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Die Anti-Demagogen

Die Anti-Demagogen

Heute leisten Kabarettisten jene Aufklärungsarbeit, die Journalisten leisten sollten. Exklusivabdruck aus „Krieg und Frieden in den Medien“.

Peter Becker: Meine Damen und Herren, ich glaube, Max Uthoff müssen wir nicht vorstellen. In der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), die hier in Kassel bevorzugt gelesen wird, wird er Deutschlands wichtigster Kabarettist genannt.

Max Uthoff: Herr von Wagner ist auch wahnsinnig gut und talentiert, und dann gibt es noch ganz viele andere, die auch ganz gut sind.

Peter Becker: Aber jetzt muss ich Ihnen natürlich hier ein Kompliment machen und ich stehe auch total dahinter, denn für uns beide ist der erste Dienstag im Monat immer der schönste Abend beim ZDF-Gucken. Und er ist ja auch Volljurist, das ist natürlich hochinteressant, und war dann in der Sendung von Urban Priol „Neues aus der Anstalt“ der Anstaltsjurist. Er hat bestimmt auch dazu beigetragen, dass dann die Klage von dem Zeit-Herausgeber Josef Joffe beim Bundesgerichtshof abgewiesen wurde.

Max Uthoff: Leider nicht, das war die fantastische juristische Abteilung des ZDF. Es tut mir leid, ich kann mir diese Lorbeeren leider nicht anheften. Tatsächlich hat die Abteilung der Juristen der ZDF-Redaktion den Rücken gestärkt, und wir hatten tatsächlich nach der ersten Instanz, als wir gewonnen haben und dann die Zeit in die Berufung gegangen ist, großen Spaß an der Sache entwickelt und haben mit viel Leidenschaft, das ist wirklich erstaunlich, große Schriftsätze geschrieben und wir haben dann ja auch vor dem BGH in allen Punkten Recht bekommen.

Peter Becker: Wunderbar.

Max Uthoff: Ich darf so unbescheiden sein, zu sagen, hätte ich das gemacht, wäre es voll in die Hose gegangen.

Peter Becker: Wir haben an Sie die Bitte, uns jetzt einen Einblick in Ihre Arbeitsweise zu gewähren. Also wie machen Sie das, dass die Anstalt eben nicht nur Kabarett ist, sondern politische Aufklärung in einer wunderbar eingängigen Art und Weise? Meine Liebste ist Pädagogin, und ich weiß nicht, ob sie das so gut gekonnt hätte, wie das die Anstalt macht.

Max Uthoff: Ich glaube, da wird das Eis gerade ganz dünn, da muss ich rettend einschreiten. Wir, Claus und ich, haben häufig nach der Vorstellung Lehrer, die zu uns kommen und uns sagen, dass sie ganze Folgen der Anstalt im Unterricht schauen und diskutieren lassen, was uns freut wie Bolle, weil ich nicht glaube, dass wir subversiver wirken könnten als auf diese Art und Weise.

Claus nennt unsere Sendung ja immer spaßeshalber „die Sendung mit der Maus für Erwachsene“. Wir versuchen Aufklärung, wir haben es aber gerade bei Georg Schramm und Volker Pispers gesehen, das ist auch Aufklärung. Die mögen keine Tafel benutzen, aber man erfährt da auch wunderbare Dinge, die man vielleicht so in dieser Form nicht um 9 Uhr abends im ARD oder ZDF, schon gar nicht bei RTL oder SAT1 bekommt.

Wir haben tatsächlich, wir machen die Sendung ja zu dritt, das heißt, wir schreiben die Sendung zu dritt, wir recherchieren zu dritt, wir haben einen großartigen Mitstreiter, der für uns noch mitrecherchiert, Ekkehard Sieker, der da vorn in der zweiten Reihe sitzt, bei dem wir uns gar nicht genug bedanken können für den fantastischen Faktencheck, den er praktisch im Alleingang macht. Wobei die Länge des Faktenchecks manchmal schon ins Satiremäßige lappt, finde ich, wenn wir bei 80 Seiten ankommen. Grundsätzlich arbeiten wir basisdemokratisch, Claus und Dietrich (Krauß), die beide aus dem Journalismus kommen, und ich setzen uns zusammen. Die zwei haben schon mindestens 15 Bücher gelesen, und ich bringe die Schokolade mit.

Dann wird diskutiert und abgestimmt und meistens, weil wir nur 45 Minuten Zeit haben, dass aus Zeitnot irgendwann meistens noch die Pointe rausfällt, die kleine Leichtigkeit rausfällt, um es noch dichter zu machen, um die Information noch reinzubringen. Das führt dazu, dass wir ein hohes Tempo haben und auch eine hohe Dichte, was die Information betrifft in den Dialogen. Da wird lange gefeilt von uns, um noch möglichst alles unterzubringen. Das führt manchmal zu Ergebnissen, mit denen ich sehr zufrieden bin. Ein, zwei Mal gab es das schon, dass mir ein bisschen die Leichtigkeit gefehlt hat, dass sozusagen der Grundtenor der Sendung ein bisschen zu schwer war im Nachhinein.

Wir sind relativ einsame Streiter, wir sitzen in einem unfassbar scheußlichen Büro und müssen jetzt auch umziehen und sitzen zu dritt zusammen. Am schönsten ist eigentlich der erste Tag, wenn man sich trifft, und dann komme ich mir immer vor wie diese, kennen Sie „Asterix auf Korsika“, da gibt es doch diese alten Männer, die immer auf der Bank sitzen und die ganze Zeit so vor sich hin schimpfen. Genauso sind wir am ersten Tag, da treffen wir uns und dann legen wir ungefähr fest, wohin es geht, mit dem Thema der Sendung und dann wird wirklich einfach geschimpft, wie Rohrspatzen, über das, was uns am meisten nervt, „Hast du das schon gewusst, hast du das schon gelesen?“, denn, das wissen wir alle, man kann halt nun mal nicht alles lesen und es gibt unheimlich viele Informationen.

Frau Dahn hat ja vorhin in ihrem Eröffnungsvortrag auch schon gesagt, dass das letztlich Leuten, die das nicht beruflich machen, eigentlich gar nicht zuzumuten ist, aus dieser Informationsfülle sozusagen eine Schneise der Orientierung zu schlagen. Wer kann das schon leisten, wenn er den ganzen Tag gearbeitet hat und abends noch zwei Kinder ins Bett bringt? So albern das klingt, da müssen wir ran und versuchen, das unterhaltsam zu verpacken, und ich hoffe, dass uns das meistens gelingt.

Peter Becker: Das kann man wohl sagen. Also die Fragen, die ich mir aufgeschrieben habe, sind zum Teil bereits beantwortet, aber wir haben hier natürlich ein wichtiges und zentrales Thema. Deswegen gibt es hier auch so viele Weißhaarige, wir sind Teil der Friedensbewegung.

Max Uthoff: Sieht aus wie normales Kabarett-Publikum, ich fühle mich wie zu Hause.

Peter Becker: Unser Thema ist Krieg und Frieden in den Medien, und die Art und Weise, wie Sie die Kriegsberichterstattung vorhin in der Genesis in der Ukraine-Anstalt beschrieben haben, war grandios, und ich möchte Sie fragen, können Sie das eigentlich machen? Klar, im Grundgesetz steht, eine Zensur findet nicht statt. Aber haben Sie nicht manchmal Druck von oben?

Max Uthoff: Wo wir so jetzt unter uns zusammensitzen: Wir haben tatsächlich, man glaubt es nicht, überhaupt keinen Druck bis jetzt bekommen. Es gab keinerlei Zensurmaßnahmen, die Redaktion steht hinter uns. Es gab ein, zwei Mal leichte Anklänge einer Kritik, wo uns Anti-Amerikanismus vorgeworfen wurde. Ich weiß nicht, wie das zustande kam, aber sagen wir es so, wenn man zehn Minuten Amerikas Außenpolitik im Nahen Osten analysiert an einer Tafel und einen wilden Ritt durch die Schweinereien veranstaltet, dann sollte man immer noch den einen Satz einbauen — „Putin ist aber auch nicht besser“ — und dann hat man das relativ gut ausgeglichen. Dann ist man schon auf der sicheren Seite — halbwegs.

Diese Nummer, die wir gerade gesehen haben, war notwendig zu dem Zeitpunkt in der Dramatik, auch in der Hektik, die sie vermittelt. Wir wollten, dass es so aussieht wie ein Kriegsfilm, Schwarz-Weiß-Film, weil damals, das haben wir uns ja nicht ausgedacht, tatsächlich auch der Spiegel, die Zeit und andere unfassbar militaristisch zu Werke gegangen sind. Der Spiegel vor allen, die alter Landser-Postille aus Hamburg, auch die Zeit war da ganz vorne dabei.

Uns wurde angst und bange, ganz ehrlich, das war einer der Momente, wo sich die Gefühle verdichtet haben, die wir ja in den letzten Jahren unterschwellig immer mal wieder sehen.

Es ist dann fast schon, Respekt vor der Fantasie und der Mühsal, die die Springer-Redaktion in der Welt und der Bild veranstaltet, um möglichst irgendwann mal doch einen Kriegsgrund gegen Putin zusammenzuzimmern, da geht man doch mit viel Leidenschaft und Fantasie zu Werke.

Ich erinnere mich als damals, Sie erinnern sich auch, als 12 oder 14 Computer im Deutschen Bundestag angezapft worden sind, von irgendjemandem, wahrscheinlich war es der russische Geheimdienst, wo ich mir sage, den halte ich für so gut, dass er, wenn, dann alle anzapft. Dann wurde wirklich in der Bildzeitung versucht, über Artikel 5 des NATO-Vertrages einen Angriffsfall zu konstruieren. Man hat auch tatsächlich einen NATO-Offizier gefunden, der gesagt hat: „Ja, es muss jetzt kein militärischer Angriff sein, sondern es muss nur ein Angriff sein, der großen Schaden hervorruft.“

Damit sind wir dann kurz vor Dr. Seltsam und Stanley Kubrick und das schwappt dann schon ein bisschen ins Wahnhafte. Wahrscheinlich ist dann selbst der Bildzeitung eingefallen, dass der Schaden von 12 Computern im Deutschen Bundestag, selbst wenn alle Computer des Deutschen Bundestages nicht funktionieren würden, ich weiß nicht, ob der Begriff „Schaden“ da angebracht ist, aber das bilden wir uns ja nicht ein.

Heute glaube ich, Sie teilen ja sicher ein ähnliches Gefühl, dass wir eine Berichterstattung haben über Russland oder Putin, die ja doch relativ einseitig ist und aus derselben Ecke kommt. Ich glaub, ich muss das jetzt nicht immer noch unbedingt dazusagen, ich tue es trotzdem, ich möchte auch nicht unter Wladimir Putin Satire machen, ich halte ihn für einen homophoben Autokraten, aber trotzdem ist die Berichterstattung, die sich hier bahnbricht, seit einiger Zeit von einer fast eindimensionalen Idiotie geprägt und eigentlich auch zu durchschaubar.

Ja, das hat uns damals einfach besonders wütend gemacht, deswegen musste die Nummer knallig sein und die war es auch, ich bin ganz erschrocken eigentlich. Damit waren wir auch nicht mehr so wahnsinnig gern gesehen als Sendung. Es gab dann eigentlich keinen einzigen Bericht mehr in der großen bürgerlichen Presse über uns. Also weder Spiegel, Spiegel-Online, Welt: Wir kommen nicht mehr vor. Ich persönlich finde das ganz gut. Ich mag das, unter diesem Radar zu segeln, hat für mich großen Unterhaltungswert, und ich finde es ganz gut, wenn man sich um die Seite nicht kümmern muss.

Peter Becker: Also die Information, die Sie vorhin gegeben haben, nämlich dass die Anstalt Lehrmittel in Schulen wird, ist doch ganz grandios.

Max Uthoff: Ja, ich weiß nicht. Sicherlich nicht im offiziellen Stundenplan, aber es ist doch schön. Claus und ich haben tatsächlich in einer offiziellen Statistik hohe Einschaltquoten bei jüngeren Menschen unter 25, prozentuell sehr, sehr stark wird da geguckt. Und ich merke das auch bei mir im Publikum, bei Solo-Veranstaltungen, Claus auch. Wir kriegen regelmäßig von den Veranstaltern gesagt, dass das Publikum deutlich jünger ist als bei anderen Kabarett- oder ähnlichen Veranstaltungen, und das macht mir schon Hoffnung. Wir hatten ja lange Zeit im politischen Kabarett die Angst, dass das überaltert und dass die Jungen eher bei Attac oder anderen Formen ihren Protest ausdrücken und sich informieren. Was ja okay ist, nur für mich als Kabarettist wahnsinnig schlecht, weil dann in fünf Jahren keiner mehr kommt. Dem ist aber anscheinend nicht so, deswegen werden wir da im ZDF als Wahrheits-Schwadron weiterarbeiten.

Peter Becker: Also wir haben uns jetzt gerade für eine der nächsten Live-Sendungen angemeldet, und ich kann Ihnen als 77-jähriger sagen, wir ziehen den Durchschnitt ein bisschen nach oben.

Max Uthoff: Nicht beim ZDF, 77 ist beim ZDF, glaube ich, eher so die Regel, alle anderen Jüngeren unter 50 ziehen ihn ein bisschen nach unten. Wir müssen jetzt leider umziehen in ein neues Studio und bekommen eine neue Kulisse. Ich hoffe, dass Sie sich alle damit anfreunden können. Wir hatten am Anfang ein bisschen Schwierigkeiten, aber jetzt wird es langsam. Die Themenliste ist lang, es gibt natürlich viele Themen, die ganz oben stehen und die gemacht werden müssen, die gemacht werden wollen von uns, wir wollen die machen. Bei manchen spürt man unbewusst ein bisschen Zurückhaltung bei sich selbst, weil man weiß, es ist so wahnsinnig umfangreich, dass man nicht weiß, ob man das in zweieinhalb Wochen irgendwie auch nur in eine Form kriegt und sich dann auf Teilaspekte konzentrieren muss.

Aber, das mit der Wahrheits-Schwadron war natürlich nur ein Witz, wir sind auch nicht diejenigen, die glauben, dass wir die Wahrheit gepachtet haben. Wir vertreten unsere Meinung nach Auswertung von Informationen.

Wir lesen fleißig und dann kommen wir zu einem Entschluss und zu einer Meinung und versuchen, die satirisch zu präsentieren und sind letztlich ein kleiner Teil einer Gegenöffentlichkeit, die vielleicht stattfindet. Wir haben die Chance, um zehn Uhr abends in einem Mainstream-Medium etwas zu sagen, was, wie Frau Dahn in ihrem Vortrag richtig bemerkt hat, sonst vielleicht nur in einer Dokumentation auf Arte abends um Viertel nach zwölf oder Viertel vor eins gezeigt werden würde oder in einem Sieben-Minuten-Bericht bei Monitor oder dergleichen. Das heißt, wir haben die Chance, Zweifel und Fragen zu multiplizieren vor einem großen Publikum, und die versuchen wir zu nutzen.

Peter Becker: Zugleich muss es aber auch juristisch niet- und nagelfest sein. Ich bin mit einem Journalisten befreundet und der hat mir erzählt, dass er manche seiner Artikel aus Sicherheitsgründen erstmal in die Rechtsabteilung gibt, damit die da reingucken, drüber gucken und sagen, gut, ist okay, denn die Gegendarstellung ist auch im Nu gemacht. Wie machen Sie das? Sie hatten im Grunde nur einen einzigen Prozess, das ist doch sensationell für diese Inhalte.

Max Uthoff: Na gut, die Klage, die damals Josef Joffe und Jochen Bittner von der Zeit gegen uns angestrengt haben. Man darf nicht vergessen, dass diese Klage eigentlich verständlich ist aus deren Sicht, denn tatsächlich ist Vertrauen, Glaubwürdigkeit, die Währung des Journalisten. Ein Journalist, der nicht als vertrauenswürdig gilt oder als unseriös, wird einfach Schwierigkeiten mit der Arbeit haben. Zumal, wenn er es in der Zeit-Redaktion ganz nach oben schaffen will, überhaupt in der Medienlandschaft in Deutschland, und deswegen kann ich verstehen, dass die Journalisten empfindlich reagieren.

Dass die Journalisten aber einfach insgesamt als Zunft, ich sage das mal in frecher Weise jetzt, empfindlicher sind als die meisten anderen Berufe, glaube ich auch, das haben wir durch unsere Kritik an den Medien in den letzten Jahren so empfunden. Frau Dahn hat es ja gesagt, es ist eigentlich der einzige Berufsstand, der sich nicht kritisieren lassen muss. Jeder Arzt muss sich auf jedem Portal inzwischen im Internet bewerten lassen, jedes Restaurant, eigentlich alle, müssen sich bewerten lassen und der Kritik stellen, nur Journalisten nicht, die reagieren doch erstaunlich eingeschnappt auf Kritik an ihrer Arbeit.

Dass Joffe und Bittner diesen Weg gegangen sind, um da ihre angekratzte Reputation, wenn sie das so empfunden haben sollten, wiederherzustellen, ist ihr gutes Recht, aber es ist, man muss das salopp sagen, am Ende dann voll in die Hose gegangen. Der BGH hat uns in allen Punkten Recht gegeben und es ist auch so, dass natürlich vom BGH darauf geachtet wird, dass wir immer noch Satire machen. Das heißt, wir arbeiten journalistisch, aber das, was wir da sagen, muss natürlich von der überspitzten Formulierung leben, es lebt davon.

So ein Satz wie, dass diese Zeitungen, die Presseausgaben, die Lokal-Ausgaben der NATO-Pressestelle sind, ist natürlich eine bewusste Formulierung, die, wenn die Satire das nicht mehr decken würde, dann könnten wir den Laden zumachen. Das hätten sie meiner Meinung nach eigentlich auch merken müssen. Wie gesagt, ich kann mir diese Klage eigentlich nur durch eine etwas übertriebene Empfindlichkeit und etwas verletzte Eitelkeit, gerade vielleicht bei Herrn Joffe, erklären, aber ist nur meine persönliche Meinung.

Peter Becker: Der Faktencheck spielt ja für die Runde eine große Rolle, weil er Sie im Grunde absichert und unangreifbar macht, und da habe ich eine Bitte: Der Faktencheck ist ja, wie Sie sagen, manchmal sehr, sehr lang, bis zu 80 Seiten, und da wäre eine journalistische Herangehensweise auch ganz gut. Also, wie kann man den Faktencheck noch aufwerten und lesbarer machen?

Max Uthoff: Das kann ich nicht sagen, ich sage Ihnen auch, warum ich das nicht sagen kann, warum ich da keine Lösung habe: Ich habe da noch nicht ansatzweise drüber nachgedacht, und zwar einfach, weil der Faktencheck für uns ein Serviceangebot ist, wo wir den Zuschauern sagen, woher wir es haben, auf was wir uns beziehen, und dann kann jeder selbst wie ein Trüffelschwein sich auf den Weg machen, denn wir haben schlichtweg nicht die Manpower, um das zu lösen.

Das heißt, das jetzt nochmal zu überarbeiten und in engere Fassung zu bringen und kleiner und formulieren und so, da müssten wir einfach wahrscheinlich noch mehr Mitstreiter an Bord holen oder zumindest Leute. Das ist schlichtweg einfach nicht zu machen. Wir machen die Sendung zu dritt, Ekkehard Sieker unterstützt uns, bekommt zwei Wochen vorher das Thema und eine Woche vorher muss er dann im Grunde genommen ran und alles, was wir im Fernsehen behaupten, bis zu letzten Minute, (prüfen).

Das ist ja schon manchmal auch lustig, weil wir kurz vor der Live-Sendung sind und mühevoll versuchen, den Text im Kopf zu behalten, und dann schießt Ekki um die Ecke und sagt: „Folgendes: Es sind nicht 17, es sind 15 und an der einen Stelle sind es nicht 12.200, sondern höchstens 10.800“. Das müssen wir dann noch in den Kopf reinkriegen, weil sonst machen wir uns dann tatsächlich angreifbar, aber bis jetzt hat es geklappt, weil er auch hervorragend ist. Wie gesagt, wir werden das Problem mit der Personenkonstellation, die wir jetzt haben, nicht lösen können.

Peter Becker: Wir sind ja als IALANA e. V. eine Juristinnen- und Juristen-Organisation. Also, wenn Sie mal Bedarf haben, können Sie gern auf uns zurückgreifen. Da würden wir also im Nu, innerhalb von, also zwei Wochen muss es nicht sein, wir können …

Max Uthoff: Wenn ich das sagen darf, ich habe ja Jura auch studiert und ganz ehrlich, so aus dem Bauch heraus, die Berufsgruppe, die mir in den Kopf schießt, wenn es darum geht, Texte lesbarer, klarer und kürzer zu machen, da würde ich eher an die Bäcker-Innung denken als an Juristen.

Peter Becker: Bitteschön! Also das war ein Angebot, und jetzt haben wir eine große Bitte. Das ist das Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ und die Art und Weise, wie Sie das gemacht haben, da kann ich nur sagen, bitte, bitte, bitte, schauen Sie nochmal, was Sie in nächster Zeit nehmen können, zum Beispiel den Angriff der Türkei auf syrischem Boden, dass das ein Angriffskrieg ist, der gegen die UNO-Charta verstößt, ist ja ganz klar.

Max Uthoff: Das ist das Bittere, das wird aber jeder natürlich auch wissen, der wie ich mal Völkerrecht im Grundkurs hatte. Das Frustrierende am Völkerrecht ist, dass es erstens extrem dehnbar ist und zweitens die Großmächte letztlich machen, was sie wollen, und die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber denjenigen, die letztlich am längeren Hebel sitzen, relativ beschränkt sind. Es ist ja nicht nur die Türkei im Moment mit dem völkerrechtswidrigen Vorstoß nach Syrien, sondern wir können ja auch mal die heitere Seite betrachten.

Hawaii, für die Leute, die da waren: 38 Minuten lang das Gefühl eines Angriffs zu haben, war wahrscheinlich nicht so lustig, aber es ist ja doch ein Alarmzeichen, wenn wir uns jetzt anschauen, dass wir mit Donald Trump und Kim Jong Un zwei Leute haben, die potenziell Nuklearwaffen einsetzen könnten, und das ist ja ein Duell, das wir intellektuell auf dem Niveau zuletzt beim Wrestling erlebt haben. Das kann einem ja schon Angst und Bange machen.

Insofern ist das ja auch was, was uns brennend interessiert. Das Problem, das wir bei der Anstalt haben, ist, wir haben uns ja doch relativ von den tagesaktuellen Dingen ein wenig gelöst. Das heißt, Tagesaktualität kommt bei uns vor, wenn wir sagen, wir kommen nicht drum rum, wir wollen es machen, wir machen es. Aber letztlich arbeiten wir ja fast monothematisch, wir nehmen uns für jede Sendung ein Thema, das wir versuchen, von verschiedenen Seiten zu bearbeiten, weil es dadurch noch ergiebiger wird, weil wir noch mehr Dinge erzählen können und zeigen können. Dann müssen wir abwägen, was ist aus aktueller Sicht so wichtig, dass es dieses Thema von der Liste verdrängt. Aber ich gebe zu, ein potenzieller Atomkrieg sollte das immer sein. Wahrscheinlich.

Daniela Dahn: Ein paar Fragen sind ja dennoch offengeblieben. Also für mich hat die Anstalt eigentlich wirklich ein neues Genre innerhalb des Kabaretts entwickelt oder neuen Charakter. Die Kollegen machen das zwar auch, und der unvergessene Dieter Hildebrandt hat es auch gemacht, aber sie alle haben sich doch noch etwas an Personen, finde ich, abgearbeitet, was vielleicht vom Witz her auch einfacher ist und dankbarer. Und Sie nehmen es auf sich, sich wirklich über Hintergründe und Interessen und Konstellationen und Strukturen abzuarbeiten. Sie machen eigentlich das, was die Presse versäumt. Wenn bisher Philosophen oder Politologen über Aufklärung nachgedacht haben, dann haben sie bestimmt nicht zuerst an Kabarett gedacht, und Sie machen es nun mal eben. Deshalb ist meine Frage: Opfern Sie sich dafür, in diese Lücke zu springen, die andere versäumen, oder sind Sie der einzige Nutznießer von den Versäumnissen der Presse?

Max Uthoff: Tatsächlich glaube ich, dass der Erfolg der Anstalt und unsere Konzentration auf Informationen und Informationsvermittlung wahrscheinlich kein wirkliches Ruhmesblatt ist, zumindest für den Mainstream-Journalismus. Wir fühlen das Bedürfnis, in dieser Position etwas zu sagen, was wir sonst offensichtlich nicht finden. Das spiegelt also etwas wider, mit dem wir nicht zufrieden sind, und ich glaube, diese Unzufriedenheit ist spürbar bei vielen Menschen im Land und bei Leuten, die sich von den klassischen Printmedien und anderen Informationsmöglichkeiten abwenden. Wir opfern uns aber natürlich nicht, sondern es ist so, tatsächlich habe ich die große Chance, das gut zu mischen.

Claus ist jemand, der in seinem Solo-Programm auch sehr stark informativ arbeitet, aber es in ein Theaterstück gießt, in ein fantastisches. Bei mir ist es so, ich nehme mir tatsächlich im Solo-Programm auf der Bühne dann auch mal große Bereiche, wo ich auf Personen gehe, weil mir das auch Spaß macht und weil es manche Personen gibt, die ich — um es mal salopp zu formulieren — abwatschen muss, weil das das große Privileg dieses Berufs ist.

Ich würde etwas vermissen abends, wenn ich abends zwei Stunden auf der Bühne bin und nichts zu Markus Söder gesagt hätte, da würde mir körperlich etwas fehlen, glaube ich.

Aber in dieser Sendung nutzen wir die Chance, mehr Informationen reinzupacken und auch natürlich mit einer Tafel, die aber auch jetzt Pelzig nicht hat. Frank Markus Barwasser hat die Tafel ja auch schon mit einer wunderbaren Nummer über Goldman Sachs und andere Sachen benutzt.

Ganz ehrlich, wenn man sich noch einmal — das gibt es ja auf YouTube — Hildebrandts Scheibenwischersendung im Rhein-Main-Donau-Kanal anschaut, das ist fantastisch und das ist genau das, was wir machen, vielleicht noch besser gespielt, ich weiß es nicht, aber es ist ganz großartig, wie da auch aufgeklärt und informiert und erzählt wird. Natürlich braucht man auch ein bisschen Glück. Dieter Hildebrandt hat ja auch im Interview mal später gesagt, dass er bei dieser Sendung Informationen zugesteckt bekommen hat, die vorher noch gar nicht bekannt waren, in der Zeitung und dergleichen.

Das ist natürlich ein großer Glücksfall, wenn man mit sowas dann arbeiten kann und das dann halbwegs recherchiert abgesichert als einziger in so einer Sendung verbraten kann. Das ist ein Glücksfall, der passiert auch nicht oft. Aber uns, und das ist vielleicht das Alarmierende daran, uns genügt es oder uns erscheint es brisant und wichtig, dass wir die vorhandenen Informationen verdichten und dramatisieren, und dass das so stark aufschlägt bei den Leuten, hängt halt damit zusammen, dass sie es in der Süddeutschen und in der Welt so in der Form — von der FAZ wollen wir gar nicht sprechen — nicht zu lesen bekommen.

Daniela Dahn: Sie sprechen von den Informationen, man weiß, der Spiegel oder andere große Medien haben mindestens 80 Leute, die da recherchieren und Faktenchecks machen und Korrespondenten haben, und es kommt trotzdem nicht so viel Interessantes raus wie bei Ihnen. Ich meine, wie schaffen Sie das? Wie muss man sich Ihr Leben vorstellen, sind Sie Tag und Nacht auf Informationssuche, ist das wahnsinnig stressig oder macht das auch Spaß?

Max Uthoff: Tatsächlich ist das ein Balanceakt, weil man das so gut wie möglich machen möchte. Wir hatten Ende des Jahres auch eine Situation erreicht, wo wir am Limit waren. Das muss man dann in Zukunft ein bisschen entzerren und einen bisschen anderen Weg finden. Aber ganz kurz, das ist ganz wichtig, ich glaube es gibt auch wirklich hervorragende Journalisten.

Wir sollten also sozusagen heute Abend die Medienkritik nicht dazu benutzen, alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Neben mir sitzt Daniela Dahn, eine der meiner Meinung nach Besten, wenn ich diese Lobhudelei mal anbringen darf, deren Buch „Wir sind der Staat“ einfach nur sensationell ist, und es gibt auch andere. Wir, das darf man nicht vergessen, stützen uns auch hauptsächlich auf die Arbeit von Journalisten. Es ist nicht so, dass wir Zeit oder Manpower hätten, irgendwo vor Ort zu gehen, oder Leute zu interviewen oder wochenlang im Archiv zu sitzen und zu recherchieren. Wir brauchen die Arbeit von guten Journalisten, die verwerten wir, nehmen uns allerdings auch die Freiheit heraus, schlechte Arbeit von Journalisten dann eben auch zu kritisieren und uns darüber lustig zu machen, das gehört für uns ein bisschen dazu.

Aber, wie gesagt, gibt es eben auch tolle Sachen. Man findet das ja auch, und das ist das Lustige, wie das gemacht wird in Zeitungen, wenn man dann mal eine Ansicht liest, bei der man sagt: „Hoppla, was hab ich denn —, das ist doch nicht die Zeitung die —, was macht denn die Meinung da drin?“ und dann steht immer drüber: Außenansicht. Und dadurch holt man sich in der Süddeutschen und auch in der Welt sozusagen die pluralistische, die andere Meinung ins Haus und dann weiß man aber am nächsten Tag: Eine Woche lang wird wieder das Gegenteil behauptet. Man weiß schon: Auf die Dauer, durch die ständige Wiederholung, wirkt und bleibt das bei den Leuten hängen.

Daniela Dahn: Trotzdem ist es ganz richtig, darauf zu verweisen, dass die Anstalt nicht die ganz Einzigen sind, die brisante Themen aufwerfen. Trotzdem hat man den Eindruck, Sie sind so ziemlich die Brisantesten. Warum dürfen Sie im Fernsehen was, was andere nicht dürfen, oder ist es gar keine Frage von Dürfen? Warum trauen Sie sich einfach mehr, glauben Sie, dass Journalisten das auch dürften, wenn sie es denn versuchen würden? Wird ein gegebener Spielraum einfach auch nicht ausgenutzt?

Max Uthoff: Ich glaube, da gibt es zwei Erklärungsansätze. Erstens glaube ich tatsächlich, dass es bei Journalisten auch — und ich verstehe das — bis zu einem gewissen Grad eine Furcht gibt, die damit zusammenhängt, schlichtweg den Job zu behalten. Das werfe ich niemandem vor, die Frage ist, wie weit lässt man sich davon leiten und lenken, wo ist die Grenze, wie weit geht man?

Grundsätzlich ist, überspitzt ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit, es in der Zeit-Redaktion bis ganz nach oben zu schaffen, relativ gering, wenn man pro Putin ist oder sagen wir mal Artikel schreibt, in denen auch mal eine andere Seite über Russland ausgebreitet wird.

Es gibt dann natürlich die, die es ganz nach oben geschafft haben. Bernd Ulrich hat ja später in einem Buch über die Anstalt über diesen Beitrag, den wir da gemacht haben, auch gesagt, dass man das nicht toll finden muss und ihm vielleicht auch nicht alles gefällt, aber dass es trotzdem richtig ist, das zu machen und dass es auch gut ist, dass man sowas anspricht, dass Journalisten in solchen Interessensverbänden Mitglieder sind und sich da auch Informationen abholen.

Ich glaube, dass es natürlich einen gewissen Druck gibt, natürlich auch durch Kürzungen im Etat, Budgetkürzungen, Zusammenlegungen von Redaktionen. Ich möchte nicht in der Haut eines Redakteurs stecken, der für zwei Zeitungen gleichzeitig schreiben muss und morgen vormittags bis elf die eine Meinung haben muss und danach bis zwei es ein bisschen mehr in die andere Richtung dreht.

Der zweite wichtige Aspekt ist, dass wir eine viel größere Narrenfreiheit haben. Das ist das Wesen der Satire. Wir dürfen … — das, was wir da gemacht haben, ist Dramatisierung pur. Und das ist auch wichtig. Wir können theatral… , wir können Figuren entwerfen, wir können Rollen spielen, wir können mit Musik arbeiten, wir können eine ganz andere Form von Effekt erzeugen. Bei der Nummer jetzt in schwarz-weiß, bei der Ukraine-Konflikt-Nummer in Form von Beklommenheit.

Man hat im Hintergrund natürlich Bombeneinschläge, akustische Kriegssignale, das ist nicht die Aufgabe des Journalisten. Unsere Aufgabe ist es, diese Narrenfreiheit zu nutzen und das möglichst weit zu treiben, um Dinge kenntlich zu machen. Das muss ja auch nicht jedermanns Meinung sein, es gibt auch Leute, die das für zu informationsbeladen halten und sich gern mehr Meta-Ebene wünschen. Wir haben uns häufig dazu entschieden, das so zu machen.

Wir standen ja auch in einigen Sendungen an dem Punkt, wo wir uns gesagt haben: „Das können wir nicht machen.“ Weiße Männer der Mittelschicht, denen es gut geht, erklären jetzt schon wieder Probleme von Menschen aus ökonomisch schwächeren Bereichen oder von Geflüchteten. Deswegen haben wir auch den Flüchtlingschor zu uns geholt und Esther Bejarano, eine Überlebende des KZ Auschwitz. Eine Sendung, die mir im Nachhinein das Glücksgefühl verschafft hat, dass ich das Privileg hatte, so etwas mal zu machen: die Griechenland-Sendung, wo wir Argyris Sfountouris eingeladen haben, einen Überlebenden des Massakers in Distomo, wo wir uns die Freiheit nehmen, jetzt ist die Sendung zu Ende, jetzt wird ein kurzes Interview gemacht, mit jemanden, von dem wir denken, er kommt einfach nicht zu Wort.

Er vertritt eine Position, die in unserer Presse ja auch nicht im Mainstream vorkommt: Reparationszahlungen an Griechenland, das wird ja nicht mal angedacht. Das ist ein großes Glück, weil wir auch in dieser Sendung zeigen konnten, wie der IWF — als zweites Buch übrigens jedem ans Herz zu legen, Naomi Kleins „Schockstrategie“, –wenn man das Buch gelesen hat, es ist vor der Griechenland-Krise passiert, und man schaut nach, was in Griechenland passiert ist, und es ist eins zu eins dasselbe Muster, das da abgespult wird vom IWF und dem Diktat des Neoliberalismus.

Das mal aus einer anderen Perspektive zu erzählen, war ein großes Glück, weil, die Sendung wurde ja dann sozusagen griechisch untertitelt und wurde dann in Griechenland zwei-, dreihunderttausend Mal geschaut, was eine sehr, sehr hohe Quote ist in Griechenland. Wir haben haufenweise Dankesmails bekommen, von Leuten, die auch die Berichterstattung aus Deutschland kriegen von der Springerpresse, diese Hetze über die angeblich faulen Griechen, und glücklich waren, einfach mal eine andere Meinung zu hören aus unserem Land. Das war für mich ein Privileg im Nachhinein.

Daniela Dahn: Ich wollte nochmal auf Sie als Juristen zurückkommen und überhaupt auf das Rechtsdenken auch in der Sendung. Ich weiß aus eigener Erfahrung, Presserecht ist ja ein sehr weites Feld. Es ist, glaub ich, das einzige Rechtsgebiet, wo es keine Rechtsschutzversicherung gibt, weil man nie weiß, wie es ausgeht. Was Meinungsfreiheit ist, ist so weit auslegbar und so abhängig von dem Gericht, vor das man gerät, dass es ganz schwer ist, es vorauszusagen und dass deshalb keine Versicherung dieses Risiko übernimmt.

Ich habe selbst achtmal wegen Verleumdung gegen die Springer-Presse geklagt. Bis auf einen Vergleich, wo die Meinungsfreiheit dann doch gesiegt hat, habe ich immer gewonnen. Sie mussten mir schon einige Gelder zahlen, weil, es ist ja schon eine Methode, Leute zu diffamieren, nicht in dem Thema, was sie geschrieben haben, sondern persönlich.

Empfinden Sie diese Gefahr auch, dass das passieren könnte, oder wie wichtig ist ein Rechtsdenken auch bei dem Herangehen an Ihre Themen? Weil ich finde, dieses Rechtsdenken wird immer mehr zurückgedrängt. Ich bin ja keine Juristin, aber so viel weiß ich doch: Das Völkerrecht sagt ziemlich genau, was ein Angriffskrieg ist, es muss ein UN-Mandat geben und es müssen noch einige andere Bedingungen erfüllt sein. Auch was Selbstverteidigung ist, wird ziemlich genau beschrieben: Man muss angegriffen worden sein, man kann nicht einfach behaupten, da sind irgendwelche Leute, die mich bedrohen, das rechtfertigt keine Selbstverteidigung. Also wie sehr gehen Sie auch von Ihrem ersten Beruf her an Ihre Themen heran?

Max Uthoff: Tatsächlich glaube ich das nicht allzu sehr. Das liegt daran: Ich habe Jura studiert, fertig studiert, aber, wenn ich ganz ehrlich bin, hätte im dritten Semester mir mein Bauchgefühl eigentlich schon sagen müssen: „Jura und du, das wird nichts, ihr werdet kein glückliches Paar, den Rest des Lebens“. Ich habe das aber durchgezogen, bis zum bitteren Ende. Habe, Gott sei Dank, meine Robe als Anstalts-Jurist anziehen und mir mit nur einer einzigen Sendung die komplette Literatur des Studiums wieder refinanzieren können.

Wenn wir jetzt den Fall Böhmermann anschauen oder auch die Klage der Zeit gegen die Anstalt: Wir haben einen weiten Begriff von Satire in diesem Land, der auch vom Bundesverfassungsgericht, vom BGH auch so interpretiert und geschützt wird.

Mir persönlich verschafft das ein gutes Gefühl, obwohl mir der Verdacht auch kommt, manchmal sind wir vielleicht auch nicht gefährlich genug, sonst würde man vielleicht mit anderen Bandagen vorgehen. Sondern man kann das ein bisschen mit der Hofnarrenfunktion erklären, aber die Grenze zur Schmähkritik beachtet man. Das liegt daran: Wir arbeiten uns selten direkt einfach an Personen ab. Wenn man sich an Personen abarbeitet, dann ist die Grenze zur Schmähkritik natürlich relativ schnell überschritten. Da muss man aufpassen, wie hart man zur Sache geht. Das bleibt jedem selbst überlassen, und wenn es dann mal zu einer Beleidigungsklage kommt, dann muss man die auch akzeptieren, dann ist das halt so, fertig.

Wenn das Gericht sagt, darfst du nicht, dann muss man sich überlegen: Mache ich es nochmal und zahle doof Geld oder denke ich mir eine andere Beleidigung aus? Ich habe die juristische Schere nicht im Kopf, wenn wir ans Schreiben gehen. Und auch völkerrechtlich: Es ist Glück, wenn es Journalisten gibt, die vorher einmal die Dinge anschauen. Und bevor wir dann etwas behaupten, lesen wir dann genug Dinge sauber durch, um da auf Nummer sicher zu gehen, weil wir schon wollen, dass das Hand und Fuß hat.

Es gibt viele Leute, die das nehmen — und jetzt nicht nur Lehrer im Unterricht, sondern Leute, die dann auch zu uns kommen und sich bedanken für die Sendung, weil sie bei uns eine Meinung bekommen, die sie so nicht sehen und sie diese Meinung auch haben, dieses Gefühl, dieses unbestimmte, sie das aber in ihrem Freundeskreis oder in der Heimatzeitung nicht wiederfinden. Das muss einfach sauber gemacht werden.

Ich glaube aber, es ist nicht gut, wenn man an sowas denkt, bevor man ans Schreiben geht oder an Themen rangeht. Da muss man völlig Scheune aufmachen und drauflosgehen und auch wild assoziieren. Von den 50 Sachen, die wir beim ersten Treffen wie alte Männer auf der Bank im Café besprechen, fallen ohnehin 48 wieder raus. Wir schreiben frustrierenderweise auch viel für den Papierkorb, weil wir einfach zeitlich zu eingebunden sind. 45 Minuten, wenn man die drei Soli der Gäste abzieht, Vorspann, Abspann, dann haben wir vielleicht noch eine halbe Stunde netto, die wir machen können für ein komplettes Thema im Monat, das ist nicht viel Zeit. Das mit dem Aussieben kommt sowieso irgendwann, und am Anfang sollte man einfach möglichst offen drauflosrennen, mit allem, was einem einfällt.

Daniela Dahn: Wir haben jetzt schon gehört, Sie machen Pädagogik, Sie machen Aufklärung. Welchen Anteil nimmt denn die Unterhaltung ein? Sie werden sich das sicher nicht so strategisch vornehmen, wenn Sie eine Sendung schreiben. Kommt das aus dem Bauch, dass Sie das schaffen, so schwere Themen, eben wie Krieg und Frieden oder transatlantische Beziehungen, auch noch komisch zu machen? Ist das dann Ihre ganz besondere Begabung?

Max Uthoff: Nein, das ist, wie die häufigste Form von Komik, harte Arbeit. Manchmal ist es so, dass diese Komik von Anfang an da ist und mit der Information abgeglichen wird. Manchmal ist es so, dass wir merken, da muss noch etwas rein, ein spielerisches Element, aber ich will das jetzt ganz ehrlich auch nicht allzu hochhängen.

Ich bin tatsächlich ein ganz, ganz großer Freund von englischen und amerikanischen Stand-up-Comedians, die anderthalb Stunden Programm machen, wo nicht eine einzige Information vermittelt wird. Wichtig ist mir, dass es gut gemacht ist. Das muss intelligent und klug und leidenschaftlich gemacht sein, und dann ist mir egal, ob man die Meta-Ebene bespaßt oder ob man Informationen verkauft. Das muss einfach gut sein und dann kann mir auch einer anderthalb Stunden lang erzählen, wie er mit seiner Frau beim Einkaufen war. Wenn er es aus einer Perspektive erzählt, aus der ich es noch nie gesehen habe, und es so absurd ist, dass ich mich wegschmeiße, warum sollte ich da nicht einen großen Spaß dran haben?

Also insofern, nichts gegen Information, ich versuche nicht, um das goldene Kalb herumzutanzen. Der Spaß gehört natürlich auch dazu, sonst können wir ja auch eine Ringvorlesung machen oder eine Einführung in die Außenpolitik.


Redaktionelle Anmerkung: Das Gespräch wurde aufgezeichnet und ist unter https://weltnetz.tv/video/1385-max-uthoff-krieg-und-frieden-den-medien abrufbar. Es wurde von Peter Becker vom IALANA e. V. und Daniela Dahn geführt.


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