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Einmischung in eigene Angelegenheiten

Einmischung in eigene Angelegenheiten

Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks üben in einer Erklärung offen Kritik an ihren Sendern wegen deren Umgangs mit der Coronapolitik und des deutschen Kriegskurses.

„Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. (...) Meinungsmache und Berichterstattung verschwimmen zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. (...) Stimmen, die einen — medial behaupteten — gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener Kampfbegriffe wie ‚Querdenker‘, ‚Schwurbler‘, ‚Klima-Leugner‘, ‚Putin-Versteher‘, ‚Gesinnungspazifist‘ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.“

Aus dem Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland

Was am 3. April 2024 Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Medien ARD, ZDF und Deutschlandfunk, freie und feste, ehemalige und aktuelle, in einer öffentlichen Erklärung über ihre Anstalten verbreiteten, nahm vier Jahre zuvor seinen Anfang.

Mit Beginn des Corona-Zeitalters im März 2020 wurde in einer ARD-Anstalt die Order ausgegeben: „Die Corona-Maßnahmen werden nicht angezweifelt.“ Ein Satz, der eine verhängnisvolle Logik entfaltet. Denn nun müssen Zweifel grundsätzlich ausgeschlossen werden, müssen vermieden oder verhindert werden, verschwiegen oder unterdrückt.

Man hat allerhand zu tun, wenn man ein Tabu errichten muss. Auch Zweifler darf es nicht mehr geben und wenn doch, dürfen sie nicht zu Wort kommen. Und wenn doch, müssen ihre Meinungen verbogen werden.

Ja, Zweifler dürfen nicht einmal mehr Zweifler genannt werden, weil das zu viel Legitimität beinhaltet. Sie müssen als Ketzer abqualifiziert werden, die schlechte Absichten hegen. Das hat zugleich den angenehmen Nebeneffekt, dass die Maßnahmenbefolger und Denunzianten sich selber die Absolution erteilen können. Ihre Unterwerfungen, Angepasstheiten und Feigheiten begehen sie schließlich für eine gute Sache. Kritik und Widerspruch sind verurteilenswert, Gehorsam und Mitläufertum lobenswert.

Das Corona-Regime stellte bisherige Standards und politische Werte in dieser BRD schlicht auf den Kopf. Doch wem Wahrhaftigkeit und demokratische Verhältnisse nichts bedeuten, weil für ihn Informationen eine unverbindliche Ware darstellen, austauschbar und käuflich, dem kann das, was die Corona-Exekutive angerichtet hat, egal sein.

Jedenfalls: Ohne die Medien hätte sich dieses falsche Regime nicht etablieren können. Anstatt die Corona-Maßnahmen kritisch zu hinterfragen, wurden sie geradezu propagandistisch mitgetragen.

Den öffentlich-rechtlichen Medien kam dabei aufgrund ihres Ansehens eine besondere Rolle zu. Das ging nicht ohne Widerspruch über die Bühne und hat zu einer Vielzahl innerer Konflikte geführt:

Reporter wurden ausgetauscht, weil sie von den Straßenprotesten gegen den Lockdown zu sachlich berichteten. — Studiogäste wurden kurzfristig wieder ausgeladen, weil sie sich zu kritisch über das Corona-Management geäußert hätten. — Nachrichtensprecher weigerten sich, Nachrichten vorzutragen, weil die ihrer Meinung nach tendenziös waren. — Mitarbeiter, die auf einer Corona-Demo waren, zeigten sich bestürzt über die falsche Berichterstattung ihrer eigenen Sender. — Wenn die Polizei einmal besonnen mit einer Corona-Demonstration umging und sie nicht auf Teufel komm raus auflöste, wie am 3. April 2021 die bundesweite Querdenken-Kundgebung in Stuttgart, prangerten Medien dieses Verhalten der Polizei an, weil es nicht hart und kompromisslos genug war. — Sendungen, wie im MDR über Impfschäden, wurden nachträglich als Kommentar gekennzeichnet, womit die vom MDR recherchierten Fakten entwertet wurden. Zusätzlich wurde gegen den Redaktionsleiter arbeitsrechtlich vorgegangen. — Mitarbeiter wurden entlassen, weil sie öffentlich Kritik übten, wie im Falle von Ole Skambraks beim SWR. — In anderen Fällen reichten bloße Posts auf Facebook gegen die Regierungspolitik, um freien Mitarbeitern zu kündigen. — Und so weiter und so fort.

Ole Skambraks, einer der Initiatoren des Neuen Rundfunkmanifestes, sagte in einem Interview:

„Die Corona-Berichterstattung ist die größte Fehlleistung des Journalismus seit der Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Die Berichte in ARD und ZDF zu Corona (und ab Februar 2022 auch zum Russland-Ukraine-Krieg) bekamen Verlautbarungscharakter. Doch „öffentlich-rechtlich“ meint gerade nicht „staatlich“. Die Tagesschau der ARD soll gerade keine Regierungsstatements verkünden, sondern eigens recherchierte Fakten vermitteln.

Ausgerechnet innerhalb der Sender wurde dieser Unterschied eingeebnet. Das hat zu einem fundamentalen Medien- und Informationsproblem in diesem Land geführt, zu einem Wahrhaftigkeitsdesaster. Und wenn man obendrein in den Medien eine Art vierter Gewalt sieht, neben Parlamenten, Regierungen und Gerichten, war es auch eine Beseitigung von Gewaltenteilung in dieser Republik.

Dass damit zugleich das Missverständnis, öffentlich-rechtlich sei staatlich und ARD sei Bundesregierung, sich nun zur traurigen Realität erfüllte, könnte man fast komisch finden, wenn es nicht so fürchterliche Auswirkungen hätte wie die Kriegsunterstützung und Kriegsvorbereitung, die sich derzeit in den deutschen Alltag einschleicht. Launige Radioberichte über den Besuch von Bundeswehr-Jugendoffizierinnen („Edition F“) an Schulen.

„Ganz Gallien besetzt? Nein!“ — Außerhalb und im Schatten der Sender haben sich die „Unbeugsamen“ zusammengefunden, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ehemalige, aber auch noch aktuelle, die nicht mit der Politik ihrer Arbeitgeber einverstanden sind. Bundesweit etwa 300 an der Zahl. In einem langwierigen Diskussionsprozess, der auch zu Reibungsverlusten führte, haben sie eine Erklärung erarbeitet, die sie „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ nennen und mit der sie jetzt mit einem Schlag an die Öffentlichkeit gegangen sind. Das vielleicht Wichtigste vorneweg: Allen Missständen zum Trotz wollen sie am öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunk in Deutschland festhalten. Man könnte sagen, sie wollen ihn gegen die derzeitige Führungselite verteidigen, indem sie für eine andere, neue, wahrhaftige, seriöse ARD beziehungsweise das ZDF eintreten.

Dazu zählen die Wiedereinführung einer inneren Presse- und Redaktionsfreiheit, die Verhinderung der Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen, die Abbildung von gesellschaftlichen Minderheiten im Programm, die Beteiligung der Beitragszahler an den Rundfunkräten, der Verzicht auf Werbeinnahmen, die Öffnung und Zugänglichmachung der Senderarchive, die Einstellung freier Mitarbeiter als festangestellte Journalisten, Verzicht auf Outsourcing. Wörtlich heißt es am Ende:

„Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum.“

Ein Kritikpunkt ist die Finanzierung. Die Manifestherausgeber wollen am Prinzip der allgemeinen Beitragszahlung nach Wohnung festhalten. Dieses Prinzip, das man auch Zwang nennen kann, ist durch die Verfehlungen der ÖRR aber mehr denn je in Frage gestellt. Selbst wer genug von der ARD hat und nicht mehr einschaltet, muss trotzdem bezahlen. Er hat keinerlei Mittel, sich zu wehren. Müsste man da nicht über eine alternative Finanzierungsart nachdenken? Gebühr nach Nutzung zum Beispiel.

Das kritische Publikum ist aber auch in sich noch gespalten: zwischen denjenigen, die die ÖRR erneuern wollen, und denjenigen, für die ARD und ZDF verloren sind und die sie nur noch abschaffen wollen.

Das Manifest trägt die Namen von 100 Erstunterzeichnern, darunter neben ARD- und ZDF-Mitarbeitern bekannte Personen aus dem öffentlichen Leben wie Gerd Antes, Lisa Fitz, Jürgen Fliege, Ulrike Guérot, Henry Hübchen, Christoph Lütge, Michael Meyen, Christine Prayon und Christian Schubert. 33 Mitarbeiter unterzeichneten anonym, was dokumentiert, wie riskant kritische öffentliche Äußerungen für in der ARD-Beschäftigte bis heute sind. Eine zusätzliche Openpetition hatten nach einem Tag 10.000 Menschen unterzeichnet. Darunter ebenfalls mehrere Unterstützer, die ihren Namen nicht nennen wollen.

Die Initiative der ARD/ZDF-Dissidenten führte, womit in Zeiten programmatischer Kommunikationslosigkeit nicht unbedingt zu rechnen war, ziemlich schnell zu einer Reihe von Reaktionen. Innerhalb der ÖRR-Häuser meldete sich die „Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse“ (Agra) zu Wort und widersprach dem Vorwurf, dass in den Sendern nur Mainstream-Berichterstattung stattfinden könne. Es gebe überall eine lebhafte Streitkultur, schreiben sie stattdessen.

Ob die Ausstrahlungen Mainstream sind oder nicht, kann das Publikum freilich selbst beurteilen. Die so mutigen Redakteursausschüsse müssen sich aber fragen lassen, was sie gegen die Entlassungen von Kollegen unternahmen, die Kritik übten, wie im Falle Ole Skambraks. Und was sie derzeit tun gegen den offenen Kriegskurs Deutschlands, der mit einer nie dagewesenen Plünderung der Staatskassen für die Aufrüstung einhergeht.

Die offizielle Reaktion des ZDF auf das Papier könnte man rührend nennen — oder ignorant. Die Pressestelle hat die Liste der Erstunterzeichner durchgesehen und vermeldet, dass nur ein einziger freier Mitarbeiter des ZDF unterschrieben habe. Die Schauspielerin Christine Prayon, die jahrelang für die heute show im Einsatz war, hat man dabei unterschlagen. Wenn man wollte, könnte man aber auch sagen, dass so wenige ZDF-Mitarbeiter das Manifest unterstützen, spiegelt den Grad der Angepasstheit in dem Sender wider.

In besonders fragwürdiger Weise reagierte ausgerechnet der Deutsche Journalistenverband (DJV) auf die Initiative von Journalisten der ÖRR-Sender. Direkt am 3. April 2024, dem Tag der Herausgabe des Manifestes, veröffentlichte er eine Pressemitteilung, in der er sich aber nicht mit den Inhalten des Manifestes auseinandersetzt, sondern damit, dass mehrere Personen es anonym unterschrieben haben. Der DJV ruft die Unterzeichner zu Transparenz auf. Er leugnet damit die Gründe für die Anonymisierung sowie die Risiken, die mit der eigenen Namensnennung verbunden sind, und spricht Journalisten, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht, schlicht den Informantenschutz ab. Das ist das Gegenteil von Interessenvertretung.

Der DJV-Vorsitzende Mika Beuster, in dessen Namen die Pressemitteilung verbreitet wurde, ist für Nachfragen nicht zu sprechen, erklärt der DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner, der die PM auch verfasst hat. Zörner behauptet, er habe auf das Manifest reagiert, als noch keine Erstunterzeichner aufgeführt gewesen seien. Doch das ist schlicht erfunden. Manifest und Erstunterzeichner wurden von Anfang an zusammen veröffentlicht.

Wie sehr dieser DJV immer noch im Beleidigungsmodus aus Corona- und aus Kriegszeiten ist, zeigte sich am folgenden Tag.

Am 4. April 2024 veröffentlichte Hendrik Zörner auf der DJV-Webseite einen Kommentar in eigenem Namen und unter der Überschrift „Nah am Rand“, der geradezu von einer Denunziationsabsicht gegen die Manifest-Initiative durchdrungen ist. Man könnte ihn auch infam nennen.

Zörner will die Initiative nach rechts, in AfD-Nähe, rücken. „Vieles wirkt dubios“, schreibt er zunächst. Schließlich heißt es wörtlich:

„Eigentümlich ist auch, dass nach DJV-Informationen noch vor Kurzem im Impressum der Seite ein Verein Zivile Allianz genannt war, der von Sven von Storch, dem Ehemann der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch geführt wird.“

Das ist schlicht unwahr. In einer Gegendarstellung hat Ole Skambraks das klargestellt. Auf der DJV-Seite findet man das Original nicht mehr, weil die entsprechende Passage herausgenommen wurde. Damit kann nicht nachvollzogen werden, worauf sich die Gegendarstellung konkret bezieht. Das ist eine Fortsetzung der Manipulation und das Gegenteil von Transparenz.

Was ist es, was die DJV-Führung zum offenen Fälschen getrieben hat? Ihr Hass auf unabhängig denkende Journalisten, die den allgemeinen Corona- und den Ukraine-Kriegskurs inklusive der Konsequenzen, die damit verbunden sind, nicht kritiklos mittragen? So wie der DJV übrigens auch Verdi, eine andere Journalisten-Gewerkschaft.

Indem er sich zur Partei gemacht hat, ist der Verband jedenfalls nicht mehr Interessensvertretung von Journalisten und Journalistinnen. Im Gegenteil: Er sichert Politik gegen Journalismus ab. Bestes Beispiel ist der Fall Patrik Baab. Der ehemalige NDR-Reporter wurde dafür angegangen, dass er über den Russland-Ukraine-Krieg differenziert und authentisch berichtet hat. Mit seiner Anwesenheit im Kriegsgebiet habe er den Angriffskrieg Wladimir Putins legitimiert, wurde ihm vorgeworfen. Baab wurden zwei Lehraufträge entzogen. Und obwohl DJV-Mitglied hat sich die DJV-Führung nicht für ihn eingesetzt.

Im Januar 2023 sagte der damaliger DJV-Vorsitzender Frank Überall, auf die Causa Baab angesprochen, wörtlich: „Propaganda für einen Kriegsverbrecher ist per Definition keine journalistische Tätigkeit.“

Diese Haltung hat vom DJV bis heute Besitz ergriffen. Und die Herausgeber des Manifestes für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben offensichtlich einen Nerv getroffen. Unter dem eitrigen Pflaster einer zur Schau gestellten angeblichen Normalität — „Hurra, im Sommer ist Fußball-EM in Deutschland!“ — sieht man: die Wunde ist offen und stinkt.

Transparenznotiz: Ich arbeite seit 35 Jahren selber als freier Mitarbeiter im Bereich Hörfunk für die ARD.


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