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Das Corona-Tagebuch

Das Corona-Tagebuch

Die Mutmach-Redaktion lädt die Rubikon-Leser zum kollektiven Schreiben ein. Teil 9.

Am 29. März haben wir unsere Leser aufgefordert, ihre Erfahrungen mit den Corona-Maßnahmen zu schildern. Uns erreichen erschütternde aber auch aufrüttelnde und Mut machende Schilderungen. Wir beginnen nun damit, diese Beiträge zu veröffentlichen. Sie können uns auch weiterhin Ihre Erfahrungen in diesen Wochen mitteilen. Zuschriften bitte an: mut@rubikon.news.

Sind wir bereit, uns zu verändern?

von Michael Bock

2018, als die große Influenzawelle kam, hat es auch mich erwischt. Ich lag schwerstkrank im Bett und konnte mich kaum bewegen. Die Fahrt zum Arzt überlebte ich so geschwächt, dass ich nicht mal aufrecht im Wartezimmer sitzen konnte. Ich legte mich einfach auf eine Bank und die Minuten kamen mir vor wie Stunden. Später gab es immer wieder Momente, wo ich dachte, ich muss sterben. Von den Medikamenten, die ich bekam, half nichts. So musste ich da durch, ob ich wollte oder nicht.

Bisher kannte ich das Wort „Hingabe“ nur aus schöneren Zusammenhängen, nun bekam es eine ganz andere Bedeutung. Irgendwann kam ich an den Punkt, dass mir nichts weiter blieb, als mich dieser Krankheit völlig hinzugeben.

Als es mir wieder besser ging, nahm ich mir Zeit um nachzudenken. Wie kam es dazu, dass es ausgerechnet mich so erwischte? Ich begann, in Stille zu sitzen, um mir meine Lebenssituation anzuschauen.

Ein kurzer Rückblick

Im Herbst 2017 war ich Geschäftsführer eines mittelständischen Automobilzulieferers und völlig im System der täglichen Arbeit gefangen. Die Auftragsbücher waren überfüllt, die Einführung einer neuen Software hatte meine volle Aufmerksamkeit gefordert und manchmal wusste ich nicht, ob wir wegen der Lieferrückstände den nächsten Tag schaffen, ohne einen Produktionsausfall bei unseren Kunden zu verursachen, was wahrscheinlich die Insolvenz für unser Unternehmen bedeutet hätte. Den Konzernen ist es nämlich egal, was mit ihren Lieferanten ist.

Das Hamsterrad drehte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, und ich forderte auch von meinen Mitarbeitern alles ab. Jeden Tag hing alles am seidenen Faden. Wir überlebten irgendwie.

Ich kroch, wie es so schön heißt, bereits auf dem Zahnfleisch. Dann kommt auch noch der Grippevirus, und plötzlich liege ich schwerstkrank da und kämpfe mit dem Tod. Ich musste anfangen, mein bisheriges Leben einer ehrlichen Analyse zu unterziehen. Die Kernfrage war:

Will ich das weiterhin? Will ich weiterhin so leben?

Die Antwort konnte ich mit einem klaren NEIN beantworten. Dieses NEIN war so endgültig, dass es kein Zurück mehr gab. Also stand die nächste Frage im Raum: Was wollte ich dann?

Die erste Antwort lautete: Weder mich, noch andere ausbeuten.

Die Ausbeutung in dem System, in dem ich gefangen gewesen war, hatte schließlich zur Infektion geführt. Ich hatte mich so weit von mir und meinen Wurzeln entfernt, dass das zu meinem persönlichen Systemcrash geführt hatte, endgültig. Nichts zu ändern, hätte bedeutet, bei der nächsten Welle wieder dabei zu sein und die Ausbeutung meiner Reserven weiter zu unterstützen. Das wollte ich nicht, und ich hatte auch Zweifel, dass ich ein zweites Mal überlebt hätte.

Da ich schon immer ein spiritueller Mensch war, haben mir die großen Lehrer auch in dieser Situation geholfen. Doch der größte Meister des Lebens, dem ich begegnet bin, ist die Natur. Die Quelle, aus der alles Leben entspringt.

Ich machte wieder lange Spaziergänge und freute mich an den Pflanzen, Tieren und Vögeln, die so schön ihr Lied singen, ohne an unsere materiellen Probleme zu denken. Auch lernte ich noch viel mehr über Heilkräuter und deren Wirkung. Doch damit nicht genug, ich sagte meinem Gesellschafter, ich stünde für das Jahr 2018 noch zur Verfügung, danach wollte ich aufhören.

Als Geschäftsführer hatte ich vor allem Verantwortung den Mitarbeitern und deren Familien gegenüber. Da es keine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie gab, wurde das alles in diesem Jahr geklärt und die Firma konnte auf einer neuen Basis ihrer weiteren Funktion nachgehen. Ich beschloss, mich wieder auf meine Stärken zu konzentrieren und mich dem Thema Wertschätzung zu widmen. Wertschätzung der Natur und der Lebewesen. Das war es, das wollte ich in die Unternehmen und zu den Menschen tragen.

Wie geht es mir jetzt?

Ich habe eine eigene Firma gegründet und trage das Thema Wertschätzung in die Unternehmen, die gerne eine wertschätzende Kultur haben möchten. Privat haben wir im letzten Sommer viele Heilkräuter gesammelt, meine Frau hat Tinkturen hergestellt, und ich bin noch nie so gesund über den Winter gekommen wie dieses Jahr. Gesundheit hat eben doch viel mit den Lebensumständen und mit Achtsamkeit zu tun.

„Geistig ist mein Haus“, wie Jesus es sagte, „auf Stein gebaut“ und es wirft mich nichts mehr aus der Bahn, egal welche Stürme draußen toben. Es ist ein einfacheres Leben geworden, ohne großen Schnickschnack. Nicht mehr alles haben zu müssen, befreit unendlich. Ich bin dankbar für diese Erkenntnis, die wahrscheinlich ohne diesen Virus nicht möglich gewesen wäre.

Kommen wir jetzt zur heutigen äußeren Welt

Heute hält uns der Corona-Virus in Atem. Man vermittelt den Anschein, als ob wir als Menschheit gerade so überleben würden. Diese Situation kenne ich nur zu gut. So fühlt man, wenn man ausgebeutet wird und sich völlig vom Leben entfernt hat.

In diesem Zustand sind wir nur noch leere Hülsen, die gefüllt werden von leeren Fernsehprogrammen. Und die Marketingabteilungen überbieten sich mit Versprechen, preisen uns immer mehr sinnlose Dinge an, die wir haben müssen und die uns angeblich glücklich machen. Geld ist nichts mehr wert. Es wird über Computer erzeugt, und die reichen Menschen beuten alles immer mehr aus und werden noch reicher.

Die Angst lähmt alles, und unsere Machthaber glauben, alles machen zu dürfen und sind zu einer ehrlichen Selbstreflexion nicht in der Lage. Wie auch, sie sind ja selbst nur Gefangene im eigenen System. Auch sie haben sich von ihren Wurzeln weit entfernt.

Die Welt ist in einer ähnlichen Situation wie ich damals. Natürlich ist das große Ganze viel komplexer. Doch was mir heute Sorgen macht: Das System liegt brach und alles, was versucht wird, ist ein Mehr an Kontrolle. Und damit sollen wir dann weiter machen wie bisher. Und man behandelt uns immer mehr, als wären wir, die Bevölkerung, die Bösen, und die Politiker bringen uns das Gute.

Die Regierung spielt sich geradezu so auf, als wären sie, die Politiker, unsere Eltern und wir die kleinen Kinder, denen man zu sagen hat, was sie tun oder lassen sollen. Das ist eine Anmaßung und hat mit Volksvertretung nichts mehr zu tun.

Dabei sollten wir uns doch genau die Fragen stellen, die in einer solchen Situation gestellt werden müssen:

  • Wollen wir so weiter machen?
  • Wollen wir uns, und damit meine ich die Menschen, Tiere, Pflanzen und unseren Planeten, weiterhin so ausbeuten?
  • Wollen wir weiterhin irgendwelchen Worthülsen glauben?
  • Wollen wir weiterhin gefangen sein, in diesem ausbeuterischen System?
  • Müssen wir uns nicht endlich wieder auf unsere Wurzeln besinnen und in Einklang mit dem Leben bringen?

Sollten wir nicht wieder religiös werden, was nichts anderes bedeutet als verbunden mit allem zu sein! Die Institutionen unserer Gesellschaft können das nicht leisten. Sie konnten es nie, weil es immer nur um Macht und Gier ging, niemals um den Menschen.

Diese Fragen stellen sich jetzt dringender als je zuvor. Eines ist inzwischen klar: Das jetzige System wurde soweit heruntergefahren, es wird nie mehr so werden wie vorher. Deshalb haben wir jetzt die Chance, vieles von dem Leid, das geschaffen wurde zu transformieren in konstruktive Lösungen zum Wohle aller! Wenn ein Einzelner das schaffen kann, warum sollten wir es nicht alle schaffen?

Die Veränderung beginnt mit jedem von uns, jetzt.


Das Corona-Tagebuch im Überblick:

Teil 1: Katrin McClean, Corona-Tagebuch
Teil 2: Roland Rottenfußer, Der letzte freie Tag
Teil 3: Isabelle Krötsch, Corona-Tagebuch
Teil 4: Kerstin Chavent, An das Mögliche glauben
Teil 5: Anonym, Meine Mutter und die Isolation
Teil 6: Gabriele Herb, Aufruf zur Wachsamkeit!
Teil 7: Paul Löber, Spanienbericht
Teil 8: Liselotte Korfmacher-Finke, DemokratInnen unerwünscht


Michael Bock, Jahrgang 1970, arbeitete seit 1994 in unterschiedlichsten Branchen und Positionen vornehmlich in der mittelständischen Industrie, von 2006 bis 2012 als Verkaufs-, Managementtrainer und Interimsmanager und 2012 bis 2015 am Aufbau eines e-Commerce Geschäftsfeldes. Von 2015 bis 2018 war er als Geschäftsführer in der Automotive Zulieferindustrie tätig. Seit 2019 widmet er sich in seinem eigenen Unternehmen, den Themen Wertschätzung und Enneagramm für Führungskräfte und Teams. Weitere Informationen auf www.t-geist.de.


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