atlantic schreibt zum Beispiel, die Kooperation mit Amazon würde dabei helfen, „Informationslücken zu vermeiden, die den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vorausgingen.“ Damit wärmt das Magazin lediglich ein altbekanntes Fertiggericht wieder auf: die Rechtfertigung der Aushebelung des Rechtsstaates durch einen 17 Jahre zurückliegenden Terroranschlag.

Auch das amerikanische Verteidigungsministerium will zur Zeit riesige Datensätze in eine Cloud auslagern. Der Name des Vorhabens lautet „Project Jedi“. Das steht leider nicht für Jedi-Ritter, sondern für „Joint Enterprise Defense Infrastructure“ (6). Wer die besagte Cloud zur Verfügung stellen soll, ist noch unklar. Doch AWS hat gute Chancen, insbesondere nachdem sein größter Konkurrent Google im Oktober 2018 abgesprungen ist.

Die amerikanische Regierung ist also fest mit Amazon verwoben. Kritische Stimmen nennen diese klebrigen Kooperationen zwischen Verteidigungsministerien und großen Konzernen den „militärisch-industriellen Komplex“. Auch wird wieder einmal die theatralische Dynamik des Washingtoner Politikbetriebs klar, wenn Donald Trump, der sich als US-Präsident im vollen Bewusstsein dieser Zusammenhänge befinden muss, Amazon öffentlich und über Twitter für dessen Steuerflucht und die Zerstörung des klassischen Postunternehmens kritisiert (7).

15 Städte in 9 Ländern

Es darf, wie gesagt, nicht vernachlässigt werden, dass auch die Clouds einen physischen Standort, ein Rechenzentrum, benötigen. Bis zu den Wikileaks-Veröffentlichungen am 11. Oktober 2018 hielt Amazon die Standorte dieser Zentren bis auf wenige Ausnahmen geheim. Eine dieser Ausnahmen war Deutschland, vermutlich aufgrund der hierzulande strengen Datenschutzgesetze. Auf der Homepage von AWS findet man die Aussage, die Rechenzentren des Unternehmens befänden sich in Frankfurt am Main, während das Verwaltungsgebäude von AWS in München verortet sei. Die genauen Adressen finden wir allerdings erst bei Wikileaks. Neben weltweit verstreuten Standorten von Oregon über Luxemburg bis nach Ningxia in China finden sich auch 4 Standorte in Frankfurt am Main, die deutlich machen, warum deren genaue Adressen bis jetzt unbekannt blieben.

Die Räumlichkeiten der Rechenzentren gehören offenbar nicht Amazon oder AWS selbst, sondern anderen Firmen, bei denen sich Amazon eingemietet hat. Die erste Adresse ist die Eschborner Landstraße 100 und noch weitgehend unauffällig. Hier hat die Firma E-Shelter ihren Sitz, welche sich ganz offiziell in einer Kooperation mit AWS befindet. Diese Art von Kooperation nennt sich „Direct Connect“ und mit ein wenig Recherche kann man diese bei allen Firmen, bei denen Amazon seine Rechenzentren lagert, finden. Das gleiche gilt auch für die zweite Adresse: den Karl Landsteiner Ring 4 (8,9,10).

Interessanter ist die dritte Adress: Kleyerstraße 88 bis 90. Hier ist ein Unternehmen namens „Equinix“ ansässig, eine US-amerikanische Aktiengesellschaft, die streng börsenorientiert arbeitet und dabei keineswegs ein kleiner Player ist. Der Equinix-CEO Peter Van Camp verfügt beispielsweise über ein Privatvermögen von über 3 Milliarden US-Dollar. Schlecht zu verdienen scheint man dort wohl nicht. Wir stellen also fest: Amazon bietet seine Dienstleistungen nicht nur US-Behörden an, damit diese besser Spionage betreiben können, sondern lässt das Ganze auch noch über amerikanische Aktiengesellschaften laufen, die an den später in der Cloud gespeicherten Informationen höchstwahrscheinlich ein genauso großes Interesse haben. Amazon macht sich von der amerikanischen Finanzelite abhängig (11,12,13).

Deutlich wird das auch bei der vierten von Wikileaks veröffentlichten Adresse, der Weismüllerstraße 25. Hier findet man den deutschen Standort der europaweit in 11 Ländern tätigen Firma Interxion, die ihren Sitz in Amsterdam hat (14). Also alles in Ordnung und die Daten „in europäischer Hand“? Wohl kaum, wenn man sich verdeutlicht, dass unter anderem die US-Investmentbank Goldman Sachs hinter der Gründung der Firma im Jahr 1998 stand (15,16).

Fazit

Das Amazon-Unternehmen AWS verkauft Cloudsysteme an die CIA und das Pentagon, welche damit besser in der Lage sein werden, gesammelte Datensätze auszuwerten. Die als Basis dieser Cloudsysteme notwendigen Rechenzentren mietet Amazon an – teilweise bei großen US-amerikanischen Aktiengesellschaften oder bei von Goldmann Sachs mitgegründeten Firmen.

Jeder von uns sollte sich daher eingehend fragen, was mit seinen Daten passiert, die – oft freiwillig – in diversen Clouds gespeichert werden. Was passiert mit unseren Daten bei Amazon? Diese Entwicklungen sollten eigentlich sogar noch mehr schockieren als Amazons ständige Steuerflucht, die miesen Arbeitsbedingungen und die massenhafte Zerstörung von zurückgesendeten Waren.


Quellen und Anmerkungen:

(1) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/julian-assange-gibt-wikileaks-chefredaktion-ab-15813596.html
(2) https://www.computerwoche.de/a/amazon-web-services-viel-cloud-fuer-wenig-geld,3223095
(3) https://praxistipps.chip.de/was-ist-eine-cloud-einfach-erklaert_41255
(4) https://produkte.web.de/online-speicher/was-ist-die-cloud/
(5) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/amazon-hilft-cia-bei-spionage-a-977328.html
(6) http://www.pcgames.de/Internet-Thema-34041/News/pentagon-projekt-jedi-cloudservice-usa-google-1266965/
(7) https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-03/donald-trump-amazon-twitter-aktie
(8) https://www.e-shelter.de/
(9) https://www.e-shelter.de/de/aws-direct-connect
(10) https://www.e-shelter.de/de/location/datacenter-frankfurt-3
(11) https://www.datacentermap.com/germany/frankfurt/ancotel-frankfurt.html
(12) http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/398462
(13) https://de.marketscreener.com/boersen-barone/Peter-F-van-Camp-4658/biography/
(14) https://www.interxion.com/de/Unsere-Standorte/frankfurt-campus/
(15) http://investors.interxion.com/phoenix.zhtml?c=238490&p=irol-SECText&TEXT=aHR0cDovL2FwaS50ZW5rd2l6YXJkLmNvbS9maWxpbmcueG1sP2lwYWdlPTczNTM5NTYmRFNFUT0xJlNFUT05NCZTUURFU0M9U0VDVElPTl9QQUdFJmV4cD0mc3Vic2lkPTU3
(16) https://www.presseportal.de/pm/14073/619676


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

Weiterlesen

Heimat der Braven
Thematisch verwandter Artikel

Heimat der Braven

Aus Sicht der US-Bürger erscheinen viele Phänomene in Deutschland nur noch grotesk. Im Jahr der Präsidentschaftswahlen lohnt sich ein Trip durch amerikanische Städte.

Unterwasserwelten
Aktueller Artikel

Unterwasserwelten

Für Jason deCaires Taylor sind die Tiefen der Ozeane heilige Räume, die er künstlerisch mitzugestalten versucht — auch, um davor zu warnen, dass sie bedroht sind.

Endspiel um die Freiheit
Aus dem Archiv

Endspiel um die Freiheit

Im Rubikon-Exklusivgespräch entlarven Ken Jebsen, Marcus Klöckner und Roland Rottenfußer die Strategien der Mächtigen zur Überwindung selbst der letzten Reste von Demokratie.