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Die Klimarealität

Die Klimarealität

In Peru steht durch den lokalen Klimawandel die Existenz der dort lebenden Menschen auf dem Spiel.

Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob der Klimawandel tatsächlich existiere. Ob er natürlich sei oder auf die menschlichen Aktivitäten seit der industriellen Revolution zurückgeführt werden könne. Und ob das Wort „Klimawandel“ die Sachlage nicht verharmlose und man deshalb eher von „Klimakrise“ oder „Klimakatastrophe“ sprechen sollte. Weitere Debatten drehen sich um die Fragen, wie sinnvoll die Klimakonferenzen und die dort beschlossenen Ziele sind, und ob die Fokussierung auf die CO2-Reduktion die Aufmerksamkeit nicht von anderen wichtigen Faktoren ablenkt.

Es wird argumentiert, verhandelt, gestritten, protestiert und gestreikt — doch die Büros, Parlamentsgebäude und Konferenzsäle befinden sich in der Regel Tausende von Kilometern weit von den wirklichen Brennpunkten der Klimakrise entfernt.

Die Länder, die am meisten davon betroffen sind, befinden sich im Globalen Süden. In der Regel sind es diejenigen, die am nachhaltigsten leben und die am wenigsten darauf vorbereitet sind, mit den Folgen der Klimaveränderungen umzugehen.

Peru ist eins dieser Länder. Im Hochland befürchtet man dieses Jahr Versorgungsengpässe, weil sich die Regenzeit um mehrere Monate verschoben hat. Zehntausende von Tieren sind verdurstet, und die Ernteausfälle sind unüberschaubar. Im Tiefland dagegen sorgen Wirbelstürme und Überschwemmungen für Zerstörung und Todesfälle. Dabei stellt Peru nur ein Beispiel von vielen dar. Ähnliches passiert auch an vielen anderen Orten, zum Beispiel in Ostafrika.

Mehr als ein Jahr ohne Regen

Wenn man mit Peruanerinnen und Peruanern in ländlichen Gebieten spricht, wissen sie oft nicht, wie der Klimawandel genau funktioniert. Natürlich ist das Schlagwort auch hier in aller Munde. Doch um wie viel Grad sich die globale Temperatur erhöht hat, auf welche maximale Erhöhung sich die Politiker geeinigt haben oder inwiefern die Technologisierung der Welt mit der Klimakrise zusammenhängt — oder auch nicht —, das sind Fragen, die hier vor Ort, auf dem Kartoffelacker oder auf der Viehweide, vollkommen unwichtig sind.

Für eine Kleinbauernfamilie spielen wissenschaftliche Erklärungen oder langwierige politische Debatten zum Klimawandel keine Rolle. Das Einzige, was hier von Bedeutung ist, ist die knallharte Realität. Eine Realität, in der es mehr als ein Jahr lang nicht geregnet hat, in der die Aussaat von Kartoffeln, Bohnen oder Quinoa praktisch verunmöglicht wurde und in der teilweise nur 30 Prozent der üblichen Menge angesät werden konnte.

Eine Realität, in der zusätzlich zur extremen Dürre Frost und Hagel zu ungewöhnlichen — und ungünstigen — Zeitpunkten auftraten, nämlich als die Setzlinge klein und anfällig waren. Eine Realität, in der Seen und Flüsse ausgetrocknet sind, die Menschen und Tieren als Wasserquellen dienten. Zehntausende von Tieren sind verdurstet, darunter nicht nur Lamas und Alpakas, sondern auch Ziegen, Rinder und Schweine. Und mit ihnen die einzige Einkommensquelle der lokalen Bauern. Dazu kamen Waldbrände, die ebenfalls Todesopfer forderten.

Theoretische Debatten sind hier unwichtig

Der peruanische meteorologische Dienst „Senamhi“ meldete, dass die Niederschlagsdefizite im Oktober 2022 einen Rekordwert darstellen, der zuletzt 1976 gemessen wurde. In einigen Ortschaften in den Departementen Puno und Cusco galt der Oktober als der trockenste seit 58 Jahren. Und im November wurden zwischen 60 und 100 Prozent weniger Niederschläge gemessen als im Durchschnitt.

In verschiedenen Regionen wurde der Notstand ausgerufen, und die Regionaldirektoren für Landwirtschaft legten Notfallpläne für Dürre, Frost und niedrige Temperaturen vor. In Puno führte die Regierung eine Kampagne durch, bei der die Bevölkerung dazu angehalten wurde, warme Kleidung zu tragen, ältere Menschen und Minderjährige vor plötzlichen Temperaturschwankungen zu schützen, warme Speisen zu essen und bei Atemwegsinfektionen das nächste Gesundheitszentrum aufzusuchen.

„Dies ist eine der schlimmsten Krisen, mit denen der Agrarsektor aufgrund der fehlenden Niederschläge konfrontiert ist“, betont der Wetterdienst. Statt im Oktober hat es erst im Februar zu regnen begonnen. Für März und April rechnet man mit normalen bis überdurchschnittlichen Niederschlägen, für Mai mit etwas unterdurchschnittlichen. Starke Regenfälle, Hagelstürme und andere Extremereignisse sind jedoch nicht ausgeschlossen.

Egal, was man über den Klimawandel sagen mag: Hier ist es unbedeutend, ob dieser laut den Experten existiert und ob er menschengemacht ist; hier ist er einfach.

Egal, wen man fragt, die lokalen Landwirte erzählen alle dieselbe Geschichte: Die diesjährigen Wetterextreme sind zwar krasser als in den vergangenen Jahren, aber man kann sich schon seit vielen Jahren immer weniger auf den Bauernkalender verlassen.

Die Jahreszeiten haben sich verschoben. Extreme Wetterlagen werden immer häufiger. Entweder regnet es zu früh, zu spät oder so heftig, dass es Erdrutsche und Überschwemmungen gibt. Es treten neue und resistentere Schädlinge auf. Die Kälte in der Nacht und die Sonneneinstrahlung am Tag werden immer stärker. Es gibt immer häufiger Todesfälle durch Erfrieren oder Hitzeschlag.

Die Landwirtschaft kann in diesen Regionen nicht mehr zuverlässig betrieben werden; immer mehr Menschen wandern in die Städte ab, was zu Folgeproblemen führt. Der Verlust von Saat, Ernte und Tieren ist existenzbedrohend. Was man hier braucht, ist sofortige Hilfe, um mit den Auswirkungen der Klimakrise umzugehen. Debatten über mittelfristige politische Pläne, die die globale Erwärmung um ein paar Zehntel Grad verringern wollen, nützen nichts. Die Ernährungssituation wird in den nächsten Jahren immer prekärer werden. Hier steht das Überleben auf dem Spiel.

Zurückgreifen auf alte indigene Methoden

Es gibt verschiedene Initiativen, die ländliche Gemeinden dabei unterstützen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Auf das Wetter selbst hat man zwar keinen Einfluss, und erforderliche technologische Hilfsmittel wie Bewässerungssysteme oder Treibhäuser stehen nicht zur Verfügung.

Die einzige Chance besteht in der Weiterführung und Wiederaktivierung der alten indigenen Landwirtschaftsmethoden. Zum Beispiel die sogenannte Wasserernte, bei der durch ein Filtersystem Regenwasser davon abgehalten wird, zu schnell im Boden zu versickern. Oder die Rotationswirtschaft, bei der man die Böden nicht überstrapaziert wie in der industriellen Landwirtschaft, sondern abwechselnd bewirtschaftet und ruhen lässt oder jedes Jahr andere Produkte auf dem gleichen Stück Land anbaut. So werden Nährstoffe abgespeichert und die Erde wird nicht ausgelaugt.

Landwirtschaft im peruanischen Hochland ist immer Handarbeit und wetterabhängig. Es gibt keine Maschinen oder Bewässerungssysteme. Foto: Nicole Maron



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