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Den Frieden leben

Den Frieden leben

Was jeder von uns für eine bessere Welt tun kann, Teil 2.

Rückblick auf den ersten Teil

Die Überlegungen, die wir (a1) im ersten Teil angestellt haben, lassen sich im folgenden Leitgedanken, der uns für unser Handeln seither als Kompass dient, zusammenfassen: Wir dürfen unsere Energie nicht weiter dem System zuführen und unsere Energie auch nicht mehr durch „Brot und Spiele“ oder „Teile und Herrsche“ sinnlos vernichten. Stattdessen müssen wir unsere Energie in Resonanz bringen und auf die Beseitigung jener Systemeigenschaften hinwirken, die zwangsläufig zum Systemversagen führen.

Diese Systemeigenschaften sind das Feind- und das Hierarchiedenken. Wir können diese Systemeigenschaften gewaltfrei beseitigen. Dazu müssen wir uns unseren eigenen Ängsten und Defiziten stellen, statt sie weiterhin nach außen zu projizieren. Alles, was wir tun oder auch nicht tun, sollten wir zuvor an diesem Leitgedanken spiegeln. Wir sollten stets prüfen, wie wir den Energiefluss lenken, ob wir das System stärken oder schwächen, ob wir mit unserem Handeln eine eskalierende oder deeskalierende Wirkung erzielen oder ob wir gerade wieder einen inneren Konflikt nach außen tragen.

Im zweiten Teil stellen wir daher eine Auswahl konkreter Handlungsanleitungen vor. 

Konkretisierung

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Änderung der inneren Einstellung

Wir erleben immer wieder, dass ein Mensch – vorzugsweise jemand in der Nähe der Pyramidenspitze – symptomatisches Verhalten zeigt. Wann immer das Feindbilddenken in uns aufsteigt, sollten wir es zur Gewohnheit machen, uns die folgenden beiden Situationen vorzustellen.

Die erste Situation: Wir sind mit diesem Menschen für zwei Wochen auf eine einsame Insel verschlagen. In den zwei Wochen kämpfen wir gemeinsam um unser Überleben und kommen ins Gespräch. Nach den zwei Wochen werden wir gerettet und haben einander und uns selbst besser verstehen gelernt. Wir sind beide nicht mehr die Gleichen wie vorher.

Die zweite Situation: Wir stellen uns diesen Menschen beim sonntäglichen Familienfrühstück vor, wie er von seinem jugendlichen Kind gefragt wird, wieso er Dinge tut, die von den Freunden des Kindes so heftig kritisiert werden. Dieser Mensch erklärt seinem Kind nun seine Sicht der Dinge. Kann sich jemand vorstellen, dass er seinem Kind eröffnet, dass er ein böser Mensch ist? Was also würde er seinem Kind erzählen? Glaubt jemand, dass er sein Kind in dieser Situation bewusst belügen würde?

Wenn wir das konsequent üben, bauen wir das Feindbilddenken ab. Wenn die Angriffe insgesamt weniger werden, können alle ein Stück weit aus ihrer Verteidigungshaltung herausgehen und beginnen, sich und ihr Handeln zu hinterfragen. Wie soll beispielsweise jemand, der sich verrannt hat, jemals wieder gesichtswahrend aus seiner Ecke herauskommen, wenn er permanenten Angriffen ausgesetzt ist und sich ständig rechtfertigen muss?

Erst wenn wir den äußeren Feind, gegen den wir uns wehren müssen, gegen den unser Inneres zusammenstehen muss, nicht mehr erleben, können unsere inneren Widersprüche die Gelegenheit nutzen, sich Gehör zu verschaffen. Das wäre gelebter Pazifismus im gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Miteinander.

Befriedung der Friedensbewegung

Wir erleben seit Jahrzehnten eine Friedensbewegung, die sich selbst paralysiert, um nicht zu sagen zerfleischt. Solange das so ist, wird die Friedensbewegung keine Strahlkraft nach außen gewinnen. Diese Friedensbewegung wirkt abschreckend beispielsweise auf die nachwachsende Generation. Die Mitglieder der Friedensbewegung springen über jedes Stöckchen, das ihnen von der Pyramidenspitze hingehalten wird.

Dabei dienen diese Stöckchen einzig und allein dem Prinzip des „Teile und Herrsche“. Diese Stöckchen sind: Antisemitismus, Verschwörungstheorie, Querfront, Kontaktschuld, politische Korrektheit in ihren verschiedenen Ausprägungen, wie Genderwahn, Hassreden, Fake-News, Lügenpresse und vieles mehr. Die Friedensbewegung verschwendet ihre Energie in diesem Selbstkampf. Die Energie fließt in das Spalten der Friedensbewegung. Die vorhandenen Kräfte heben sich auf, statt dass sie in Richtung Frieden gebündelt werden. Die Friedensbewegung stabilisiert auf diese Weise am Ende sogar noch das System.

Wenn sich ein Mitglied der Friedensbewegung beispielsweise dem Vorwurf ausgesetzt fühlt, ein Verschwörungstheoretiker zu sein, braucht es unsere Solidarität, statt ein besorgtes Abtasten aller seiner Äußerungen durch diejenigen, die sich dem Verdacht einer möglichen Kontaktschuld ausgesetzt fühlen. Mitstreiter wie Ken Jebsen oder Daniele Ganser nehmen einiges auf sich und zeigen dabei keine Machtallüren.

Trotzdem erfahren sie nach unserer Wahrnehmung eine – vorsichtig ausgedrückt – nur eingeschränkte Solidarität durch andere Friedensbewegte. Viele scheinen eher darauf bedacht, keine allzu große Nähe aufkommen zu lassen. Lieber beteiligt man sich daran, das Gesagte zu atomisieren und einzelne Aspekte zu kritisieren, die dem Menschen überhaupt nicht gerecht werden.

Man muss schon ein ziemlich dickes Fell haben, ein zweistündiges Interview zu produzieren, wenn man weiß, dass jeder einzelne unbedachte Moment herauspräpariert und einem später vorgehalten werden könnte. Wir empfinden dieses Verhalten der Friedensbewegung als Gewalt gegen die eigenen Mitstreiter. Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde. Bei einem solchen Verhalten untereinander kann man nicht ernsthaft Strahlkraft nach außen erwarten.

Stattdessen bräuchte es unserer Meinung nach ein breites Bündnis aller Friedensbewegten. Ein Bündnis, das zuallererst selbst vorlebt, wie Frieden geht. Das sich in Toleranz übt und gerne auch in Kritik von Mensch zu Mensch. Ein Bündnis, in dem miteinander und nicht übereinander geredet wird. Ein Bündnis, das ohne Feindbilddenken auskommt, zunächst im Inneren und später vielleicht auch im Äußeren. Ein solches Bündnis wäre dann auch wieder attraktiv für die nachwachsende Generation.

Das wäre gelebter Pazifismus im zwischenmenschlichen Miteinander der Friedensbewegten.

Egalisierung der Gesellschaft

Wir, die Autoren des Artikels, wie viele unser Leser sicher auch, stehen in einer humanistischen und eher linken Tradition und hängen dem Ideal einer freiheitlichen, egalitären, verbundenen und auch multikulturellen Gesellschaft an. Wir fühlen uns eher dem Bildungsbürgertum und der Mittelschicht zugehörig, haben keine ernsthaften wirtschaftlichen Sorgen und persönlich auch keine Abstiegsängste. Aus unserer sicheren Position heraus fällt es uns leicht, dafür zu plädieren, die Grenzen für Flüchtlinge weit aufzumachen. Zumal wir, wenn wir ehrlich sind, wissen, dass wir unseren Wohlstand der Ausbeutung dieser Menschen zu verdanken und auch die Fluchtursachen mit zu vertreten haben.

Wenn Menschen, die sich am unteren Ende der Wohlstandspyramide befinden, die sich um ihre Ernährung, Wohnung und Sicherheit und um die Zukunft ihrer Kinder Sorgen machen, die sich gesellschaftlich nicht anerkannt oder gar abgehängt fühlen, wenn diese Menschen also das alles anders sehen, müssen wir das doch einfühlsam zur Kenntnis nehmen. Aus deren Sicht ziehen die Profiteure der Globalisierung sogar noch unbekannte Fremden ihnen vor – tiefer kann ein Graben kaum sein.

Wenn wir gegen die Wähler der AfD polemisieren und ihnen das Wort im öffentlichen Diskurs abschneiden, bekämpfen wir Symptome und lassen uns vom Feindgedanken treiben. Wenn zunehmend von dem Pöbel, dem Pack oder ähnlichem gesprochen wird, stellt das in unseren Augen eine übergriffige Überhöhung dar, verletzt so die Würde der AfD-Wähler, leistet damit einer Wagenburgmentalität Vorschub und stabilisiert auf diese Weise letzten Endes wieder das System.

Wie die Repräsentanten des Systems spaltend und ausgrenzend und am eigentlichen Problem vorbei auf den aktuellen Fall der „Essener Tafel“ reagiert haben, spricht Bände. Das Erstarken der AfD müssen wir doch vielmehr zum Anlass nehmen, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu versuchen, die Verhältnisse in unserem Land so zu ändern, dass Flüchtlinge beziehungsweise Einwanderer bei uns wieder von einer breiten Mehrheit willkommen geheißen werden. Auch AfD-Wähler sitzen sonntags mit ihren Kindern beim Frühstück…

Das wäre gelebter Pazifismus im gesellschaftlichen Miteinander.

Energie aus dem System nehmen

Wir, die Autoren des Artikels, wie viele unser Leser sicher auch, stehen in einer aufgeklärten und demokratischen Tradition und hängen dem Ideal eines verfassten Rechtsstaats mit Gewaltenteilung und Minderheitenschutz an.

Trotzdem werden wir keine der herkömmlichen Parteien mehr wählen. Wir werden das System durch unsere Stimme nicht mehr stärken. Wir werden unsere Aufmerksamkeit auch nicht weiter dem widmen, was uns von diesem System an Schauspiel dargeboten wird. Wir werden den Vertretern dieses Systems auch keinen Respekt mehr zollen, indem wir die eine oder andere Äußerung als positiv kommentieren.

Wir werden auch nicht mehr gegen die Auswüchse des Systems, beispielsweise das Schleifen des Rechtsstaats und der Freiheitsrechte durch die Exekutive, kämpfen, da auch dieser Kampf letztlich nur das System stabilisiert. Wir setzen keine Hoffnung auf neue Parteien im herkömmlichen Sinn oder auf neue bessere Führer.

Wir halten eine repräsentative Parteiendemokratie vom Ansatz her für systemstabilisierend und setzen daher auf die Schaffung von Bürgerparlamenten (beispielhaft ist hier das Demokratieprojekt G!LT von Roland Düringer in Österreich) und auf (mono-)thematische Parteien, die beispielsweise für die Einführung der direkten Demokratie oder eines bedingungslosen Grundeinkommens eintreten. Deren Abgeordnete sind in allen anderen Fragen bei Abstimmungen nur ihrem Gewissen und nicht dem System, der Partei, der Fraktion, ihren Einflüsterern, ihrem Netzwerk oder ihrer Karriere verpflichtet.

Wir setzen darauf, dass immer mehr Menschen sich den „Freien Medien“ zuwenden. Wichtig fänden wir, die Reichweite der „Freien Medien“ kontinuierlich aufzuzeichnen und den Trend öffentlich nachvollziehbar zu machen.

Alle diese Handlungsoptionen zielen darauf ab, die Vertreter des Systems einer paradoxen Intervention auszusetzen, das System von den Menschen zu entkoppeln, dem System seine Legitimation zu entziehen, das System nicht weiter einem argumentativen Druck auszusetzen, der letztlich nur verhindert, dass die inneren Widerstände des Systems sich Bahn brechen.

Wir könnten viele weitere Handlungsoptionen aufzeigen, denken aber, dass das Prinzip klar geworden ist. Anhand des weiter oben beschriebenen Leitgedankens kann an dieser Stelle jeder für sich weitermachen. Hinter der Frage nach den Handlungsoptionen kann sich unserer Meinung nach nun niemand mehr verstecken.

Ausblick auf den dritten Teil

Im dritten Teil beschäftigen wir uns mit der Frage, warum wir nicht ohne weiteres – quasi einem inneren Antrieb folgend – ins Handeln kommen und versuchen Mut zu machen, sich doch zu trauen.

Mitmachen

Wir veröffentlichen diesen Artikel, um neue Impulse zur Weiterentwicklung unserer Idee zu erhalten, unsere Argumentationslinie zu verbessern und vielleicht auch um dem einen oder anderen zu ermöglichen, für sich eine Handlungsanleitung abzuleiten. Gerne würden wir auch Gleichgesinnte kennenlernen, uns mit ihnen vernetzen, mit ihnen treffen und gemeinsam etwas im Sinne der hier formulierten Leitgedanken auf die Beine stellen.

Wir wünschen uns von unseren Lesern, dass sie uns spiegeln, wie unser Text auf sie gewirkt hat, welche Gedanken und Gefühle er bei ihnen ausgelöst hat.


Ruben Schattevoy, Jahrgang 1961, geboren und aufgewachsen in Bonn, lebt seit 1999 in München, ist promovierter Physiker, arbeitete als Teilchenphysiker, Softwareentwickler, Bioinformatiker und Rechenzentrumsleiter und ist nun seit einigen Jahren als Projektmanager und Berater im Bereich IT-Servicemanagement tätig. Soweit möglich, pflegt er auch in seinem beruflichen Umfeld partizipative und kollaborative Umgangsformen und experimentiert seit einigen Jahren in oft schwierigem Terrain mit dem Ansatz „Führen ohne Macht“. Dieser Artikel ist das Ergebnis eines langjährigen intensiven Gedankenaustauschs mit einem guten Freund, dem der Autor auf diesem Weg nochmal herzlich dankt.


Quellen und Anmerkungen:

(a1) Ruben Schattevoy hat die hier wiedergegebenen Gedanken gemeinsam mit einem langjährigen Freund entwickelt, daher die Wir-Form im Artikel. Ebenso haben sie gemeinsam entschieden, die Texte unter dem Namen von Ruben Schattevoy an die Öffentlichkeit zu bringen.
(Allgemein) Dem Autor sind Gedanken und eine entstehende Diskussion sehr wichtig. Auf dem Blog Peds Ansichten wurde dieser Artikel zeitgleich veröffentlicht. Das Blog bietet den Lesern über die Kommentarfunktion die Möglichkeit für solch eine Diskussion.


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