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Missbrauchte Monopolstellung

Missbrauchte Monopolstellung

Ist die Wasserversorgung in öffentlicher Hand, kann dies zu überhöhten Preisen und Qualitätsmängeln führen — wird sie privat betrieben, gilt allerdings dasselbe.

In der nordhessischen Metropole Kassel haben die Hauseigentümer jahrelang zu hohe Wassergebühren gezahlt. Dies hat kürzlich der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) festgestellt. (1) So erklärten die zuständigen Richter in einem Urteil vom Dezember 2023 die Wassergebühren in Kassel und der nahe gelegenen Kleinstadt Vellmar für rechtswidrig. Konkret bemängelten sie, dass die Stadt Kassel über ihren Eigenbetrieb Kasselwasser seit 2012 zu Unrecht eine 15-prozentige Konzessionsabgabe auf die Gebühren aufschlägt. Dadurch flossen pro Jahr mehr als vier Millionen Euro zu viel in die Stadtkasse — zahlen mussten diese die rund 70.000 Hauseigentümer.

Abgabe in Kassel rechtswidrig

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Aufschluss darüber gibt ein Blick zurück ins Jahr 2012. Seinerzeit hatten sich die politisch Verantwortlichen in Kassel dazu entschieden, die Wasserversorgung wieder in kommunale Hände zu geben. Dazu wurde der Eigenbetrieb Kasselwasser gegründet. Ziel war es, der Preiskontrolle durch die Landeskartellbehörde zu entgehen, die für kommunale Betriebe nicht zuständig ist.

Die Behörde hatte in den Jahren davor den damaligen Wasserversorger Städtische Werke immer wieder aufgefordert, die Wasserpreise zu senken. Am Ende musste das Unternehmen 17,8 Millionen Euro an die Kunden zurückzahlen, was für die Stadt wiederum mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden war.

Um dies künftig zu vermeiden, stimmten die Stadtverordneten 2012 für die Gründung des Eigenbetriebs Kasselwasser. Dieser erhebt seitdem die Gebühren. Der Betrieb des Wassernetzes läuft aber weiter über die Städtische Werke Netz und Service GmbH. Die in diesem Zusammenhang erhobene Konzessionsabgabe hat der VGH nun für rechtswidrig erklärt. Diese kann nämlich nur dann eingezogen werden, wenn privatrechtlich organisierte Versorger Leitungen unter öffentlichen Straßen betreiben. Ein städtischer Eigenbetrieb wie Kasselwasser darf diese Abgabe jedoch nicht erheben. Die Hauseigentümer in Kassel können nun mit einer Erstattung der zu viel gezahlten Gelder rechnen.

Gebührenexplosion in Rostock

Probleme mit zu hohen Wasserrechnungen haben derzeit auch die Bürger in Rostock (2). Diesen droht nämlich ab 2025 eine Gebührenerhöhung von bis zu 50 Prozent. Grund dafür ist eine Entscheidung aus dem Jahr 2018. Damals ließ die Stadt den Vertrag mit dem privaten Versorger Eurawasser auslaufen und beauftragte das eigene Unternehmen Nordwasser mit der Versorgung. Dies sollte eigentlich zu sinkenden Gebühren für die Bürger und höheren Einnahmen für die Stadt führen. Doch das Gegenteil ist eingetreten. Der Warnow-Wasser- und Abwasserverband (WWAV), Träger der öffentlichen Wasserversorgung in Rostock, macht dafür den Zustand der Wassernetze verantwortlich. Der Investitionsbedarf sei höher als bei der Übernahme angenommen, hieß es.

Zwischen den Parteien in der Rostocker Bürgerschaft ist nun ein Streit um die Zukunft des stadteigenen Versorgers Nordwasser entbrannt. Während die FDP wieder den „alten“ privaten Versorger Eurawasser beauftragen will, sieht die Linke die Verantwortung für die Misere gerade bei jenem alten Versorger. Dieser habe die Infrastruktur „auf Verschleiß“ gefahren.

Das Negativbeispiel in punkto Wasserversorgung liefert derzeit jedoch die britische Hauptstadt. Der London-Korrespondent der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Philip Plickert, beschrieb den Zustand der britischen Wasserversorgung kürzlich wie folgt:

„Abwasser mit Fäkalien, das tausendfach Flüsse und Seen verschmutzt. Veraltete Infrastruktur mit häufigen Rohrbrüchen. Steigende Kosten und kräftige Preiserhöhungen, dazu horrende Schuldenberge von zig Milliarden. Undurchsichtige Unternehmensstrukturen, in denen Millionendividenden an Fonds und Investoren abfließen trotz zweifelhafter finanzieller Stabilität der Unternehmen.“ (3)

Privatisierungsoffensive in Großbritannien

In Großbritannien hatte Ende der 1980er Jahre die damalige Premierministerin Margaret Thatcher eine breite Privatisierungsoffensive angestoßen. Mehr als 50 öffentliche Unternehmen, darunter alle Versorger, wurden in private Hand überführt (4). Das Vorgehen war ideologisch motiviert. Thatcher, die den Ideen des österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek anhing, ging davon aus, dass Unternehmergeist und privates Kapital grundsätzlich zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen führen als staatliches Engagement —selbst in monopolisierten Bereichen wie der leitungsgebundenen Versorgung.

Doch es kam anders als gedacht.

Statt in die Infrastruktur zu investieren, fuhr der Londoner Wasserversorger Thames Water diese auf Verschleiß. Das Ergebnis: Inzwischen geht knapp ein Viertel des Leitungswassers durch Lecks verloren.

Auch wurden die Gewinne nicht reinvestiert, sondern an die Aktionäre ausgeschüttet. Oftmals handelt es sich dabei um Finanzinvestoren, für die natürliche Monopole ein lukratives Investment sind, da sie stetige und stabile Renditen versprechen. Eine goldene Nase hat sich hier vor allem die australische Gruppe Macquarie verdient, eine auf Infrastruktur spezialisierte Investmentbank. Der FAZ-Korrespondent Plickert schrieb dazu:

„Als die Unternehmen 1989 privatisiert wurden, hatten sie schuldenfreie Bilanzen. Heute ist der Sektor mit mehr als 60 Milliarden Pfund (70 Milliarden Euro) verschuldet. In etwa gleicher Höhe haben die überwiegend ausländischen Eigentümer sich Dividenden auszahlen lassen.“


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.hna.de/kassel/kartellamt-nun-raecht-sich-flucht-vor-92719097.html
(2) https://www.ostsee-zeitung.de/lokales/rostock/versorger-verband-fordert-rostock-soll-wasser-wieder-privatisieren-AEWLGEXF35C45AXXM4MKZBFJKY.html
(3) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/englands-elend-mit-den-wasserversorgern-19438386.html
(4) https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-07/privatisierung-grossbritannien-thames-waterwasserwerke-margaret-thatcher

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