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Der radikale Schnitt

Der radikale Schnitt

Die Öko-Katastrophe verlangt nach einem Epochenwechsel — ein paar Reförmchen hier und da werden nicht genügen.

Sein Buch „Neuordnung“ lässt das Dilemma fast durchgängig spürbar werden. Es fängt beim Titel an: Eine Umwälzung der Lebensverhältnisse, das ist ein Prozess, der gemeinhin den Begriff „Revolution“ verdient. „Neuordnung“ suggeriert, dass es ohne diese massive und schnelle Umwälzung geht, also ohne Revolution. Er fordert allerdings konkrete und schnelle Schritte hin zu einer Neuordnung der Gesellschaft, die einer revolutionären Umwälzung der Mensch-Mensch-Beziehungen gleichkommen. Aber der Reihe nach!

Klaus Moegling diagnostiziert eingangs, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit einer Beschleunigung unterliegen, die die Welt so in Unordnung bringen, dass sich viele Menschen dieser Dynamik hilflos ausgeliefert fühlen. Die „neoliberale Entfesselung“, begleitet von einer „sozialen Einhegung“, zeigt, wie stark der Kapitalismus auch in der aktuellen Phase dem Gang der Dinge seinen Stempel aufdrückt. Die davon verursachten Verunsicherungen begleitet das System mit einem gesteigerten Herrschaftsdruck, um die Macht auch dann noch zu stabilisieren.

Solange das soziale System zu einer befriedigenden Versorgung der Menschen fähig ist, kann diese Macht funktionieren. In Katastrophen, ökologischen Versorgungskrisen, daraus folgenden brutalen Verteilungskämpfen und Fluchtbewegungen sieht Klaus Moegling eine Gefährdung der gegebenen Ordnung. Er sieht Prozesse, die über die Erkenntnisse der sozialistischen Klassiker Marx und Engels hinausgehen. Die Profitgier, das Machtgebaren von Zirkeln wie der Bilderbergkonferenz im Kontext mit den Strategien internationaler Konzerne sowie ökonomische und soziale Umwälzungen fordern den Menschen heraus.

Klaus Moegling erweist sich als ein Beobachter der Gegenwart, der viele Aspekte betrachtet. Er offenbart hier aber keinen hinter die Phänomene des ökonomischen Geschehens reichenden Blick auf die Struktur der Eigentumsverhältnisse selbst. Er stellt die Frage, ob der Kapitalismus reformierbar ist, oder ob es eines Systemwechsels bedarf. Er kritisiert, dass die Ökonomie die Zivilgesellschaft dominiert. Er veranschaulicht das Problem damit, dass Hypotheken unterhalb sicherer Liquiditätsaussichten der Empfänger zur Weltwirtschaftskrise von 2008 führten. Um die Konkurrenz aller gegen alle zu bändigen, müssten die Vereinten Nationen Möglichkeiten erhalten, regulierend einzugreifen. Ein Problem in diesem Zusammenhang sei, dass die UNO selbst undemokratisch strukturiert ist.

Die Dominanz der Ökonomie über die Zivilgesellschaft ist eine frühe Erkenntnis der Studien von Karl Marx, der feststellte, dass der Stand der Werkzeugentwicklung prägend ist für die Art und Weise, wie die Menschen miteinander umgehen und wie das Eigentum in der ökonomischen Sphäre der Produktion und der Dienstleistungen organisiert ist.

Quantensprünge in der Produktivitätssteigerung durch Fortschritte in der Entwicklung der Wissenschaft und Forschung können Umwälzungen im gesamten gesellschaftlichen Organismus unumgänglich machen. So erhob die Dampfmaschine den Sieg des Kapitalismus über die Feudalherrschaft in Europa vor circa 250 Jahren zum Erfordernis, und so steht die Menschheit heute mit der Digitalisierung in einem ähnlichen Quantensprung, der keinen Stein mehr auf dem anderen belassen wird. Das Buch „Neuordnung“ berührt die dadurch bedingten Umwälzungen, geht aber auf den Kausalzusammenhang nur in Ansätzen ein.

Klaus Moegling kritisiert die Verwüstung und Ressourcenvernichtung durch den profitorientierten militärisch-industriellen Komplex und warnt vor qualitativen Sprüngen in der Waffen- und Kriegstechnologie, wie sie in der künstlichen Intelligenz unter anderem an autonomen tötungsfähigen Robotern zutage treten. Er warnt dabei auch vor einem kompletten Ende des Systems der Abrüstungsverträge, das seit der Ära Gorbatschow auch durch die Stärke der Friedenbewegung möglich geworden war.

Weitere industrielle Eingriffe in die Lebensbereiche der Erde lähmen zusätzlich die Fähigkeit der Natur, sich zu regenerieren. Moegling verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussage von Thomas Hobbes, der Mensch sei dem Menschen ein Wolf.

Er kritisiert im Folgenden die völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen von NATO-Staaten und betont, dass die NATO sich nach dem Ende des Warschauer Paktes hätte auflösen sollen, da die Ost-West-Konfrontation beendet war, in deren Rahmen sie jahrzehntelang ihre Legitimation propagiert hatte.

Die Belastungen der Biosphäre der Erde durch die immense Rüstung, die der militärisch-industrielle Komplex immer weiter vorantreibt, wird immer bedrohlicher, auch durch vermeintlich „einsatzfreundlichere“ Mini-Atom-Sprengköpfe und durch Milliarden, die in tödliche Systeme autonom agierender Künstlicher Intelligenz investiert werden.

Das Verfehlen der Klimaziele, der durch Kriege von NATO-Staaten herbeigeführte Zerfall ganzer Erdregionen und die Gefahr eines Kollapses der Weltwirtschaft hinterlassen nicht nur eine Spur der Verwüstung im Lebensraum der Menschheit, sondern in der Seele der Menschen selbst.

Die strukturelle und direkte Unterdrückung der Kräfte, die sich gegen Militarismus und Ausbeutung stellen, unterdrückt das Lebendige im Menschen, sie begünstigen seelische und auch körperliche Krankheiten, auch infolge von Drogen, die zum Einsatz kommen, um das Unaushaltbare auszuhalten.

Klaus Moegling empfiehlt zur Steigerung der seelisch-körperlichen Widerstandskraft alternative Lebensformen als Keimzellen eines anderen Lebens, Empathiebildung und Ambiguitätstoleranz zur Entwicklung einer stabileren Identität, auch im Rahmen gesellschaftspolitischer Bildung. Er stellt dabei auch Bezüge her zur humanistischen Psychologie und zur Konzeption Gandhis aus gewaltfreiem Widerstand, Nichtkooperation mit dem Geschäft des Todes und Zivilcourage.

Diese positive Kraft auf der Basis der Vision eines anderen Lebens, das dem autoritären Charakter des Zwangs und Gehorsams entgegensteht, kann helfen, die Kraft dafür zu entfalten, um sich als Mensch einzusetzen für eine Neuordnung der Welt, wie sie Klaus Moegling versteht.

Es geht dabei um Schritte hin zu einem weltumspannenden Regime, das auf regionaler Demokratie aufbaut und die Strukturen der UNO, der kollektiven Staatenbündnisse wie etwa der EU, der Organisation für Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit OSZE, aber auch von NGOs wie ICAN und Amnesty aufgreift.

Die Neuordnung muss die Entwaffnung der Nationalstaaten zum Ziel haben, damit das Gewaltmonopol lediglich auf der Weltebene der UNO verbleibt. Abrüstung ist dementsprechend eines der Basis-Elemente der Neuordnung. Hegemonialstreben und Versuchen einzelner Staaten, sich auszudehnen, ist auch durch eine Wirtschaftspolitik der Entflechtung der Großkonzerne zu begegnen. Für den kulturellen Transfer hin zum Menschen, der Gandhis Idee lebt, die Veränderung zu sein, die er für die Welt anstrebt, ist die UNESCO zuständig, Verteilungskämpfe um Ressourcen et cetera sind einzustellen, da der Schutz menschlichen Lebens Priorität haben muss vor Profit.

Eine auf erneuerbaren Energien aufbauende Kreislaufwirtschaft, die am ehesten zukunftsfähig ist, wird auch den Forderungen der jungen Ökologiebewegung von „Fridays for Future“ nahekommen. Bewegungen dieser Art, die viele Menschen mobilisieren, sind eine der Hoffnungsquellen für den Autor.

Es stellt sich mir allerdings die Frage, wie der hoch gerüstete und strategisch aufgestellte Gegner Großkapital mit derart vielen kleinen Schritten entwaffnet und entmachtet werden kann, ohne dass die Bewegungen der Lohnabhängigen und damit in erster Linie die Gewerkschaften mit einbezogen sind. Die Analyse und die Vorschläge der Neuordnung, der Ansatz dieses Buches ist insofern durch marxistisch-sozialistische Anregungen zu bereichern, um seine volle Kraft entfalten zu können, denn es ist klar, dass das gegebene System nicht zukunftsfähig ist. Das heute Machbare muss deshalb das sein, was die sogenannten RealpolitikerInnen als unmöglich betrachten. Wir haben allem Anschein nach nur noch die Möglichkeit, alle Kräfte, die überleben wollen, für das Ziel einer Gesellschaft zu mobilisieren und zusammenzuführen, die eine Gesellschaft aufbauen wollen, die als Antwort auf das Geschäft mit dem Tod ein Leben für das Leben zum Ziel hat.



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