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Feigheit vor dem Freund

Feigheit vor dem Freund

Das deutsche Maulheldentum in Richtung Russland und die Waffenbrüderschaft mit Israel führen den Verfassungsgrundsatz der Menschenwürde ad absurdum.

Als am 23. Mai 2024 75 Jahre Grundgesetz gefeiert wurden, dachte ich mir, wie kann man so verlogen und geschichtsverleugnend „feiern“? Mich verbindet mit dem Grundgesetz besonders, dass es im selben Jahr geboren wurde wie ich, sowie der prägende Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und schließlich „Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde“. Nicht das Grundgesetz, diese vorbildliche Verfassung, ist das Problem, sondern es ist die Nichteinhaltung wichtiger Aussagen dieser Verfassung. Werden uns nicht in dem Fundament unserer Rechtsordnung individuelle Freiheiten wie Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit garantiert?

Was für eine Zeitenwende!

Da hielt Bundespräsident Steinmeier eine seiner „schwülstigen Kampfreden“, die nichts offen lassen von kommenden Plänen deutscher Politik. Steinmeier machte, wie bei ihm nicht unüblich, Außen- und Sicherheitspolitik, um deutsche Bürger auch von oberster Stelle „auf die Bedrohung, die von Russland für uns ausgeht“, einzuschwören und sie mit „Niemand weiß, wann Putins Machthunger gestillt ist“ auf seine Linie zu bringen.

Für Steinmeier ist es daher zwingend, mehr für die Sicherheit zu tun und folglich mehr in unsere Verteidigung zu investieren. Er versuchte, deutsche Bürger und ausgesuchte Zuhörer ganz auf „Putin- und Hamas-Hass“ einzuschwören. Putin als Bedrohung und die „Hamas und ihr Terror“ als Kriegsverursacher im Nahen Osten.

Wenn Steinmeier solche Sprüche führt wie „Wer die Freiheit liebt, darf vor dem Aggressor nicht weichen. Das gilt auch für uns. Und niemand weiß, wann Putins Machthunger gestillt ist“: Sind das Sätze, die in eine solche Rede eines Staatsoberhaupts gehören? Ich sage nein, und ich halte diese Verdrehung und Nichtberücksichtigung grundsätzlicher Fakten, von Ursache und Wirkung für völlig unpassend. Unser Bündnis stärken, was für ihn heißt, noch mehr Waffen zu kaufen, den USA in ihrer gefährlichen Konfrontationspolitik zu folgen.

Wenn er von starker Gesellschaft spricht, die es dazu braucht, heißt das im Umkehrschluss: „Kriegshaushalt“ bezahlt von „starken Bürgern“. Was für eine Zeitenwende!

Beängstigend auch, wenn kurz vor der Fußball-Europameisterschaft ein Waffenlieferant wie Rheinmetall Sponsor von Borussia Dortmund wird. Was für ein gewolltes Zusammenspiel von Politik und Sport, um die „Kriegstüchtigkeit“ mitten in die Gesellschaft zu bringen! Wo doch Reporter inzwischen nur noch von „Kugel“ sprechen, wenn sie den Ball meinen. Was kommt wohl als nächstes ins Spiel der „Zeitenwende“?

Wie diese Zeitenwende aussieht, erleben wir täglich. Die freie Meinungsäußerung hört immer dann auf, wenn es Russland oder Palästina betrifft. Wo bleibt die so oft bemühte „Zivilcourage“, wenn es um Erfüllung dieser Grundgesetz-Garantien geht?

Zivilcourage heißt auch, einzustehen für eine Gesellschaft, die politisch und demokratisch gestützt wird und nicht von oben auf kriegstauglich eingeschworen wird. Nur weil ich auch die Meinung vertrete, dass nicht die Ukraine, sondern Russland unser Partner ist, und weil ich weder kriegstüchtig sein, noch eine Neuauflage alter faschistischer Bande und Allianzen erleben möchte, und dafür meine Zivilcourage zeige, stehe ich voll auf dem Boden des Grundgesetzes. Es macht mir Angst, wenn ich in einen Topf geworfen werde mit AfD-Anhängern, die gegen alles Fremde sind, aber fest an der Seite des „jüdischen Staats“ stehen. Tatsächlich haben AfD und Israel so viel gemeinsam!

Netanjahu nach Den Haag ausliefern?

Ich erinnere mich noch allzu gut daran, wie ich ausgebuht wurde, als ich nach der Gründung der AfD vor dieser Partei warnte. Heute, nachdem die Politik so viel rechte Parolen der AfD in die „Mitte“ geholt hat, wird die AfD massiv bekämpft, als gefährlicher Konkurrent, nachdem viele Bürger beschlossen haben, doch das „Original“ rechter Parolen zu wählen. Es scheint das Ventil des fehlerhaften Versagens deutscher Politik zu sein, endlich ablenken zu können von dem, was durch diese „Zeitenwende“-Politik in Zukunft noch auf uns zukommt.

Übrigens schließt man inzwischen auch pro-palästinensische Demonstranten bei anti-AfD Demonstrationen aus, weil — und das scheint wichtig — gegen die AfD zu demonstrieren, lange noch nicht heißt, auch gegen ein rechtsextremes Regime in Israel zu sein, dafür aber für ein freies Palästina.

Das Gift der Propaganda hat schon gewirkt: Gegen die AfD zu sein, ist erwünscht, aber für ein freies Palästina zu sein, ist antisemitisch. Wir, die wir uns dafür einsetzen, sind gegen Faschismus, leiden aber unter faschistischen Tendenzen. So einfach und gefährlich ist das inzwischen.

Wenn deutsche Politiker vom Präsidenten bis zum Kanzler immer wieder von „Nie wieder“ schwadronieren, während sie fleißig Waffen und Milliarden an einen mehr als zweifelhaften, korrupten Staat wie die Ukraine und an den völkermordenden Besatzungsstaat Israel liefern, dann erfordert es Zivilcourage, dafür zu demonstrieren, diese Politik sofort zu beenden.

Werden wir demnächst erleben, dass Benjamin Netanjahu nach einem ICC-Haftbefehl — sollte er die Dreistigkeit an den Tag legen, Deutschland zu besuchen — hier, wie es sich gehört, verhaftet und nach Den Haag ausgeliefert wird? Wohl kaum, schließlich steht Deutschland unverbrüchlich an der Seite des „jüdischen Staats“, und Scholz sieht, hört man seine Aussagen, Israel mit seinem Vorgehen in Gaza immer noch im Rahmen des Völkerrechts. Deutsche „Herrschaftsmedien“ lassen „Experten“ dafür plädieren, dass Deutschland Netanjahu nicht ausliefern dürfe.

Keine Auszeichnung für Kriegsrhetorik!

Was aber geschieht? Deutsche — sicher wohlmeinende — Bürger werden aufgerufen, für die Demokratie und gegen die AfD zu demonstrieren. Das ist an Verlogenheit nicht zu überbieten. Schließlich haben wir rechtsextreme und faschistische Politiker von Netanjahu bis Giorgia Meloni empfangen.

Und die EU-Kommissionspräsidentin scheut sich nicht, für eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Regierungen und deren Unterstützung Bündnisse abzuschließen. Kriterium: Sie sind gegen Russland und für die Ukraine. Diese Präsidentin von der Leyen ist eine Gefahr für Europa, und sie will um jeden Preis ihren Machterhalt, was hoffentlich im EU-Parlament noch vereitelt wird. Während Präsident Emmanuel Macron anlässlich seines Staatsbesuchs den Friedenspreis der Stadt Münster bekam, mit der fast „poetischen Kriegsrhetorik “-Begründung, der Präsident werde „für seine Bemühungen geehrt, Putin vom Einmarsch in die Ukraine abzubringen“. Was für ein Paradox in Zeiten von Ukraine-Krieg und alles anderer als friedlicher Politik Macrons.

Ebenso die Karlspreis-Verleihung an den Chef der Europäischen Rabbinerkonferenz Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften in Europa. Was für ein fatales Zeichen, den in der Schweiz geborenen ehemaligen Oberrabbiner von Russland zu ehren, der forderte, die „Werte der Freiheit“ und die russische Opposition zu unterstützen, und der russischen Juden zur Ausreise aus Russland riet! Bei seiner Dankesrede sprach er von einem „entfesselten“ Judenhass seit dem 7. Oktober 2023, anstatt den „entfesselten“ Hass des Netanjahu-Regimes gegen Gaza und die Folgen zu benennen. Wo er doch „Probleme mit Israels Regierung“ habe, aber nur die Hamas habe den Schlüssel für die Freilassung der Geiseln in der Hand. Kein Wort über Besatzung, dafür aber von „islamistischem“ Fundamentalismus und Antizionismus, der sich hinter Antisemitismus verberge. Wird er geehrt für seine Bemühungen, die Israelis in ihrem „Bemühen“ gegen den palästinensischen Widerstand aufgrund der Besatzung zu unterstützen?

Was für ein Preisträger und was für eine Preisverleihung! Ein weiteres Paradox! Wenn Deutschland wirklich an die freie Meinungsäußerung glaubte und den Versammlungsrecht-Paragrafen einhielte, dann würde es danach handeln.

Schlimmer noch die Vorkommnisse bei und nach dem Verbot der Berliner Palästina-Konferenz, mit einem Polizeiangriff auf das Versammlungsrecht, von oberster Berliner Seite veranlasst und gesteuert! Sie haben gezeigt, wie es darum bestellt ist. Juden, Aktivisten, Mitglieder der Jüdischen Stimme werden verfolgt.

Der neue Antisemitismus ist die neue Gefahr und hat den alten abgelöst.

Es macht mir Angst, wenn ich lese, wie Konten jüdischer Aktivisten und der Jüdischen Stimme gekündigt wurden und die Kündigungen nur dank deutscher Gerichte zum Teil wieder aufgehoben wurden. Ein unhaltbarer Zustand! Warum wohl werden Pro-Palästina-Proteste schon so lange diskriminiert und mit Gewalt verhindert?

Wir sollten uns einmal fragen, ob nicht die wahren Antisemiten im Berliner Senat sitzen, wenn sie so gegen Palästina-Demonstrationen und jüdische Aktivisten vorgehen.

Heuchlerische Feiern zum Grundgesetz-Jubiläum

Müssen Juden, die sich für Palästina einsetzen, demnächst auch Deutschland wieder verlassen? Haben ihre Familien das nicht schon einmal erlebt? Will die deutsche Politik wirklich wieder eine „symbolische Rampe“ einrichten für die Selektion von guten „Israel liebenden Juden“ und „Pro-Palästina-Juden“ — „antisemitischen“ und „islamistischen“? Deutsche Unterstützer von Russland und Journalisten erlebten das gleiche. Vielen von ihnen blieb keine andere Möglichkeit, als Deutschland zu verlassen.

Ich kann es nur immer wieder betonen: Solange Palästina-Kongresse, Pro-Palästina-Demonstrationen, Nakba-Gedenkfeiern unter dem Vorwurf des Antisemitismus unterdrückt werden — Symbol der verbindenden Kraft für Palästinenser über Generationen hinweg und Symbol der gemeinsamen Geschichte der Verfolgung und des Kampfes für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung — solange es willkürliche Einreiseverbote für Zeugen der Gaza-Massaker gibt, solange die Rede- und Versammlungsfreiheit nicht für alle gilt, zeigt Deutschland, dass die Feiern zum Grundgesetz-Jubiläum heuchlerisch sind.

Ebenso ist es keine Volksverhetzung, wenn „From the River to the Sea — Palestine will be free“ gerufen wird. Ich empfehle dazu einmal das Studium der Geschichte dieses Slogans, der zurückgeht auf die Staatsgründung des „jüdischen Staats“, bei der Hunderttausende Palästinenser aus ihren Häusern und ihrem Land vertrieben wurden, die Palästina als unteilbares Heimatland betrachteten.

Während Zionisten ein „Groß-Israel from the River to the Sea“ errichten wollten und noch immer wollen. Solange die Aufstachlung zu Kriegsverbrechen und Vertreibungen — von damals bis heute — nicht verboten wird, selbst wenn sie von israelischen Politikern kommt, solange zeigt die Politik ihre heuchlerische Doppelmoral. Jeder getötete Ukrainer wird gemeldet und betrauert, während der Völkermord des Netanjahu-Regimes an den Palästinensern als „Selbstverteidigung“ hingenommen wird. Wie lange noch? Bis die zionistische „Endlösung“ vollbracht ist?

Was für eine Schande! Wieder klebt Blut an deutschen Händen!

Es ist eine beängstigend feindliche Atmosphäre, wenn Palästinenser mit Palästina-Symbolen wie Keffiyeh und Hidschab, dem palästinensischen Kopftuch, Plakaten oder Flaggen konfrontiert sind mit Repressalien und Razzien — eine Art von Racial Profiling, das nicht nur Palästinenser und ihre Verbündeten, sondern auch Juden betrifft. Während Davidstern und Ukraine-Flagge von öffentlichen Gebäuden wehen, ist die Palästina-Flagge ebenso wie die russische zum Feindesobjekt geworden. Was für eine Schande!

Deutschland steht doch so auf die Fata Morgana der Zwei-Staaten-Lösung, verweigerte aber die Anerkennung eines Staates Palästina als Symbol für die Freiheit und Selbstbestimmung — zusammen mit anderen europäischen Staaten.

Mit diesem Veto, ganz im Sinne der USA und Israels, bewies Deutschland erneut seine Komplizenschaft an Besatzungsverbrechen, ganz zu schweigen von der Komplizenschaft am Gaza-Völkermord. Solange diese Staatsräson erhalten bleibt, solange Waffenlieferungen und Kooperationen nicht sofort gestoppt werden, solange klebt wieder und wieder Blut an deutschen Händen.

Auch der Druck auf Universitäten, Gaza-Proteste und -Camps zu verbieten, auf Veranstalter und Vermieter pro-palästinensischer Veranstaltungen, auf Sender und Presse, Ausstellungen und Konferenzen entspricht nicht dem Grundgesetz, würde es denn nicht nur gefeiert, sondern ernst genommen.

Menschenwürde auch für Palästinenser und kritische Juden!

Ich wehre mich gegen eine neue deutsche, politisch gesteuerte philosemitisch-zionistisch-extremistische Vergesellschaftung. Mit dieser Art der falschen „Holocaustisierung“, der traumatisierten Scham, nachdem das säkulare Judentum ausgelöscht wurde, versucht man selbstgerecht und fatal diese Schuld mit einer Schuldzuweisung an Palästinenser zu kompensieren, die allerdings nicht den Holocaust betrieben haben, sondern die heutigen Opfer sind.

Mit Zivilcourage muss eine gespaltene Linke und eine eingeschüchterte Zivilgesellschaft aufgerüttelt werden, für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Die Würde des Menschen gilt ebenso für Palästinenser wie für kritische Juden.


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