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Die neue Welt

Die neue Welt

Wir können uns aus den Fesseln des auf der Illusion vom grenzenlosen Wachstum basierenden Systems befreien.

„Das Buch verdeutlicht, dass eine bessere Welt nicht nur notwendig ist, sondern dass sie auch schon begonnen hat.“ So steht es auf dem Buchrücken. Nach diesem Satz konnte ich es kaum erwarten, es zu lesen, obwohl der Titel nicht sehr verführerisch klang: „Ökofeminismus“. Was soll das sein? Die Vereinigung zweier dogmatischer Strömungen?

Tatsache ist: Ich verschlang das Buch, und Ökofeminismus in wenigen Worten so zu beschreiben, dass es der Großartigkeit des Ansatzes gerecht wird, gelingt mir nicht. Beinahe angewidert oder zumindest skeptisch verziehen meine Gesprächspartner ihr Gesicht, wenn ich aushole, um ihnen von meiner Entdeckung zu erzählen. Ach, wie nervig ist es, wenn Begriffe mit einer anderen Bedeutung vollgeladen und gekapert werden und hilfreiche Ideen umständlich in neue Worte gekleidet werden müssen, um die Menschen nicht abzuschrecken.

Für mich verkörpert Ökofeminismus eine klare Sicht auf alle Zusammenhänge unserer Gesellschaft — von meinem persönlichen Empfinden der inneren Leere inmitten des Konsumwahns über die Probleme der modernen Wissenschaft(sreligion) bis hin zur Weltpolitik und Umweltzerstörung. Alles ist komplex miteinander verflochten und beeinflusst sich gegenseitig. Also wo ansetzen, um etwas zu verändern? Im 2016 für die zweite, überarbeitete und aktualisierte Auflage hinzugefügten Editorial steht:

„Das patriarchalisch-kapitalistische System hat seine Herrschaft von Anfang an auf die Ausbeutung und Unterwerfung der Natur, fremder Länder und der Frauen aufgebaut. Natur, Frauen und fremde Länder sind bis heute die Kolonien dieses Systems. Ziel dieser Kolonialisierung ist die Gewinnung unbegrenzter Macht einer Elite über alles Lebendige und Unbelebte. Ohne diese Ausbeutung und Unterwerfung dieser Kolonien gäbe es die moderne Industriegesellschaft nicht“ (1).

Ohnmacht

Das Buch erschien zum ersten Mal im Jahr 1993 in englischer Sprache — ein paar Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986 und kurz nach dem Ende des Kalten Krieges.

Auch damals, in den Achtzigerjahren, muss in der Gesellschaft eine Art Endzeitstimmung geherrscht haben. Wie fühlten sich die Menschen mit der ständigen Bedrohung durch die in Europa stationierten Nuklearwaffen, die bis heute nicht verschwunden sind (2)?

In den Neunzigerjahren dann Aufatmen und Aufbruchstimmung, um heute wieder das Gefühl zu haben, dass es keinen Ausweg gibt und wir die nächsten Jahre, wenn die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Krise zu spüren sind, vielleicht nicht überleben werden. Dass zumindest unsere gewohnte Welt und Ordnung zusammenbrechen werden und wir aus unserer Komfort- und Wohlstandsblase hinausgeschleudert werden, ohne zu wissen, in was für eine Lage.

Diese drohende Ungewissheit lähmte mich gerade letztes Jahr, als die Coronakrise sich schleichend wie ein undurchdringlicher, bedrohlicher Nebel über die Welt legte.

Wiederbelebt

„Ökofeminismus“ von Maria Mies und Vandana Shiva erweckte mich aus dieser Lähmung und pumpte neuen Schaffensdrang und freudige Lebendigkeit durch meine Venen, ohne die Gefahren für die Menschheit — die sie aus damaliger Sicht beschreiben und die nichts an Aktualität eingebüßt haben — auszublenden oder schönzufärben. Im Gegenteil. Die Autorinnen Maria Mies und Vandana Shiva lenken den Blick der Leser auf die größten Gefahren und Missstände:

  • Reduktionismus und Regeneration: Eine Krise der Wissenschaft
  • Der Mythos der „nachholenden Entwicklung“
  • Wer machte uns die Natur zur Feindin?
  • Heimatlos im „globalen Dorf“
  • Sie sehnen sich nach dem, was sie zerstört haben
  • Das indigene Wissen der Frauen und die Erhaltung der Biodiversität
  • Sexistische und rassistische Grundlagen der neuen Fortpflanzungstechnologien
  • Selbstbestimmung — das Ende einer Utopie?
  • GATT, Landwirtschaft und Frauen der Dritten Welt
  • Befreiung vom Konsum
  • Den Norden entkolonialisieren
  • Die Notwendigkeit einer neuen Vision: Die Subsistenzperspektive

Das sind nur einige der Kapitel aus diesem umfassenden Konzentrat an Aufklärung und Inspiration. Ich saugte die Informationen aus dem Buch auf wie ein Schwamm. Die radikale und komplexe Systemkritik ähnelte dem, was wir im Rubikon-Magazin veröffentlichen, aber in einem anderen Tonfall. Während bei einigen Artikeln in den alternativen Medien, die ich ab und zu lese, ein gewisser Alarmismus mitschwingt — zu Recht, mag man sagen —, ist die Systemkritik von Maria Mies und Vandana Shiva in die warme Weisheit zweier Frauen eingebettet, die bewusst darauf zu achten scheinen, ihre Leser nicht mit den schwer verdaulichen Informationen zu erschlagen.

Informationen fühlen

Beim Kapitel „A-moralische Wissenschaft“ kamen mir die Tränen. Genau das scheint mir ein wichtiger Punkt. Wie viele Menschen konsumieren Informationen wie Fast Food und lassen sie gar nicht auf sich wirken? Was bringt es, uns zu informieren, wenn wir das Wissen sofort emotional verdrängen und nur dazu nutzen, um in Debatten Recht zu haben?

Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir uns bewusst mit Nachrichten und Aufklärungsartikeln auseinandersetzen, Zeit nehmen, das Gelesene oder Gehörte zu verdauen und auch die Gefühle zuzulassen, die das in uns auslöst? Ist es nicht genau der Mangel an Gefühl, an unangenehmem Empfinden, der uns davon abhält zu handeln?

Genau deshalb lese ich inzwischen lieber Bücher als Online-Nachrichten. Im Rubikon laden wir unsere Leser immer wieder ein, das Gelesene durch Bücher nachzuprüfen und zu vertiefen. Inzwischen verstehe ich warum. Die Themen sind so komplex, dass ein Artikel kaum reicht, um sich eine hilfreiche, konstruktive Meinung zu bilden, die uns zum eigenen Handeln inspiriert.

Nachrichten zu lesen, ohne daraus irgendwelche Schlüsse für das eigene Leben zu ziehen, erscheint mir totaler Schwachsinn. Denn sie ziehen die Leute nur runter. Dann sind sie nicht nur inaktiv, sondern auch noch schlecht gelaunt oder gar depressiv, ohnmächtig. Genau so stellen sie dann trotz aller Aufgeklärtheit keine Gefahr mehr für das bestehende System dar.

Gemeinsam sind wir stark

„Ökofeminismus“ ist laut dem Buch „ein neuer Begriff für eine alte Weisheit. Er entstand aus verschiedenen sozialen Bewegungen — der Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung — in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Er wurde populär im Kontext zahlreicher Proteste und Aktivitäten gegen die Umweltzerstörung (…) und den Kampf gegen die Atomkraft“ (1). Und weiter:

„Ökofeminismus handelt von der Verbundenheit und Ganzheit von Theorie und Praxis. Er betont die besondere Kraft und Integrität eines jeden Lebewesens. (…) Wir halten die Verwüstung der Erde und ihrer Lebewesen durch die Industrie-Krieger und die Drohung einer atomaren Vernichtung durch die Militär-Krieger für feministische Anliegen. Das ist die gleiche maskulinistische Mentalität, die uns das Recht auf unseren eigenen Körper und unsere eigene Sexualität abspricht und die von multiplen Systemen der Herrschaft und Staatsmacht abhängt, um sich durchzusetzen.“

Das klang nun doch kämpferisch und anklagend, nach dem Feminismus, mit dem ich nie etwas anfangen konnte. Ich nehme die Bedeutung der Worte kaum war und spüre eine gewisse Ablehnung gegenüber dieser Haltung. Denn ich habe den Eindruck, über meinen Körper bestimmen zu können, wobei … Seit der Maskenpflicht, die hier in Spanien auch im Freien, also überall gilt, kann ich genau dies de facto nicht. Nur betrifft es dieses Mal auch die Männer. Auch weiße und reiche Männer.

Vielleicht bin ich — wie viele andere auch — von den aggressiven Feministinnen und Hardcore-Ökos abgeschreckt, wie ich sie in den Medien immer wieder wahrnahm, wo sie als Dogmatiker und naive Spinner dargestellt wurden — genau wie Rubikon und andere alternative Medien derzeit aufgrund der Kritik an den Corona-Maßnahmen.

Warum kennt kaum ein Mensch die Ökofeminismus-Bewegung, wo sie doch genau dieselbe Systemkritik äußert, die uns — gerade in meiner Filterblase um den Rubikon — antreibt, und auch noch aktiv handelt? Liegt es an der machtvollen Botschaft und den praktischen Erfolgen dieser Bewegung, die im Buch beschrieben stehen? Musste mit allen Mitteln verhindert werden, dass mehr Menschen davon erfahren? Oder ist es intellektuellen, aufgekärten Männern zu unangenehm, sich mit ihrer eigenen Scham und ihren eigenen Gefühlen in Anbetracht der Weltlage auseinanderzusetzen?

Wäre nicht genau das ein Anzeichen dafür, dass selbst Systemkritiker die Ideologie, die dem System, das sie kritisieren, zugrunde liegt, voll und ganz verinnerlicht haben? Immerhin sind nicht nur Frauen, die Natur und andere Völker Opfer des Patriarchats, sondern auch Männer, denen von klein auf jegliche Gefühlsregung aberzogen wird, die sich lächerlich und beschämt fühlen oder gar als Schwächlinge oder Weicheier wahrgenommen werden, wenn sie zu sensibel sind und Gefühle äußern. Wobei jedoch immer wieder, gerade von ihren Frauen, auf ihnen herumgehackt wird, wenn sie nicht über ihre Gefühle sprechen können.

Einer der machtvollsten Aspekte der Ökofeminismus-Erkenntnisse besteht somit darin, auch Männer dazu einzuladen, sich mit sich selbst und ihren innerseelischen Zuständen auseinanderzusetzen, liebevoller mit Männern umzugehen, wenn ihnen das schwerfällt, da es konträr zu ihrer Erziehung und Prägung ist — in den meisten Fällen.

Ich beobachte immer mehr Männer, die ihre Sensibilität zulassen und genau dadurch stark und machtvoll auf mich wirken. Es ist ein Heilungsprozess für uns alle.

Die Lebenslüge

Ein weiterer Satz, der mich besonders begeisterte, steht im Kapitel mit dem vielsagenden Titel „Teile und herrsche — das Geheimnis der modernen Industriegesellschaft und ihrer Definition des ‚guten Lebens‘“:

„Die Lebenslüge, dass hoher Lebensstandard identisch sei mit ‚gutem Leben‘, ist die notwendige ideologische Absicherung moderner Industriegesellschaften, gleichgültig ob sie sich als kapitalistisch oder sozialistisch verstehen. Ohne die massenhafte Zustimmung zu dieser Lebenslüge könnte das System nicht funktionieren. Sie stellt die eigentliche politisch-ideologische Hegemonie über den Alltag der Menschen dar.“

Maria Mies weist zudem auf das Offensichtliche hin: Der hohe Lebensstandard der Industrieländer ist für alle Länder nicht möglich. Die Ressourcen der Erde wären in kürzester Zeit verbraucht. Gleichzeitig führt sie uns zur Erkenntnis, dass dieser Lebensstandard selbst für uns, die modernen Industriegesellschaften, überhaupt nicht wünschenswert ist. Sie beschreibt die Erfahrung einer Studentin aus den Philippinen, die Europa im Rahmen eines Projektes besuchte und die Probleme von Mittelklassefrauen im reichen Norden kennenlernte:

„Sie hatte keine Ahnung gehabt von dem psychischen Elend dieser Frauen, ihren Ängsten, Depressionen, ihren Abhängigkeiten, insbesondere ihrer Abhängigkeit von dem Terrorzusammenhang, den sie ‚Liebe‘ nannten. Diese Frauen waren doch gebildet, waren modern, waren sogar berufstätig und brauchten keine Angst vor dem Verhungern zu haben. (…) Warum waren die denn nicht glücklich, nicht frei, nicht selbstbewusst? Hatten sie nicht alles?

Das psychische Elend, die Einsamkeit, die Ängste, die Süchte und Abhängigkeiten, das Unglück und der Verlust an Identität sind der Preis, den die Menschen in den reichen Industrieländern für ihren stets steigenden Lebensstandard zahlen. (…)

Wem dies klar geworden ist, der kann getrost jene Lebenslüge aufgeben, nicht nur aus Solidarität mit der ‚Dritten Welt‘, nicht nur aus Verantwortungsgefühl für die Natur, die Kinder und die zukünftigen Generationen, sondern auch aus Liebe zu sich selbst und zum Leben.“

Sie sprach mir aus der Seele. Aus meiner persönlichen Erfahrung der inneren Leere heraus erschuf ich damals Flohbair, um andere Menschen von der revolutionären Kraft der Selbstliebe zu inspirieren. Intuitiv spürte ich, dass in der mangelnden Wertschätzung und Anerkennung unserer selbst eine der Ursachen für unser zerstörerisches Verhalten lag.

Lebensfreude ist politisch

Mit meiner Politisierung durch den Rubikon vor drei Jahren entdecke ich nun, wie politisch unsere Beziehung zu uns selbst ist. Denn sie bestimmt unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen, zu anderen Lebewesen und zur Erde.

Immer wieder frage ich mich, warum sich trotz aller Erkenntnisse und trotz aller Aufklärung so wenig im Sinne der Menschlichkeit und Natur ändert und warum nicht mehr Menschen begeistert diese Lebensphilosophie für ihren Alltag übernehmen.

Das Leben macht in einer liebevollen Haltung zu sich selbst und der Mitwelt einfach mehr Spaß, um nicht zu sagen, so macht es mir zum ersten Mal überhaupt Spaß.

Natürlich ist der Weg begleitet von Scham, Trauer, Wut und Schmerz — immer wieder aufs Neue. Sie gehen quasi alle Hand in Hand mit der Freude. Und sie bringen mich nicht um. Ein sinnentleertes Leben hingegen fühlt sich an, als wäre ich tot, eine leblose Hülle, ein Zombie, die Existenz eine langweilige stille Qual.

Die Befreiung

Als ich dann auch noch den Vorschlag von Maria Mies las, die Menschen zur Konsumbefreiung statt zum Konsumverzicht anzuregen, wäre ich der betagten Autorin am liebsten um den Hals gefallen.

Sie beschreibt, wie die Menschen in den reichen Ländern versuchen, ihre Grundbedürfnisse wie zum Beispiel Anerkennung und Liebe durch Konsum zu befriedigen, immer schön angeheizt und aufgestachelt von den überall lauernden Medien und Werbeplakaten. Wenn wir diese Bedürfnisse endlich bewusst anerkennen, kommunizieren und durch zwischenmenschliche und innerseelische Beziehungen befriedigen, sind wir vom ewigen Konsumrausch befreit.

So lautet die Schlussfolgerung für mich, dass jeder Systemkritiker sich endlich auch seiner selbst widmet, wenn er nicht weiter ein Zahnrädchen im zerstörerischen Laufwerk des Neoliberalismus sein und seine berechtigte Kritik im luftleeren Raum verpuffen sehen möchte.

Denn Selbstliebe oder Selbstfürsorge lohnen sich so oder so. Für das Individuum in jedem Fall und wenn genügend Menschen sie für sich entdecken, für die Gesellschaft hin zu einem wirklichen und sich organisch aus sich heraus entwickelnden Systemwandel — so wie Gras und Gänseblümchen durch Betonwüsten wachsen.

Systemkritik und Selbstliebe

Wie nun wieder Selbstfürsorge im Alltag umzusetzen ist, kann nur jeder Mensch für sich selbst herausfinden. Dazu gehören auf jeden Fall Offenheit, Geduld und Mut. Wie oft überkommt mich diese unangenehme Scham, wenn ich mich ganz bewusst selbst als dieses verletzliche Menschenwesen wahrnehme, das verdaut, das albern ist, das übermütig und ängstlich ist, das durch einen Körper klar von der Welt abgegrenzt und durch einen Geist und eine Seele schwammig mit ihr und allen anderen verstrickt ist …

In manchen kostbaren Augenblicken, wenn ich all dies einfach mal für ein paar Sekunden aushalten und fühlen kann, erfüllen mich innerer Frieden und eine Art Gottvertrauen.

Intellektuelle Systemkritik und praktische Selbstliebe gepaart mit konkretem Handeln auf lokaler Ebene sind gelebter Wandel. Danke, Maria Mies und Vandana Shiva, für all die Erkenntnisse und Inspirationen.

Inspiration aus der Praxis

Und da es natürlich auch nicht zielführend ist, sich nun nur noch mit sich selbst zu beschäftigen, und das Mitwirken an Projekten die Seele ebenfalls beflügelt, hier zwei Beispiele für erfolgreiche Aktionen, die zum Nachahmen anregen:

1. Die Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK) in Deutschland

Die Stärke der SSK lag „in ihren schnellen, direkten, unbürokratischen Aktionen, ihrer Öffentlichkeitsarbeit durch Wandzeitungen, einer direkten Verbindung von Reflexion und Handeln und ihrer Verpflichtung, aus ihrer eigenen Stärke heraus zu leben und offen zu sein für alle Unterdrückten, für den ‚sozialen Abfall‘ unserer Industriegesellschaft“.

„Weder der Regierung noch sonst einer der amtierenden Parteien“ war es gelungen, „so viele miteinander verbundene Probleme in einem einzigen Projekt zu lösen, nämlich: die Lösung ökologischer und sozialer Probleme, sowohl die Erde zu heilen als auch die Menschen und Gemeinden, indem sinnvolle Arbeit geschaffen wird und sozial benachteiligten Frauen und Männern ein neuer Wirkungskreis eröffnet wird.

Eine neue angepasste Technologie wird entwickelt aus weggeworfenen, veralteten Dingen; Ödland wird wieder bebaut; unter den Leuten, die sich um das künftige Leben auf diesem Planeten sorgen und verantwortlich fühlen, wird wieder ein neues Gemeinschaftsgefühl geweckt; und schließlich wird neue Hoffnung geschaffen, nicht nur für die, die direkt in das Projekt eingebunden sind, sondern für zahllose andere, die die Orientierung verloren haben. Dieser synergetische Charakter des Projekts war nicht geplant, entstand aber aus der Notwendigkeit, es weiterzuführen, und garantiert daher dessen Überleben. (…)

Geführt von der Subsistenzperspektive und der Notwendigkeit, für die Tiere mehr Heu zu bekommen, war der nächste Schritt der Kauf des alten Bauernhauses und die Reparatur der alten Gebäude und Geräte für die Subsistenzwirtschaft. Gleichzeitig sicherte sich die Gruppe einen Vertrag hinsichtlich der Kompostierung von Küchenabfall für eine Reihe von Dörfern“ (1).

2. Die Chipko-Bewegung in Indien

Die Frauen der Chipko-Bewegung „erklärten, dass sie weder von der ‚Entwicklung‘ noch von der Geldwirtschaft das Geringste erwarteten. Sie wollten nur die autonome Kontrolle über ihrer Subsistenzbasis erhalten, ihr Gemeineigentum: Land, Wasser, Wälder, Berge.

Aus der Geschichte und aus ihren eigenen Erfahrungen wissen sie, dass ihr Überleben — ihr Brot — sowie ihre Freiheit und Würde nur solange erhalten werden können, wie sie die Kontrolle über die Ressourcen behalten. Sie brauchen das Geld nicht, das die Regierung oder die Industriellen anbieten, um zu überleben.

Ihr Begriff von Freiheit und vom ‚guten Leben‘ ist grundverschieden von dem, was der globale Supermarkt des kapitalistisch-patriarchalen Industriesystems anbietet. Bemerkenswerterweise sind nicht einmal ihre Söhne begeistert von diesem Supermarktmodell, im Gegensatz zu zahllosen Männern im Süden, die als Erste von den Verlockungen des Marktes und der Geldwirtschaft verführt werden. Die allerwenigsten Männer sind heute bereit zu sagen: ‚Die Würde meiner Mutter ist nicht mit Geld zu kaufen‘“ (1).

„Vielerorts gelang es der Chipko-Bewegung, Abholzungen zu verhindern. Die Proteste der Chipko-Bewegung führten 1980 in Uttar Pradesh zu einem 15-jährigen Verbot durch Premierministerin Indira Gandhi, Bäume in den höheren Lagen des Himalajas zu fällen. Ein ähnliches Verbot wurde später in den Staaten Uttaranchal und Himachal Pradesh erlassen. Indira Gandhi war der Ansicht, dass sich in der Chipko-Bewegung das soziale Gewissen Indiens zeige. Im Jahr 1987 wurde die Chipko-Bewegung mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet“ (3).



Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst auf flohbair.com.


Quellen und Anmerkungen:

(1) „Ökofeminismus — Die Befreiung der Frauen, der Natur und unterdrückter Völker. Eine neue Welt wird geboren“, Maria Mies, Vandana Shiva, 2016
(2) „Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges stationierten die Vereinigten Staaten rund 7.300 Atomwaffen in Europa, um den NATO-Verbündeten erweiterte Abschreckungs- und Sicherheitsgarantien zu geben. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde die Anzahl der US-Atomwaffen, die in Europa zur Unterstützung der NATO stationiert sind, um 90 Prozent reduziert. Allein zwischen 1991 und 1993 zogen die Vereinigten Staaten rund 3.000 Atomwaffen aus Europa ab. Zwischen 2000 und 2010 reduzierten die USA die in Europa stationierten Atomwaffen weiter und konsolidierten diese an wenigen Stützpunkten. Dieses begrenzte Dispositiv besteht bis heute.“, nato.int
(3) Wikpedia


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