Frauke Brosius-Gersdorf? Wer zum Henker ist Frauke Brosius-Gersdorf? Bis vor einigen Tagen hätte das kaum jemand in diesem Land beantworten können. Sicher, so ganz unbekannt war sie nicht — spätestens als dieser Staat zu einer einzigen großen Impfkampagne wurde, fiel auch mal ihr Name.
Gefragt wurden ja damals allerlei Bürger, wie sie das mit einer Impfpflicht sähen. Besonders gebraucht wurden hierbei Menschen mit juristischem Hintergrund, die diesen nutzten, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Bürger wegzufachsimpeln.
Frauke Brosius-Gersdorf war und ist noch immer so eine Juristin und sprach sich sehr scharf für eine generelle Impfpflicht aus.
Später verkündete sie, dass ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD notwendig wäre und verwies hierbei auf die Verfassungsschutzbehörden, die genug Material gesammelt hätten, damit dieser Schritt nun gegangen werden könne. Meinte sie etwa jenes teilweise krude und aufgebauschte Zeug, das im letzten Verfassungsschutzbericht stand, den die scheidende sozialdemokratische Bundesinnenministerin Nancy Faeser noch schnell veröffentlichte? Aktuell wollte die SPD, dass die Juristin Brosius-Gersdorf Richterin am Bundesverfassungsgericht wird — man schwatzte dem großen Koalitionspartner die Kandidatin auf. Doch dann entstand Unruhe in den Reihen der Union, die Nominierung der Richterkandidaten fiel ins Wasser und die Deutschen erleben in diesem Lande mal wieder Staatskrise und toxische Männlichkeit in einem.
Eine Kandidatin, die nicht aus der Mitte kommt
In der Union rührte es aber niemand, weil Brosius-Gersdorf einst die Impfpflicht befürwortete oder die AfD verbieten will. Eine ganz spezielle Position musste manches konservative Gewissen in eine Notlage bringen — und in den hinteren Bänken des Bundestages gibt es tatsächlich noch CDU- und CSU-Mitglieder, die konservativer sind, als es ihre Parteiführungen je waren. Die Positionen der Juristin zum Schwangerschaftsabbruch sind nämlich so radikal, ja geradezu so rabiat, dass man gar kein Konservativer sein muss, um — gelinde gesagt — Bedenken zu haben. Denn Brosius-Gersdorf interpretiert Menschenwürde recht limitiert. Sie gilt aus ihrer Sicht erst, wenn der Mensch das Licht der Welt erblickt hat. Das bedeutet auch, dass ein neunmonatiger Fötus noch nicht diesen Anspruch anmelden kann — eine Abtreibung bis ultimo der Schwangerschaft sei deswegen straffrei zu stellen.
An dieser Stelle soll jetzt nicht ausgiebig darüber debattiert werden, was eine solche Regelung bedeuten würde. Nur so viel: Ein Abtreibungsrecht bis in den neunten Schwangerschaftsmonat hinein als Menschenrecht zu deklarieren, ist aus vielen Gründen nicht nur gewagt, sondern geradezu menschenfeindlich. Immerhin muss medizinisches Fachpersonal im schlimmsten vorstellbaren Fall einen Menschen töten, der annähernd oder schon tatsächlich so weit wäre, geboren zu werden. OP-Personal würde also ein Leben auslöschen, um das Menschenrecht der jetzt nicht mehr werdenden Mutter zu garantieren und damit deren Menschenwürde sicherzustellen: Das ist an Verwegenheit kaum zu überbieten, denn jeder an der Abtreibung Beteiligte würde so zum Erfüllungsgehilfen ideologischer Radikalismen degradiert — als einen solchen sah Brosius-Gersdorf ihn ja offenbar auch schon zu Zeiten der Impfpflichtdebatte. Wie wird das medizinische Fachpersonal überhaupt seelisch damit fertig, ein fast überlebensfähiges Baby zerschneiden zu müssen, um es aus dem Leib der Schwangeren zu entfernen?
Man muss gar nicht grundsätzlich gegen das Recht auf Abtreibung sein, um so ein radikalfeministisches Abtreibungsrecht als gesellschaftspolitischen Zündstoff zu begreifen.
Verbunden mit diesem neunmonatigen Recht auf Schwangerschaftsabbruch würde übrigens auch die Beratungspflicht entfallen — das hieße, dass beliebig abgetrieben werden könnte. Als Kassenleistung vermutlich. Die Sozialdemokratie hat offenbar nicht nur ein Faible für Menschen, die weit von der Mitte der Gesellschaft — und als Koalition der Mitte versteht sich diese Bundesregierung bekanntlich — sehr spezielle Ansichten pflegen: Sie kujoniert damit auch noch ihren Koalitionspartner. Wie kann sie der Union eine solche Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht aufnötigen wollen? Dass das schief gehen muss, lag doch auf der Hand. Aber was heißt denn da „schief gehen“? Es lief ja alles richtig!
Nicht koalitionsfähig
Denn mehr und mehr drängt sich ein Eindruck auf: Die SPD hat neben ihrem Regierungsauftrag noch eine andere Agenda, die sie erfolgreich erfüllen möchte. Sie führt einen Kampf gegen das Konservative, weil ihr selbst das schon zu rechts ist. Die Causa Brosius-Gersdorf legt das nahe. In einer Koalition, die auf Augenhöhe stattfindet, hätte man einen versöhnlicheren Kandidaten gewählt; einen, bei dem die Union nicht ihr Gesicht verlieren würde. Diese Personalie hatte aber Charme für die kulturkämpferischen Sozialdemokraten, denn entweder würde die Union Brosius-Gersdorf durchwinken und damit vielen Menschen im Lande — insbesondere CDU- und CSU-Wähler — hart vor den Kopf stoßen. Oder aber die Fraktion begehrt auf und schon ist wieder alles für die Inszenierung einer Staatskrise vorbereitet, auf die SPD ebenso wie Grüne so stehen.
Erst sah alles so aus, als würden die Christdemokraten und die Christsozialen mitziehen. Friedrich Merz entblödete sich nicht, auf die Frage der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch, ob er die Nominierung einer solchen Kandidatin mit seinem Gewissen vereinbaren könne, ein schroffes „Ja“ folgen zu lassen. Dann aber die Wende, es wurde vorab bekannt, dass unzählige Abgeordnete der Union — die Rede war von 50 bis 60 — Brosius-Gersdorf nicht wählen würden. Deswegen nahm die Bundesregierung die Nominierung von der Agenda und schob sie erstmal bis auf weiteres auf. Prompt sprach die SPD von schlechtem Stil, Fraktionschef Matthias Miersch, sprach völlig überzogen gar von der „bewussten Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts und unserer demokratischen Institutionen“. Das sei brandgefährlich, erklärte er noch zusätzlich und malte damit wohl die Gefahr an die Wand, dass die AfD von diesem Vorgang profitieren könne. Überhaupt sei die Union vor der AfD eingeknickt, denn die habe im Vorfeld ebenfalls Bedenken geäußert — von solchen Bedenken dürfe man sich aber freilich nicht beeindrucken lassen.
Das Thema des Schwangerschaftsabbruches sei ja bekanntlich, so vernahm man es, von den Rechten besetzt, da spielten sie sich als Lebensschützer auf — womit auch gleich alle Katholiken verortet werden.
Die Sozialdemokraten stehen übrigens weiter zu ihrer Kandidatin, sie wollen unbedingt, dass sie Verfassungsrichterin wird. Kompromiss? Nicht mit der SPD! Sie zeigt sich als eigentlich das, was auch der AfD immer unterstellt wird: Als nicht koalitionsfähig!
Synchron dazu unken auch die Grünen, dass dieses Land in einer totalen Staatskrise stecke. Britta Haßelmann warf dem Bundeskanzler im Bundestag vor, er habe einen Amtseid geschworen, um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden — aber er habe ihn gebrochen, weil er die Richterwahl abgeblasen habe. Vielleicht hat er ihn ja gerade deswegen erfüllt? So jedenfalls könnte man es auch interpretieren. Allerdings finden sich in den Mainstream-Medien keine Stimmen, die das so aufdröseln. Stattdessen melden sich Frauen aus Journalismus und Politik zu Wort, die wieder mal wissen, woran es lag: Starke Frauen haben es schwer, daher habe man Frauke Brosius-Gersdorf vereiteln wollen. Es war also mal wieder der toxische Mann: Wann kommt die erste Forderung, nur Frauen abstimmen zu lassen, ob die Juristin nun nach Karlsruhe darf oder nicht? Selbst die Undiplomatin — oder schreibt man UN-Diplomatin? — Annalena Baerbock meldete sich aus dem fernen New York zu Wort: „Kein Zufall, mit welch diskreditierenden Methoden (erneut) eine hochqualifizierte Frau zu Fall gebracht werden soll“, schrieb sie bei X. Eine solche „hochqualifizierte Frau“ hat auch Frau Baerbock zu Fall gebracht: Diplomatin Helga Schmid, die eigentlich für die Position vorgesehen war, die nun die ehemalige Außendienstmitarbeiterin Baerbock besetzt. Erkennt denn eigentlich überhaupt keiner, dass die Sozialdemokraten ganz gezielt eine Kandidatin in den Ring geworfen haben, die eigentlich nicht tragbar ist für die Union, um damit jeden für untragbar zu erklären, der nicht sofort mit großem Hurra alles mitträgt, was die SPD so will?
Eine Brandmauer gegen die Sozis
Die Sozialdemokraten führen in dieser Koalition einen Kampf gegen ihren Koalitionspartner. Wie konnte die Union nur so dumm sein, sich unter dieser Kanzlerschaft mit einem Koalitionspartner ins Bett zu legen, der kürzlich noch skandierte, dass die CDU und CSU zusammen mit der AfD die größte Gefahr für dieses Land seien?
Hat denn niemand gesehen, dass die Sozialdemokraten in einem Todeskampf stecken, der von fast reaktionärer Rücksichtslosigkeit geprägt ist? Denn die SPD hat keine eigene Kontur, sie braucht den Kontrahenten, um sich eine Form zu verpassen.
Dabei radikalisiert sie sich beträchtlich und sieht in der gesellschaftlichen Mitte, in der man radikale Ideen eher nicht verfolgt, wie sie etwa Frauke Brosius-Gersdorf vorschweben, schon die konservative und damit die rechtsradikale Gefahr hochwabern — dennoch ist diese SPD Koalitionspartnerin in einer Bundesregierung, die sich als eine der Mitte sieht.
Die Union hat selbst genügend offene Flanken und Probleme — hinzukommen aber noch die tiefgreifenden Problematiken des Koalitionspartners, die dieser wiederum an der Union auslebt und therapiert. Sicher, die Beteiligten sahen diese Koalition immer als Vernunftsehe. Aber auch ein solches Arrangement auf Grundlage rationaler Zwänge benötigt Kompromissbereitschaft. Die SPD fungiert jedoch in dieser Konstellation so, als habe sie die letzten Bundestagswahlen haushoch gewonnen und brüskiert regelmäßig den Partner. Immer wieder konfrontiert sie die Union mit der AfD, von der man sich fernhalten müsse. Sie tut es wie eine Ehefrau, die weiß, dass sie den Gatten verlieren könnte — und die ihn am Ende auch verlieren wird, weil sie ihn mit ihren dauernden spitzen Bemerkungen zur Anderen trieb. Die Union weiß, dass sie mit der AfD erpressbar ist — und nimmt die SPD-Allüren hin. Wie lange soll das gutgehen?
Die SPD-Oberen scheuen sich auch nicht, staatliche Institutionen zu nutzen, um sie für sich und gegen ihre Gegner und Partner einzusetzen. So geschehen bei der aktuellen Causa um das Bundesverfassungsgericht. Schon als der Bundestag vor der Regierungsbildung zusammenkam, um über das Zustrombegrenzungsgesetz zu entscheiden, haben die Sozialdemokraten diese Debatte genutzt, um damit parteipolitisch Stimmung zu machen. Die SPD, die vorgibt, diesen Staat zu schützen vor dem Übergriff der Antidemokraten, missbraucht staatliche Institutionen, um sich damit unlauter im Spiel zu halten — in einem Spiel, das sie mehr oder mehr verliert, Forsa und Infratest-dimap sehen die SPD momentan bei 13 Prozent stehen, also mehr als drei Prozentpunkte hinter dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten, das die Genossen im Februar dieses Jahres einfuhren. Britta Haßelmann sprach ja — wie oben erwähnt — vom Schaden, der vom Volk abzuwenden sei: Sie sollte das mal den Sozis predigen, die mit ihrem existenziellen Verschleppungskampf dauernd einen solchen Schaden verursachen. Und wenn sie fertig ist, könnte sie dieselbe Rede ihren eigenen Parteikollegen zumuten. Es sind die beiden Parteien der Restampel, die dreckig spielen — mit „unserer Demokratie“.

Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder unterstützen Sie uns durch den Kauf eines Artikels aus unserer Manova-Kollektion .