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Das Netz der Lügen

Das Netz der Lügen

Wahlmanipulationen verdeutlichen die Gefahren des Internets.

Der Schock, den die Bürger der USA am sogenannten „Nine-Eleven“ erlitten, war augenblicklich verknüpft mit dem Menetekel des Einsturzes zweier Türme. Die Bestürzung am Tag der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA ist zunächst nicht mit jenem Schock am 11. September 2001 vergleichbar. Dies deshalb, weil am 8. November 2016 das volle Ausmaß der Katastrophe noch nicht sichtbar war, die sich gerade ereignet hatte.

Vordergründig hatte sie nur die Gegner Trumps getroffen. Erst die Ursachenforschung dieses für alle so wenig verständlichen Ereignisses machte einen Urknall hörbar, der die Welt des Internets erschüttert hatte und nun drohte, einen schlafenden Riesen zu wecken. Es stand der ungeheure Verdacht im Raum, dass der Wahlsieg Trumps nicht dem Wählerwillen entsprach sondern das Ergebnis einer Manipulation des Wählers über das Internet war – ausgeführt durch eine Firma namens Cambridge Analytica, die millionenfach Privatdaten von Facebook-Nutzern missbraucht zu haben schien.

Das Menetekel der unverständlichen Wahl Trumps am „Eleven-Eight“ rückte die Macht der Internet-Konzerne in den Fokus der Aufmerksamkeit des Bürgers.

Schon wenige Tage nach der Wahl ahnten die Facebook-Beschäftigten, dass Cambridge Analytica mit Hilfe der auf der Plattform hinterlegten privaten Daten von 87 Millionen Amerikanern massiv Einfluss auf die Wahl genommen hatte. Die Bürger erfuhren aus den Nachrichten Stück für Stück, welche Macht sie den Internetgiganten durch Überlassung ihrer Privatdaten in die Hände gegeben hatten. Es ging um die Macht, nicht nur unvorstellbaren Reichtum durch Analyse und Verkauf der Daten abzuschöpfen, sondern insbesondere direkt auf das Verhalten und auf das Denken der Bürger Einfluss zu nehmen und so die Demokratie auszuhöhlen.

Tatsächlich braucht man kein IT-Experte zu sein, um zu verstehen, was uns Spezialisten zum wiederholten Mal erklären: Die Macht einer internetgesteuerten Kampagne Trump'scher Prägung liegt darin, dass jeder Bürger persönlich angesprochen werden kann.

Wir müssen den ehemaligen Google-Chef Eric Schmidt ernstnehmen, wenn er behauptet, dass das von Google aus Privatdaten berechnete Persönlichkeitsprofil den Bürger besser beschreibt als dieser sich selbst kennt.

Gleiches gilt für Facebook und dessen Werbestrategien. Wenn ein Wähler zum Beispiel Hundehasser ist, wird Trump ihm schreiben, dass er die Gesetze für Haustierhaltung verschärfen möchte. Einem Hundeliebhaber wird er natürlich schreiben, dass auch er selbst einen treuen vierbeinigen Freund hatte. Wenn Trump ein Gesetz zur Steuersenkung plant, wird er einem Kleinunternehmer die Vorteile dieser Steuersenkung darlegen, während er einem Arbeitslosen die Chancen von Start-up-Unternehmen schmackhaft machen wird.

Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos, weil ausgeklügelte Algorithmen problemlos Klassifizierungen von Persönlichkeitsprofilen mit einer Palette von Angeboten verknüpfen und Nachrichten an die persönlichen Smartphones der Bürger per Twitter, Facebook oder E-Mail versenden können.

Man kann sehen, dass der öffentliche Raum als gemeinsamer Ort des Wissens und der Erfahrung aufgelöst wird, wenn private Daten nicht geschützt werden. Die Gesellschaft wird atomisiert in ihrer Fähigkeit miteinander zu entscheiden, weil jeder eine andere Information über die vermeintliche Wirklichkeit besitzt. Die zentrale Bedeutung von Fake News als Mittel der Manipulation wird sichtbar, wenn Wahrheit nicht mehr verifizierbar ist.

Das genau steht hinter der Unverständlichkeit und Widersprüchlichkeit der Reden Trumps. Es regiert die Empörung, die reine Emotion. Dies war immer schon ein Grundprinzip demagogischer Propaganda und es ist insbesondere Grundlage der Geschäftsmodelle der IT-Konzerne für den Verkauf von Werbung, um möglichst viel Aufmerksamkeit und Nutzeraktivitäten auf ihren Plattformen zu generieren.

Antonio García Martínez war bei Facebook maßgeblich mitverantwortlich für die Entwicklung von Computer-Programmen, die für eine gezielte Beeinflussung von Menschen geeignet sind. Er wurde kürzlich in einem Artikel des New York Magazine zitiert mit den Worten:

„Einige Facebook Beschäftigte fühlten sich unwohl, als sie nach Thanksgiving nach Hause kehrten. Sie hatten plötzlich die Fragen ihrer Mütter im Kopf, was zur Hölle Facebook da tun würde“ (1).

Mit García haben seither viele Ingenieure des Silicon Valley den tiefgreifenden Missbrauch des Internets bedauert. Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, fürchtet, dass aus dem Internet eine Waffe gemacht wird.

Sean Parker, einer der vormaligen Facebook-Präsidenten, verflucht die sozialen Medien als ein gefährliches Mittel der Manipulation und klagt, dass Gott allein wüsste, was sie mit den Gehirnen unserer Kinder machen.

Richard Stallman, der Erfinder der legendären Softwareprogramme GNU und Emacs, sagt:

„Das Problem bei der Sammlung privater Daten durch Konzerne ist nicht, wie die Daten in den Konzernen geschützt werden, sondern dass diese Firmen überhaupt Daten über dich sammeln, Punkt. Wir sollten sie das nicht tun lassen. Diese Daten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit missbraucht. Kein Unternehmen ist so wichtig, dass seine Existenz es rechtfertigt, einen Polizeistaat aufzubauen. Und ein Polizeistaat ist das, wohin wir treiben.“

Und Technikautor Can Duruk fügt dem hinzu: „Ohne Regulierung werden wir ständig klagen, und ändern wird sich nicht viel.“

Der schlafende Riese ist weder Facebook noch Google noch sonst ein Gigant des Silicon Valley, ganz sicher auch nicht die Politik oder die Hauptmedien. Der nun erwachende Riese ist der Bürger, die Öffentlichkeit, sind wir. Und er wird die Ursachen des Urknalls verstehen und danach handeln. Seine Waffe ist mächtig, die Waffe ist der Daten-Streik.

Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es den Einbruch in die Privatsphäre der Bürger nicht, und die Wirtschaft florierte trotzdem. Der Bürger kann sehr wohl auf einzelne im Internet angebotene Dienste verzichten, wenn er nur wirklich will. Er kann sie durch Alternativen ersetzen.

Wenn der Bürger streikt, indem er den Zugriff auf seine Daten und die Möglichkeit verweigert, ihn in jeder Sekunde zu beobachten, zu bewerten und zu beeinflussen, dann bricht das gefährliche Geschäftsmodell der global auf dünnem Eis agierenden IT-Konzerne zusammen.

Dies ist die Stunde der Bürger, um mit Konzernen und Politik unter dem ethischen Leitsatz „Vorrang des Menschen, der Gesellschaft und des Erhalts von Demokratie und Sozialstaat“ zu verhandeln. Wirtschaft und Technik haben dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Dies ist der einzige Schutz gegen den Überwachungsstaat (2, 3).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Kulwin, Noah; Meixner, Werner (Übersetzung): The Internet Apologizes Violating And Hijacking Our Attention. Interviews: Something has gone wrong with the internet. New York Magazine, 16.4.2018; http://www14.in.tum.de/personen/meixner/WasIstSchiefGelaufen.pdf
(2) Meixner, Werner: Total vernetzt - Auf dem Weg in die smarte Diktatur? Broschüre, pad-Verlag Bergkamen 2017, ISBN 978-3-88515-281-1.
(3) Meixner, Werner: Total vernetzt - Auf dem Weg in die smarte Diktatur. Langfassung des Dortmunder Vortrags vom 10.7.2017 und Materialien; http://wwwmayr.in.tum.de/personen/meixner/TotalVernetzt-AufDemWegInDieSmarteDiktatur.pdf
(Allgemein) Zum Thema Ökonomie, Geschichte, Gesellschaft und Migration siehe Bibliotherapie Bücherliste des Internisten, Psychosomatikers und Psychotherapeuten Dr. Volker Kleine-Tebbe an einer Rehaklinik im Breisgau: http://fortis-freiburg.eu/wp-content/uploads/2018/04/Bibliotherapie-10.4.2018.pdf


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