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Der Verrückte und die Reichen

Der Verrückte und die Reichen

Argentinien hat mit überwältigender Mehrheit einen marktradikalen Exzentriker gewählt, dem man nicht bei Mondenschein über den Weg laufen möchte.

Die letzte Präsidentschaftswahl in Argentinien war wegen dieser lateinamerikanischen Variante des Hans Wurst wenigstens in keiner Phase langweilig. Auch in Argentinien sammelt jeder Pluspunkte, der mit Hasstiraden auf die amtierende Politikerkaste eindrischt. Aber während bei uns immer noch auf sehr hohem Niveau gemeckert wird, haben die Argentinier schon lange nichts mehr zu lachen und zu beißen. Die jährliche Inflationsrate liegt bei unglaublichen 145 Prozent. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell zwar nur 7 Prozent. Doch gibt es eine verdeckte Arbeitslosigkeit, und die kann auch schon mal 44 Prozent betragen (1), mit großen regionalen Unterschieden. Während es den Menschen im Großraum um die Hauptstadt Buenos Aires noch relativ gut geht, können in strukturschwachen Regionen durchaus Menschen hungern. Der Anteil der Argentinier, die unterhalb der Armutsgrenze vegetieren, liegt augenblicklich geschätzt bei über 40 Prozent (2).

Dabei war Argentinien bis in die Mitte der 1950er Jahre ein überaus wohlhabendes Land. Massenhaft wanderten die Menschen damals aus dem krisengeschüttelten Europa ein, um in Argentinien geordnete Verhältnisse vorzufinden. Die politischen Koordinaten in Argentinien sind indes anders angelegt als im Rest der Welt. Lange Zeit prägte der mit dem Faschismus sympathisierende Politiker Juan Peron die Szene. Sein autoritärer Regierungsstil ging einher mit einer aktiven Sozialpolitik. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmte für die einfachen Leute. Doch immer wieder ergriffen die Militärs die Macht und hinterließen verbrannte Erde.

Der sogenannte Peronismus bildete viele unterschiedliche Spielarten aus. Sozialdemokratische Peronisten prägten die Szene, immer wieder unterbrochen von Militärputschen. Das trug langfristig bei zu der unheilvollen Allianz von Oligarchen, Latifundisten, reaktionärem katholischen Klerus sowie peronistischen Politikern, die ein Machtpatt mehr schlecht als recht verwalten. Die immer weiter um sich greifende Arbeitslosigkeit wurde mit ständig neuen Planstellen im öffentlichen Dienst verschleiert. Im öffentlichen Dienst sind auf diese Weise derzeit 22 Prozent aller Beschäftigten aktiv (3). Ein ewiges Hin und Her zwischen halbgaren Ansätzen sozialer Gerechtigkeit und marktradikaler Kahlschlagpolitik hat das Land ruiniert.

Keine frohe Botschaft

In dieser Situation sind weite Kreise der argentinischen Gesellschaft offensichtlich bereit, jeden zu wählen, der anders aussieht als die etablierten Politiker. Dabei ist es keine frohe Botschaft, die Javier Milei verkündet. Der Staatsapparat soll sozusagen mit der Kettensäge zerlegt werden. Was nicht niet- und nagelfest ist, soll privatisiert werden. Der Staat soll nur noch dazu da sein, das Eigentum zu schützen und Rechtssicherheit zu schaffen. Alles andere soll die Privatwirtschaft regeln. Private Gefängnisse. Damit sich das rentiert, soll das Mindestalter für die Inhaftierung nach unten verlegt werden. Waffengesetze sollen gelockert werden. Statt Menschenrechten soll es nur noch das Recht auf Eigentum auf seinen eigenen Körper geben. Darum kann jeder seine Körperorgane beliebig auf dem freien Markt verkaufen. Da Kinder ja die Produkte elterlicher Bemühungen sind, können die Kinder auch verkauft werden. Schulpflicht wird abgeschafft. Es bleibt den Eltern überlassen, wie sie ihre Kinder erziehen und bilden (4).

Die gerade erst eingefädelte Mitgliedschaft Argentiniens in dem losen Staatenbund BRICS wird zum 1. Januar 2024 aufgekündigt. Der Handel mit China wird auf Null heruntergefahren. Das ist natürlich besonders waghalsig, weil die Volksrepublik China augenblicklich nach Brasilien der zweitstärkste Handelspartner des Landes am Rio de la Plata ist.

Unterstützung soll es für Israel und die Ukraine geben.

Folglich ist Milei auch schon vor seiner Amtseinführung am 10. Dezember sofort nach Washington geflogen, um sich dort mit Vertretern der US-Regierung zu treffen. Und vor Ort besuchte Milei das Grab des Rabbiners Menachim M. Schneerson, der dereinst aus der Ukraine in die USA ausgewandert war. Milei trug nicht nur die obligatorische Kipa. Er erklärte auch, in Bälde vom Katholizismus zum Judentum konvertieren zu wollen (5). Das ist schon ganz schön paradox für einen Mann, der sich am liebsten mit seinen vier geklonten Doggen umgibt und damit dem Herrgott in seinen Schöpfungsplan gepfuscht hat. Das sind allerdings Widersprüche, mit denen die römisch-katholische Kirche sich komfortabel arrangiert hat.

Milei verdankt seinen klaren Sieg unter anderem nämlich der Tatsache, dass er mit Victoria Villarruel eine Vertreterin des alten klerikalfaschistischen Klüngels als Vizepräsidentin gewinnen konnte. Villarruel ist die Tochter eines Generals der Militärjunta, die von 1976 bis 1983 Argentinien fest unter ihren Militärstiefeln gehalten hat. In jener unrühmlichen Ära sind schätzungsweise 30.000 Menschen umgebracht worden. Villarruel sagt dazu, genau wie Milei: Nein, es waren doch „nur“ 9.000 Menschen, die auf bestialische Weise umgebracht wurden. Und das war nun mal im Kampf gegen gemeingefährliche linke „Terroristen“ eigentlich nur recht und billig. Die Frau mit dem kastilisch-essigsauren Dulderinnengesicht ist zudem Mitglied der rechtsradikalen Piusbruderschaft, für die der Papst im Prinzip ein „Kommunist“ ist.

Zu Hilfe kam Milei zudem, dass die im ersten Wahlgang ausgeschiedene Präsidentschaftskandidatin Patricia Bullrich für die Stichwahl eine Wahlempfehlung für Milei ausgesprochen hat. Wen oder was also will Milei mit seiner Kettensäge denn eigentlich zerlegen? Er ist mithilfe derselben Machtkoalition in sein Amt katapultiert worden, die das Land schon seit Jahrzehnten in die Agonie treibt. In Argentinien ist jetzt wie überall in der westlichen Wertegemeinschaft die alte Politiker-Garnitur verschlissen. Überall werden die kompromittierten liberalkonservativen und sozialdemokratischen Politiker von rotzfrechen Großmäulern ersetzt, die den potenziellen Wählern alles und nichts versprechen. Um dann auch nichts anders zu machen. Außer dass der Staat noch rascher und konsequenter als bisher an die Wand gefahren wird.

Es stellt sich also hautnah die Frage, wer hat diesen ausgeflippten Exzentriker Javier Milei in den Sattel geschubst? Und was erhoffen sich die großzügigen Gönner davon?

Milei ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und unterhält keine Beziehungen mehr zu seinen Eltern. In der Schulzeit spielte er Fußball. Seine Kameraden haben ihn nur „El Loco“, den Verrückten, genannt. Dieser Spitzname sollte sich aus naheliegenden Gründen dauerhaft etablieren, und auch die erste Biografie über Milei trägt den Titel „El Loco“ (6). Zudem gilt Milei als cholerisch-aufbrausend. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, brachte es sogar zum Abschluss. Und ist dann ziemlich schnell als Ökonom ins Berufsleben eingestiegen. Da arbeitete er eine Weile bei der skandalumwitterten HSBC-Bank.

Selten erwähnen die Medien, dass Milei auch Berater der argentinischen Regierung beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten gewesen ist. Diese skandalöse internationale Institution ist leider vollkommen unbekannt. Sie wurde 1965 gegründet. Es gehören ihr mittlerweile 156 Staaten dieser Erde an. Diese Abteilung der Weltbank stellt ein Schiedsgericht zur Verfügung, das immer dann aktiv wird, wenn ein Globalkonzern sich bei seinen Investitionstätigkeiten durch die demokratisch legitimierten Entscheidungen nationaler Regierungen gestört fühlt. Die Jury arbeitet absolut unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Jury-Vorsitzende ist fast immer ein Wirtschaftsanwalt der Konzerne. Und so nimmt es nicht wunder, dass diese Jury fast immer zugunsten der Globalkonzerne entscheidet. So manche Umweltschutzmaßnahme ist auf diese Weise zu Fall gebracht worden. Die angedrohten Strafsummen bei Zuwiderhandlung seitens der Nationalstaaten bewegen sich im dystopischen Milliardenbereich. Was Milei bei dieser Schiedsstelle gemacht hat, ist nicht bekannt.

Einflussreicher Mentor

Dann beriet Milei noch den Putschistengeneral Antonio Domingo Bussi, der zweimal als Gouverneur der argentinischen Provinz Tucumán regiert hat. Einige Lehraufträge an Universitäten sind noch zu erwähnen. Als Titularprofessor an der Universität Belgrano legte er die Messlatte für seine Studenten so hoch, dass niemand die Prüfung bestand. Weil Milei zudem in seiner cholerischen Art die Studenten nicht nur beschimpfte, sondern sogar beleidigte, wurde er seines Lehramtes wieder enthoben. Doch ab dem Jahre 2008 kehrt Ruhe ein in das Erwerbsleben des Javier Milei. Er arbeitet bis 2021 beständig in der Firma Corporación America seines väterlichen Mentors Eduardo Eurnekian. Eurnekians Vater war in den 1930er Jahren aus Armenien nach Argentinien eingewandert und reich geworden mit einem Textilunternehmen. Das Textilunternehmen musste 1981 schließen. Eduardo Eurnekian erlangte jedoch mit einem Medienunternehmen erneut Reichtum. Er verkaufte sein Medienkonglomerat mit großem Gewinn und betreibt jetzt in Konzession 53 Flughäfen in aller Welt.

Doch auch Großprojekte im Verkehrswesen hat er zumindest angedacht. Mit der Planung einer neuen öffentlich-privat finanzierten Straße von Argentinien mit Tunnel durch die Anden nach Chile beauftragte Eurnekian seinen Schützling Milei. Auf diese Weise gelangte Milei zu seinem ersten und bislang einzigen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahre 2014. Denn Eurnekian sponsert den WEF und wird deswegen auch als Mitglied geführt (7). Und so schickte er Milei in eine ziemlich unwichtige Podiumsdiskussion des WEF über die Nutzung von „Humankapital“ in Lateinamerika. So wird auch Milei beim WEF auf der Webseite erwähnt (8). Dieses marginale Referat Mileis, das er noch nicht einmal auf Englisch vortragen kann, ist alles, was er mit dem WEF zu tun hat (9).

Es sind andere Kräfte, die Milei nach oben katapultieren werden. Doch zunächst muss er sich erst einmal in den Medien profilieren. Mileis Gönner Eurnekian nutzt seinen Einfluss, um seinen Protegé in einschlägige Talkshows und Radiosendungen zu boxen. Eurnekian bezahlt auch einen Trainer, der Milei fit macht für mediale Formate (10). Und so schwatzt Milei in Talkshows über Gott und die Welt und gewinnt schnell Zuspruch, weil er frei von der Leber weg alles anpöbelt, was ihm gerade über den Weg läuft. Mit dem beliebten Sportreporter Alejandro Fantino zieht er vom Leder gegen Liberale und „Kommunisten“ (11). In seiner eigenen Radiosendung demoliert er regelmäßig Lehrsätze, die er für Mythen hält. Milei ist bereits lange vor seinem Einstieg in die Politik im Jahre 2020 in ganz Argentinien bekannt wie ein bunter Hund (12).

Vor drei Jahren also beschließt Milei, Politiker zu werden. Und zwar als Prophet einer neuen, noch radikaleren Richtung des Marktradikalismus, wie man sie bislang noch nicht kannte: dem Anarcho-Kapitalismus.

Marktradikal war bereits die faschistische Junta, die von 1976 bis 1983 im Land ihr Unwesen trieb. Neben Chile und Uruguay war Argentinien das dritte „Versuchslabor“, das Marktradikale mithilfe des US-Geheimdienstes CIA unterhielten, um am Freilandexperiment zu erproben, ob die an der Universität Chicago von Milton Friedman entwickelten Lehrsätze auch Gültigkeit besitzen. Allerdings setzt diese Spielart des Marktradikalismus immer noch einen durchaus proaktiven Staat voraus, der die Dinge im Sinne der Globalkonzerne ordnen soll. Der Anarcho-Kapitalismus ist ein relativ junger Zweig des Marktradikalismus.

Der Staat ist nach der Auffassung von Murray Rothbard lediglich eine kriminelle Vereinigung, die den Bürgern widerrechtlich unter legalistischen Vorwänden Eigentum stiehlt. Die Politiker und die staatlichen Einrichtungen sind demzufolge immer Parasiten. Darum ist die Zerschlagung des Staates geradezu sittlich geboten. Im Jahre 1973 veröffentlicht Rothbard ein sogenanntes Libertäres Manifest, in dem er die Grundsätze des Anarcho-Kapitalismus darlegt (13). Jeder Mensch hat das Eigentumsrecht auf sich selber. Er kann selber bestimmen, ob er Drogen nimmt, egal welche; ob er Waffen trägt, wo und wann auch immer; er kann 250 Stundenkilometer auf der Straße fahren, wenn er sich das zutraut. Irgendwelche Beschränkungen solcher Eigenmächtigkeiten stehen dem Staat nicht zu.

Natürlich ist Rothbard nicht ganz von selber auf solche verwegenen Ideen gekommen. Vielmehr steht hinter Rothbard von Anfang an eine starke Gemeinschaft, nach deren Bedürfnissen er seine private Ideologie zurechtschneidert. Zunächst gründet Rothbard mit dem Geld des texanischen Ölmagnaten Charles Koch das erzkonservative Cato-Institut, um die Ideologie des Marktradikalismus in ein wissenschaftliches Gewand zu hüllen und um in Ruhe politische Strategien zur Machtergreifung auszubrüten (14). Doch Anfang der 1980er Jahre überwarf sich Rothbard mit Charles Koch und gründete das Ludwig von Mises Institut in Alabama. Das Aufgehen seiner Saat sollte Rothbard indes nicht mehr erleben. Er starb im Jahre 1995.

Erstes erfolgreiches Etappenziel

Die Zerschlagung der Staaten vollzieht sich in mehreren Phasen. Zunächst ruinieren in die Regierungen eingeschleuste Marktradikale die Staatsfinanzen. Die jetzt ans Tageslicht tretende Handlungsunfähigkeit wegen Insolvenz, wie sie mit dem sogenannten Government Shutdown in den USA allzu sichtbar wird, ist das erste erfolgreiche Etappenziel der Marktradikalen. Politiker und Staatsbeamte, die handlungsunfähig geworden sind, geben jetzt den marktradikalen Beweis ab, dass der Staat nichts taugt und seine Akteure alle nur Gauner sind. Die Volkswut wird auf den Staat an sich gelenkt.

Dabei ist tatsächlich der Staat, so unzulänglich er auch sein mag, immer noch der letzte Großorganismus, der den totalitären Machtanspruch der Globalkonzerne in die Schranken weisen könnte.

Dies ist die Stunde der Anarcho-Kapitalisten. Jetzt gilt es, auch noch die letzten Mauerreste gegen die neofeudale Unterwerfung der Menschheit unter den digital-militärischen Komplex zu schleifen. Um dem Staat die Gnadenkugel zu verpassen, gründete 1981 der britische Unternehmer Antony Fisher das Atlas-Netzwerk. Fisher war reich geworden durch den großformatigen Einsatz industrieller Legehennen-Fabriken in Europa. Mit seinem Geld wollte er dann die „unternehmerische Freiheit“ fördern. Das Atlas-Netzwerk gibt Rat und Anschub-Geld für marktradikale, anarchokapitalistische Denkfabriken in allen möglichen Ländern der Welt. Atlas hilft, Neugründungen mit akquirierten Spendengeldern und Staatszuschüssen auf eigene Beine zu stellen. Auf diese kostengünstige Weise hat Atlas bereits einige hundert Ausgründungen auf den Weg gebracht. So gibt es allein zehn Organisationen des Atlas-Netzwerkes in Argentinien. Der zentrale Koordinator dieser marktradikalen Organisationen ist der argentinische Ökonom Alberto Benegas Lynch. Lynch ist auch eine wichtige Figur in der Mont-Pèlerin-Gesellschaft, von der alle marktradikalen Aktivitäten ausgingen (15).

Und damit sind wir endlich wieder bei unserem Protagonisten Javier Milei. Milei beruft sich ganz offen auf Alberto Lynch (16). Lynch ist Mileis Guru, nichts weniger als das. Milei ist ständiger Gast bei den Atlas-Ausgründungen Fundacion Federalismo y Libertad, bei Instituto Libertad y Progreso sowie der Fundacion Atlas (17). Dieses Netzwerk hat Javier Milei als ihren Vollstrecker marktradikaler Agenda ausersehen. Deswegen dekorierte die Fundacion Atlas Javier Milei mit ihrem Liberty Price bereits im Jahre 2018. Lynch hat Mileis Karriere geplant und ihm das anarchokapitalistische Programm mit auf den Weg gegeben. Letztlich führen alle Wege des Atlas-Netzwerks direkt nach Washington, zur Regierung der USA. Und zwar heißt das Verbindungsglied zwischen Atlas Lateinamerika und der US-Regierung: Center for Dissemination of Economic Knowledge for Liberty (kurz: CEDICE). Dieses Center bekommt Geld und strategische Unterweisung aus Washington durch die Regierungsorgane National Endowment for Democracy und die U.S. Agency for International Development (18).

Das ist nun allerdings anders gelaufen als der frühere Förderer von Milei, Eduardo Eurnekian, sich das erhofft hatte. Der mittlerweile neunzigjährige Flughafen-Unternehmer saß neulich zwar in der ersten Reihe, als der gewählte argentinische Präsident Milei den anwesenden Unternehmern entgegenschrie: „Der Staat sitzt Euch im Nacken! Ich werde ihn von Eurem Nacken holen!“ Und obwohl mit Nicolas Posse ein ehemaliger Spitzenmanager von Eurnekians Imperium als Stabschef der Regierung fungiert, ist der alte Oligarch nicht wirklich glücklich über seinen politischen Sprössling. Eurnekian bekannte der Financial Times, dass er von der Dollarisierung Argentiniens gar nichts halte und zudem die abrupte Beendigung der Handelsbeziehungen zu China für nicht durchführbar und zudem für verhängnisvoll. Auch missbillige er Mileis Schmähung der peronistischen Politiker als „Verbrecher“ und ebenso dessen Beleidigung des Papstes als „Schwachkopf“ (19).

Hier zeigt sich der Funktionswandel politischer Marionetten in Lateinamerika und anderswo auf der Südhalbkugel. Immer schon haben sich Oligarchen in Fassadendemokratien talentierte Personen ausgesucht, die sie dann mit viel Geld und einflussreichen Verbindungen zu Staatslenkern aufgebauscht haben. Doch diesmal ist der nationale Oligarch von einem mächtigen internationalen Netzwerk ausgebootet worden.

Ob es Javier Milei tatsächlich gelingt, den Staat Argentinien und dessen Machtkartell zu zerschlagen, und ob er das überhaupt wirklich vorhat, das werden wir sehen. Eine politische Hausmacht hat er jedenfalls nicht. Seine Partei La Libertad Avanza hat nur wenige Sitze im Parlament. Politische Kräfte werden sich Milei in den Weg stellen, wenn er mit der Kettensäge hunderttausende Bedienstete im öffentlichen Dienst arbeitslos machen will. Sollte er wirklich mit China und womöglich mit Brasilien als Handelspartnern brechen, dürfte das die argentinische Wirtschaft noch mehr in Schieflage bringen.

Doch man soll solche bizarren Extremlinge wie Milei keinesfalls unterschätzen. Auch Otto von Bismarck galt am Anfang seiner Kanzlerschaft als durchgeknallter Wirrkopf. Ebenso Adolf Hitler oder Maggie Thatcher.

Niemand hatte am Anfang geglaubt, dass diese schrägen Vögel mit ihrer Agenda allzu weit kommen würden. Doch sie kamen durch. Weil ihre Gegner nicht erkannten, dass hier eine radikal neue Agenda aufgelegt und durchgezogen wurde. Auch hat niemand mit der Brutalität gerechnet, mit der alle drei Extremisten ihre neue Ordnung durchzusetzen wussten. Vielleicht kommt es diesmal anders. Einfach weil die Öffentlichkeit rechtzeitig über die Agenda informiert ist.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.deutschlandfunk.de/verarmt-enttaeuscht-empoert-100.html
(2) https://www.spiegel.de/ausland/argentinien-mehr-als-40-prozent-der-menschen-unter-armutsgrenze-a-23070e21-d2c9-4f39-8be4-190a7c12c33a
(3) https://papers.gws-os.com/L%C3%A4nderreport-29_AR.pdf Seite 2
(4) https://www.watson.ch/international/argentinien/354797004-javier-milei-so-steht-er-zu-organhandel-klonen-und-abtreibung
(5) https://www.smh.com.au/world/south-america/the-pro-israel-world-leader-who-is-converting-to-judaism-20231128-p5enck.html
(6) https://www.eldiarioar.com/economia/eurnekian-ayudo-milei-entrar-politica-medios_1_10370106.html
(7) https://www.weforum.org/people/eduardo-eurnekian/
(8) https://www.weforum.org/people/javier-gerardo-milei/
(9) https://www.youtube.com/watch?v=5IHa8OzqiTw&t=31s
(10) Das wird ausführlich beschrieben im Text Fußnote (6)
(11) https://www.youtube.com/watch?v=6UOHGuaqzYs
(12) https://www.youtube.com/@JavierMileiOK
(13) https://mises.org/library/new-liberty-libertarian-manifesto
(14) https://www.cato.org/
(15) https://www.desmog.com/2023/08/22/javier-milei-argentina-atlas-network/
(16) https://www.lanacion.com.ar/lifestyle/el-padre-de-la-criatura-quien-es-el-procer-de-los-liberales-que-milei-cita-de-memoria-en-sus-nid16082023/
(17) https://www.libertadyprogreso.org/?s=milei&lang=es
(18) https://the-revolution-report.com/articles/who-funds-the-far-right-in-argentina-latin-america-and-the-world-the-oligarchs-of-atlas-network-and-other-mafias/
(19) https://www.ft.com/content/2cc06399-8214-4a49-a195-4b5be3d32752

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