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Mehr Transparenz wagen

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Eine Studie zeigt, dass die Zahlungsbereitschaft für Onlinemedien auch davon abhängt, wie viel das Publikum über die Produktion weiß.

An manchen Tagen wächst tatsächlich zusammen, was zusammengehört. Gestern war so ein Tag. Ich habe morgens meine Kolumne für die Wochenzeitung Demokratischer Widerstand geschrieben und mich dort mit einem Portal beschäftigt, das vorgibt, die deutsche Medienwelt zu revolutionieren. Große Namen, großes Geld. Julian Reichelt, Ralf Schuler und Jan Fleischhauer, bezahlt von Frank Gotthardt, der über die digitale Medizin zum Milliardär wurde und anschließend fast zwangsläufig zum Fernsehen, zum Profisport und zum Journalismus gekommen ist. Wer viel mehr besitzt als der große Rest, muss die Masse ablenken und auf andere Fährten locken. Sonst kommen die Leute noch auf dumme Gedanken. Was verspricht uns Nius ganz folgerichtig? Genau. Wir sind „Die Stimme der Mehrheit“. Schauen Sie selbst, wer oder was dort zu Ihnen spricht.

Mittags habe ich dann einen Bekannten getroffen, der ziemlich wichtig ist in der Opposition, die in den letzten drei Jahren außerhalb von Parlamenten und Parteien gewachsen ist, weil er Bedarf, Einsatzbereitschaft und Sponsoren verlinkt. Heißt: Wer eine Idee hat oder in Not ist, der ist bei ihm genau richtig. Ich suche diese Gespräche, um zu lernen, was gerade läuft und wo es hakt. Wir stehen vor einer Durststrecke, hat er gesagt, auch bei den neuen Medien, auch in der Gegenöffentlichkeit. Die Inflation, die Müdigkeit. Dazu die Skandale in der Demokratiebewegung. Goldbarren und überhaupt. Die Leute sehnen sich nach Ruhe, nach Normalität, nach einem schönen Sommer. Die Spenden gehen überall zurück, auch bei den Daueraufträgen, die das Fundament sind, weil sich jede Redaktion zwar freut, wenn zehn Euro für einen Artikel oder ein Video kommen, aber nur planen kann, wenn sie weiß, dass das keine Eintagsfliege war.

Wir haben über Schwarz auf Weiß gesprochen, ein Portal von Paul Brandenburg, das im Frühjahr so hoffnungsvoll gestartet war, mit Nachrichten an jedem Wochentag, mit Analysen, mit Berichten, und nun gewissermaßen über Nacht wieder verschwunden ist. Ich habe über apolut berichtet, wo die letzte Staffel der Reihe „Im Gespräch“ nur mit halber Kraft gedreht werden konnte. Die Produktion ist immer noch so aufwendig wie einst bei KenFM, aber anders als damals gibt es heute viel mehr Konkurrenz und auch viel mehr gute Interviewer. Geld und Aufmerksamkeit verteilen sich folglich auf viel mehr Köpfe. Eine Lösung hatten wir nicht. Durchhalten, irgendwie.

Normalerweise starte ich den Tag mit einem Newsletter, der alles liefert, was Medienhäuser und Journalisten gerade umtreibt. Gestern hatte ich das geschoben. Die Kolumne, das Gespräch. Abends habe ich dort eine Antwort gefunden, geliefert von Kollegen aus meiner akademischen Heimat, dem Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Ich muss vorwegschicken, dass wir dort seit einigen Jahren einen Professor aus England haben. Die Studie, über die der Newsletter berichtet hat, war dort gelaufen, inspiriert von den Schwierigkeiten der großen Verlage, online etwas zu verdienen. Wie muss ich das Publikum ansprechen, damit die Leute bereit sind, über die Bezahlschranke zu hüpfen? Locke ich mit exklusiven Inhalten?

Verspreche ich den Zugang zu einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, mit denen man diskutieren kann und sich vielleicht sogar treffen? Oder ist es besser, die Hosen runterzulassen, einen Kassensturz zu machen und an den Altruismus zu appellieren, also darauf hinzuweisen, dass es allen besser geht, wenn es guten Journalismus ohne irgendwelche Abhängigkeiten und Zwänge gibt?

Natürlich: Solche Untersuchungen haben immer einen Haken und manchmal sogar mehrere. Hier wurden die Teilnehmer in einem Panel rekrutiert, das auf akademische Forschung spezialisiert ist. Wer sich damit nicht auskennt: Man lässt sich registrieren und bekommt dann immer wieder Fragebogen zugespielt, in der Regel gegen etwas Geld. Die 815 Teilnehmer sind folglich nicht einmal für Großbritannien repräsentativ und schon gar nicht für das Publikum von Manova oder von anderen Portalen der Gegenöffentlichkeit. Die Ergebnisse sollten hier trotzdem zu denken geben. Am wichtigsten: Wenn normativer Appell und Transparenz zusammenkommen, dann steigt die Bereitschaft zur Unterstützung. Noch einmal anders formuliert: Eine Redaktion, die im Internet Erfolg bei den Spendern haben will, muss nicht nur journalistische Qualität liefern, sondern auch einen Blick in ihre Kassen erlauben. Selbst in schwierigen Zeiten werden die Menschen bereit sein, etwas zu geben, wenn sie wissen, dass es genau diesen Beitrag braucht.

Das ist der Trick von Portalen wie Nius, die letztlich auf dem gleichen Boden gedeihen wie Tageszeitungen und kommerzielles Fernsehen: Sie versprechen Unabhängigkeit und Objektivität, verschleiern aber, wer hinter ihnen steht.

Man muss sich nur ein paar Minuten Zeit nehmen und die Liste der reichsten Deutschen durchgehen, nicht von ganz oben, aber fast. Mohn, Springer, Bauer, Burda, Holtzbrinck, DuMont, Funke. Da sind die meisten noch dabei. Wer aber kennt Dieter Schaub, rund anderthalb Milliarden Euro schwer, aus Ludwigshafen, dem dort die Rheinpfalz gehört, in Chemnitz die Freie Presse und mittlerweile in gewisser Weise auch die Stuttgarter Presse mit all ihren Verästelungen und die Süddeutsche Zeitung? Wer kennt Simone Tucci-Diekmann, mit 250 bis 300 Millionen Euro auch nicht wirklich arm, Verlegerin der Passauer Neuen Presse und nach einer Shoppingtour inzwischen Herrin über mehr oder weniger alles, was im Osten Bayerns mit Medien zu tun hat?

Ich höre hier mal auf. Das Wetter ist einfach zu schön. Wenn wir das weiter genießen wollen, müssen sich beide überwinden — die Leser der neuen Medien genauso wie die Redaktionen, die Tag für Tag gegen das anschreiben, was uns die Gotthards, Schaubs, Diekmanns einreden wollen über Kanäle, die zwar behaupten, frei zu sein, es aber nie und nimmer sind.


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