Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Das ultimative Herrschaftsinstrument

Das ultimative Herrschaftsinstrument

Nachdem auch Pandemien als Machtmittel weitgehend aufgebraucht sind, ist wohl Krieg die letzte Möglichkeit der Herrschaftssicherung.

„Herrschaftsinstrument ist eine soziologische Begriffsbildung, die sich als Bereitstellung beziehungsweise Anwendung von Mitteln definiert, um jemanden oder etwas zu beherrschen (…)“ (1).

„Es ist der grundlegende Unterschied zwischen totalitären und allen anderen tyrannischen Herrschaftsformen, daß Terror nicht nur und nicht einmal primär zur Einschüchterung und Liquidierung von Gegnern benutzt wird, sondern ein permanentes Herrschaftsinstrument ist, mit dem absolut gehorsame Volksmassen regiert werden (...)“ (2).

Diese Herrschaftsinstrumente – aufgebauschte Bedrohungen – gehen einher mit einem nanny state for the rich (3), in dem die Regierungen diesem oberen Promille nach Kräften dienen, während die Massen geschröpft werden nach dem Motto „privatize profits, socialise losses“, also „privatisiere die Gewinne, sozialisiere die Verluste“. Der (heutige) Staat dient nicht seinen Bürgern, er dient dem oberen Promille. Die Herrschaftsinstrumente sollen das verschleiern.

Rote Gefahr und Krieg gegen den Terror

Das Herrschaftsinstrument nach 1945 war der Kommunismus beziehungsweise die Sowjetunion. Abgesehen von der Propaganda stellte die rote Gefahr für das obere Promille tatsächlich eine Gefahr dar. Sie zwang die kapitalistische Klasse, einen Kapitalismus mit sozialem Antlitz zu gewähren oder zu riskieren, dass sich der Arbeiter an der Wahlurne Moskau zuwendet. Doch seit 1990 waren dem neoliberalen Kapitalismus keine Grenzen mehr gesetzt, die Daumenschrauben konnten angezogen werden. „Growing worker insecurity“ (Zitat Greenspan) brachte den Boom der 1990er Jahre, der Lohnsklave (Arbeiter) wurde mit Angst vor Jobverlust gezwungen, dem oberen Promille seine Jachten zu finanzieren…

„He (Alan Greenspan) said a lot of its success was based substantially on what he called „growing worker insecurity“. If working people are insecure, if they’re part of the precariat, living precarious existences, they’re not going to make demands, they’re not going to try to get better wages, they won’t get improved benefits. We can kick ’em out, if we don’t need ’em. And that’s what’s called a „healthy” economy, technically speaking. And he was highly praised for this, greatly admired (...)“ (4).

Mit 9/11 wurde ein neues Herrschaftsinstrument eingeführt: Krieg gegen den Terror. Schon vorher hatte Terror Verwendung gefunden, in den 1980er Jahren zum Beispiel legitimierte er im Kampf gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) eine Hochrüstung der Polizei.

Doch nun diente der Krieg gegen den Terror nicht nur als Rechtfertigung für völkerrechtlich illegale Angriffskriege der USA gegen den Irak, Afghanistan und andere Staaten, massive innenpolitische Restriktionen wie der Patriot Act konnten erlassen werden, die die demokratischen Rechte der Bürger substantiell einschränkte. Der Krieg gegen den Terror ist in Wirklichkeit ein Krieg gegen das Volk und die Demokratie.

Die Gelddruckmaschinen

Nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems im Jahr 2008 kam die Zeit des billigen Geldes. Während hohe Zinsen für die besitzende Klasse von Vorteil sind, waren die Zinsen nun nahe null. Eigentlich hätten die 99 Prozent davon profitieren müssen, doch der Geldsegen ging weitgehend an das obere Promille. Die Banken hatten über Jahre in blinder Gier ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Dennoch waren es die Banken, die durch die Geldschwemme gerettet wurden und nicht die Bürger. Just print it hatte growing worker insecurity als Motor des Profits abgelöst. Besonders zynisch ist dabei, dass der Markt für Luxusgüter besonders florierte, während sowohl die Mittel- als auch die Unterschicht Haus und Arbeit verloren. Ähnlich zynisch war das Vorgehen der EU – unter deutscher Führung – gegen Griechenland, das sich gegen das neoliberale Diktat auflehnte. Private Schulden deutscher Banken, die sich in Griechenland verzockt hatten, waren zuerst verstaatlicht worden. Mit diesen Schulden wurde dann die griechische Syriza-Regierung erpresst und geknebelt.

Corona und die Rückgewinnung der Kontrolle

Doch auch das ewige Drucken und Verteilen von Geld hat seine Grenzen. Ende 2019 stand nicht nur die Finanzwirtschaft vor dem Kollaps, es war auch eine Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs, der eine Reform des Kapitalismus forderte (5) und Bernie Sanders schien als nächster US-Präsidenten festzustehen. „Man musste etwas versuchen. Man musste die Kontrolle zurückgewinnen, koste es, was es wolle“ (6).

Mit der Coronapandemie wurde eine neue Klasse von Herrschaftsinstrument eingeführt. Die damit verbundene Unterdrückung des Volkes war weitaus größer als zuvor. Und es funktionierte.

Die durch Corona legitimierten Maßnahmen verhinderten einen Präsidenten Sanders, degradierten den Klimawandel für einige Zeit zu einem Nebenschauplatz und ließen die Gelddruckmaschinen wieder auf Hochtouren laufen. Während die Linke sich selbst zerstört hatte und die Massen gespalten und zerstritten waren wie lange nicht mehr, wurden die oberen 0,0000325 Prozent, die 2.600 Milliardäre weltweit, um über 5 Billionen US-Dollar reicher (7).

Aber auch mit einer Pandemie kann die Masse nicht ewig kontrolliert werden. Jetzt heißt es: Wir müssen kriegstüchtig werden! Denn Krieg ist die ultimative Herrschaftsform.

Krieg erlaubt diktatorische Eingriffe, Zensur, Verbot der Opposition, Gleichschaltung der Massen. Mit uns oder gegen uns! Und – essentiell – Ressourcen können buchstäblich verbrannt werden, damit der Reichtum nicht geteilt werden muss. Denn nur ein Arbeiter, der fürchtet, das Bisschen, was er hat, zu verlieren, kann kontrolliert werden. Wird der Überfluss zu groß, schwindet die Angst vor der Not und Armut als Herrschaftsinstrument versagt. Eine Kriegswirtschaft kann eine finanzielle Kernschmelze überdecken oder gar abwenden, der wirtschaftliche Niedergang kann erklärt werden, und die Massen werden kuschen, um das Wenige zu behalten, was ihnen in der Kriegszeit noch bleibt. Krieg ist somit das letzte Mittel, um die inoffizielle, regelbasierte Weltordnung, den neoliberalen Kapitalismus zugunsten einer winzigen Elite zu erhalten.

Krieg Europa gegen Russland

Es war wohl ein Freud’scher Versprecher seitens der deutschen Außenministerin, als sie sagte „Wir sind im Krieg gegen Russland“. Auch ihre Argumentation weist auf Krieg hin. Ihr Denken in Freund-Feind-Kategorien ist derart polar, dass wirtschaftliche Überlegungen darin gar keinen Platz mehr haben. Auf eine Frage nach billigem Gas aus Russland für die deutsche Wirtschaft und der Gefahr einer Energieabhängigkeit von den USA antwortet Baerbock mit Russland ist der Feind, die USA sind der Freund. Fertig.

Dieser Krieg kommt in Salamitaktik, Scheibchen für Scheibchen liefert Europa Kriegsmaterial. Es begann mit Helmen, es folgten immer schwerere Waffen. Jetzt werden deutsche Truppen nach Litauen verlegt.

Kämpfen demnächst litauische Truppen an der Seite der Franzosen in der Ukraine? Werden Flugzeuge von Litauen aus russische Truppen angreifen? Wird Russland Stellungen, beispielsweise Flugplätze, in Litauen angreifen? Werden dann deutsche Soldaten sterben? So kann der Krieg stetig kulminieren, bis Europa gegen Russland kämpft. Die USA werden abseits stehen, offiziell, um einen nuklearen Schlagabtausch zwischen den atomaren Supermächten zu verhindern, inoffiziell als wirtschaftlicher Profiteur und lachender Dritter. Die Welt wird bipolar, BRICS gegen den Westen, in beiden Blöcken werden die jeweiligen Regierungen durch den Krieg legitimiert und gefestigt.

Ein solches Szenario könnte eine lange Zeit aufrechterhalten werden. Sobald die Massen sozial aufbegehren, wird der Krieg ein wenig verschärft. Und wenn nach etlichen Jahren Krieg die Forderungen entsprechend moderat geworden sind und die Bürger lediglich warme Duschen fordern, dann kann man ihnen großzügig warmes Wasser an Sonntagen gewähren…

Es ginge auch anders

Noch nie war der in den letzten dreihundert Jahren angehäufte technologisch-kapitalistische Reichtum so groß wie heute. Allein 3 Prozent der US-Rüstungsausgaben könnten den Welthunger beseitigen (8). Die weltweiten Militärausgaben belaufen sich offiziell auf 2,4 Billionen Euro, insgesamt eher auf 3 Billionen Euro, was 75 Prozent der Summe ist, die 25 Jahre lang jährlich nötig wäre, um die Energieversorgung weltweit vollständig auf Nachhaltigkeit umzustellen (9). Mit künstlicher Intelligenz wird sich dieser Reichtum nochmals massiv erhöhen, sodass „Wohlstand für alle“ ohne Lohnsklaven in Sweatshops am anderen Ende der Welt erstmals technisch möglich wird. Eine Welt, in der „time is money“ durch „time is art“ ersetzt werden könnte und in der jeder – zumindest ein Stück weit – das tun könnte, was ihm Freude bereitet.

Corona war eine Restauration, ein 1815 für die Neuzeit.Damals folgte der Biedermeier. Aber 1848 kam dennoch.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaftsinstrument
(2) Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt a. M.: Europäische Verl.-Anst. 1957 [1955], S. 9, quoted from https://www.dwds.de/wb/Herrschaftsinstrument
(3) Dean Baker, The Conservative Nanny State: How the Wealthy Use the Government to Stay Rich and Get Richer, https://deanbaker.net/books/the-conservative-nanny-state.htm
(4) Er (Alan Greenspan) sagte, dass ein großer Teil des Erfolges im Wesentlichen auf der, wie er es nannte, „wachsenden Unsicherheit der Arbeitnehmer“ basierte. Wenn die Arbeitnehmer unsicher sind, wenn sie Teil des Prekariats sind und in prekären Verhältnissen leben, werden sie keine Forderungen stellen, sie werden nicht versuchen, bessere Löhne zu bekommen, sie werden keine besseren Leistungen erhalten. Wir können sie rausschmeißen, wenn wir sie nicht brauchen. Und das ist es, was man technisch gesehen eine „gesunde“ Wirtschaft nennt. Und dafür wurde er hoch gelobt, sehr bewundert.
https://chomsky.info/20120508/
(5) https://senfundpfeffer.wordpress.com/2023/01/01/corona-und-die-mehrheit-links-der-mitte/#sdfootnote1sym
(6) Konspirationistisches Manifest (Manifeste conspirationniste, Februar 2022), S. 50
(7) https://inequality.org/great-divide/global-billionaire-pandemic-wealth-surges/
(8) https://gigafact.org/fact-briefs/could-the-us-end-global-hunger-with-3-of-its-military-budget
(9) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2542435117300120#tbl2

Weiterlesen

Paradoxien der Einheit
Aus dem Archiv

Paradoxien der Einheit

Wer heute den Zustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beklagt und nach den Ursachen fragt, findet viele Antworten in den frühen 1990ern.