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Die Wonne des Wohnens

Die Wonne des Wohnens

Das Wohnen wird zunehmend zu einem Privileg, das jeder will, aber immer weniger Menschen zuteil wird.

So geht das also: Der Mensch wohnt — theoretisch — gerne oder meint das zumindest. Hingegen arbeitet der Mensch an sich nicht gerne, wie jedes andere Lebewesen auch, außer der Ameise, die aber auch nicht von Haus aus gerne arbeitet, sondern weil sie durch eine fiese biochemische Programmierung — wahrscheinlich infolge eines naturgeschichtlichen „Great Reset“ samt gentechnischer Impfkampagne, wer weiß das schon? — dazu gezwungen wird zu glauben, sie täte das freiwillig, wozu sie solcherart gezwungen wird. Das ist übrigens ein Ideal, von dem die Oligarchen und Imperatoren der westlichen Welt seit Längerem träumen und dem sie mit ihren diversen psychologischen und gentechnisch-impfologischen Unternehmungen Schritt für Schritt näher kommen — oder davon zumindest überzeugt sind.

Aber da schweife ich schon wieder ab. Kurz gesagt: Ob sinnvoll oder nicht — was im Falle der modernen Arbeitswelt, die überwiegend aus Bullshitjobs, McJobs und allen möglichen rudimentären bis redundanten Daten- und Verwaltungshubereien besteht, schwer zu unterscheiden ist —, ob selbstverwirklichend oder bloß den Reichtum obszön reicher Oligarchen aufblähend — was gerne mal das Gleiche ist—, ob einigermaßen angemessen oder beschämend schlecht entlohnt oder astronomisch hyperbezahlt: An sich und von Natur aus arbeitet der Mensch nicht gerne. Das gilt im Alltag selbst für Fußball-, Schau- und andere Spieler, die im Grunde ja sowieso nicht arbeiten, sondern einer sportlichen bis künstlerischen Beschäftigung nachgehen, für die sie mit einem besonderen, in intensiver — eben doch — Arbeit geschmiedeten Talent begnadet sind.

Dass dennoch Milliarden Menschen auf Erden arbeiten, liegt nicht zuletzt daran, dass sie wohnen wollen und das, zumindest in den Metropolen unseres katzengoldenen Restwestens, haarsträubend und nicht selten rückgratbrechend teuer ist.

Worin die Tätigkeit des Wohnens eigentlich besteht, ist schwer zu fassen: Früher mal rümpelte man dazu eine Bude mit Möbeln, praktischen Geräten und Apparaten voll, verhübschte sie mit allerlei Zierat, Erinnerungsstücken und Bildwerk — das meist eine Zeit oder Welt ohne Arbeit darstellte oder daran erinnerte — und setzte oder legte sich, wenn der Feierabend gekommen war und sämtliche Stammtische und Damenkränzchen absolviert waren, in die geschmückte Bude hinein, um in Büchern oder Heften zu blättern, sich von Rundfunk- und Fernsehpropaganda das Hirn verrußen zu lassen, den Hintern und die Zehen am glühenden Ofen zu wärmen und schließlich zu schlafen.

Das ist freilich arg verkürzt: Zum Wohnen gehörte auch der größte Teil des weiten Feldes geschlechtlicher Tätigkeit, die Aufzucht und Unterbringung des Nachwuchses, ein gewisses Maß an klandestiner und familiärer Geselligkeit, diverse Rituale der Nahrungsaufnahme und Körperpflege und eine ganze Menge mehr. Heute, im Zeitalter der erzwungenen Totalmobilisierung der „Workforce“, ist davon nicht mehr viel übrig: Wohnen bedeutet für den postmodernen Arbeitssklaven kaum mehr als schlafen, zwischen ein paar Gegenständen, die oft nicht mal aus den Umzugskisten gepackt werden, weil das Jobcenter jeden beliebigen Tag eine neue Verschickung anordnen kann. Da wohnt im Grunde der vom Wirtschaftsfaschismus aussortierte— weil nicht auszunutzende — Nutzlose unter der Isarbrücke noch mehr, weswegen man ihn wahrscheinlich so gerne wegprätscht: aus purem Neid. Auch zeitlich fällt eine Abgrenzung schwer: Wer von den achtzehn wachen Stunden eines durchschnittlichen Arbeitstages zehn im Büro, fünf im Auto, zwei im Fitnessstudio und eine vor der Glotze verbringt, täte dennoch auf die Frage nach seinem Wohnort ohne Zögern das Gebäude angeben, in dem momentan ein Briefkasten seinen Namen trägt.

Mag sein, dass früher mal die Abgeschiedenheit, der Schutz der Privatsphäre ein Argument war, aber auch das ist längst vorbei: Selbst das elektronikärmste Non-smart-Home, in dem noch nicht mal der Kühlschrank selbsttätig einkauft, sendet ununterbrochen intimste Daten an die Zentralen der Weltenlenker, und wer beim Disputieren am abendlichen Küchentisch „Bitte was?“ sagt, findet unweigerlich am nächsten Morgen Reklame für Hörgeräte in der elektrischen Post.

Das alles wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Was wohnen ist, werden wir nie letztgültig klären können, und weshalb es so kriminell teuer ist, weiß im Grunde ja sowieso jeder.

Oder wirklich? Mir wird das, je länger ich darüber nachdenke, ein immer größeres Rätsel. Man sagt uns: Wohnen ist so teuer, weil es so wenig Wohnraum gibt. Das klingt logisch, auf den ersten Blick. Um mehr Wohnraum zu schaffen, verspricht seit Jahrzehnten oder eigentlich seit Jahrhunderten eine Regierung nach der anderen, neuen Wohnraum zu schaffen, der — das postulierten im letzten Bayernwahlkampf sämtliche Parteien in einer bemerkenswerten Querfront — unbedingt „bezahlbar“ sein müsse. Man könnte sagen: Solange Wohnraum bezahlbar sein soll, muss man dafür bezahlen, was an sich — siehe oben — ein Skandal ist. Aber darauf will ich jetzt nicht weiter herumreiten. Dass Parteien Interessenvertretungen von mächtigen Zahlungsempfängern und generell Paradebeispiele für Schwarmblödheit sind, ist ja nichts Neues.

Nun, ich gehe, besonders im Herbst, gerne spazieren. Wenn ich in den frühen Abendstunden in meinem Viertel, der traditionsreichen Ex-Kleinstadt Schwabing, spazierengehe, fällt mir ein Phänomen auf, das sich in den letzten dreißig Jahren sozusagen exponentiell verstärkt und verbreitet hat: Da wohnt fast niemand!

Zum Verständnis: Es gibt in Schwabing Tausende Häuser, vielleicht Zehntausende, vielleicht noch mehr. Ein großer Teil davon sind wunderschöne Bauten aus Zeiten, als man noch bauen konnte und diese Fähigkeit hemmungslos zur Schau stellte: Jugendstilfassaden, Gründerzeitbürgerhäuser, Schlösschen mit goldenen Turmspitzchen, prächtige Denkmäler einer menschlichen Kulturtechnik, die längst ausgestorben oder vielmehr erstickt ist im Tsunami der gesichtslosen Betongebirge mit ihren faden, gleichgeschalteten Schmalfensterfressen und schmutzigen Leuchtweißtünchungen. Dass es viele dieser Prunkstücke noch gibt, verdanken wir neben ungeschickten Bomberpiloten vor allem strengen Denkmalschützern, geschickten Restauratoren und Instandhaltern, die sich dem Trend der Tabula-rasa-Vermassung entgegenstemmen und dabei günstigere Umstände vorfinden als etwa in der unberechenbaren „Wackelstadt“ Venedig (um Naffrath Naffziger zu zitieren). Aber: Da wohnt fast niemand!

Wer genauer hinschaut und ein bisserl Detektiv spielt, notfalls auch nur mittels Inspektion der Galerien von polierten Messingschildern, stellt fest: Da wohnt schon jemand, aber „wohnen“ nennt man das halt nicht. Tagsüber tummeln sich in den herrschaftlichen Räumen Rechts- und andere Anwälte, Notare, Architekten — von gleichgeschalteten Betongebirgen —, Ärzte, Heilpraktiker mit Sonderbegabung, Werbe- und sonstige Agenturen, Unternehmens- und weitere Berater, Produzenten, Agenten, Consulter, Konsuln und Manager sowie ähnliches Gesocks und Kroppzeug ohne greifbaren Tätigkeitsbereich mitsamt ihrem Hofstaat und Gesinde an Mini-, Mc- und Bullshitjobs. Und nachts — wohnen da Kopierer, Drucker, Computer und Server, die rund um die Uhr „laufen“, ohne sich fortzubewegen, und mit Megawatts an französischem Atomstrom belüftet und gekühlt werden, was immerhin, dem Prinzip der Wärmepumpe folgend, die Gebäude mittels Dauerbeheizung vor Stockschwamm und Schimmel bewahrt.

Ich will mich da nicht aus dem Fenster lehnen:

Es könnten allein in München Zehntausende, aber auch Hunderttausende, vielleicht eine Million wundervolle Wohnungen sein, die in dieser Weise profitträchtig leerstehen.

Hinzu kommen so richtig leerstehende Gebäude, die es ebenfalls allerorten gibt, weil Erben sich nicht einigen können oder irgendwer in irgendeinem Amtsbüro eine „Energiebilanz“ oder einen ähnlichen Blödsinn fordert, der mit alten Holz- und Gasöfen und ökologisch wertvollen Holzfenstern nicht kompatibel ist.

Und auf der anderen Seite steht eine offensichtlich verblödete oder blinde oder realitätsenthobene oder wie auch immer man das nennen will …, jedenfalls eine Regierung, die 400.000 neue Wohnungen pro Jahr ankündigt und von niemandem gefragt wird, wo denn die 400.000 neuen Wohnungen vom letzten Jahr, die vier Millionen neuen Wohnungen der letzten zehn Jahre eigentlich hingekommen sind. Wie kann das sein, dass unübersehbar jedes noch verbliebene Feld, jede Landschaft, jeder idyllische Hinterhof, jedes Fitzelchen an restnatürlichem Grün, Braun oder Grau vernichtet, abgeräumt und zubetoniert und der Wohnraum trotzdem immer weniger wurde?

Ich erwarte keine Antwort, weil sich die Antwort jeder denken kann. Und sowieso hat sich die Situation in den letzten Monaten, seit Deutschland auf Geheiß seiner Herrscher so richtig aktiv tötend in den Krieg gegen Russland eingestiegen ist, komplett geändert. Das sieht jeder, der zum Beispiel mal einen Radlausflug durch den Münchner Norden unternimmt und all die hoffnungsvollen Megabaustellen abklappert, die vor Jahren aufgerissen wurden, um Milliarden auf die Konten der Spekulantenmafia von Büschl bis CA Immo sowie ein paar Millionen auf die Konten ihrer willigen Komplizen in den grünen, roten, schwarzen und gelben Fraktionen der Korruptionsabteilung im Münchner Stadtrat zu pumpen: Da nämlich passiert nun noch weniger als nachts in den monarchischen Dependancen der zuständigen Architekten. Hier und da stehen ein paar rostende Maschinen herum, Baugruben gähnen als kiesige Wüsten, als Denkmäler menschlichen Wahns, und außenrum versprechen vergilbende Werbetafeln hochmodernes „Wohnen“ in KI-gesteuerten Unterbringungsmaschinen mit allem Trara. Alles hinfällig, weil der Deutsche halt jetzt erst mal Panzer, Bomben und Raketen bauen muss und das, was man für die Betonträume bräuchte, aufgrund des nach hinten losgegangenen Wirtschaftswachstums nicht mehr zu bezahlen beziehungsweise überhaupt nicht mehr verfügbar ist.

Ich gebe das gerne zu: Mich freut das. Unweit von meinem Garten nämlich liegt die idyllische Eggartensiedlung, ein europaweit einmaliges kultur- und naturgeschichtliches Denkmal einer Gartenstadt, das durch alle möglichen glücklichen Fügungen hundert wilde Jahre und einen ganzen Weltkrieg überstanden hat, geschändet, versehrt und vernarbt, aber lebendig. Erst in den letzten Jahren ist eine ganze Reihe der überlebenden, hoffnungslos romantisch und idyllisch in die umgebende Natur hineingewachsenen Traumhäuserl dem Furor krimineller Betonspekulanten zum Opfer gefallen. Der Plan war, durch gezielte und wahllose Ausrottung der geschützten Tiere und Pflanzen in der Siedlung „vollendete Tatsachen“ zu schaffen, dann den ganzen altmodischen Kram wegzubaggern und ein weiteres Betongebirge für drei- oder fünftausend ferngesteuerte Kapitalismusnomaden draufzubunkern.

Jetzt steht auch dort alles still. Und so soll, so wird es bleiben, bis vernünftige, traumbegabte Menschen nach dem unaufhaltsamen Zusammenbruch des alten Systems — oder sagen wir: des seit Jahrzehnten laufenden Vernichtungsprozesses — hergehen, die verbliebenen Häuser und Gärten besetzen, die zerstörten wieder aufbauen und kultivieren, Stein für Stein, Balken für Balken, behutsam und — Obacht, Modewörter! — achtsam und nachhaltig, sich einlassen auf das, was ist, was war und was wird, und am Ende das tun, was in diesem Fall und in dieser Konsequenz dann doch eine höchst sinnvolle, wenn auch nicht begrifflich zu fassende Tätigkeit ist: wohnen. Was ja eigentlich „leben“ heißt, nicht wahr?


Was "Wohnen" ist und wieso es jeder will und keiner darf #Belästigungen17


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