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Eingeschnappte Sanktionierer

Eingeschnappte Sanktionierer

Wegen angeblicher Nichtkooperation treten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft — die Menschen im Land werden dadurch weiter in Not gestürzt.

Eine umfassende Analyse der strategischen, wirtschaftlichen und innenpolitischen Folgen

Die politische Führung in Teheran, die bereits von internen Spaltungen und einem schwindenden regionalen Einfluss geprägt ist, sieht sich einem strategischen Dilemma gegenüber. Während die Hardliner eine weitere Eskalation bis hin zum möglichen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) befürworten, sind pragmatische Kräfte zunehmend diplomatisch isoliert. Der Snapback, der die Vetomacht von Russland und China überwindet, entlarvt die Grenzen der strategischen Partnerschaften Irans. Gleichzeitig verschärft er die bereits bestehenden Spannungen mit Israel, die sich im Juni 2025 in einem direkten, militärischen Konflikt entluden.

Die Prognose ist ambivalent: Eine friedliche Lösung erscheint aufgrund der politischen Verfestigung der Fronten unwahrscheinlich. Stattdessen droht eine weitere Eskalation, die sowohl das Atomprogramm beschleunigen als auch eine existenzielle Krise für das Regime und die Zivilbevölkerung auslösen könnte. Dieser Bericht beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen und die weitreichenden Konsequenzen dieses entscheidenden geopolitischen Schrittes.

Vom JCPOA zum Bruch: Chronologie der Eskalation bis August 2025

Der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan (JCPOA), auch als Wiener Atomabkommen von 2015 bekannt, sollte das iranische Atomprogramm durch internationale Kontrolle und die schrittweise Aufhebung von Sanktionen befrieden.

Im Gegenzug für Sanktionserleichterungen sah die Vereinbarung vor, dass der Iran sein Nuklearprogramm einschränkt und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) weitreichende Inspektionen erlaubt. Der Ausstieg der Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump im Jahr 2018, die Wiedereinführung bilateraler US-Sanktionen und schließlich die Unfähigkeit der Europäer, dem Iran eine befriedigende Option anzubieten, führten jedoch zu einer schrittweisen Aushöhlung der Vereinbarung. (2)

Im Jahr 2019 initiierte die iranische Regierung eine systematische Abkehr von ihren Verpflichtungen im Rahmen des JCPOA. Dies wurde von einer Intensivierung der nationalen Kernwaffenaktivitäten begleitet. (3) Ein entscheidendes Datum war der 18. Oktober 2023, der sogenannte „Transition Day“, an dem UN-Beschränkungen für das iranische Raketenprogramm ausliefen.

Obwohl die Vereinbarung vorsah, diese Restriktionen aufzuheben, hielten die E3-Staaten ihre entsprechenden Sanktionen auf EU-Ebene und im britischen Rechtssystem aufrecht, um Irans Verstöße zu sanktionieren. (4) Diese Maßnahme unterstrich die zunehmende strategische Distanz zwischen den europäischen Partnern und Teheran.

Die Entwicklungen im Juli und August 2025 zeigten, dass eine diplomatische Lösung zunehmend außer Reichweite geriet. Die Verhandlungen zwischen den E3 und dem Iran blieben ohne Erfolg, da Teheran nicht ausreichend bereit war, seinen Verpflichtungen aus dem JCPOA nachzukommen. (1) Die E3 warnten den Iran am 8. August 2025, dass der Snapback-Mechanismus ausgelöst werden könnte, falls keine diplomatische Einigung erzielt würde. (5) Schließlich, nach dem Scheitern der Gespräche, schickten Deutschland, Frankreich und Großbritannien am 28. August 2025 ein offizielles Schreiben an den UN-Sicherheitsrat, um den 30-tägigen Prozess zur Wiedereinführung der Sanktionen zu starten. (3)

Der Mechanismus in Resolution 2231

Der Snapback-Mechanismus ist ein zentraler Bestandteil des JCPOA und in der UN-Resolution 2231 verankert. Er wurde konzipiert, um eine schnelle und automatische Wiedereinführung von Sanktionen zu ermöglichen, falls Iran seine nuklearen Verpflichtungen nicht einhält. (6) Die Besonderheit dieses Mechanismus liegt in seiner „veto-proof“-Natur. Im Gegensatz zu normalen UN-Sicherheitsratsresolutionen, die die Zustimmung von mindestens neun Mitgliedern und kein Veto eines der fünf ständigen Mitglieder (P5) erfordern, funktioniert der Snapback-Prozess umgekehrt. (4)

Der Ablauf ist klar definiert: Ein JCPOA-Teilnehmer (in diesem Fall die E3-Staaten) muss dem UN-Sicherheitsrat eine „erhebliche Nichterfüllung von Verpflichtungen“ durch den Iran melden. Daraufhin beginnt eine 30-tägige Frist. Innerhalb dieser Zeit muss der Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, um die Aufhebung der Sanktionen fortzusetzen. Kommt diese Resolution nicht zustande, treten die ursprünglichen UN-Sanktionen aus den Jahren 2006 bis 2010 automatisch wieder in Kraft. (6)

Da die E3-Staaten über ein Vetorecht verfügen, können sie jede Resolution blockieren, die die Sanktionslockerungen aufrechterhalten würde, was die Wiedereinführung der Strafmaßnahmen praktisch unausweichlich macht. (4)

Dieser prozedurale Schachzug hat eine tiefere strategische Bedeutung. Die Aktivierung des Mechanismus war auch eine Reaktion auf dessen Ablaufdatum am 18. Oktober 2025. Hätten die E3 den Snapback nicht vor diesem Stichtag ausgelöst, hätten sie ein entscheidendes Druckmittel verloren. (4) Der Zeitpunkt der Aktivierung, während Südkoreas Präsidentschaft im Sicherheitsrat, war ebenfalls strategisch gewählt, um möglichen Verzögerungstaktiken Russlands im Oktober vorzubeugen, wenn Moskau die Präsidentschaft übernommen hätte. (10) Die Aktion unterstreicht die Entschlossenheit der E3, die diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen und Iran mit einer harten Konsequenz zu konfrontieren.

Tabelle 1: Vergleich der Sanktionen gegen den Iran

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Die Tabelle 1 veranschaulicht, dass die Wiedereinführung der UN-Sanktionen zwar in ihrer wirtschaftlichen Schwere hinter den unilateralen US-Maßnahmen zurückbleiben mag, aber eine entscheidende völkerrechtliche Dimension hinzufügt. Ihre multilaterale Natur erschwert es Staaten, die sich bisher den US-Sanktionen widersetzt haben, den Handel mit dem Iran fortzusetzen, da dies nun einen Verstoß gegen internationales Recht darstellen würde. Die UN-Resolutionen bieten zudem eine politische Legitimation für militärische Aktionen, was die Gefahr einer Eskalation erhöht. (7) Tabelle: David Parsian

Die verheerende Auswirkung des verschärften Sanktionsregimes

Die iranische Wirtschaft befand sich bereits vor der Aktivierung des Snapbacks in einem prekären Zustand. Das Land kämpft mit einer tiefen Rezession, hoher Inflation und weit verbreiteter Arbeitslosigkeit, die durch jahrzehntelange Misswirtschaft, systemische Korruption und internationale Sanktionen verursacht wurden. (12) Die Landeswährung, der Rial, hat einen dramatischen Wertverlust erlitten und ist seit 2015 von einem Wechselkurs von 32.000 auf über 1 Million pro US-Dollar gefallen, was die Kaufkraft der Bevölkerung massiv geschmälert hat. (5)

Die Wiedereinführung der umfassenden UN-Sanktionen wird diese Krise erheblich verschärfen.

Die Sanktionen umfassen ein umfangreiches Waffenembargo, Reiseverbote und Vermögenssperren gegen Dutzende von Personen und Organisationen, die mit dem Atomprogramm und den Revolutionsgarden in Verbindung stehen. (4)

Besonders schwerwiegend sind die Beschränkungen im Finanz- und Transportsektor, die den Iran vom globalen Handel und Investitionsströmen abschneiden. (14) Zwar waren die meisten westlichen Unternehmen bereits aufgrund der US-Sanktionen aus dem Iran abgezogen, doch die UN-Sanktionen binden nun auch risk-averse Unternehmen und Staaten rechtlich zur Einhaltung. Dies macht es für Teheran noch schwieriger, internationale Geschäfte abzuwickeln und den Zugang zum globalen Finanzsystem aufrechtzuerhalten. (14)

Die Rolle von China und Russland

Inmitten der zunehmenden Isolation hat sich Iran strategisch stärker an China und Russland angenähert. (15) China ist der mit Abstand wichtigste Abnehmer von iranischem Öl und ein entscheidender Handelspartner. (11) Der Iran nutzt die sogenannte „Geisterflotte“ aus alternden Tankern, um die Sanktionen zu umgehen und sein Öl zu Schleuderpreisen zu verkaufen. (19) Auch Russland hat sich im Januar 2025 offiziell zu einer strategischen Partnerschaft mit Iran bekannt, die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit vorsieht. (16)

Allerdings sind die Grenzen dieser Beziehungen durch die Snapback-Aktivierung sichtbar geworden.

Die Tatsache, dass der Mechanismus die Vetomacht von Russland und China im UN-Sicherheitsrat umgeht, zeigt, dass diese Länder Teheran nicht vor multilateralem Druck schützen können. (4)

Obwohl Russland von den steigenden Ölpreisen profitieren mag, die durch die Eskalation im Nahen Osten verursacht werden, ist es an einer nuklear bewaffneten Islamischen Republik an seiner Grenze nicht interessiert. (16) China verfolgt eine vorsichtige Doppelstrategie: Es weigert sich zwar, US-Forderungen zum Stopp von Ölimporten nachzukommen, wird aber die UN-Sanktionen möglicherweise selektiv und graduell umsetzen, um seinen eigenen Zugang zu globalen Märkten nicht zu gefährden. (8) Der Snapback erhöht den Druck auf Peking, seine Risikokalkulation neu zu bewerten und könnte die Unterstützung für Teheran langfristig erodieren lassen.

Sozioökonomische Konsequenzen für die iranische Bevölkerung

Die Hauptlast der verschärften Sanktionen trifft die iranische Zivilbevölkerung. Berichten zufolge sind bereits jetzt Kinder von Mangelernährung betroffen. (22)

Die ohnehin marode Infrastruktur des Landes, die mit Problemen wie Stromausfällen, Benzin- und Wasserknappheit zu kämpfen hat, wird weiter geschwächt. (2) Die Menschen in den Städten berichten von einem tiefen Gefühl der Unsicherheit und Verzweiflung über den anhaltenden Währungsverfall. (5)

Der wirtschaftliche Druck der Sanktionen stört die staatlichen Umverteilungsmechanismen, was die Regierung zwingt, Sozialausgaben zu kürzen und der Bevölkerung Einnahmen zu entziehen. (22)

Dies hat das Vertrauen in die Regierung, das bereits nach den Protesten im Jahr 2022 gegen politische Repression und Misswirtschaft massiv erschüttert wurde, weiter untergraben. (2) Die Aktivierung des Snapbacks könnte somit als Katalysator für eine neue Welle sozialer Unruhen wirken, da er die bereits herrschende Verzweiflung und Unsicherheit vertieft.

Zwischen Eskalation und diplomatischer Sackgasse: Urananreicherung und Breakout-Fähigkeit

Die nukleare Eskalation Irans war der unmittelbare Auslöser für die Aktivierung des Snapbacks. Seit dem Rückzug der USA aus dem JCPOA hat der Iran seine Verstöße systematisch ausgeweitet. Teheran hat Uran auf 20 Prozent und sogar bis zu 60 Prozent angereichert, ein Niveau, das weit über den zivilen Nutzungszwecken liegt. (1) Der gesamte Bestand an angereichertem Uran ist auf Tausende von Kilogramm angewachsen, was die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft nährt. (10)

Die sogenannte Breakout-Fähigkeit — die Zeit, die der Iran benötigt, um ausreichend waffenfähiges Uran für eine Atombombe zu produzieren — wird von Experten als „bedenklich kurz“ eingeschätzt und auf nur wenige Tage beziffert. Obwohl die iranische Führung die Entwicklung von Atomwaffen offiziell leugnet und auf eine religiöse Fatwa des Obersten Führers Ali Khamenei verweist, wird die offene Diskussion über Nuklearwaffen seit 2024 als Zeichen für die Relativierung dieser Position gewertet. (2) Der letzte entscheidende Schritt zur Atommacht wird als rein politische Entscheidung angesehen.

Tabelle 2: Status des iranischen Atomprogramms (Stand: August 2025)

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Tabelle: David Parsian

Die offizielle Reaktion Teherans

Die iranische Führung hat die Auslösung des Snapback-Mechanismus scharf verurteilt und als „illegal und ungerechtfertigt“ bezeichnet. (9) Teheran hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. (9) Eine der am stärksten artikulierten Drohungen ist der potenzielle Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT). (14) Diese Option wurde bereits im Dezember 2024 von Regierungsvertretern angedroht. (14)

Der Austritt aus dem NPT wäre ein weitreichender Schritt, der die diplomatische Kluft weiter vertiefen würde. Beobachter sehen diese Drohung als ein strategisches Manöver, um die internationale Gemeinschaft unter Druck zu setzen und die Dringlichkeit für neue Verhandlungen zu erhöhen. (11) Die iranische Führung befindet sich in einer schwierigen Position: Sie muss Stärke zeigen, um ihr Gesicht zu wahren, weiß aber gleichzeitig, dass ein Austritt aus dem NPT die Isolation noch weiter verstärken und die Wahrscheinlichkeit militärischer Auseinandersetzungen erhöhen würde. (11)

Druckmittel versus Isolationsrisiko

Innerhalb der iranischen Führungselite zeigen sich Anzeichen einer tiefen Spaltung. Während die Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi (Stand 2025) versucht, den Konflikt zu deeskalieren und Wirtschaftsverhandlungen wieder aufzunehmen, betrachten Hardliner, insbesondere innerhalb der Revolutionsgarden (IRGC), jegliche diplomatische Flexibilität als „Kapitulation“. Diese internen Machtkämpfe behindern eine kohärente Außenpolitik und tragen zu einer Staatskrise bei.

Die Drohungen, den NPT zu verlassen, sind daher ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sollen sie die internationale Gemeinschaft einschüchtern. Andererseits würde ein tatsächlicher Austritt die Position derjenigen Staaten festigen, die den Snapback als notwendig erachten und die militärische Option als letztes Mittel sehen. (7)

Die Aktivierung des Snapbacks verstärkt die diplomatische Isolation des Iran und macht es der Führung politisch extrem schwierig, einen glaubwürdigen Weg aus der Krise zu finden. Die Stille des Obersten Führers Ali Khamenei inmitten dieser Krise wird als klares Zeichen für seine Unfähigkeit gewertet, die strategische Sackgasse zu überwinden.

Die strategische Neuordnung: Stärkung der Achse mit Russland und China

Die Aktivierung des Snapbacks erfolgt in einer Zeit, in der sich die strategische Partnerschaft zwischen Iran, Russland und China weiter verfestigt. (15) Diese Kooperation, die sich über militärische, wirtschaftliche und diplomatische Bereiche erstreckt, wird von Teheran als wichtiges Gegengewicht zu westlichem Druck angesehen. (17) Die Zusammenarbeit umfasst unter anderem die Lieferung iranischer Drohnen an Russland für den Krieg in der Ukraine. (9)

Die Auslösung des Snapback-Mechanismus ist jedoch ein direkter Test für die Stärke dieser Achse. Die Tatsache, dass das Verfahren die Vetomacht von Russland und China im UN-Sicherheitsrat umgeht, zeigt, dass diese Partnerschaft nicht in der Lage ist, Teheran vor multilateralen Sanktionen zu schützen. (4) Dies zwingt Iran, China und Russland zu einer Neubewertung ihrer strategischen Kalkulation, da die Unterstützung für Teheran nun mit dem Risiko eines potenziellen militärischen Konflikts einhergeht, in dem sie als Kollateralschaden dastehen könnten.

Die Regionalpolitik Teherans

Die iranische Führung hat in den vergangenen Jahren einen deutlichen Verlust an regionaler Hebelwirkung hinnehmen müssen. Berichten zufolge ist ein „strategischer Rückzug“ aus Regionen wie Syrien oder dem Libanon eine „bittere Notwendigkeit“ geworden. Der Verlust hochrangiger Kommandeure und die Schwächung wichtiger Stellvertreter wie der Hisbollah haben Teherans Position weiter geschwächt. (16) Als Folge davon gewinnt das Atomprogramm für das Regime als einziges verbleibendes Druckmittel gegenüber dem Westen und Israel an Bedeutung. Der Mangel an regionaler „Tiefe“ erhöht die Abhängigkeit vom Nuklearprogramm als ultimative Sicherheitsgarantie.

Der Zusammenhang zwischen dem Atomprogramm und militärischer Konfrontation

Die Snapback-Aktion ist untrennbar mit der bereits stattfindenden militärischen Konfrontation zwischen Iran und Israel verbunden.

Im Juni 2025 entlud sich die jahrelange Rivalität in einem direkten „Zwölf-Tage-Krieg“, in dem Israel Atomanlagen und militärische Führungsfiguren im Iran angriff, um dessen Atomprogramm zurückzuwerfen. (5) Teheran antwortete mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel, was die Spannungen auf ein neues Niveau hob.

Die Snapback-Aktivierung kann in diesem Kontext als eine Ergänzung der bereits laufenden Politik des „maximalen Drucks“ verstanden werden. Während Israels Militärschläge die physische Infrastruktur des Atomprogramms anvisieren, zielen die UN-Sanktionen auf die finanzielle und diplomatische Isolation ab. Die völkerrechtliche Bindung der UN-Sanktionen könnte von manchen Staaten als politische Legitimation für weitere militärische Aktionen angesehen werden, auch wenn diesen die rechtliche Grundlage fehlt. (11) Dieser kausale Zusammenhang zwischen politischem Druck und militärischer Eskalation ist eine zentrale dynamische Entwicklung des Konflikts.

Die innenpolitische Dynamik: Pragmatiker versus Hardliner

Die iranische Führung ist durch eine tiefe innere Spaltung gekennzeichnet. Anzeichen dafür sind die öffentlich bekundete Angst vor einer „Erklärung des Krieges“ im Falle des Snapbacks durch den stellvertretenden iranischen Außenminister Araghchi, was nicht aus einer Position der Stärke, sondern aus tiefer Sorge resultiert. Auf der anderen Seite sehen Hardliner und Teile der Revolutionsgarden jede diplomatische Flexibilität als „Kapitulation“. Diese interne Zerrissenheit behindert eine einheitliche und effektive Reaktion auf die internationalen Herausforderungen. Die wahrgenommene Unfähigkeit des Obersten Führers Ali Khamenei, die Krise zu steuern, verstärkt die Machtkämpfe an der Spitze und könnte die Grundlage für eine umfassende Krise der theokratischen Herrschaft bilden.

Die Zivilgesellschaft unter Druck

Die Auswirkungen der Sanktionen auf die iranische Bevölkerung sind verheerend. Die Verelendung der Mittelschicht und die massiven wirtschaftlichen Härten treffen die Zivilgesellschaft hart. (12) Der Staat ist gezwungen, Sozialausgaben zu kürzen, was die Unsicherheit und das Misstrauen gegenüber der Regierung weiter erhöht. (2)

Es gibt jedoch eine kontroverse Debatte darüber, ob diese Sanktionen das Regime schwächen und die Opposition stärken oder ob sie nur die Bevölkerung aushungern, ohne die Macht der Elite zu untergraben.

  1. Argument A (Stärkung der Opposition): Befürworter der Sanktionen – wie rechts stehende Oppositionsgruppen im Ausland, beispielsweise Monarchisten – argumentieren, dass wirtschaftlicher Druck die Machtbasis des Regimes untergraben und eine Grundlage für einen Systemwechsel schaffen würde. Die zunehmende Verzweiflung der Menschen könnte eine neue Welle von Protesten auslösen, ähnlich den landesweiten Aufständen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini. (9)
  2. Argument B (Schwächung der Zivilgesellschaft): Kritiker entgegnen, dass das Regime seine Repressionen verstärkt, um die Proteste zu unterdrücken, und die verarmte Bevölkerung dadurch nur noch anfälliger für Propaganda wird. (22)

Der Snapback könnte die Kluft zwischen Regierung und Bevölkerung weiter vergrößern und die inneren Spannungen auf ein Niveau bringen, das potenziell zu einem Systemwandel führen könnte, auch wenn ein solcher Wandel unklare Folgen nach sich zöge. (16)

Chancen und Gefahren für die Zukunft des Konflikts

Trotz der verschärften Situation betonen die E3-Staaten, dass die Tür für eine diplomatische Lösung weiterhin offenbleibt. (1) Ein friedlicher Weg aus der Krise würde erfordern, dass der Iran seine nuklearen Verpflichtungen vollständig wiederherstellt, insbesondere die 60-Prozent-Anreicherung stoppt und der IAEO wieder uneingeschränkten Zugang zu seinen Anlagen gewährt. (3)

Jedoch erscheint dieses Szenario aufgrund der innenpolitischen Dynamik und der Rhetorik des Regimes unwahrscheinlich. Die Hardliner interpretieren jede Annäherung als Schwäche, was eine Rückkehr zum Verhandlungstisch politisch kaum tragbar macht.

Die wahrscheinlichste Prognose ist eine weitere Eskalation. Die Snapback-Aktivierung und die anhaltenden Nuklearverstöße erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Konfrontation. Ein atomar bewaffneter Iran würde ein Wettrüsten in der gesamten Region auslösen und die Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten fundamental destabilisieren. (16) Die bereits stattgefundenen Militärschläge zwischen Israel und Iran könnten sich intensivieren.

Die Folgen für die iranische Bevölkerung wären verheerend. Ein Krieg würde die humanitäre Krise, die durch Sanktionen bereits verschärft wurde, auf ein kritisches Niveau heben. (16) Experten befürchten, dass eine Eskalation zu chaotischen Verhältnissen führen könnte, ähnlich den Entwicklungen in Syrien oder dem Irak nach 2003, und dass es kurzfristig nicht zu einer florierenden Demokratie, sondern zu Instabilität kommen würde. (16) Die Sanktionen und die militärischen Auseinandersetzungen könnten zu einer weiteren Zerstörung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen führen, was die menschlichen Kosten des Konflikts dramatisch erhöht.

Eine kritische Bewertung des Snapbacks als politisches Instrument

Die Aktivierung des Snapback-Mechanismus durch die E3-Staaten ist ein politisch, rechtlich und strategisch bedeutsamer Schritt, der das endgültige Scheitern der JCPOA-Diplomatie markiert. Die Maßnahme ist kein Wundermittel zur Lösung des iranischen Nuklearkonflikts, sondern ein Katalysator, der die zugrunde liegenden Krisen — Er die strategische Verwundbarkeit des Regimes, die innere Spaltung der Führung, die sozioökonomische Verelendung der Bevölkerung und die zunehmende regionale Instabilität – mit neuer Dringlichkeit offenlegt.

Der Snapback dient als machtvolles Instrument, das die internationale Isolation Irans festigt und die transaktionalen Beziehungen Teherans zu China und Russland unterminiert. Er schließt die diplomatische Tür nicht endgültig, aber er stellt die politische und wirtschaftliche Logik für das Regime fundamental in Frage.

Die iranische Führung steht vor der existenziellen Wahl, entweder den Weg der weiteren Eskalation mit dem Risiko eines Systemzusammenbruchs zu gehen oder sich unter extremem Druck auf neue Verhandlungen einzulassen. Die Prognose ist düster, da die internen Machtkämpfe in Teheran und die Bereitschaft Israels zu militärischer Intervention das Szenario der Eskalation als das wahrscheinlichere erscheinen lassen. Der Snapback verstärkt diese Dynamik und macht deutlich, dass die Suche nach einer friedlichen Lösung nun in ein neues, gefährlicheres Stadium eingetreten ist.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Foreign Policy Research Institute. (2025). European nations start process to impose a 'snapback' of Iran nuclear sanctions at UN. Abgerufen von https://www.pbs.org/newshour/world/european-nations-start-process-to-impose-a-snapback-of-iran-nuclear-sanctions-at-un
(2) International Crisis Group. (2025). Iran Sanctions Snapback at the UN. Abgerufen von https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iran/iran-sanctions-snapback-un
(3) Iran News Wire. (2025). Snapback Mechanism and the Iranian Regime's Strategic Dead. Abgerufen von https://irannewswire.org/snapback-mechanism-and-the-iranian-regimes-strat/
(4) iranfocus. (2025). The Snapback Mechanism Increases Likelihood of Global Consensus Against Iran's Regime. Abgerufen von https://iranfocus.com/economy/55017-the-snapback-mechanism-increases-likelihood-of-global-consensus-against-irans-regime/
(5) Süddeutsche Zeitung. (2025). Iran: Rückkehr aller Sanktionen durch Snapback. Abgerufen von https://de.nachrichten.yahoo.com/iran-r%C3%BCckkehr-aller-sanktionen-snapback-135300330.html
(6) Stiftung Wissenschaft und Politik. (2025). Iran-Experten Prognose Atomkonflikt. Abgerufen von https://www.swp-berlin.org/10.18449/2025A22/
(7) United Against Nuclear Iran. (2025). January 2025 Iran Tanker Tracker. Abgerufen von https://www.unitedagainstnucleariran.com/blog/january-2025-iran-tanker-tracker
(8) bpb.de. (2020). Irans Wirtschaft. Abgerufen von https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/501914/irans-wirtschaft/
(9) bpb.de. (2025). Wie Sanktionen wirken. Abgerufen von https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/sanktionen-2025/559420/wie-sanktionen-wirken/
(10) Auswärtiges Amt. (2025). Wiener Nuklearvereinbarung. Abgerufen von https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/iran-node/wiener-nuklearvereinbarung-atomprogramm-iran-202458
(11) Auswärtiges Amt. (2025). Reise- und Sicherheitshinweise. Abgerufen von https://www.auswaertiges-amt.de/de/reiseundsicherheit/iransicherheit-202396
(12) deutschland.de. (2025). Europäer aktivieren Verfahren für Sanktionen gegen Iran. Abgerufen von https://www.deutschland.de/de/topic/politik/sanktionen-iran-europa-deutschland
(13) deutschlandfunk.de. (2025). Wie funktioniert der Snapback-Mechanismus?. Abgerufen von https://www.deutschlandfunk.de/wie-funktioniert-der-snapback-mechanismus-100.html
(14) deutschlandfunk.de. (2025). Krieg zwischen Israel und Iran. Abgerufen von https://www.deutschlandfunk.de/israel-iran-krieg-ukraine-russland-100.html
(15) rnd.de. (2025). UN-Sanktionen gegen Iran: Was der Snapback-Prozess bedeutet. Abgerufen von https://www.rnd.de/politik/un-sanktionen-gegen-iran-was-snapback-prozess-bedeutet-KDUBU27MCBATHHULHOH7RA2DB4.html
(16) YouTube. (2025). Iran: Rückkehr aller Sanktionen durch Snapback-Mechanismus?. Abgerufen von https://www.youtube.com/watch?v=pXIfdoWIP_k
(17) YouTube. (2025). IRAN: Reaktion auf Eskalation! Deutschland will "Snap-Back-Mechanismus" der UN anwenden. Abgerufen von https://www.youtube.com/watch?v=OpINByQZ1n4
(18) ZDF heute. (2025). Irans Atomprogramm: Was bedeutet der "Snapback"-Mechanismus?. Abgerufen von https://www.zdfheute.de/politik/ausland/iran-atomprogramm-snapback-gestoppt-100.html
(19) ZDF heute. (2025). Israel droht Irans geistlichem Oberhaupt Chamenei. Abgerufen von https://www.zdfheute.de/politik/ausland/iran-usa-trump-israel-nahost-100.html
(20) Der Spiegel. (2025). Israel-Iran-Konflikt So leiden Menschen im Nahen Osten unter der Eskalation. Abgerufen von https://www.spiegel.de/ausland/iran-israel-konflikt-so-leiden-menschen-im-nahen-osten-unter-der-eskalation-a-b27169db-3419-4d7b-a15c-72eed392f731
(21) deutschlandfunk.de. (2025). Eskalation im Streit über Sanktionen. Abgerufen von https://www.spiegel.de/politik/iran-parlament-plant-austritt-aus-atomwaffensperrvertrag-a-2beb0318-e495-4d96-a8fa-940b58de0024
(22) FDD. (2025). Might Snapback Sanctions Set the Stage for Future Military Interventions Against Iran?. Abgerufen von https://www.fdd.org/in_the_news/2025/08/29/might-snapback-sanctions-set-the-stage-for-future-military-interventions-against-iran/

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