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Pressefreiheit auf Bewährung

Pressefreiheit auf Bewährung

Mit der Freilassung von Julian Assange wird der 24. Juni 2024 zu einem Tag der Pressefreiheit in einer Zeit, in welcher es um diese Freiheit immer schlechter bestellt ist. Nach dem Etappensieg ist das freie Wort unverändert bedroht.

Es war nicht die Milde der Kriegsverbrecher, die die Zellentrakt-Türe von Julian Assanges Loch in Belmarsh öffnete. Die Beendigung der unrechtmäßigen und unmenschlichen Inhaftierung Assanges dürfte rein politisches Kalkül sein und nichts mit Einsicht oder Gewissensbissen der Kriegsverbrecher in Washington zu tun haben. Wäre Assange in der Zelle verstorben — und davon war er nicht weit entfernt —, hätte die kritische Öffentlichkeit einen Märtyrer und der Westen einen noch stärkeren Gesichtsverlust gehabt. Zum anderen waren die Falken in D.C. mit Blick auf die kommende Präsidentschaftswahl wohl darauf bedacht, zu verhindern, dass eine Freilassung Assanges auf das wahlkampftechnische Sympathiekonto von Roberto Kennedy jr. oder Donald Trump geht.

Bei all der Euphorie ist jedwede Dankbarkeit gegenüber der britischen und der amerikanischen Justiz unangebracht, denn es würde einer Täterlogik folgen. Die (Mit)-Täter haben schließlich nichts Gutes getan, sondern schlicht damit aufgehört, etwas Schlechtes fortzuführen.

Die Täter-Opfer-Umkehr bleibt unverändert bestehen. Assange muss sich auf den Nördlichen Marianen — einem US-Außengebiet im Südwestpazifik — vor einem US-Gericht für schuldig bekennen, unrechtmäßig militärische wie geheimdienstliche Informationen beschafft und verbreitet zu haben. Diese Demütigung war die Voraussetzung, damit der heldenhafte Journalist nicht in die USA ausgeliefert wird, wo ihm eine Haft bis in das Jahr 2199 gedroht hätte. Indes laufen Kriegsverbrecher wie die George Bushes (Junior wie Senior), der Bombenrekordhalter Barack Obama oder auch der Kriegslügner Colin Powell unbeirrt weiter auf freiem Fuß. Ebenso Hillary Clinton, die einst fragte, ob man Assange nicht einfach „dronen“ könne, also per Kampfdrohne abschießen. Mike Pence forderte weiterhin die härteste Strafe für Assange, weil dieser durch das Leaken der Informationen das Leben von US-Soldaten und Informanten gefährdet hätte. Was die Soldaten im Tausende Kilometer entfernten Mittleren Osten verloren hatten und dass Millionen Menschen getötet wurden, spielt dabei natürlich keine Rolle.

Der nächste Julian Assange

Der 24. Juni ist ein Tag der Pressefreiheit in einer Zeit, da es wahrlich düster für sie aussieht. Wir haben nun einen Happy Day, aber noch lange kein Happy End. Dass die Täter unverändert frei sind, während Assange zu einem solchen erklärt wird, ist die eine Sache. Die andere ist die Schaffung eines Präzedenzfalls, der anderen — investigativen — Journalisten eine Warnung sein wird, sich nicht in die Gefilde vorzuwagen, in die Wikileaks-Gründer Assange vordrang. Jeder hat nun gesehen, was mit einem Menschen geschehen kann, der der Macht zu genau auf die Finger sieht. Da überlegt sich jeder Journalist ab nun zweimal, ob eine heiße Spur für den eigenen Karriereweg oder gar die eigene Freiheit dann doch zu heiß ist.

Die Botschaft ist klar: Mutiger Aufklärungsjournalismus hat einen hohen Preis. Das Erfinden von irgendwelchen regierungskonformen Märchen à la Correctiv verspricht hingegen Sicherheit und Ego-Streicheleinheiten durch Preisverleihungen.

Nun stellt sich die Verfasstheit der Pressefreiheit wie folgt dar: Theoretisch könnte nun jeder und niemand der nächste Julian Assange werden. Zum einen könnte jeder der nächste Assange werden, weil nun demonstriert wurde, was die Herrschaftsclique mit einem Menschen anstellen kann, der ihr gefährlich wird. Und zum anderen könnte auch niemand mehr zum nächsten Assange werden, weil ebendiese Clique einen solchen Assange nicht mehr zu fürchten hat. Denn was bewirken Leaks, die in einer apathischen Gesellschaft niemanden interessieren?

(Wiki-)Leaks in Zeiten kognitiver Kriegsführung — die Herrschaft fürchtet keinen Assange mehr

Seit Assange vor ziemlich genau 12 Jahren in die ecuadorianische Botschaft floh, ist die Welt unübersehbar nicht mehr die gleiche. Damals stellten Whistleblower und Investigativjournalisten mit ihren Veröffentlichungen für die herrschende Kaste im Gegensatz zu heute noch eine reelle Gefahr dar.

Leaks können für die Herrschenden naturgemäß nur dann eine gefährdende Wirkung entfalten, wenn es auch einen entsprechenden Resonanzraum in Gestalt einer kritischen Gesellschaft gibt.

Eine solch kritisches Bewusstsein gab es rund um die Wende der Nuller- zu den Zehnerjahren noch in deutlich ausgeprägterer Form als heute. Man denke nur an die Occupy-Wallstreet-Bewegung, die mit großer Strahlkraft den Fokus auf die Zentren der Macht richtete. Herrschaftskritik war zu diesem Zeitpunkt keine Randerscheinung.

Ein ganz wesentlicher Faktor ist in diesem Zusammenhang das damals noch vergleichsweise sehr freie Internet, die noch überschaubare Macht der (a)sozialen Medien sowie der Umstand, dass die Smartphone-Sucht noch nicht so weit ausgeprägt war, dass die kognitiven Fähigkeiten derart beeinflusst wurden, wie das heute in der breiten Masse der Fall ist.

Kurzum: Damals gab es noch den geistigen Nährboden, auf dem Leaks eine Wirkung entfalten konnten. In der heutigen, sich weitestgehend in Apathie befindlichen Gesellschaft erleben wir das, was der Philosoph Matthias Burchardt als „die neue Folgenlosigkeit“ bezeichnet. Die Zeit ist nicht ärmer an Informationen geworden, die ans Tageslicht kommen. Man denke nur an die 100.000 Seiten Pfizer-Files, an die zunächst geschwärzten RKI-Protokolle, Seymour Hershs Investigativ-Recherche zu Nord Stream oder die Taurus-Leaks. Diese Informationen müssten eigentlich Millionen Menschen auf die Straße treiben. Jedoch detoniert dieser politische Sprengstoff stumm unter der Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung.

Das hat mehrere Ursachen: Zum einen sind die leitmedialen Mechanismen zur Quarantänisierung unliebsamer Informationen in den Redaktionsstuben routiniert eingeübt worden. Kommt ein Leak ans Tageslicht, stürzt sich gleich ein Heer an unqualifizierten „Faktencheckern“ auf die Information, relativiert und verharmlost sie behelfsmäßig mit selektiven Rosinenpicken und delegitimiert sie zur Not mit gegen den Enthüller gerichteten Ad-hominem-Argumenten. Zuhilfe kommt überdies die Macht der Algorithmen, die unliebsame Informationen der Sichtbarkeit entziehen, wenn die Plattformbetreiber diese nicht gleich direkt wegzensieren — etwa auf Geheiß von Regierungen, der EU oder gar prophylaktisch, um in dem Rahmen der Gesetze gegen „Hass, Hetze und Desinformation“ zu bleiben.

Zum anderen leben wir in Zeiten der kognitiven Kriegsführung, bei der nichts unversucht gelassen wird, die Menschen — wie Ursula von der Leyen es selbst so ausdrückte — gegen „Desinformationen“ zu „impfen“. Es tobt ein erbitterter Krieg gegen die menschlichen Gehirne und im Speziellen gegen das kritische Denken, zu dem jeder Kopf potenziell imstande ist. Entsprechenden mannigfaltigen Angriffen ist das geistige Immunsystem ausgesetzt, während die Angreifer schon gewaltige Erfolge für sich verbuchen können. Molekulargenetiker Michael Nehls konstatierte in seinem Werk „Das indoktrinierte Gehirn“, dass die geistige Immunabwehr in den Jahren 2018/19 auf einem historischen Tiefpunkt war. Das erklärt wohl auch die Durchführbarkeit der Pharma-Psyop „Corona“.

Die Taschenwanze „Smartphone“ tut ihr übrigens, um die Leistungsfähigkeit des Gehirns absterben zu lassen: Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne, süchtig machende Dopamin-Kicks durch Pop-up-Meldungen sowie die Übernahme des Selbstdenkens des Nutzers.

In diesem kollektiven Zustand geistiger Umnachtung entfalten Leaks oder freigeklagte Dokumente nur noch eine überschaubare Wirkung. Der Philosoph Matthias Burchardt spricht in diesem Zusammenhang auch von der „neuen Folgenlosigkeit“. Kaum jemand hat noch die Zeit oder die geistige Aufmerksamkeitsspanne, um sich durch die teils tausendseitigen Realverschwörungskonvolute durchzublättern. Ebenso stellt sich durch den gegenüber 2012 signifikant gesteigerten Medienkonsum ein größeres Desinteresse beziehungsweise eine Empörungserschöpfung ein. Der eine Leak ist in solch einer Skandal-Kaskade nur eine Sau von vielen, die allwöchentlich durch das digitale Dorf gejagt werden.

Resümee

Die Freilassung Assanges ist auf der für ihn persönlichen Ebene und der seiner Familie und Freunde ein Befreiungsdonnerschlag und das Ende einer jahrelangen Tortur. Das nicht gebrochene Kreuz Assanges zeigte sich in dessen aufrechtem Gang zum Flugzeug. Zugleich ist es ein saftiger Lohn für alle Menschen, die sich seit Jahren für seine Freilassung in irgendeiner Weise eingesetzt haben, egal ob Aktivisten, Anwälte, Künstler, Veranstalter oder die wenigen mutigen Berufskollegen. Es zeigt, dass beharrliches „Dranbleiben“ an der Überwindung eines Unrechts irgendwann auch Früchte trägt, selbst wenn das erhoffte Ziel teilweise schon als unerreichbar erschien.

Wenn die Freilassung Assanges möglich war — was ist dann noch alles möglich?

Als bitterer Nachgeschmack bleibt jedoch, dass die verbrecherische Systematik weiterbesteht, die Täter immer noch auf freiem Fuß sind und nun sogar noch gewaltigere Gräueltaten planen. Besonders niederschmetternd ist die Feststellung, dass sich die Herrscherkaste gegen weitere Julian Assanges immunisiert hat, indem sie den geistigen Nährboden der Menschen für Enthüllungen unfruchtbar gemacht hat.

Das Engagement für Pressefreiheit bleibt unverändert wichtig. Doch noch wichtiger sind Strategien zur Wiedererlangung geistiger Freiheit und Autonomie. Das ist die Grundlage, damit Pressefreiheit überhaupt Früchte tragen kann.


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