Der „Verfassungsschutz“ stuft die AfD als „gesichert rechtsextrem” ein. Na, „die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche“ (1). Ein Mitarbeiter des hessischen Landesamts für Verfassung war dabei, als der junge Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde. Der „Verfassungsschützer“ beteuert, er habe den Mord nicht mitbekommen. Ach was! Er ist kein schwerhöriger alter Mann, und ein Internetcafé ist keine Bahnhofshalle. Der Sportschütze stand lange selbst unter Mordverdacht, aber „der Mord wird mittlerweile dem NSU zugeschrieben“ (2). So lenkt man davon ab, dass der Täter vielleicht noch frei herumläuft.
Wer ist rechtsextrem? Die AfD, der „Verfassungsschutz“ oder beide? Die Einschätzung der staatlichen Aufpasser ist nur mit Vorsicht zu genießen. Voltaire wird der Spruch zugeschrieben: „Ich bin nicht einverstanden mit dem, was sie sagen, aber für ihr Recht, das auszusprechen, würde ich mich duellieren“ (3). Richtig! Demokratie basiert auf einer freien, offenen Auseinandersetzung und nicht auf Verboten.
Aber die Kirchen sind auf den Zug aufgesprungen, den diese seltsame Behörde in Gang gesetzt hat.
Der evangelische Kirchentag fordert ein Verbot der AfD. Gleichzeitig bietet er einem Mann ein Forum, der Ministerien in Moskau bombardieren will (4).
Mit ihm auf dem Podium waren ein Militärbischof, ein Militärhistoriker und zwei weitere gut bezahlte Büchsenspanner (5), um „Deutschland in den dritten Weltkrieg zu quasseln“ (6). Wenn schöne Reden sie begleiten, wird ihre Tat erst recht zum Mord. Aber Kirchensteuer verpflichtet – auch zur Kriegstüchtigkeit. Eine Bibelarbeit zum Thema „Liebet Eure Feinde“ (7) wäre da fehl am Platz. „Bergpredigt Jesu war nicht mehrheitsfähig“ (8), stellt der Schweizer Rundfunk fest. Deshalb haben Margot Käßmann und ihre Mitstreiter vom Ökumenischen Friedenszentrum parallel zur offiziellen Veranstaltung mit 100.000 Besuchern eine Friedenssynode mit etwa 300 Teilnehmern organisiert (9). Das Ergebnis war ein von Jesus, Jesaja, Moses und Micha inspirierter Friedensruf. Darin heißt es:
„Es wird gesagt, Aggressoren müssten auf dem Schlachtfeld besiegt oder militärisch zu Verhandlungen gezwungen werden. Jesus Christus mutet uns jedoch zu, unsere Feinde zu lieben. Das bedeutet nicht, Unrecht und Aggression hinzunehmen. Doch es verlangt, sich von vereinfachendem Gut-Böse-Denken zu lösen und die eigene Mitverantwortung für die Entwicklung von Konflikten zu erkennen“ (10).
Aber der Kirchentag beschäftigte sich lieber mit Polyamorie, Sadomaso und LGTBQ+. (11) Dennoch empfiehlt die Kirchentagsleitung „die Bibel als eine Richtschnur“ (12).
Na dann wollen wir mal. Lassen wir das alte Testament außen vor, in denen Frauen das Eigentum ihrer Männer waren, wo ein Mann, um die eigene Haut zu retten, seine Nebenfrau einer Bande von Räubern überlässt, die sie dann die ganze Nacht vergewaltigen (Richter 19). Sprechen wir von Paulus, dessen Briefe einen wesentlichen Teil der christlichen Verkündigung bilden. Der schreibt in seinem Brief an die Römer über Lesben und Schwule:
„Darum hat Gott sie dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen“ (Römer 1, 26-27).
Bevor die Bibel ein Fall für den Verfassungsschutz wird, sollte die Kirche von sich aus die Luther-Bibel aus dem Verkehr ziehen und sie durch eine verfassungskonforme Version ersetzen.
Ein solcher Antrag dürfte auf dem nächsten Kirchentag eine breite Mehrheit finden. Bei der Gelegenheit ließen sich dieses lästige Jesus-Wort von der Feindesliebe und das anarchistische Gedankengut aus 1. Samuel 8 gleich mit entsorgen.
Aber man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Bibel ist ja sonst ganz brauchbar. Die Beschreibung der blutigen Eroberung Palästinas durch das Volk Israel im Buch Josua samt der Vernichtung der dort lebenden Stämme ist eine geeignete Blaupause für den künftigen Russland-Feldzug. Die Ureinwohner Nordamerikas könnten ein Lied von dieser Art der „Landnahme“ singen, wenn die frommen weißen Siedler sie nicht ausgerottet hätten. Wer ans ewige Leben glaubt, ist eben ein besserer Eroberer, als einer, für den mit dem Tod alles aus ist. Die Kirche hat also eine wichtige Aufgabe, zumal sie sich schon immer eher von dem Paulus-Spruch „Jedermann sei untertan der Obrigkeit“ leiten lässt als von dem Friedensgedöns ihres merkwürdigen Heiligen aus Nazareth. Denn Paulus weiß: „Wo Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet“ (Römer 13,1). Da kann nichts schief gehen.
Adolf Eichmann, Organisator der Todeszüge nach Auschwitz, hatte 1943 eine weitere Aufgabe übernommen und berichtete darüber: „Ja, politisierende Kirche, Herr Hauptmann, da wurde ich kaum tätig. Es war ein totes Referat. Was die Einzelfälle gewesen sein mögen, Herr Hauptmann, das weiß ich nicht, die hat ja der Sturmbannführer Jahr bearbeitet“ (13). „Wir passen uns an“ (14), ist der Running Gag einer französische Filmkomödie über einen Eventmanager, der Hochzeiten organisiert. Die Kirche macht das seit 2.000 Jahren. In dem Film werden die Gäste mit Sardellen-Snacks bei Laune gehalten, während im Hintergrund Ersatz für eine verdorbene Fleischlieferung beschafft wird. In den Kirchen in Deutschland ist mehr verdorben als bloß eine Ladung Fleisch.
Die Protagonisten der Bibel sind Persönlichkeiten mit Licht und Schatten, insbesondere Paulus. Seine Obrigkeitshörigkeit, seine manische Fixierung auf Sünden, seine Verleugnung ganz natürlicher Lüste sind ein enormer Rückschritt gegenüber der Sinnlichkeit, wie sie im Hohen Lied, einem wunderbar erotischen Wechselgesang zwischen Mann und Frau, zum Ausdruck kommt. Aber ausgerechnet Paulus, der als Saulus die ersten Christen schlimmer verfolgt hat als die Stasi die Dissidenten, dieser Paulus hat wie kaum ein anderer vor ihm die sanftmütige Liebe als Kern menschlicher Beziehungen herausgearbeitet, wie zum Beispiel im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefs. Ohne seinen unermüdlichen Missionsdienst wäre das Christentum nur eine kleine, unbeachtete jüdische Sekte geblieben, eine Fußnote römischer Geschichtsschreiber.
So mancher mag argumentieren, dass das nicht das Schlechteste gewesen wäre. Angesichts der ungeheuren Verbrechen, die im Namen Jesu begangen wurden, fällt es mir schwer zu widersprechen. Auferstehung?
Wir nageln Jesus jeden Tag aufs Neue ans Kreuz. Aber ich bin immer noch so verrückt zu glauben, dass am Ende dieses krummen, gewundenen Weges durch ständige Irrungen und Wirrungen hindurch Jesus doch noch die Herzen der Menschen erreicht.
Für mich ist die Bibel kein alter Sack, den man mit braunen, schwarzen, roten, blauen oder grünen, linken oder rechten, konservativen oder progressiven Inhalten füllen kann. Für mich dokumentiert die Bibel den tausende Jahre alten Weg des Menschen von einer rachsüchtigen Stammesreligion zu der Hoffnung auf ein universelles, friedliches Miteinander. Gerade der scharfe Kontrast zwischen hell und dunkel gibt der Bibel ihre ehrliche, nichts beschönigende Kontur. In Brechts Dreigroschenoper heißt es:
Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär‘s nicht gern?
Doch leider sind auf diesem Sterne eben
Die Mittel kärglich und die Menschen roh.
Wer möchte nicht in Fried und Eintracht leben?
Doch die Verhältnisse, die sind nicht so (15).
Ja der Brecht, der brave Konfirmand aus der Barfüßerkirche in Augsburg, der lebensfrohe Atheist aus Berlin-Ost, der Brecht hat recht. Aber Jesus macht uns Hoffnung und sagt: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lukas 17,21). Das trägt uns hinweg über unsere Schwächen, sodass wir neu denken können wie in diesem Lied:
Wo Menschen sich vergessen
Die Wege verlassen
Und neu beginnen, ganz neu
Da berühren sich Himmel und Erde
Dass Frieden werde unter uns (16).
Diese Hoffnung, dieser Glaube verpflichtet.

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Quellen und Anmerkungen:
(1) Bernstein, F.W. (Fritz Weigle) (um 1965) Gedichtet in fröhlicher Runde auf einer Autofahrt von Paris nach Colmar https://www.korrekturen.de/vermischtes/die_kritiker_der_elche.shtml
(2) https://www.fr.de/rhein-main/nsu-mord-kassel-verfassungsschutz-muss-antworten-13795156.html
(3) Voltaire Je ne suis pas d‘accord avec ce que vous dites, mais je me battrais pour que vous ayez le droit de le dire. https://www.buboquote.com/fr/auteur/13-voltaire?&source_id%5B%5D=249
(4) https://www.berliner-zeitung.de/news/cdu-aussenpolitiker-roderich-kiesewetter-der-ukraine-krieg-muss-nach-russland-getragen-werden-li.2186077
(5) https://dert.site/kurzclips/video/244093-kiesewetter-sind-sie-bereit-etwas/
(6) Hallervorden, Didi (18. April 2025) Video-Botschaft für die Friedensprozession in Dresden. https://www.youtube.com/watch?v=qPXn_jmH1Zg
(7) Käßmann, Margot (1. Mai 2025) „Liebet Eure Feinde“. Bibelarbeit: Matthäus 5, 43-48. 9:30- 10:30. Unabhängige Friedenssynode friedensfähig statt kriegstüchtig, Hannover 1. bis 3. Mai 2025. Ökumenisches Friedenszentrum.
(8) https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/abschluss-dekt-2025-evangelischer-kirchentag-mut-machen-in-zeiten-der-verunsicherung
https://www.tagesspiegel.de/politik/zeitenwende-auch-beim-kirchentag-radikaler-pazifismus-hat-in-der-kirche-keine-konjunktur-mehr-13629430.html
(9) https://www.ndr.de/kultur/Friedensfaehig-werden-Der-Glaube-in-Zeiten-des-Krieges,kirchentagkaessmann100.html
(10) https://www.friedensdekade.de/christlicher-friedensruf-2025-verabschiedet/
(11) https://www.focus.de/politik/deutschland/queere-gaga-workshops-gott-gegendert-dieser-kirchentag-ist-woker-irrsinn_e867223a-9151-4cba-8cb0-d428f194dfd2.html
(12) https://www.evangelisch.de/inhalte/242668/02-05-2025/kirchentag-diskutiert-ueber-afd-verbot-populismus-und-zusammenhalt
(13) von Lang, Jochen, Das Eichmann Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre, S. 97. Berlin: Severin und Siedler. (1982)
(14) Nakache, Olivier und Éric Toledano (Regie und Drehbuch (2017) Le sens de la fête (Dt: Das Leben ist ein Fest). Produktion: Nicolas Duval, Yann Zenou und Laurent Zeitoun (Frankreich).
(15) Brecht, Bertolt, Dreigroschenoper (1928). Erstes Dreigroschen-Finale über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse, Songs aus der Dreigroschenoper (1949). S. 24. Gebr. Weiss: Berlin-Schöneberg. Ddd
(16) Laubach, Thomas und Christoph Lehmann (Musik)(1989) Da berühren sich Himmel und Erde.