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Moralischer Schall und Rauch

Moralischer Schall und Rauch

Die Angriffe auf Huthi-Stellungen im Jemen, die die USA mit einigen Verbündeten geflogen sind, entlarven endgültig deren wohlklingende Rechtfertigungsnarrative.

von Norman Solomon

Haben Sie schon den (Witz) über die US-Regierung gehört, die eine „regelbasierte internationale Ordnung“ will?

Es ist erschütternd lachhaft, aber die Medienkanäle des Landes nehmen solche Behauptungen routinemäßig ernst. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Spitzenbeamte in Washington ihr Land nicht gerne und nur als letzten Ausweg in den Krieg schicken.

Es war das typische Framing, als die New York Times folgenden Satz ganz oben auf der Titelseite druckte:

„Die Vereinigten Staaten und eine Handvoll ihrer Verbündeten führten am Donnerstag Militärangriffe gegen mehr als ein Dutzend Ziele im Jemen aus, die von der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz kontrolliert werden. Dies sei, so US-Beamte, in einer Ausweitung des Kriegs im Nahen Osten erfolgt, den die Biden-Regierung drei Monate lang zu vermeiden versucht hatte.“

Von Anfang an also stellte die Berichterstattung den von den USA geführten Angriff als eine widerstrebend ausgeführte Aktion dar — nachdem alle friedlichen Optionen fehlgeschlagen waren, und nicht als einen aggressiven Akt gegen das Völkerrecht.

Am Donnerstag gab Präsident Biden eine rechtschaffen klingende Erklärung ab:

„Diese Angriffe sind eine direkte Antwort auf beispiellose Angriffe der Huthis auf internationale Schiffe im Roten Meer.“ Er erwähnte nicht, dass die Angriffe der Huthis in Reaktion auf Israels mörderische Belagerung Gaza’s erfolgten. Laut CNN „könnten sie beabsichtigen, Israels Verbündeten wirtschaftlichen Schaden zuzufügen — in der Hoffnung, dass diese dann Israel unter Druck setzen, die Bombardierung der Enklave zu beenden.“

Wie Common Dreams berichtet, haben Huthi-Kräfte in der Tat „begonnen, in Reaktion auf Israels Angriff auf Gaza Raketen und Drohnen auf Israel abzuwerfen und den Schiffsverkehr im Roten Meer anzugreifen.“ Und wie Trita Parsi vom Quincy Institute betonte, „haben die Huthis erklärt, dass sie damit aufhören werden“, Schiffe im Roten Meer anzugreifen, „wenn Israel“ das Massenmorden in Gaza „beendet“.

Dies würde jedoch echte Diplomatie erfordern — eine Lösung, die weder Präsident Biden noch Außenminister Blinken zusagt. Das Duo macht seit Jahrzehnten gemeinsame Sache und hinter ihrer hochtrabenden Rhetorik verbirgt sich das stillschweigende Prinzip, dass Macht das Recht schafft.

Von diesem Prinzip wurde Mitte 2002 stillschweigend ausgegangen, als der damalige Senator Biden den Anhörungen des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen vorsaß, der für die Unterstützung der USA bei der Invasion des Iraks warb — Blinken war damals Stabschef des Ausschusses.

Nun, da er dem Außenministerium vorsteht, propagiert Blinken gerne die Notwendigkeit einer „regelbasierten internationalen Ordnung“. Während einer Rede in Washington im Jahr 2022 verkündete er die Notwendigkeit, „die Beziehungen zwischen den Staaten zu regeln, Konflikte zu vermeiden und die Rechte aller Menschen zu wahren“. Vor zwei Monaten erklärte er, dass die G7-Staaten geeint für „eine regelbasierte internationale Ordnung“ einträten.

Seit mehr als drei Monaten jedoch unterstützt Blinken das anhaltende methodische Morden palästinensischer Zivilisten in Gaza mit einem kontinuierlichen Strom oberflächlicher Rhetorik. Vor ein paar Tagen verteidigte er — trotz ausgiebiger Beweise einer genozidalen Kriegsführung — auf einem Podium der US-Botschaft in Israel eben dieses Land und behauptete: „Der Vorwurf des Völkermordes ist unbegründet.“

Die Huthis sind erklärtermaßen mit dem palästinensischen Volk solidarisch, während die US-Regierung weiterhin das israelische Militär, das Zivilisten massakriert und Gaza systematisch zerstört, mit Waffen aufrüstet. Blinken ist so tief in die Orwell´schen Botschaften verstrickt, dass er mehrere Wochen nach Beginn des Abschlachtens twitterte, die Vereinigten Staaten und ihre G7-Partner stünden „vereint in unserer Verurteilung des russischen Kriegs in der Ukraine, in unserer Unterstützung von Israels Recht zur Selbstverteidigung gemäß dem Völkerrecht und in der Aufrechterhaltung einer regelbasierten internationalen Ordnung“.

Dass die Verantwortlichen der US-Außenpolitik der Öffentlichkeit ein extremes Doppeldenken aufnötigen, ist nichts Ungewöhnliches. Was sie betreiben, ist ein gutes Beispiel für das Doppeldenken in George Orwells Roman „1984“:

„Zu wissen und nicht zu wissen; sich der absoluten Wahrheit bewusst zu sein und gleichzeitig sorgfältig konstruierte Lügen zu erzählen; gleichzeitig zwei Meinungen zu haben, die sich aufheben und von denen man weiß, dass sie sich widersprechen, und an beide zu glauben; Logik gegen Logik auszuspielen; Moral abzulehnen und sie gleichzeitig für sich zu beanspruchen …“

Nach Bekanntwerden der Angriffe auf den Jemen äußerten sich einige Demokraten und Republikaner im Repräsentantenhaus gegen Bidens unverhohlenen Verstoß gegen die Verfassung, bei dem er den Kongress umging und auf eigene Faust in den Krieg zog. Manche der Kommentare waren lobenswert deutlich; am deutlichsten jedoch war wohl eine Erklärung des Kandidaten Joe Biden am 6. Januar 2020:

„Ein Präsident sollte diese Nation niemals ohne die informierte Zustimmung der US-Bevölkerung in den Krieg führen.“

Genau wie diese Wegwerfplattitüde ist auch der ganz Orwell’sche Unsinn, den die Spitze der US-Regierung über das Streben nach einer „regelbasierten internationalen Ordnung“ von sich gibt, nichts als ein dreister PR-Schwindel.

Die ganzen derzeitigen offiziellen Vernebelungsaktionen können nicht über die Realität hinwegtäuschen, dass die US-Regierung die mächtigste und gefährlichste Banditenregierung der Welt ist.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „With Attack on Yemen, the U.S. is Shameless: ‘We Make the Rules, We Break the Rules’“ bei CounterPunch. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.


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