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Konzernabhängige Medienlandschaft

Konzernabhängige Medienlandschaft

Das Berufsethos von Journalisten erodiert, da viele von ihnen gegenüber Kräften aus Politik und Wirtschaft zur Loyalität verpflichtet sind. Teil 2/2.

Entwicklungen seit 2020

Wie ist es heute? Im Folgenden wird die Zuspitzung der zahlreichen Verstrickungen und Abhängigkeiten unserer Medienlandschaft seit 2020 betrachtet. Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, hielt am 18. September 2021 den Vortrag „Die Medien-Matrix“ für die Veranstaltungsreihe „Wissen ist relevant“.

ARD und ZDF sind Konzerne“, erklärt Meyen. „Bei einem Beitragsaufkommen von acht Milliarden Euro im Jahr liegen diese beiden Rundfunkanstalten in der Liste der größten hundert Medienunternehmen in der Welt (…). Die Politik kontrolliert diese öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Politik sitzt in den Rundfunkräten — Aufsichtsorgane für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Und die Politik entscheidet, wer Spitzenpositionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk besetzt.“
Eigentlich sollte es ja umgekehrt sein. Eigentlich sollte der Journalismus die Politik kontrollieren. Wir müssten also diese Rundfunkanstalten vom Kopf auf die Füße stellen, wenn wir den Auftrag Öffentlichkeit ernst nehmen.

Regierungen kaufen sich Fernsehgesichter

Steffen Seibert war Sprecher im „heute journal“, bevor er Regierungssprecher in Berlin wurde (1). „Als Sprecher des Heute-Journals verkörpert man Seriosität, Neutralität, vielleicht sogar Glaubwürdigkeit; das ist jemand, den viele Menschen jeden Abend vor dem Einschlafen gesehen haben. Dieser Mensch hat plötzlich die Politik der Regierung von Angela Merkel verkauft“, stellt Meyen fest. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Im September 2021 wechselten drei Landeskorrespondenten von Tageszeitungen in Rheinland-Pfalz auf die andere Seite, in die Politik: Sie wurden jeweils als Sprecher im Arbeits-, im Bildungs- und im Wirtschaftsministerium tätig. Ein Vorgänger der Genannten leitete später die Kommunikation der rheinland-pfälzischen CDU. Die Sprecherin der Landesregierung war zuvor Redakteurin beim SWR gewesen. „Aufrüstung der PR-Stäbe“, nennt Meyen dieses Phänomen. Man kaufe sich die Kontakte von Spitzenjournalisten, deren Reputation und letztlich auch das Wohlwollen der Redaktionen.

Das Bundespresse- und Informationsamt, geleitet von Steffen Seibert, hat 450 Planstellen. „Das sind Menschen, die sehr gut dafür bezahlt werden, die Politik der Regierung in ein gutes Licht zu tauchen“, so Meyen. Dabei seien all jene noch nicht mitgerechnet, „die in den Ministerien, in den Parteistäben und bei einzelnen Politikern das Gleiche tun“.

Drehtürkarrieren bis ganz nach oben

Ein weiteres Beispiel für die enge Verflechtung von Politik und Medien ist die Medienmanagerin Christine Strobl. Zum 1. Mai 2021 trat Strobl die Nachfolge von Volker Herres als Programmdirektorin des ARD-Gemeinschaftsprogramms Das Erste an. Für ihre Tätigkeit beziehe sie, nach eigenen Angaben, ein Grundgehalt von 285.000 Euro jährlich.

Hinzu kämen Sachbezüge und zusätzliche Leistungen für Tätigkeiten bei Tochterfirmen der Sender oder der ARD, die nicht offengelegt werden.

Strobl ist die Tochter von Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestags und CDU-Politiker. Die Unionsfraktion nominierte Schäuble nach der Bundestagswahl 2017 als Bundestagspräsidenten. Seit 1996 ist Christine Strobl mit dem CDU-Politiker Thomas Strobl verheiratet, der seit dem 12. Mai 2016 Innenminister des Landes Baden-Württemberg sowie stellvertretender Ministerpräsident ist. Christine Strobl ist langjähriges CDU-Mitglied; Ende der 1980er-Jahre war sie in die Junge Union (JU) eingetreten. Im Juli 2012 wurde Strobl Programmgeschäftsführerin der ARD-Einkaufs- und Produktionstochter Degeto Film in Frankfurt am Main.

Fonds und Fördertöpfe

Die einflussreichsten Journalisten und Redakteure der Nachrichtenagenturen und großen Medienhäuser seien mit einflussreichen journalistischen Organisationen verbunden wie etwa dem European Journalism Center, erklärt der Filmemacher Tim Gielen 2021 in seiner Dokumentation „Monopoly — Wer besitzt die Welt?“ (2). Diese Organisationen zählten „zu den wichtigsten Geldgebern für medienbezogene Projekte in ganz Europa. Sie bilden Journalisten aus, erstellen Studienmaterial, bieten Praktika an, zum Beispiel bei der Algemeen Nederlands Persbureau (ANP), und arbeiten eng mit den größten Unternehmen der Welt wie Google und Facebook zusammen“, lautet seine Zusammenfassung.

Im September 2020 legten das European Journalism Center und Facebook einen Fonds auf, um ausgewählte Nachrichtenorganisationen bei der Berichterstattung über die Coronakrise finanziell zu unterstützen. „Die Journalisten, die von den kommerziellen Auswirkungen von COVID-19 stark betroffen sind, leisten mit minimalen Mitteln eine wichtige Berichterstattung“, heißt es auf der Homepage des Centers.

„Ohne dringende Unterstützung werden die lokalen und kommunalen Medien nicht in der Lage sein, Fehlinformationen zu bekämpfen und die Bürger zu informieren.“

Das Project Syndicate verbreitet jährlich weltweit Hunderte von Kommentaren in 66 Sprachen. 500 Medien aus 156 Ländern beziehen die Leistungen des Projekts, mehr als die Hälfte „kostenlos oder zu subventionierten Preisen“. Das Project Syndicate erhält Finanzierung von der Bill & Melinda Gates Foundation, der Open Society Foundation und dem European Journalism Center. Weitere Finanziers sind u. a. die MasterCard Foundation, die European Climate Foundation, die European Investment Bank, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Weltbankgruppe, die Google Digital News Initiative.

PR und unsere Medien heute

„Medialisierung geht über Personal, über Know-how und über Kontakte hinaus“, legt Michael Meyen in seinem Vortrag dar. Es reiche bis in die Organisationskultur hinein. In vielen Unternehmen werde von den Angestellten PR-Bewusstsein verlangt.

In Krankenhäusern unterschrieben die Ärzte und Schwestern, „dass sie nichts Negatives, nichts, was den herrschenden Erzählungen widersprechen könnte, in die Öffentlichkeit tragen“.

Wenn man als Journalist in einem Krankenhaus recherchiert, bekäme man Ansprechpartner zugeteilt, die darin geschult sind, dass Krankenhaus und Gesundheitswesen insgesamt keine Informationen herausgeben, „die dem widersprechen, was das Gesundheitsministerium oder das RKI (Robert Koch-Institut) zum Beispiel erzählen“. Spitzenposten werden generell gerne mit Menschen besetzt, die medientauglich und eloquent sind, „gut aussehen und im Fernsehen wunderbar funktionieren“. Aber es geht noch weiter:

„Man schafft Ereignisse, die es nur gibt, damit Journalisten darüber berichten. Parteitage sehen heute aus wie Musicals. Parteitage werden inszeniert. Bis ins Letzte inszeniert, damit Journalisten die Botschaft in die Medien-Matrix einschreiben, die von der jeweiligen Parteiführung gewünscht worden ist. Medialisierung geht aber über diese eher indirekten Dinge hinaus.“

Werden unsere Medien vom Staat finanziert?

„Medialisierung bedeutet auch, direkt Geld einzusetzen“, erklärt Meyen. Das Wort Subventionen täusche hier vielleicht ein bisschen, da es sehr neutral klingt. In der Coronakrise seien Medien direkt und indirekt vom Staat gefüttert worden. Die Menge an Anzeigen war in kommerziellen Radiosendern oder Tageszeitungen erkennbar gesunken, und der Staat sprang ein.

Schon seit etwa 15 Jahren gebe es in der deutschen Tagespresse einen schleichenden Rückgang der Anzeigeneinnahmen, so Meyen. 2019 betrugen die Einnahmen der deutschen Tageszeitungen im Anzeigengeschäft insgesamt knapp 2,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 sank diese Einnahmequelle auf etwas mehr als 1,7 Milliarden Euro, was ein Minus von ungefähr 350 Millionen Euro bedeutet.

Das, so Meyen, „würde jeden Wirtschaftszweig eigentlich an die Grenze des Ruins treiben. Bei diesen 1,7 Milliarden Euro sind die vielen Anzeigen aus dem Gesundheitsministerium schon drin. Also die Kampagnen ‚Bleibt zu Hause‘, ‚Krempelt die Ärmel hoch‘, und so weiter“.

Es gab im Bund einen Nachtragshaushalt, und damit habe der Staat im Sommer 2020 ein Tabu gebrochen:

„220 Millionen Euro für die Digitalisierung von Zeitungsverlagen. Das war das Label, um das verkaufbar zu machen. Eigentlich sind Pressesubventionen, staatliche Gelder in der Presse, in Deutschland ein Tabu seit dem Dritten Reich. Im Sommer 2020 ist dieses Tabu gefallen. (…) Das Geld ist nicht ausgezahlt worden, weil es eine Klage einer Digitalplattform gab. (…) Die Verlegerverbände sind fast ausgerastet (…). Man kann davon ausgehen, dass das irgendwann gezahlt wird.“

Die Leitmedien zählen zu den Gewinnern der Coronakrise, bedingt durch direkte und indirekte Zuwendungen des Staates (3).

Änderung im Medienstaatsvertrag und Zensur im Internet

Die Landesmedienanstalten — nicht zu verwechseln mit den Landesrundfunkanstalten — sind die Aufsichtsbehörden für kommerzielle Rundfunkanbieter wie etwa RTL oder Antenne München. Im November 2020 trat ein neuer Medienstaatsvertrag in Kraft. Auf diesem Weg sind die Landesmedienanstalten ermächtigt worden, alternative Angebote im Internet zu kontrollieren. Im Medienstaatsvertrag wird dieser Eingriff mit „journalistischer Sorgfalt“ und „Wahrheit“ begründet. Wer im Internet Informationen bereitstellt, müsse den Wahrheitsgehalt dieser Informationen prüfen. „Die Landesmedienanstalten haben Anfang 2021 Mahnbriefe an Betreiber alternativer Plattformen verschickt, in denen diese Betreiber aufgefordert wurden, den Wahrheitsgehalt der Informationen nachzuweisen oder zu löschen“, berichtet Meyen. „Die Drohung dahinter ist: Wir schalten euren Kanal ab.“

Wer checkt hier Fakten?

Die Idee, sogenannte Faktenchecker-Initiativen zu etablieren, ist gekapert worden von den Stiftungen der Superreichen. Mit unabhängigem Journalismus haben diese folglich nichts zu tun. „Hier ist vor allen Dingen die Stiftung von Pierre Omidyar zu nennen“, so Meyen. „Pierre Omidyar, der ebay-Gründer, spielt in der gleichen Liga wie Bill Gates.“ Pierre Omidyar habe über seine Stiftung das International Fact Checking Network gefördert, mit Sitz in den USA. Dieses International Fact Checking Network vergibt dann Zertifikate, die man als Faktenchecker benötigt, um mit den Digitalkonzernen wie WhatsApp, YouTube, Facebook und anderen zusammenzuarbeiten.

„Man braucht dieses Zertifikat, weil man ja als Faktenchecker keine natürliche Geldquelle hat. (…) Da sind die Stiftungen der Superreichen eingesprungen, vor allem die Stiftung von Pierre Omidyar, die auch das deutsche Faktencheckerportal Correctiv mit sehr viel Geld gefördert hat. Seit 2018 sind knapp 2 Millionen Dollar in dieses Faktencheckerportal Correctiv geflossen. Wer sich also fragt, warum von dort gegen Wolfgang Wodarg geschossen worden ist, warum von dort alles vernichtet werden soll, was zum Beispiel der herrschenden Impferzählung widerspricht, der hat hier einen Link.“

Im September 2021 hatte Facebook 150 Kanäle von sogenannten Querdenkern gelöscht, die dem hegemonialen Narrativ widersprechen wollten. Die Leitmedien klatschten Beifall und versäumten es, über Zensur zu klagen.

„Und damit nennt man das Problem eigentlich schon beim Namen“, urteilt die TAZ regierungskonform über „alternative Netzwerke“. Es sei gut, dass Facebook „endlich massiver gegen rechte Hetze und Falschmeldungen vorgeht“. Mittlerweile arbeite das Unternehmen beispielsweise mit „externen Faktencheckern“ zusammen. Journalisten von den Nachrichtenagenturen AFP, dpa und vom Recherchenetzwerk Correctiv seien damit beschäftigt, Meldungen zu überprüfen, die über Algorithmen bei ihnen aufschlagen. „Doch es ziehen eben nicht alle mit.“ Eine Begründung für die Anschuldigungen enthält der Artikel nicht.

Kriegsvokabular im Informationskrieg

„Angela Merkel hat sehr früh, von ganz oben, allen alternativen Erzählungen im Internet den Krieg erklärt“, legt Meyen dar. „Auch mit Kriegsvokabular. Sie hat bei der Eröffnung der BND-Zentrale in Berlin, im Februar 2019 gesagt, dass wir lernen müssen mit Fake News als Teil der hybriden Kriegsführung umzugehen.“ Wer Fake News sagt, suggeriere, dass es irgendwo „richtige“ News gibt, etwa bei den Nachrichten, bei ARD und ZDF. Diese Kriegsmetaphorik sei dann weitergeführt worden in der Corona-Regierungserklärung im Oktober 2020:„Lüge und Desinformation, Verschwörung und Hass beschädigen nicht nur die demokratische Debatte, sondern auch den Kampf gegen das Virus.“ Damit sei der Kampf, der Krieg gegen alternative Plattformen im Internet von ganz oben legitimiert worden.

Auch der Krieg gegen alternative Deutungen werde legitimiert. Geheimdienste beobachteten unabhängige Journalisten, ohne dass ihre Kollegen in den traditionellen Medien in irgendeiner Weise protestierten. „Ich habe keinen Protest gelesen gegen die Geheimdienstüberwachung von unabhängigen Journalisten“, so Meyen. „Ich habe auch keinen Protest gesehen gegen die Kündigung von Konten.“

Schlussgedanke

Im Herbst 2020 war die Stimmung im Netz auf einem bis dahin nicht vorstellbaren Tiefpunkt angekommen. Der inhaltlich breit aufgestellte, beliebte YouTube-Kanal KenFM des gleichnamigen Onlinemagazins von Ken Jebsen wurde komplett gelöscht. Er hatte fast eine halbe Million Abonnenten und monatlich bis zu 13 Millionen Klicks allein auf YouTube. Ebenso traf die Zensur den damaligen YouTube-Kanal von Rubikon und den Kanal des renommierten und besonnenen Epidemiologen Sucharit Bhakdi. Es folgten weitere. 2023 wurde der YouTube-Kanal der Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie (MWGFD) „mit 87.000 Abonnenten unangekündigt und ohne Nennung von Gründen“ gelöscht.

Sofern man YouTube jene Bedeutung beimisst, die es hatte und gegenwärtig noch teilweise hat, dann handelt es sich bei dieser Zensurwelle um die bewusste Zerstörung des Debattenraums, um das Mundtotmachen der Gegenöffentlichkeit.

Während ich schreibe und die entsprechenden Artikel verlinke, nutze ich teilweise die russische Suchmaschine yandex.ru. Auf Google bekomme ich keine Links zum Thema konzernunabhängige Medien.

Es kann nicht oft genug betont werden, welche Bedeutung das Recht zur freien Meinungsäußerung in einer Demokratie hat. Voltaire soll gesagt haben:

„Ich stimme dem, was du sagst, nicht zu, aber ich riskiere mein Leben, damit du es sagen kannst.“

Ich bin für eine lebendige Diskussion im Land, für einen fair geführten wissenschaftlichen Diskurs zu allen, insbesondere den brennenden Fragen und für einen gelassenen, friedlichen Umgang mit verschiedenen Denkansätzen und Meinungen. Nur so, so meine ich, kann eine Demokratie bestehen und sich weiterentwickeln.

Es hat noch nie in der Geschichte zu Frieden, Freiheit und Glück geführt, wenn man den Menschen von oben vorschrieb, was sie zu denken haben.

Hetze, Hass, Sexismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Aufrufe zur Gewalt sind deutliche und für jeden gesunden Menschen erkennbare Grenzen freier Meinungsäußerung. Alles andere darf — und muss — in einer Demokratie möglich sein und auch bleiben.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Steffen Rüdiger Seibert (geboren 7. Juni 1960 in München) ist ein deutscher Journalist und ehemaliger politischer Beamter. Von August 2010 bis Dezember 2021 war er Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung sowie Chef des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung im Amt eines Staatssekretärs. Zuvor war er Fernsehjournalist beim ZDF. Von 2003 bis 2010 moderierte er die Hauptsendung der heute-Nachrichten (Wikipedia).
(2) Gielen, Tim: Monopoly: Who owns the World?, 2021
(3) Vergleiche Niederprüm, Antonia, und Söllner, Catharina: Gutachten zur Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Bundesförderung für die Pressewirtschaft, im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), September 2022, Seite 4 folgende


Michael Meyens Vortrag "Die Medien-Matrix bei Wissen ist relevant


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