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Isoliert und abgehoben

Isoliert und abgehoben

Ein Hauch von Isolationismus weht durch diese Republik — obwohl man synchron dazu so tut, als sei man total weltoffen.

Bis vor einiger Zeit war Wirtschaft alles — it’s the economy, stupid! Handel trieb die Welt an, die globalisierte Welt funktionierte so, lehrte man uns in Zeiten, da diese schöne neue Welt des Wirtschaftens ohne Unterlass zu allerlei Reformbestrebungen und -vorhaben in Deutschland führte. Die Agenda 2010 war eine Reaktion auf eine Welt, die keine Grenzen, keine Zölle, nur noch Märkte und Geschäfte kannte. Wenn also ein ehemaliger Politiker Wirtschaftskonferenzen organisiert, dann ist das in der neoliberalen Logik der vergangenen beiden Dekaden gar nicht mal so überraschend, sondern schlicht Normalität.

Deutschland im Isolationsmodus

Man hat mehr und mehr den Eindruck, dass die Bundesrepublik unter dieser von den Grünen dominierten Bundesregierung einen massiven Hang zur isolationistischen Außenpolitik aufweist. Fast schon im Wochentakt wird davon berichtet, wie jemand Nähe zu einem Ausland hat, das man nicht mehr toleriert. Dass etwa Gerhard Schröder Nähe zu Russland hat, warf man ihm nach langen Jahren seines Lobbyismus erstmals 2022 vor — aber es war und ist nicht der Lobbyismus, für den er kritisiert wurde, sondern dass er Russland nicht als Feind sieht.

Ständig sehen wir die Außenministerin dabei, wie sie sich vor anderen Nationen, die sie als moralisch verlottert betrachtet, distanziert — unter Applaus etlicher Journalisten, die es loben, dass da jemand Haltung zeigt, die die Diplomatie ersetzt hat.

So hält man Russland auf Abstand, zeigt Skepsis bei Nähe zu China oder hält arabische Staaten auf Distanz – oder brüskiert sie wahlweise mit Ministerinnenbesuchen bei Sportveranstaltungen, bei denen sie ihre Oberarme als ideologische Werbebanner zur Schau stellen. Deutschland driftet in den Isolationismus ab – nicht mal mehr der Handel, nicht mal mehr die Märkte halten dieses Land davon ab, zwischen sich und „die Anderen“ Distanz zu bringen.

Länder, die sich isolierten, die gab es in der menschlichen Historie immer wieder. Man denke nur an die Isolation Japans, die sogenannte Landesabschließung, deren Ende 1853 die Vereinigten Staaten erzwangen. Die japanischen Kaiser rechtfertigten ihren Schritt mit dem schlechten Einfluss der Ausländer. Und tatsächlich schienen die Einflüsse der Europäer die gesellschaftliche Stabilität in Japan zu gefährden, wie sich nach der Öffnung des Landes zeigen sollte. Abgeschaut haben sich das die Tennos vom Reich der Mitte: Das hatte von jeher eine isolationistische Landes- und Herrschaftstradition — als diese Ende des 19. Jahrhunderts aufbrach, rutschte China in eine tiefe innere Krise.

Kurioserweise tendierten später auch die Vereinigten Staaten zum Isolationismus. US-Präsident Woodrow Wilson versprach, dass sein Land sich aus dem europäischen Krieg heraushalten wolle — später traten die USA dennoch in den Ersten Weltkrieg ein. Nach diesem ersten Weltenbrand tendierten die USA wieder dazu, sich auf die eigene Scholle zu fokussieren. Franklin D. Roosevelt und der endgültig gescheiterte New Deal machten eine Internationalisierung, die dann über den Umweg des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor gar im Kriegsengagement mündete, zur neuen Leitlinie.

Die geistige Enge des Kleinbürgertums auf großer Bühne

Gemein war allem Isolationismus der menschlichen Geschichte bislang, dass er sich mit einer gewissen Rationalität erklären ließ. Die japanischen Eliten fürchteten sich vor ausländischer Einmischung in innere Angelegenheiten.

Die Amerikaner hingegen glaubten eine Weile lang, dass die Leben ihrer Bürger nicht für Kriege hergegeben werden sollten, die außerhalb ihres eigenen Territoriums stattfanden. Aber noch keine Nation schaltete in den Isolationsmodus, um damit die Moral zur Schau zu stellen.

Dieses Motiv ist ein deutsches Alleinstellungsmerkmal in Zeit und Raum. Das gab es so noch nie und noch nirgends. Deutschland bricht mit Ländern, von denen es eigentlich wirtschaftlich abhängig ist. Aller Isolationismus, den es seit Menschengedenken gab, lässt sich mit einem Schlagwort erklärbar machen: Staatsräson. Aber Deutschlands neuer Isolationsdrang hat diese Grundlage nicht. Er ist nicht durch Staatsräson getrieben, ganz im Gegenteil. Ja, er missachtet die Staatsräson geradezu. Deutschland führt einen Krieg mit Russland gegen die ureigensten Interessen — es führt ihn, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erklärte, dass die Ausbildung von Soldaten fremder Länder schon Kriegsbeteiligung darstelle. Schaut dabei zu, wie Versorgungswege zerstört werden. Deutschland isoliert sich aus moralischen Gründen — und nennt das „wertebasierte Außenpolitik“.

Das Kleinbürgertum hat sich das internationale Parkett erobert. Es kommt in Form der Grünen daher, die ihr spießiges Weltbild an die Atlantikcharta gebunden haben und die im Grunde das Prinzip der Kehrwoche in die Außenpolitik emporgehoben haben. Auf der großen Bühne agieren sie wie jene Bürger aus ihrem Milieu, die durch einen unangenehmen Alltagsmoralismus brillieren, die jedermanns Handlungen kommentieren, schnell Verbotsanträge stellen und auch mal jemanden ignorieren, weil er unter ihren Augen etwas tut, was man nicht soll.

Der Kleinbürger ist von Natur aus ein Isolationist. Andersdenkende sind ihm nicht nur suspekt, er bekämpft sie mit Mitteln, die man heute Cancel Culture nennt. Das Kleinbürgerliche weiß nämlich — oder glaubt zu wissen —, dass es die einzige legitime Form der Existenz ist. Diese Grundeinstellung nährt moralische Überhöhung und Überheblichkeit. Wer das beanstandet, wer gegen den kleinbürgerlichen Lebensentwurf ist, der muss geradezu einen moralischen Makel haben. Und das ahndet man, indem man sich abwendet und kein Wort mehr mit so einem spricht.

Gesprächsverweigerung als Waffe

Dort wo das kleinbürgerliche, meist grüne Milieu lebt, zeigt sich auch ein Uniformismus, wie er heute aus der Zeit gefallen scheint. In Stadtteilen dieser Menschen findet man an den Klingelschildern der Wohnhäuser fast nur deutsche Namen — man bleibt unter sich, denn damit ist gewährleistet, dass man moralisch einen gemeinsamen Nenner hat und nicht dauernd im eigenen Umfeld mit Menschen konfrontiert ist, die man verachten muss. Ja, man muss sie verachten, denn so ein Reflex gebiert die eigene Auserwähltheit, von der der Kleinbürger ganz im Inneren überzeugt ist. Verachtung ist in diesem Milieu ein Imperativ.

So lästig solche Gesellen und Gesellinnen im Alltag auch sein mögen: Als Mandatsträger oder gar als „diplomatische“ Delegierte sind sie die personifizierte Katastrophe. Sie erzeugen ein vergiftetes Klima — für sie ist es bereits Engagement, wenn sie andere stigmatisieren.

Im bürgerlichen Wohnkomplex mag man damit noch zurechtkommen, die Macht des Kleinbürgerlichen ist dort ja überschaubar. Gefährlich wird es erst, wenn sie ihre Affekte auf die politische Bühne bringen. Nachbarschaftliche Gesprächsverweigerung mag unschön sein — in der Politik wirkt sie jedoch wie eine Waffe.

Die Politisierung des Kleinbürgerlichen erleben wir dieser Tage. Und sie bringt uns wirklich in eine ausweglose Situation. Mag ja sein, dass die Welt an vielen Stellen nicht in Ordnung ist. Ob Russland oder China: Natürlich findet man dort Umstände, die man kritisieren kann — aber das tut man nun mal auch bei uns. Die kleinbürgerliche Selbstüberhöhung hat diese Einsicht nicht — sie fühlt sich als auserwähltes Milieu. Nach ihrem Wesen soll erst der Nachbar, dann die Welt genesen.

Wenn nötig unter Inkaufnahme eigener Nachteile. Denn Recht muss Recht bleiben, fiat iustitia et pereat mundus, wie der Lateiner sagen würde — Gerechtigkeit soll geschehen, auch wenn dabei die Welt zugrunde geht. Der Isolationismus, der im politischen und medialen Klima dieser Republik herrscht, scheint ein einzigartiges Projekt zu sein, das sich aus der Hybris eines Milieus rekrutiert, das sich selbst schon längst vor den Realitäten isoliert und in einer Blase organisiert hat. Dabei benötigte dieses Land wirklich einen Isolationismus — einen, der diese Klein- und Spießbürger ausgrenzt. Jedenfalls von der großen Politik. Safety first.


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