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Der Liebesbrief

Der Liebesbrief

Rubikon-Leserin Gigi Bendieck schrieb demselben zum Geburtstag einen Liebesbrief.

Lieber Rubikon,

„Lassen Sie uns wissen, welche Rolle der Rubikon in Ihrem Leben spielt — warum Sie ihn lesen und lieben gelernt haben.“ Da steht er, dieser Satz am Ende des Artikels zum Valentinstag, in dem du deine Liebe zu mir als Leserin bekundest und dir von mir einen Beziehungsbericht wünschst.

Weißt du was, lieber Rubikon? Fast hätte ich bockig die Arme verschränkt und gesagt: Es ist aus! Behalt doch dein blödes Buch, das du mir dafür versprichst. Es fühlt sich an, als hättest du gerade erstmals deine dreckigen Socken auf meinem schneeweißen Wohnzimmerteppich liegen gelassen. Pffff.

Du willst wissen, warum ich dich liebe?
Woher willst du wissen, dass ich dich überhaupt liebe?!

Ich hasse alles, was mich sprachlich irgendwie manipulieren soll. Ich rieche das drei Meilen gegen den Wind. Jeder zweitklassige Verkäufer beherrscht heutzutage diese Techniken, mit denen mir Behauptungen als Fakten untergejubelt werden. Erst recht Politiker, Lobbyisten und sonstige Meinungsmacher. Ich will das nicht. Und nun du auch noch? Einen Moment lang bin ich entrüstet. Dann wird mir klar, dass ich gerade überempfindlich bin.

Außerdem ist es zu spät. Die Frage wurde gestellt und arbeitet in meinem Hirn.

Liebe ich dich denn? Was ist Liebe?

Ich mag dich. Deine Schnörkellosigkeit und Klarheit im Layout, deine Vielfalt in den Themen und dass du meine Synapsen trainierst. Ich mag deinen kritischen Geist, deine Offenheit und deinen Mut. Ich liebe es, dass die Überschriften mir bereits offenbaren, worum es im Artikel geht. Und dass am Ende eines Artikels keine Flut von Links versucht, mir meine Aufmerksamkeit zu entreißen. Oder irgendwelche Popups mir gebieten, erst meinen Adblocker auszuschalten, oder eine Einblendung verkündet, dass gerade jetzt meine 30 Sekunden kostenlose Lesezeit um sind.

Ich fühle mich dir irgendwie zugehörig. Du scheinst ehrlich zu sein. Ich finde mich oft wieder in den Artikeln. Da schreiben Menschen, die mit mir gemeinsam um ähnliche Werte kämpfen. Eher selten gibt es einen Artikel, bei dem ich mich frage, was die Redaktion bewogen hat, so einen Unfug zu veröffentlichen. Aber es ist gut, dass es auch diese Artikel gibt, damit ich nicht harmonieselig wegdusele und alles für bare Münze nehme, was da steht. Und nun fühle ich mich sogar so zugehörig, dass ich erstmalig an den Rubikon schreibe. Ihr gebt mir das Gefühl, dass man mitmachen darf. Nicht nur mit Geld.

Hat schon mal jemand versucht, bei den Werbern von NGOs am Straßenrand herauszufinden, ob man anders als mit einem Mitgliedsbeitrag am Erfolg mitwirken kann? Egal ob Amnesty, WWF, Oxfam oder Greenpeace – die wollen alle nur Kohle. Dass das bei euch nicht so ist, dafür liebe ich den Rubikon ganz besonders.

So ganz wunschlos glücklich bin ich dennoch nicht. Aber in einer guten Beziehung darf man ja auch Impulse geben. Darf ich? Ich finde, dass es noch viel mehr Positives und Mutmachendes zu lesen geben sollte. Menschen brauchen zur Veränderung gute Beispiele und positive Visionen. Davon könnte es mehr geben.

Ich muss manchmal darüber schmunzeln, dass in eurer Rubrik „Hoffnung und Utopie“ eigentlich kaum Utopisches zu finden ist. Als konsequente Optimistin erwarte ich eigentlich täglich, dass die Menschheit jeden Moment aufwacht, sich grinsend an die kollektive Stirn schlägt und erkennt, dass es auch viel einfacher, besser, schöner, gesünder, gerechter und friedlicher geht. Naja, wenigstens theoretisch wäre das möglich. Das An-die-Stirn-schlagen und breit Grinsen, meine ich. Was bei euch unter „Utopie“ steht, ist für mich begrifflich eher der Teil unserer Realität, der positiv ist. Schon jetzt.

Eine meiner persönlichen Utopien ist, dass die Menschen es schaffen, ihre wahren Träume und großen Wünsche genauso zu teilen wie ihre Ängste vor Katastrophen. Und dass niemand sofort ruft, dass das ja nur unrealistischer Blödsinn ist. Wie schön wäre es, öffentlich gemeinsam zu träumen? Einfach gemeinsam spinnen dürfen, wie sich alles zum Besseren entwickelt. Das scheint aber ungleich schwieriger zu sein als laute Schwarzmalerei.

Dabei ist die schwarzgemalte Version einer Zukunftsperspektive nicht realistischer als ihr positives Gegenstück. Allein die fehlende Denk-Fähigkeit der positiven Möglichkeit macht ihr Eintreffen aber schon unwahrscheinlicher. Es kann sich einfach niemand vorstellen, wie die positive Variante aussieht.

Stattdessen bereitet man sich auf die Katastrophe vor. Auf Messen wie der boot gibt es neuerdings Vorträge darüber, wie man mit den Auswirkungen des Klimawandels, also mit starken Sturmböen, Hochwasser und so weiter, umgehen muss. Aber es gibt keine Vorträge darüber, was man tun kann, um diese Auswirkungen zu vermeiden. Wie blöd sind wir Menschen denn?

Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr bewundere ich Martin Luther King für sein „I have a dream“. Ich glaube, ich hätte auch einen Traum: Viele Menschen haben es sich mittlerweile zur guten Gewohnheit gemacht, persönliche Visionboards mit ihren eigenen Träumen zu erstellen. Und festgestellt, dass das hilft. Vielleicht wäre es dann nur der nächste, logische Schritt, das auch zu tun mit den Träumen für eine bessere Gesellschaft und eine gesunde Lebensumgebung? Und das am besten noch gemeinsam in Gruppen. Oder online? Vielleicht sogar im Rubikon?

Lieber Rubikon, ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag.
Ich bin froh und dankbar, dass es dich gibt. Und ich freue mich auf alles, was da noch kommt.

Herzliche Grüße
Deine Gigi


Gigi Bendieck ist eine interessierte und kritische Leserin aus dem Rheinland.


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