Sind Sie gegen Mord? Immer? Oder gibt es für Sie Ausnahmen? Wie stehen Sie zum Beispiel zu Georg Elser? Der Tischlermeister verübte am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Sprengstoffattentat auf Adolf Hitler. Der Anschlag schlug fehl, und Elser wurde hingerichtet. Hätte der Mordversuch Erfolg gehabt, hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Filme über Elsers Leben wie jener von 2015 mit Christian Friedel haben eher den Charakter von Helden-Epen. Normalerweise sind „zivilisierte“ Menschen in ihrer Ablehnung von Morden sehr konsequent. Außer, wenn der Ermordete ein Nazi ist. Im Film „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino wird ein auf Nazis spezialisiertes Mordkommando porträtiert. Die Inszenierung ist so manipulativ, dass die Sympathie der Zuschauer eindeutig den Mördern gilt.
Ich schreibe das nur, um eine Gefahr aufzuzeigen. Wer Mord rechtfertigen will, kann den Ermordeten schlicht als „Nazi“ titulieren. Auch wenn es sich nur um einen konservativen Migrationsskeptiker oder bibeltreuen Christen handelt. Der US-amerikanische Influencer Charlie Kirk, dessen Ermordung noch immer einige Fragen aufwirft, wurde angeblich ermordet, weil er Hass und Hetze verbreitete. Im deutschen Kontext noch interessanter ist der Brand des Jagdschlosses Thiergarten, das der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis gehört, am 6. Oktober 2025. Man kann über linke Vorwürfe, die Familie der Fürstin habe zu viel Grundbesitz und solle enteignet werden, durchaus diskutieren. Aber ein Schloss, das komplett abbrennt — wie 1992 Schloss Windsor, das Queen Elizabeth II. gehörte — das wäre schon eine überdramatische und kulturfeindliche Art des „Protests“ gegen die ungleiche Verteilung des Reichtums.
Die Webseite „Indymedia“ veröffentlichte ein angebliches Bekennerschreiben der Brandstifter, die sich interessanterweise „Kommando Georg Elser“ nannten. Es ist der Name eines Attentäters, der allgemein als Held gilt. Nun kann es sein, dass die Schreiber dieses Briefes gar nicht die wahren Brandstifter sind — sondern Trittbrettfahrer oder Leute, die sich nur aufspielen wollten. Selbst Fürstin Gloria ist bisher vorsichtig mit Schuldzuschreibungen. Was die Verfasser aber ganz sicher beabsichtigt haben, ist die Einschüchterung nicht nur des Adels, sondern von Menschen „rechter“ Gesinnung ganz allgemein. Im Text heißt es:
„Seit Jahrhunderten steht Thurn und Taxis für Monarchie, Menschenverachtung und eine Klassengesellschaft. Während die Zeiten auch in Deutschland wieder für einen großen Teil der Bevölkerung härter werden, sehen wir uns damit konfrontiert, dass mit Gloria von Thurn und Taxis eine Großkapitalistin mitten in Regensburg residiert, in einem Schloss, das mehr Zimmer als der Buckingham Palace hat. Die Fürstin steht für die Vernetzung der reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse. Sie gehört zu den Teilen der Bourgeoisie, die in Deutschland, aber auch der ganzen Welt den wiederkehrenden Faschismus fördern.“
An der Kritik am Adel und am Großkapital mag etwas dran sein, selbst wenn dies keine Brandstiftung rechtfertigt. Wie steht es aber mit dem „wiederkehrenden Faschismus“? Die Fürstin war in den letzten Jahren häufiger Interviewgast bei nuis.de und vertritt politische Ansichten — etwa zur Migrationsfrage —, die man als indirekte Wahlempfehlung für die AfD verstehen kann. Man muss diese Weltanschauung nicht teilen; aber keinesfalls gehört Gloria zu einem Personenkreis, vor dem „unsere Demokratie“ brachial geschützt werden müsste. In gewisser Weise verkörpert sie sicher feudalistische Reststrukturen in Deutschland, nicht ohne Grund fraternisiert sie eher mit den rechten als den linken Parteien im Spektrum, weil sie bei ersteren ihre Interessen als Unternehmerin und Großgrundbesitzerin vermutlich besser aufgehoben weiß. Aber was sollen Brandanschläge oder — falls die „Bekenner“ nicht mit den Tätern identisch sind — Drohungen gegen den Adel und vermeintliche Wegbereiter eines neuen Faschismus?
Zunehmende Verrohung der politischen Auseinandersetzung
Man muss das Ereignis im Kontext einer allgemein zunehmenden Verrohung der Sitten in der politischen Auseinandersetzung betrachten. Jagdschloss hin oder her — wer als „rechts“ markiert ist, gilt heute vielfach als Freiwild. Im Stadtgebiet von Hannover wurde ein Sticker mit dem Bild von Alice Weidel gesichtet, auf deren Kopf eine Zielscheibe abgebildet war. Die Aufschrift: „Aim here“ (hierhin zielen).
Die ehemalige Vorsitzende der Grünen Jugend Jette Nietzard dachte laut über körperliche Gewalt gegen AfD-Mitglieder im Fall von deren Machtergreifung nach. „Wie sieht da der Widerstand aus? Ist der dann intellektuell? Oder ist der dann mit Waffen?“ Der regierungsnahe Clown Jan Böhmermann sagte im ZDF:
„Nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einfach mal’n paar Nazis keulen!“
All diese Sprüche kann man natürlich wegerklären — „nicht so gemeint“. Würde dergleichen aber von rechter Seite in Richtung links ausgesprochen, so würden sich mit Sicherheit mahnende Zeigefinger erheben: „Aus bösen Worten können böse Taten hervorgehen!“ Es gelte also, den Anfängen zu wehren und gegen die verbalen Zündler hart durchzugreifen.
Das „Zentrum für politische Schönheit“, bekannt geworden unter anderem durch „Scheiß AfD!“-Gesänge während eines Interviews mit Alice Weidel im ZDF, drohte offen mit einer Revolution, die man sich in ihrer praktischen Durchführung nicht anders als gewalttätig vorstellen kann.
„Die CDU ist völlig ahnungslos, welche Kräfte sie entfesseln würde, sollte sie jemals mit dem Rechtsextremismus paktieren wollen. Nie wieder! Sollte es in Zukunft zu einer politischen Zusammenarbeit mit der AfD kommen, würde das zu einem Proteststurm führen, der selbst die CDU wegfegen würde.“
Linke kündigen damit die Nichtanerkennung möglicher durch demokratische Prozesse zustande gekommener Regierungen an, sollte die AfD daran beteiligt sein. Ich will mit diesen Ausführungen nicht die Politik der AfD, sondern die demokratischen Spielregeln sowie das Prinzip der Gewaltfreiheit in Schutz nehmen. Im Fall einer schwarz-blauen Regierung läge die „Staatsgewalt“ laut Grundgesetz nun einmal auch in den Händen der AfD. Das würde nicht jedem schmecken, auch ich hätte Sorge — die habe ich allerdings auch, wenn Gewalt in den Händen von Union, FDP, SPD und Grünen liegt. Mein Ansatz zielt auf Bürger-Emanzipation und das Zurückdrängen von Macht.
Was das „Zentrum für politische Schönheit“ hier tut, ist allerdings etwas anderes. Es maßt sich eine Macht über den Mächten an. Indirekt sagen die Aktivisten: „Mal sehen, wie gewählt wird. Bestimmte Regierungskoalitionen würden wir genehmigen; wenn aber Parteien gewählt werden, die uns gar nicht behagen, entfesseln wir die Hölle auf den Straßen.“ Wir können das linke Gewaltpotenzial in seinem vollen Ausmaß derzeit nur schwer einschätzen, da es vorerst noch andere Wege gibt, um die AfD von der Regierung fernzuhalten. Einen Vorgeschmack gaben allerdings die Proteste anlässlich einer gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD Ende Januar 2025 im deutschen Bundestag.
„Rechts“ ist nicht gleich rechts
Diese Vorgänge haben ihre Ursache unter anderem in einer völligen Konfusion, betreffend die Bedeutung der Worte „rechts“ und „Nazi“. Beide Begriffe werden nicht nur unzulässig vermischt, es findet gleichzeitig auch ein Prozess der schleichenden Ausdehnung jenes Bereichs statt, der als „rechts“ gilt. Ja, schon die Tatsache, dass „rechts“ mittlerweile sehr häufig negativ konnotiert ist, markiert einen Erfolg der linken Seite dieses gesellschaftlichen Tauziehens, für die man den Akteuren wegen ihres manipulativen Geschicks fast Bewunderung zollen muss. Der Siegeszug dieses leicht zu durchschauenden Manövers sollte jetzt aber gestoppt werden.
Wir müssen lernen, zwischen verschiedenen Typen des „Rechts-Seins“ zu differenzieren. Ich unterscheide grob zwei Gruppen: Als erstes sind da echte Rechtsextreme, zum Beispiel Rassisten, Nostalgiker des „Dritten Reichs“, „Deutschland über alles“-Nationalisten, Leute, die mit den Worten des Turnvaters Jahn der Meinung sind: „Der Hass alles Fremden ist des Deutschen Pflicht.“ Dieser Personenkreis sollte bei uns tatsächlich keine Macht bekommen; ich bezweifle aber, ob er zahlenmäßig so bedeutend ist. Zweitens sind da die Vertreter eines natürlichen Konservativismus, den man nicht teilen muss, den es aber geben darf. „Natürlich“ nenne ich ihn, weil seine Hauptnarrative im Geist der Menschen jederzeit auftauchen können — spontan und ohne dass massive Propaganda nachhelfen müsste.
Die jetzigen kulturkämpferischen Vorstöße von Roten, Grünen und Linken versuchen, den natürlichen Konservativismus zu delegitimieren und mehr oder weniger aus der Gesellschaft herauszudrängen — eine Mentalität also, die noch bis vor kurzem als völlig normal und legitim galt. Man denke nur an die Äußerungen von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt bei Sandra Maischberger: „Zuwanderung aus fremden Kulturen schafft mehr Probleme, als es uns an positiven Faktoren bringen kann.“ Oder auch das Bekenntnis von Ex-Bundespräsident Horst Köhler: „Ich liebe dieses Land.“ „Natürlich konservativ“ sind unter anderem folgende Geisteshaltungen:
- Der Wunsch, dass die einem vertraute Welt im Großen und Ganzen erhalten bleibt, dass man sich heimisch und aufgehoben fühlen kann.
- Der Wunsch, überwiegend von Menschen umgeben zu sein, die einem selbst ähnlich sind und die gleiche kulturelle Prägung besitzen — auf dieser Basis kann man dann auf relativ wenige „Fremde“ freundlich zugehen.
- Das Festhalten an einem traditionellen Familienbild — Vater, Mutter und Kinder als dem „Normalfall“.
- Das Recht, die Zuneigung und Treue zum „Eigenen“ zu pflegen und auch das eigene Land wohlwollend zu betrachten, ohne deswegen mit Völkermördern wie den Nazis in einen Topf geworfen zu werden.
- Das Gefühl der Verwurzelung in den Bräuchen und Wertvorstellungen der christlichen Religion, die diesen Kulturkreis geprägt hat — es sei denn, man wendet sich freiwillig und mit guten Gründen von dieser ab.
- Der Wunsch, für erbrachte Leistung auch mit Wohlstand honoriert zu werden und nicht dem Abfluss erwirtschafteter Gelder in alle möglichen Richtungen zuschauen zu müssen.
- Der Wunsch nach Bewegungs- und Gedankenfreiheit für alle, die die Grundwerte der Verfassung respektieren und keine Verbrechen begehen.
- Das Bedürfnis, Minderheiten zwar im eigenen Umfeld anzutreffen, jedoch nicht von ihnen dominiert und tyrannisiert zu werden. Eine natürliche Abneigung gegen die Verdrehung der Begriffe, zum Beispiel „Ein Mann kann eine Frau sein und eine Frau ein Mann“, und gegen Verbote, sagen zu dürfen, was man sieht und was man denkt.
Es gibt Rechte — kommt damit klar!
Diese Weltanschauung ist nicht in allem die meine. Zum Beispiel stehe ich meinem Land teils mit Sympathie, teils aber auch sehr kritisch gegenüber. Dasselbe gilt für meine Stammreligion — christlich-evangelisch. Man muss den natürlichen Konservativismus nicht teilen. Eine solche Mentalität muss allerdings erlaubt bleiben, es darf in der Gesellschaft nicht Usus werden, diese Menschen als „Nazis“ zu beleidigen. Vielleicht sind ja unsere Eltern, Geschwister oder viele unserer Freunde und Kollegen „so“. Umgekehrt bedeutet dies: Jene Strömung in der Gesellschaft, die als „links“ und als „woke“ bezeichnet wird, sollte mal ein bisschen abrüsten und so bescheiden auftreten, wie es der eigenen Leistung innerhalb der politischen Landschaft in den letzten Jahren entspricht.
„Menschenrechte statt rechte Menschen“ ist ein Slogan, den man als Plakat oder Aufkleber vielerorts sieht und der der Selbstpositionierung als „Antifaschist“ dient. Wenn so ein Schild etwa in einem kleinen Lebensmittelladen in der Nachbarschaft aufgehängt ist, hat es ausgrenzende und einschüchternde Wirkung auf Vertreter eines natürlichen Konservativismus. Diesen wird suggeriert, sie seien gegen die Menschenrechte, obwohl sie vermutlich nie einem Einwanderer etwas antun würden. Es ist der Versuch, Menschen, die — ob es uns gefällt oder nicht — Teil unserer Gesellschaft sind, zum Schweigen zu bringen, indem man sie mit einem aggressiven Ekel konfrontiert, der mit einer Wohlanständigkeitsattitüde daherkommt. Wo wir es also nicht wirklich mit radikal menschenfeindlichen Einstellungen zu tun haben, müsste sich das Verhalten der linken Mitte gegenüber „Rechten“ dringend normalisieren.
Linken und „mittigen“ Zeitgenossen muss man ins Stammbuch schreiben: Ja, es gibt Rechte. Es hat immer Rechte gegeben, und es wird immer welche geben. Komm damit klar! Beginne damit, die Realität zu akzeptieren — was nicht bedeuten muss, diese gutzuheißen. Wenn du es so schlimm findest, was sich in Deutschland tut, wirb beharrlich und mit fairen Mitteln für deine vermeintlich überlegene Erkenntnis. Vielleicht läuft es für deine politische Überzeugungsgemeinschaft dann bei der nächsten Wahl besser. Demokratie beinhaltet keine Ewigkeitsgarantie für die Dominanz deiner weltanschaulichen Vorlieben. Sie ist ein launisches Pferd, das öfter mal die Richtung wechselt und nicht immer so will, wie du willst.
Natürlicher Ökosozialismus
Mit der derzeitigen „Linie“ des Kampfes gegen rechts verschärft sich der schon bestehende — zunächst nur verbale — deutsche Bürgerkrieg. Ich plädiere deshalb aber nicht dafür, Hals über Kopf ins rechte Lager überzuwechseln. Vielmehr geht es mir um einen Friedensschluss zwischen dem natürlichen Konservativismus und einem natürlichen Ökosozialismus. Ja, auch den gibt es. Er beinhaltet unter anderem das Bedürfnis nach gutem Lohn für gute Arbeit, was mit der Zurückdrängung von leistungslosem Einkommen aus Aktienbesitz, Spekulation und Lohndrückerei einhergeht. Er beinhaltet eine liebevolle Haltung gegenüber der nicht-menschlichen Schöpfung, resultierend in dem Wunsch, diese zu bewahren. Er beinhaltet auch die Grundüberzeugung, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung und so weiter, von gleichem Wert sind. Diese Grundsätze sind grundsätzlich mit einem natürlichen Konservativismus vereinbar.
Wenn man jedoch unter Ausnutzung einer noch bestehenden links-liberalen Kulturdominanz weiter gegenüber dem natürlichen Konservativismus völlig verständnislos bleibt, wenn man meint, dessen Vertreter sollten einfach den Mund halten oder aus dieser Welt verschwinden, dann wird das nicht gutgehen. Ich halte es für besser, diese Menschen nicht auszugrenzen, sondern sie mit Linken und Weltoffenen auf offenen Foren zum Zweck des Meinungsaustauschs zusammenzuführen.
Rechte Gewalt ist real
Das Gewaltpotenzial gibt es grundsätzlich auf beiden Seiten. Rechte Gewaltneigung zeigte sich unter anderem bei zahlreichen Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte nach der Wiedervereinigung, etwa in Hoyerswerda 1991 und in Rostock-Lichtenhagen 1992; weiter auch beim Anschlag auf eine Synagoge in Halle 2019 und beim Mord an neun Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau 2020. Die Zahl rechter Straftaten nimmt laut Statistik des Bundesverfassungsschutzes drastisch zu. Von mehr als 22.000 Taten im Jahr 2019 stieg sie an auf mehr als 37.000 im Jahr 2024. Es kann durchaus sein, dass darunter viele Meinungs- und Bagatelldelikte sind. Bei den Gewalttaten zeigt sich die Entwicklung weniger dramatisch. 1.023 Fälle im Jahr 2019 steigerten sich auf 1.281 Fälle im Jahr 2024. Wenige sind das dennoch nicht.
Folgt man der Statistik, so gilt „rechts vor links“. „Nur“ 5.857 Fälle links motivierter Straftaten wurden 2024 gezählt, darunter 532 gewalttätige. Selbst wenn man dem Bundesamt für Verfassungsschutz grundsätzlich misstraut und argwöhnt, hier könnte eine politisch motivierte Realitätsverzerrung vorliegen, müssen die Zahlen doch jenen zu denken geben, die in der rechtskonservativen „alternativen“ Presse permanent einseitig vor der aufkommenden Gefahr eines neuen Linksterrorismus gewarnt werden. Wie die genannten Beispiele — „Zentrum für politische Schönheit“, Jette Nietzard, Jan Böhmermann — zeigen, handelt es sich bei solchen spektakulären Fällen häufig nur um Warnungen und vage Ankündigungen.
Alles, was bisher gesagt wurde, ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Selbst wer „links“ derzeit für das größere Problem hält, muss zur Kenntnis nehmen, dass dies nicht unbedingt für immer so bleiben muss. Die weitere Entwicklung wird unter anderem davon abhängen, wie stark sich AfD-Anhänger und andere Konservative durch die veröffentlichte Meinung verunglimpft und durch die von Links-Mitte-Parteien dominierten demokratischen Abläufe sowie Gerichtsentscheidungen diskriminiert fühlen. Weiter wird es davon abhängen, wie weit der Problemdruck auf Feldern, an denen Rechte und Konservative besonders interessiert sind, größer oder gar unerträglich wird. Dies gilt vor allem für die Migrationsfrage.
Es gibt auch einen Kampf gegen links
Ebenso wie wir der pauschalen Gleichsetzung von nach rechts tendierenden Menschen mit „Nazis“ widersprechen müssen, hält andererseits die Idealisierung eines möglichen konservativen „Rollbacks“ einer genauen Überprüfung nicht stand. Wie so oft, empfiehlt es sich, Übertreibungen in beide Richtungen zu vermeiden. Neben einer Strömung verschärfter Feindseligkeit gegen alles Konservative gibt es auch einen verbreiteten Hass auf jene Kräfte, die man unter den Begriffen „woke“ oder „links-grün-versifft“ zusammenfasst. Bestimmte rhetorische Schemata, die zur Eskalation beitragen könnten, sind schon jetzt auch in gemäßigt rechten Medien zu beobachten:
- Jede Politik, die ein bisschen sozial zu sein versucht, wird als „sozialistisch“ gebrandmarkt.
- Leistungslose Einkommen, die jemand „ganz unten“ bezieht — also zum Beispiel Arbeitslose oder Flüchtlinge — werden gern als parasitär abgekanzelt. Ohne Prüfung der Einzelfälle werden hierbei Kettensägen-Kürzungen gefordert: „Die Kosten müssen runter.“ Leistungslose Einkommen, die jemand „ganz oben“ bezieht — zum Beispiel durch Aktien- und Spekulationsgewinne, Großerbschaften, Vermietung und Verpachtung im großen Stil — werden von „rechts“ dagegen nie in Frage gestellt. Es wird pauschal angenommen, diese seien „verdient“ und „erarbeitet“.
- Personen dunkler Hautfarbe, „Queere“ oder „Transpersonen“, die in Filmen und in der Werbung auftauchen, werden systematisch skandalisiert, während hellhäutige Menschen sowie „straighte“ und „Cis“-Personen auf bestimmten Foren als normal und angenehm gelten. Jede Spur von „Diversität“ wird als Signal einer kulturellen Diktatur „der Wokeness“ gedeutet, die es zu bekämpfen gelte.
- Flüchtlinge und Personen „of Colour“ werden generell nur im Kontext der Kriminalitätsstatistik wahrgenommen. Tun sie etwas Positives oder verhalten sie sich unauffällig, scheinen sie nicht der Rede wert.
- Ökologische Achtsamkeit — etwa Energiesparen, Tierschutz, biologischer Nahrungsanbau, vegetarische und vegane Lebensweise — wird generell nur noch verspottet oder offen abgelehnt. Die Forderungen von Vertretern dieser Richtung werden ausschließlich unter dem Aspekt der Freiheitseinschränkungen gesehen. „Öko-Spinner“, heißt es, hätten sich von der Realität der Menschen im Land meilenweit entfernt, ihr Einfluss müsse daher zurückgedrängt werden.
- Die „Staatsgewalt“ wird grundsätzlich eher positiv gewertet. Diese solle breite Anerkennung genießen und gestärkt werden. Bewaffnete Ordnungsmächte wie Polizei und Militär genießen Ansehen. Sie sollen finanziell üppig ausgestattet werden, der Gehorsam der anderen Bürger ihnen gegenüber sei eine Selbstverständlichkeit.
Wir sehen an dieser Liste, die natürlich beliebig verlängert werden könnte, dass eine naive Vorfreude auf eine vielleicht heraufdämmernde „post-woke“ Gesellschaft, dominiert von der AfD, ihre Tücken hat. Die nächste Enttäuschung könnte vorprogrammiert sein. Denn selbst wenn die Konzepte von Weidel & Co. für den Geschmack vieler Deutscher heute „gut klingen“ — an der Regierung werden fehlbare Menschen sein, die sich im Kontakt mit der Droge Macht zu ihrem Nachteil verändern könnten.
Ein Journalismus „dazwischen und außerhalb“
Ich betrachte es daher als Aufgabe eines Magazins wie Manova, eine abwägende Distanz zu allen politischen Akteuren zu wahren. Wir möchten nicht in ein paar Jahren mit dem — vielleicht dann berechtigten — Vorwurf konfrontiert werden, wir hätten Leser, die uns wegen unserer Corona- und Anti-Kriegs-Redaktion vertrauten — in einen politischen Abgrund gelockt. Insofern praktizieren wir einen, für manche vielleicht verwirrend wirkenden Journalismus des „Sowohl-als-auch“ oder des „Weder-noch“. Ein einzelner Autor mag sich in einer tagesaktuellen politischen Frage vielleicht klar auf eine Seite schlagen — das Magazin als Ganzes vermeidet solche Festlegungen jedoch.
Dies verstehen wir nicht als politische Orientierungslosigkeit. Vielmehr sehen wir darin eine realistische und im guten Sinn demütige Einsicht in die Grenzen unserer Möglichkeiten, „die Wahrheit“ zu erkennen. Journalismus, wie wir ihn verstehen, ist ergebnisoffene Wahrheitssuche. Damit vertragen sich keine vorgestanzten Phrasen wie „Die Pandemie der Ungeimpften“ oder „Der völlig unprovozierte russische Angriffskrieg“. Wir vertreten Grundwerte wie Frieden, Freiheit und Humanität und entscheiden in jeder gegebenen politischen Situation aufs Neue, was diese konkret von uns verlangen.
Unsere Annäherung an die Wahrheit erfolgt im Gruppengespräch, im Multilog. Jede Äußerung eines unserer Teammitglieder, mündlich wie schriftlich, und jeder Textbeitrag eines unserer Autoren trägt zur Gestalt des Meinungspools „Manova“ bei. Jeder Einzelne von uns ist klug; am klügsten ist aber immer die gemeinschaftlich erarbeitete Synthese. Dabei wäre es kontraproduktiv, um den erreichten Zwischenstand unserer weltanschaulichen Entwicklung herum eine geistige Burgmauer zu errichten, von deren Zinnen herab Abweichler beschossen werden. Vielmehr gleichen die Grenzen um Manova einer permeablen (durchdringbaren) Zellmembran. Es können Informationen und Meinungsimpulse hinein- und herausgelangen.
Ein Medium als lernendes System
Unser Meinungsspektrum ist fluid im Sinne von Heraklits Diktum „Alles fließt“ — dennoch sind die bei uns präsentierten Meinungen nicht beliebig, und unsere Leser werden nicht „alles Mögliche“ bei uns vorfinden, sondern sich auf Grundüberzeugungen verlassen können. Wir sind ein lernendes System, aber keine Fähnlein im Wind. „Prüfet alles und behaltet das Gute“ heißt es im Thessalonicher-Brief des Paulus.
Wir geben „natürlich-konservativen“ wie „natürlich-sozialistischen“ Thesen Raum, sind aber keineswegs ein „Querfront-Magazin“ im Sinne eines vereinten Kampfes von Faschisten und Kommunisten gegen die demokratische Mitte. Wir sehen vielmehr, dass Demokratie, Frieden und Freiheit bei jenen Parteien, die sich selbst gern als „die Mitte“ inszenieren, nicht mehr automatisch in guten Händen sind, und dass die Suche auf kreative Bereiche „dazwischen und außerhalb“ — um hier eine Formulierung von Jan Böhmermann zu verwenden — erweitert werden muss.
Ich habe in meinem Artikel zwar hauptsächlich die Debatte um „rechts und links“ ausführlicher behandelt, es gibt aber noch eine Menge anderer Gegensatzpaare, zwischen denen abzuwägen wäre — etwa „religiös und säkular“ oder „anspruchsvoll und populär“. Ein weiteres Spannungsfeld, auf das zu achten sein wird, ist „oben und unten“ — vielleicht der Hauptwiderspruch, denn während wir „unten“ noch über links und rechts debattieren, lacht man „oben“ vielleicht darüber, dass es wieder mal gelungen ist, uns zu entzweien.
sFreundlich zu „Feinden“
Gerade mit dieser für uns selbst und für Leser anspruchsvollen Grundhaltung glauben wir, zur Versöhnung innerhalb einer zunehmend angespannten Gesellschaft beitragen zu können. Die Gefahr bürgerkriegsähnlicher Zustände ist vielleicht größer, als wir es uns im Alltag bewusst machen. Unser Konzept für Entschärfung besteht in einem aufgeschlossenen Nebeneinander und fairen Gegeneinander des Verschiedenartigen. Weigern wir uns auch im innerdeutschen Meinungskampf, Feinde zu sein. Oder, wenn überhaupt, nur so, wie Don Camillo und Peppone Feinde waren — der berühmte norditalienische Priester und sein kommunistischer Erzrivale, die sich bekämpften und wieder versöhnten, die sich im Grunde mochten wie Geschwister, die manchmal nicht umhinkönnen, voneinander genervt zu sein, und die dennoch, wenn es darauf ankommt, gemeinsam das menschlich Gebotene tun.
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